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Sächsische vorfzeitung Bezugsbedingungen: vk „vorszeltung" rrlcheint jeden Wochentag nachmittag» b Uhr mit dem Datum de» folgenden lag«», vir vrMtgrgebühr beträgt 1.80 Mart vierteljährlich oder t>0 pfg. für jede« Monat. Vie .vorfzeitung" tft zu beziehen durch di« kaiserlichen poltanstalten, di« Landbriefträger und durch unser« Voten, vet freier Lieferung in» ksau» erhebt die Post noch di« Austeilung»»,dühr von «ü Pf». Telegramm-Ndr.: Vorfzeitung Dresden. Anzeiger für Stadt und Land mit der Beilage: „Illustriertes Sonntags-Blatt" Amtsblatt für die Rgl. Amtshauptmannschaften Vresden-Llltstadt und Dresden-Neustadt, für das Rgl. Amtsgericht Dresden, die Rgl. Forstrentämter Dresden, Moritzburg, Tharandt und die Gemeinden (vberlößnitz und Radebeul. Anzeigen-Preise: Di« einspaltig« Seil« lb pfg. unter »Eingesandt* «0pfa ttnzeiarn.iinnahme erfolql bt» mtttaU» 12 Uhr. — «nnahmeltellen släd: Unser« L^chaf1»st«ll«, kleine Meihner Galle llr. 4, änvalidendank, vanlenstein 8» Vogler, Nud. Moss«, <b- L. Daube Sr Lo. in Leipzig, Frankfurt « M.; L Uohl In lielseltdor^; ksuqv Müchler in llStzschen. broda, «vtto vittrich in Uettzendarf, isugo «vpitz in Leubnitz-Neuostra, LmUNollau in kladedeul, und. Grimm in vrerden.Wölfnitz, Friedrich keuchen in Lossebaud«, Otto liunath tn Cotta, Mar Zeurich in Loschwitz. Telephon: Dresden, Nr. Z416. Nr. 157. Dresden, Sonntag, den y. Juli 1905. 67. Jahrgang. Das dteueste. Die „Hohenzollern" mit dem Kaiser und die »Iduna" mit der Kaiserin und der Prinzessin Viktoria Luise an Bord sind gestern auf der Reede von Glücksburg eingetroffen. Der bremische Senat hat den Antrag der Bürgerschaft, die Schuldeputation berichten zu lassen, wie der Religionsunterricht in den Volksschulen durch Moralunterricht zu ersetzen sei, abgelehnr. Nach einer amtlichen Feststellung beträgt der durch den Aufstand in Deutsch-Südwestafrika an gerichtete Schaden über 13 Millionen Mark. Die Menschenverluste betragen an Toten, Verwundeten und Verunglückten bis zum 5. Mai I90ö im ganzen 1432 Mann. Im französischen Ministerrate bezeichnete Minister Rouvier den Abschluß der Verhandlungen mit Deutschland als unmittelbar bevorstehend. Das russische Torpedoboot „Semitelny" das den „Potemkin" verfolgt, hat die russischen Stationsschiffe am Bosporus auf das Erscheinen des „Potemkin" vorbereitet. Die französischen Marinebehörden in Jndochina haben einen deutschen Dampfer „Lithun", der Kriegsmunition enthielt, beschlagnahmt. Unsere Südwestafrika-Kampfer. Kein Volk der Welt würde so wenig sich um die harten Kämpfe und schmerzhaften Opfer, um die un glaublichen Entbehrungen und um die glorreichen Helden taten seiner in weiter Ferne für die Ehre des Vater landes kämpfenden Landeskinder kümmern, als dies das deutsche Volk, wenigstens in seiner sehr großen Mehr heit, gegenüber unseren Südwestafrika-Krieger tut. Wir sprechen das offen, aber ohne Bitterkeit aus. Denn die Ursache ist ganz gewiß nicht nur sträfliche Gleichgültig keit gegen das Wohl und Wehe dieser Tapferen, sondern der Glaube an die ganz selbstverständliche Treue und Hingebung deutscher Krieger. Und doch kommt auch hier die altböse deutsche Unart, viel lieber für Fremdes statt für Eigenes sich zu interessieren, zum Vorscheine. Wir schweigen vom ostasiatischen Kriege, der als Ringen zweier Großmächte um die Siegespalme sich mit einem bloßen Kolonialkrieg, wie es der südwest afrikanische ist, nicht vergleichen läßt. Solchen Riesen schlachten zu Wasser und zu Lande, wie denen von Tsuschima und Mukden, folgt die ganze politisch inter essierte Welt mit fieberhafter Spannung, und die grau sigen revolutionären Zuckungen, die den schwer erkrankten Riesenleib Rußlands hin und her werfen, fesseln ebenso den Blick Europas wie Asiens mit magischer Gewalt. Aber wir erinnern an den Burenkrieg Wie richtete damals gerade das deutsche Auge und deutsche Herz sich auf Südafrika und den Heldenkampf des stammverwandten burischen Hirten- und Bauernvolkes gegen des raub süchtigen Englands erdrückende Uedermacht. Seit den Tagen von Metz und Sedan hat Deutschland nicht so einmütig aufgejubelt wie damals, als die Botha und Dewet Siey auf Sieg erfochten; vielleicht seit den Helden kämpfen bei Großgörschen und Bautzen hat es solange nicht gezittert, als da die Kunde von Paardeberg er kennen ließ, daß doch zuletzt der Kampf von je zehn gegen einen mit der Erdrückung der Buren-Republiken enden müsse. Haben nun unsere Südwestafrika-Krieger nicht auch zuerst yegen ungeheure Uebermacht gekämpft? Ringen sie nicht noch jetzt mit einem Feinde, der mit gemeinster Grau amkeit wildesten Mut und mit der ge schicktesten Anpassung an die Schwierigkeiten des Ge ländes eine unglaubliche Entbehrungsfähigkeit vereint? Ist der südwestafrikanische Krieg nicht durch eine Massen abschlachtung deutscher Kolonisten samt ihren Angehörigen absolut notwendig geworden, die an die Greuel der sizilianischen Vesper erinnert und die deutsche Volkschre engagierte? Hat endlich der britische Stiefvetter, der gar so gern unS den für ihn unbequemen Besitz Süd- westafriwS verekeln möchte, nicht seine Hand im Spiel gehabt, als HereroS wie Hottentotten sich vor Ausbruch des Krieges mit modernsten Feuerwaffen auSrüsteten? Hat er nicht eS gestattet, daß des geschlagenen Morenga Politische Weltschau. Deutsches Reick. Der Kaiser wird im An schluß an seinen Aufenthalt auf dem Truppenübungs platz bei Posen am 8. und 9. August einen Abstecher nach der Stadt Gnesen unternehmen, um dort u. a. den Dom zu besichtigen, für dessen Renovierung der Monarch bedeutende Summen gestiftet hat. Der Kronprinz hat die Ehrenmitgliedschaft der Berliner Drechsler-Innung angenommen. Wie bekannt, hatte der Kronprinz, einem alten Brauche im Hohen- zollernhause entsprechend, ein Handwerk und zwar die Drechslerei erlernt. Die Jaurss-Note. Nach den Pariser Berichten über die diplomatische Aktion des deutschen Reichskanzlers hat Fürst Radolin vorgestern Herrn Rouvier auch die Note über Jaurss mitgeteilt und dem Ministerpräsidenten anheimgegeben, sie dem Abgeordneten zugehen zu lassen. Von einer unmittelbaren Zusendung wurde Abstand genommen. Zu der Note schreibt Jauräs in seiner ^,Humanits": „DaS Verbot ist eins der entscheidendsten Anzeichen deS Anwachsens der Sozialdemokratie und und Morris Banden auf britisches Gebiet flüchteten, um dann mit neuen Waffenvorräten zurückzukehren und den Deutschen ein weiteres Gefecht zu liefern, daß, wenn es den Unfern auch neue Lorbeeren brachte, doch zu den blutigsten und opferreichsten des ganzen Krieges gehörte? Kein Zweifel: Mensch wie Natur, die Kugel aus dem Hinterhalt wie Durst und glühender Sonnen brand samt Typhus und Dysenterie machen den süd westafrikanischen Krieg zu einem der schwierigsten und langwierigsten, die man sich nur denken kann, und Tausende unserer jugendlichen Kriegsfreiwilligen hatten von all den ungeheuren ihrer wartenden Strapazen und Entbehrungen kaum von fern eine Ahnung. Ist aber gerade darum es nicht herzerhebend, zu sehen, wie todes mutig sie alle dennoch entbehren und kämpfen und wie ihre Offiziere sie so heldenhaft führen und mit ihnen so treulich alle Entbehrungen tragen? Gewiß, gerade unser Sachsenland hat um die letzte Weihnachtszeit freudig und gern durch seine Liebes gaben den wackeren Kriegern gedankt, aber die Tapferen haben auf mehr noch Anspruch als auf Geschenke, nämlich auf unser Herz, daß es mit freudigem Stolze ihr Kämpfen und Entbehrnngen, Siegen und Sterben begleite. Das darf nicht sein, daß nur sozial demokratische internationale Soldschreiber das Tun der Tapferen umschnüffeln, um, sobald eine Maß regel gegen den treulosen, tückischen Feind ihnen zu hart erscheint, den armen Wilden zu bemitleiden und unsere deutschen Brüder vor aller Welt zu verlästern! Aber das darf auch nicht sein, daß sonst ganz patrio tische Leute über die lange, lange Liste der bei Narus Gefallenen und Verwundeten flüchtig Hinweglesen, um dann sich darüber aufzuregen, wie stinkend das Fleisch und wie faulig der Sauerkohl auf dem „Potemkin" gewesen sein müsse, daß die tief bemitleidenswerten Meuterer sich gezwungen gesehen hätten, dafür ihren Kapitän samt seinen Offizieren zu knebeln und ins Meer zu stürzen. Gewiß, noch ist der südwestafrikanische Krieg nicht zu Ende, wenngleich im Norden die Kriegsfall so ziemlich erloschen erscheint und allzulange auch im Süden sie nicht mehr lodern dürfte. Was aber gerade im Gegensatz zu russischen Verhältnifsen dieser Krieg aufs glänzendste erwiesen hat, das ist die Schlagfertig keit unseres Heeres, seine feste, auf wechselseitige per sönliche Achtung gegründete Disziplin, das ist die Opferfähigkeit und Opferfreudigkeit des deutschen Kriegers, das eminente Pflichtbewußtsein des dentfchen Offiziers, und nicht zuletzt die altberühmte Unantastbar keit jener deutschen Beamten, denen die Verpflegung der Truppen obliegt und deren Hände der Schmutz ge meiner russischer Bestechlichkeit nun und nimmer berührt, noch berühren kann. Das alles einmal laut und freudig auszusprechen, war uns ein Herzensbedürfnis. Es darf nicht sein, daß über den Hämmerlingen von Odessa man die Helden von Narus vergißt. Gedenke, daß du ein Deutscher bist, und daß auch von den Zelten Trothas in den Steppen von Warmbad und im Geklüft der Karrasberae es gilt: Deinem Lager ist das Kleinod deutscher Ehre anvertraut und du hältst es in guter Wacht. der wachsenden Bedeutung ihrer nationalen und inter nationalen Rolle; je williger der Reichskanzler in höf lichen Formen den Takt und maßvollen Geist des französischen Sozialisten, der die Rede halten sollte, anerkennt, um so deutlicher läßt er die Unruhe erkennen, welche auch die starken und sich als stark bezeichnen den Regierungen vor dem Sozialismus erfaßt.' Tie „Pstite Rspublique" nennt das Verbot einen Sieg der französischen Rationalisten, die sich als die Vorkämpfer der Größe Frankreichs aufspielen. Der „Figaro" überschüttet Jauräs mit Spott. Weit auf geregter geberden sich selbstverständlich die deutschen Genossen. An der Spitze des „Vorwärts" veröffent lichen die „Vertrauenspersonen von Berlin und Um gegend" einen Aufruf an die „Parteigenossen und Genossinnen Berlins", der zur Beteiligung an einer auf Sonntag einberufenen Versammlung auffordert, die energischen Protest gegen die politische Maßregelung eines Mannes erheben soll, der „für Völkerfrieden und Volksfreiheit mehr geleistet hat, als die zünftigen Diplomaten beider Länder zusammen". An Stelle Jauräs wird der Reichstagsabgeordnete Fischer-Berlin über „Die internationale Reaktion" sprechen. Der „Vorwärts" selbst entleert aber seinen beträchtlichen Zorn in einem Leitartikel, dem die schöne Überschrift „Weltblamage" vorgesetzt ist, und in dem die gewohnte Phraseologie des sozialdemostatischen Zentralorgans un geahnte Orgien feiert. Von der Reichsfinanzreform wollen die „Hamb. Nachr." wissen, die Vorarbeiten seien soweit gediehen, daß über die Brausteuerreform Ueberein- ftimmung zwischen den Bundesregierungen erzielt worden sei. Dagegen herrschen angeblich über andere Steuerpläne, namentlich über die Reichserbschastssteuer, noch immer Meinungsverschiedenheiten. Diese dürften sich jedoch sobald beseitigen lassen, daß die Reichsfinanz reformvorlage dem Bundesrat zu Beginn des Herbstes werde unterbreitet werden können. Die S tudien fahrt der 8 Reichstagsabgeord neten nach Kamerun und Togo, die bekanntlich auf die Anregung des Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg, des Präsidenten der Deutschen Kolonial gesellschaft, erfolgt, wird, wie nach der „Post" nun mehr feststeht, am 10 August an Bord des Woermann- Dampfers „Eleonore Woermann" von Hamburg aus an getreten werden. Die Bitte des Deutschen Fleischertages an den Reichskanzler um Oeffnung der Grenze für Schlachtvieh wird, wie zu erwarten war, nicht erfüllt werden. Der Deutsche Fleischerverbandstag hat es ab gelehnt, eine Annäherung an die Mittelstandspartei zu befürworten. Angenommen wurde der Antrag des Be zirksvereins Sachsen: „An maßgebender Stelle der Reichsregierung dahm zu wirken, daß der zollfreie Grenzverkehr überhaupt in Wegfall kommt, und, sofern sich die Regierung zu einer gänzlichen Abschaffung des selben nicht bereit finden könnte, diese Vergünstigung dann nur der ärmeren Grenzbevölkerung zu teil wird. Diese Maßnahme ließe sich z. B. auf dem einfachen Wege der Erteilung von Erlaubniskarten durch die Ge meindeämter für minderbemittelte Grenzbewohner bis zu einer bestimmten Steuerklasse sehr leicht ermöglichen " Gegen den Mißbrauch von Krankenkassen geldern ist ein gerichtliches Urteil ergangen. In verschiedenen Krankenkassen war der Brauch eingerissen, den Vorstandsmitgliedern bezw. Delegierten diejenigen Kosten zu erstatten, die ihnen durch die Beteiligung an Veranstaltungen sozialpolitischer Art, so an Kongressen zur Bekämpfung der Tuberkulose, des Alkoholismus, von Volksseuchen, zur Erörterung der Wohnungs frage usw, erwachsen sind. DaS preußische Oberver- waltungsgericht hat nunmehr kürzlich entschieden, daß die Träger der Krankenversicherung Kassenmittel für die Entsendung von Vertretern zu Beratungen von Ver bänden, Kongressen und anderen Veranstaltungen, die sich nicht ausschließlich mit den gesetzlichen Aufgaben der Krankenkassen beschäftigen, nicht verwenden dürfen. Oesterreick «Ungarn. Das österreichische Abgeordnetenhaus nahm in der Nachtsitzung den deutschen Handelsvertrag und das Ermächtigungs gesetz zur Führung von Verhandlungen mit der Schweiz und Bulgarien an. Frankreick. Die gestrige Unterredung Rouvier- mit dem Fürsten Radolin erstreckte sich