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Nr. ISO. — 8. Jahrgang. D« tede« «ochentag Abend (mit Datu« folgenden Lage») zur Versendung «langende „Tächstsche LandeS-Anzeiger" «tt täglich einem besonderen Unter- altungSblatte und mit dem Extrabeiblatt Sächsischer r-imerStag, 7. SmN 188». Illustr. «ulender de» Sächsischen Sandbot«. Illnstrirte» Iahresbuch des Sander-ffuzeiger-. §ilili>ks-A«)kiger mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen nnd Thüringen. ederholung großer Annonce» ü Bei Bestellungen von AuSlvärt» wolle mau JnsertionSbetrag (in Briefmarke») beifügen e 8 Silben TorpuSschrif! bilden ca. 1 Zeile.) Innoncenannahm» nur bi» Bormittag. Ltklag'. MMn Bitile. Buchbrmkerei, Ehrmnitz. Lheaterstratze 8 (Fernfprechstelle Nr. ISS). Lelegr -Adr.: Lander-Anzeiger, Chemnitz. Mit täglich einem besonderen Unterhaltungsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 4. Sächsisches Allerlei — 6. Jv,»striktes Unterkaltnngsblatt — 6. Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Lustiges Bilderbuch. Amtliche Bekanntmachungen. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des Unterzeichnete» Amtsgerichts wurde heute auf Folium 1235 verlautbart, daß Frau Johanne Elise vcrw. Türk, geb. Igel, in Chemnitz die Firma August Geyer Nächst, daselbst aus dem Nachlasse des bisherigen Inhabers derselben zur Fortführung über nommen hat. Chemnitz, am 31. Mai 1888. Königliches Amtsgericht. Ueber das Vermögen der Strumpfwaaren-Handelsgeschäfts-Jnhabcrin Amalie Marie verw. Peter in Klaffenbach wird heute am 4. Juni 1888 Nachmittags 4 Uhr das Konkursverfahren eröffnet. Der Rechtsanwalt Löser in Chemnitz wird zum Konkursverwalter ernannt. Konkurssorderungen sind bis zum 2. Juli 1888 bei dem Gerichte anzumclden. Es wird zur Be schlußfassung über die Wahl einer andern Verwalters, sowie über die Bestell ung eines Gläubigerausschusses und eintretenden Falles über die in 8 12 > der Konkursordnung bezeichneten Gegenstände aus den 2l. Juni 1888 Nach mittags 4 Uhr und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf den 21. Juli 1888 Vormittags 10 Uhr vor dem Unterzeichneten Gerichte Termin anberaumt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird anfgegeben. nichts an den Gemeinschulder zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Ver pflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bis zum 6. Juli 1888 Anzeige zu machen. Königliches Amtsgericht zu Chemnitz. Telegraphische Nachrichten. Vom 5. Juni. Wien. Die serbische Regierung wies zwei bulgarische Emi granten wegen Verdachtes der Betheiligung an einer Bandenbildnng behufs Einfall in Bulgarien aus. — Die ungarische Opposition scheint die Aussichtslosigkeit und politische Unzweckmäßigkeit einer Fortsetzung des Feldzuges gegen Tisza wegen der Weltausstellung zu begreifen und die Angriffe einstellen zu wollen. Im gcgenthei- ligen Falle besäße übrigens Tisza in der Veröffentlichung des ganzen Verkehrs zwischen Kalnoky und Decrais ein zuverlässiges Mittel, um das Streben der Opposition, ihn bloßzustellen, zu vereiteln. Bukarest. Der frühere Cvmmunnlpolizist Freda Fontanaru, welcher am 7. Mai ein Attentat gegen den König zu verüben ver suchte, indem er gegen das Bibliothckzimmer des Palais zwei Schüsse absenerte, ist in's Irrenhaus abgcführt worden, um dort einer Beobachtung unterzogen zu werden. Paris. Fast sämmtliche Morgenblätter constatiren das gänz liche Fiasko Boulanger's in der gestrigen Kammcrsitzung. Sogar der „Jntransigeant" schreibt, Bvulanger hätte nur von der Revision und der Auflösung sprechen und seine individuellen Ansichten für sich behalten sollen. Nur in der heute zum ersten Male erschienenen, von Laguerre herausgegebenen „Presse" feiert Naquet Boulanger's in der Kammer verlesenes Manifest als das einzige klare Revisions- Programm. Potsdam, den 6. Juni, Mittags. Kaiser Friedrich hatte eine ziemlich gute Nacht und fühlt sich heute frisch. Er stand um tv Uhr auf. Ein heute ausgegebenes Bulletin lautet: Der Kaiser fühlte sich zwar nach der Uebersiedeluug hierher einige Tage etwas angegriffen, befindet sich aber zur Zeit ziemlich wohl. Der Kräfte zustand ist befriedigend. Politische Rundschau. Chemnitz, den 6. Juni. Deutsches Reich. Aus Schloß Friedrichskron. Das Befinden des Kaisers war gestern so ziemlich zufriedenstellend, aber immer noch nicht so gut, wie in den letzten Tagen seines Charlottenburger Aufent halts. Die Kräftigung und das Kräftegefühl müssen noch zunehmen, damit der hohe Patient die frühere Elastizität und Bewegungsfreudig- keit wieder erlange. Sonstige beunruhigende Symptome sind nicht vorhanden; die Kopfschmerzen, die den Monarchen vorgestern zeit weise heimgesucht, sind vollständig gewichen; auch ist die etwas ver mehrte Eiterung wieder auf ihren erfreulich niederen Stand zurück gegangen. Der Appetit hält an und ist bei den regelmäßigen Mahl zeiten stets selbständig rege. Der fast ununterbrochene Aufenthalt im Park — der Schreibtisch stand auf der Terrasse im Freien — hatte bei dem Monarchen so lebhaftes Schlafbedürfniß erzeugt, daß die Nacht von Montag zu Dienstag als eine sehr gute bezeichnet werden darf. Gestern früh war der hohe Patient recht munter und in guter Stimmung. Die Aerzte fanden das Allgemeinbefinden unverändert. Heute soll in Anwesenheit sämmtlicher Aerzte wieder ein Kanüle Wechsel stattfinden und dann die schon angckündigte Bulletin-Ausgabe erfolgen. Wie ferner verlautet, beabsichtigt der Kaiser täglich einige Stunden in Bornstedt bei Potsdam zuzubringen. Das sogenannte graue Zimmer des Gutshauses, das früher vom Administrator bewohnt wurde, ist zu diesem Zweck eingerichtet und vom Hof gärtner Thöns dckorirt worden. Die Kaiserin war vorgestern Abend »och in Bornstedt, um Anordnungen für die Bequemlichkeit ihres Hohen Gemahls zu treffen, und auch gestern früh ist Ihre Majestät, gelegentlich eines mit den Prinzesstnnen-Töchtern unternommenen Spazierrittes, in Bornstedt gewesen. — Dem sogenannten Hofjournal zufolge wird sich die Kaiserin Victoria doch noch im Verlauf dieser Woche nach dem Ueberschwemm- ungsgcbiet der Weichsel begeben. Der genaue Termin der Abreise ist noch nicht festgesetzt. — Fürst Bismarck wird heute zum Vortrag erwartet. Das „Deutsche Tageblatt" will wissen, das preußische Ministerium habe seine Entlassung eingereicht, Pnttkamer bestehe auf seinem Rücktritt. Die „Vossischc Zeitung" versichert dagegen nach Mittheilunge» aus sicherer Quelle, daß davon nicht das Mindeste bekannt sei. In Berlin glaubt mau an die baldige Beseitigung der Krisis. — Fürst Bis marck machte Montag Abend in der sechsten Stunde einen Spazierritt durch den Thiergarten. Der Reichskanzler, welcher Kürassieruniform und eine Brille trug, wurde von einem Herrn in Civil begleitet; ein Reitknecht folgte. Der Fürst sah äußerst wohl aus, was vom Publikum allseitig mit großer Freude bemerkt wurde Auch schien er sich in bester Laune zu befinde», denn seine Grüße, die er dem Publikum für die ihm gespendeten als Dank darbrachte, hatten etwas eigen Herzliches, Joviales. — Die vielfachen Standeserhöhungen der letzten Zeit haben in weiteren Kreisen Interesse für genealogische Fragen Hervorgerufe». Es ist auch erörtert, ob die Fürstenwürde des Reichskanzlers nach dessen Tode erlischt oder erblich ist. Der Reichskanzler Fürst Bis marck wurde durch Diplom vom 22. März 1871 vom Kaiser Wil Helm in den nach dem Rechte der Erstgeburt erblichen Fürstenstand erhoben. Nach seinem Tode würde also die Fürstenwürde sammt dem Prädicat „Durchlaucht" auf den (bisher unvcrmählten) Grafen Herbert Bismarck übergehen. Sollte Graf Herbert einmal kinderlos sterben, so wäre der Erbe des Fürstentitels sein jüngerer Bruder Graf Wilhelm, resp. dessen ältester Sohn. — Die Frau Fürstin Bismarck ist von ihrem neulichen Unwohlsein wieder hergestellt. Sie bringt bereits den ganzen Tag fast außerhalb des Betles zu. — Der Papst hat durch den Cardinal-Staatssecrctär Rampvlla ein Glückwunschschreiben an 1)r. Windthorst zu dessen goldener Hoch zeit richten lassen und darin das Versprechen gegeben, er werde in der neuen Marienkirche zu Hannover einen marmornen Altar auf seine Kosten errichten lassen. — Am Montag tagte in Berlin die Gesammtvertretung der konservative» Parteien, um zu berathen, ob auf die letzte Landtags rede des Abg. Richter eine Kundgebung geboten sei. Der „Kreuzztg." zufolge beschloß man, „eine gemeinsame Kundgebung aus Gründen der Loyalität zunächst zu unterlassen." — Die Nachricht von der Umprägung der Doppelkronen mit dem Bildniß des Kaisers Friedrich wird amtlich für falsch erklärt. — Der deutsche Handelstag versendet das Protokoll seiner Aus- schußsitzung vom 7. Mai l. I. Aus demselben ist eine Mittheilung des Ür. Hammacher über das orientalische Seminar hervorzuhebcn. Der genannte Herr führte aus, daß man bei Begründung des Se- Vier Verse Corneilles. Von W. Passauer. Schluß. Nachdruck verboten. Der Dichter des Cid blieb allein. Er setzte sich unter einen Baum und stützte den Kopf in die Hand. Er sann dem traurigen Schicksal der jungen Eoelleute nach, und das Bild des schönen, bittenden Mädchens, der Geliebten des Grafen Chatelet, trat vor seine schmerzlich umflorten Blicke. Er fühlte die Verpflichtung, ihr zu helfen. Er überlegte. Der Cardinal war krank und infolge dessen mißgestimmt, übel launig. Seine ohnehin schwächliche Körperkonstitution wurde durch die fortwährende, angestrengteste Arbeit aufgerieben und durch die Kränkungen, die Kabalen und Jntriguen der Royalisten, wie die An hänger der beiden Königinnen, der Mutter Maria von Medici und der Gemahlin des Königs, Anna von Oesterreich, genannt wurden, von Zeit zu Zeit auf's Heftigste erschüttert. Er Pflegte sich dann entweder auf einen seiner umfangreichen Landsitze zu begeben, oder wenigstens auf einige Tage von der Betheilignng an den laufenden Geschäften, sowie von Besuchen gewöhnlicher Art abzuschließen und nur seine vertrautesten Freunde und Anhänger zu empfangen. So standen am Morgen dieses Tages der Cardinal Mazarin, Herr von Seguier und Graf von Chavigny im Audienzsaale des Palais des Cardinals im leisen Gespräche bei einander und warteten auf Richelieu, der seine Appartements noch nicht verlassen. „Der Herr Herzog-Cardinall" rief endlich der Kammerdiener, die Flügelthüren aufreibend. Richelieu folgte ihm auf dem Fuße. Er sah sehr bleich aus und kam doch mit raschen Schritten augenscheinlich sehr aufgeregt in den Saal. Ein Blatt Papier in der Hand haltend, trat er den Herren entgegen, kaum ihren ehrerbietigen Gruß erwidernd. „Beim heiligen Kreuz von St. Denis, diese Versemacher sind toll!" rief er heftig. „Wenn ihnen einmal ein Wurf gelingt, gleich steigen sie auf's hohe Pferd und meinen dies Leben zu-beherrschen, wie sie es auf der Bühne thun. — (juos sZo! — Dieser kleine Corneille — ist er noch da?" wandte er sich zu Goultier — „ruft ihn herein!" — Corneille kam und grüßte ehrerbietig. „Herr Advokat!" schrie der Cardinal, ihm das Schriftstück vor die Füße werfend, «westen unterfangen Sie sich, an was legen Sie Ihre Hände? Halten Eie sich zwischen Ihren Coulissen, auf Ihrer Bühne. Was mit de» verhafteten Duellanten geschieht, bestimmt das Gesetz. Die Narren mußten wissen, was ihrer wartet. — Und Sie, Herr Corneille, machen Sie Jamben oder Trochäen, Lustspiele und Dramen, aber mischen Sie sich nicht in Staatssachen, von denen Sie nichts verstehen!" „Euer Eminenz!" erwiderte Corneille ruhig, „mein Drama hat die unglückliche Veranlassung zu dem Zwist der jungen Edelleute ge geben, und ich bezeuge, daß sie sich ausgesöhnt, als man sie gefangen nahm. Darum fühlte ich mich gedrungen, für sie einzutreten, weil ihnen Unrecht geschehen." „Darüber habe ich zu entscheiden, nicht Sie, mein Herr, — gehen Sie zum Teufel mit Ihrem Unrecht!" schrie Richelieu. Corneille sah ihn einen Augenblick fest an, wandte sich dann um und verließ rasch das Zimmer. Es ist eine schwere Aufgabe, zu schweigen, wenn unverdiente und maßlose Vorwürfe uns erbittern. Aber der Dichter löste sie. Der Kardinal ging erregt auf und ab. Es mochte ihn doch seine harte Sprache dem Dichter gegenüber gereuen, dessen Feder er achtete und — fürchtete. — Er hatte selbst, wenn auch unter anderem Namen, ein Drama „Miraine" geschrieben und aufführen lassen uktd wußte den Werth poetischer Thätigkeit zu würdigen. „Goultier!" rief er, „ruft den Trotzkopf zurück!" Goultierging und kam nach drei Minuten wieder, aber ohne Corneille. „Nun," rief ihm Richelieu entgegen, „wo steckt er, warum kommt er nicht?" „Eminenz verzeihen! Herr Corneille sagt, er wolle, wie ihm be fohlen, zum Teufel gehen, und wenn der nicht hilft, zu Gott, um das Unrecht zu hindern!" Der Cardinal sah zuerst finster drein, dann flog ein sarkastisches Lächeln über sein hageres Gesicht. „Da kann ich ruhig sein — die lassen ihn Beide noch nicht vor! — Meine Herren, ich bitte!" Damit ging er in sein Cabinet. Die Herren folgten ihm. Corneille aber hatte, aufs Höchste empört, das Palais verlassen. Diese schimpfliche schnöde Abweisung, statt ihn niederzubcugen, be stärkte seinen cdclmüthigcn Enschluß, die unglücklichen Edelleute vor den Folgen ihres unüberlegten Beginnens zu bewahren, als dessen Mitschuldige» er sich betrachtete. Er sah nur noch eiuen Weg zur Rettung und der führte zum Könige. Der König hatttc der Auf führung seines Stückes beigcwvhnt und ihm lauten Beifall gezollt. Der Köliig allein konnte die Gefangene» retten, da der Cardinal cs verweigert. Aber der König war,nicht in Paris, er war zu Chantilly. Corneille besann sich nicht lange. Er machte sich auf den Weg dorthin. minars als Motiv hauptsächlich die Bedürfnisse des auswärtigen Dienstes hervorgehoben habe. In Wirklichkeit sei aber ein ebenso erheblicher Zweck der, für die Interessen unseres Exporthandels di« geeigneten Kräfte sprachlich vorzubilden. Ihm sei vor Kurzem die Eröffnung gemacht, daß zum lebhaften Bedauern der Leitung deS Seminars bis jetzt die kaufmännischen Kreise von diesem Institut nicht den erhofften Gebrauch gemacht hätten, und man habe ihn er« ücht, die heutige Gelegenheit zu benutzen, um in dieser Versammlung von Industriellen und Kausleuten aus allen Theilen des Reiches den bezeichneten Gesichtspunkt hcrvorzuheben. Diese praktische Seite deS Unterrichts sei nach seiner Meinung wohl geeignet, in den einzelnen Theilen Deutschlands in erhöhtem Maße die Aufmerksamkeit auf daS orientalische Seminar zu lenken; cs habe die Absicht bestanden, durch einen Beamten desselben die einzelnen deutschen Kreise bereisen zu lassen, um durch Rücksprache mit oen betreffenden Personen das be sondere Interesse in der angedeuteten Richtung anzuregen. AuS mehreren Gründen habe man von dieser Art der Jnteressenerweckung Abstand genommen nnd den gegenwärtigen Weg der Mittheilung an die Vertreter des Handels und der Industrie gewählt. — Nach den bis jetzt vorliegenden Resultaten bei der in de« Kreisen Ost- und Westernberg vorgcnommenen Reichstagsersatzwahl erhielt der Landrath Bohtz (konservativ) 5218 und Witt (deutschfreis.) 2767 Stimmen. Ein kleiner Wahlkreis steht noch aus. — Zum deutsch-französischen Greuzverkchr wird aus Metz ge schrieben: Es kann allen Deutschen, welche über die französisch deutsche Grenze kommen, nicht dringend genug geratben werden, sich mit Lcgitimationspapicren geuügend vorzusehen, da sie sonst die Grenze nicht passiren können. Unter denen, welche dieser Tage nicht durch gelassen wurden, befand sich auch der frühere dritte Adjunkt von Metz, welcher vor vier Wochen erst seinen Wohnsitz nach Pont-ä Mousson verlegte und eine sehr bekannte Persönlichkeit ist. Oesterreich-Ungarn. In Kwansebes im südlichen Ungarn wurde vor Kurzem an Stelle des Generals Trajan Doda, der sein Mandat niedergelegt hatte, von der Bevölkerung, die fast ganz rumänisch ist, Ludwig Mocsari einstimmig zum Abgeordneten gewählt. Mocsari ist einer der wenigen Magyaren, die ernstlich darauf dringen, daß auch den Nichtmagyaren, den Rumänen, Slovakcn und Deutschen in Ungarn, endlich ihr Recht werde und daß man der gewaltsamen und heimlichen Magyarisirnng Einhalt thue. Sehr bezeichnend für die Anschauungsweise der herrschenden Kreise in Ungarn ist es, daß sämmtliche magyarischen Zeitungen, auch die in deutscher Sprache erscheinenden, mit unverhohlenem Aerger und bitterem Hohne diese Wahl besprechen, Mocsari als einen Verräther brandmarken und demlich durchblicken lassen, daß man ihn im Parlamente schon un schädlich zu machen wissen werde. Angesichts solcher einmüthiger Kundgebungen werden wohl die 10 Millionen Nichtmagyaren noch sehr lange warten müssen, ehe sie eine gerechte Behandlung erfahren. — Die „Polit. Corr." dementirt die Meldung von einer beab sichtigten Reise des Kronprinzpaares nach Sinaia zum Besuch deS rumänischen Königspaares. Der Kronprinz werde den ganzen Sommer über durch Dienstreisen als Generalinspector der Infanterie in Anspruch genommen. Frankreich. Die Pariser Blätter kritisiren die Ausführungen Boulanger's sehr abfällig und finden in denselben nur verworrene, widersprechende und mehrfach auch lächerliche Ideen. Die republika nischen Organe sprechen sich über die Rede Floquet's anerkennend aus und legen derselben große Bedeutung für die Concentrirung der republikanischen Partei bei. Das „Journal des Dsbats" bemerkt, daß die Kundgebungen von der Tribüne allein nicht ausreichen, um den Lauf der Ereignisse aufzuhalten. — Der Präsident Carnot hat zugesagt, demnächst Rouen und Havre zu besuchen. — Das Bureau der Kammer hat beschlossen, Wilsons Bezüge als Deputirter zu streichen, da er seit seiner Verurtheilung den Sitzungen nicht bei wohnte. In Belgien haben am Sonntag die Stichwahlen für die Der Morgenthau glänzte noch auf dem langen Grase, auf den den Rosen des Parks, als er, dort angelangt, langsam in den Gängen einherschritt, die der König passiren mußte, wenn er sich wie ge wöhnlich um diese Stunde zur Jagd begab. Und er durfte nicht lange warten. Von der breiten Schloßtreppe stiegen drei Männer in den Park, von denen einer, Ludwig XIII., wenige Schritte vor ausging, eine magere Gestalt über Mittelgröße, in einem einfachen Jagdanzuge von schwarzer Seide mit Knöpfen von Gagat. Seine rechte Hand bedeckte ein dicker gepolsterter Handschuh, der von den Vogelstellern jener Zeit getragen wurde. Er zeigte an, womit der König die Vormittagsstunden auszufüllen gedachte. Sein Gesicht war blaß, sein Haar stark ergraut. Aber die muntere Laune, mit der die Aussicht auf seine Lieblingsbeschäftigung ihn eben erfüllte, lieh seinen dunklen braunen Augen einen lebhaften Glanz, und in olchen seltenen Augenblicken der Ausregung strahlte aus ihnen zugleich der kräftige Geist seiner Mutter und das edle Herz seines Vater-, Heinrich's des Vierten. Der Oberstallmeister Marquis von Cinq-^ Mars und der Graf von Fontrailles waren seine Begleiter. Sie vermochten den raschen Schritten des Königs kaum zu folgen» di« ihn bald in die Nähe Corneille's brachten. Er hielt an, als er einen Fremden auf seinem Wege fand. Als. er aber den Dichter des Cid erkannte, näherte er sich ihm freundlich. „Sieh da — Monsieur Corneille — bei Jesus, seid Ihr geladen, eid Ihr Jäger? Ich habe nicht gehört, daß Ihr je einen Eber ver- wlgt oder einen Falken habt steigen lassen!" „Verzeihen Euere Majestät," erwiderte Corneille, sich ehrfurchts voll verbeugend, „ich komme als ein Bittender! Ich komme nicht als Jäger, sondern als Gejagter — gejagt von der Stimme meines Ge wissens, die mir zuruft, daß ich das Unglück zweier wackerer Edelleute verschuldet — ich bitte um Gnade für die heute früh wegen eine- beabsichtigten Duells verhafteten Grafen von Chatelet und" , „Ich weiß — ich weiß — es ist mir gemeldet — die Thoren müssen büßen! Aber was habt Ihr dabei, welche Schuld tragt Ihr an dem Vergehen der Brauseköpfe! — Erzählt es mir — kurz, rasch, ich habe keine Zeit." — Corneille erzählte den Hergang des Duells und den Einfluß, den seine vier Verse ans die jungen Leute ausgeübt. „Seht Jhr's, Freund!" rief der König, offenbar geschmeichelt durch seine Kritik dieser vier Verse. „Ich hab's gesagt, diese vier Verse taugen nicht, sic stiften Unheil — die jungen Leute müffe« büßen, was Ihr mit diesen vier Bcrsen gesündigt!" „Darum bitte ich um Gnade für sie, Majestät i"