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Sächsische Vortzeitung Dresden, Sonnlag, den 2. April 1905. Nr. 77 — Bezugsbedingungen: N« „V-rf^Ni-4- i»d«« woch««i«, »achiniitag» S Uhr mit »«m v«I»»i h«, satgend«» eag«». Vi« v»ruL»i>tdüI,r derrä-t .»AY Marf vi«ri«i>>drlich »d«r b0 pig. für jrd,» Monai Vt« .Vvrfzrnung ist zu brzirh«» ö-rch di« lalirrlich« p,st««Ilalirn, di« candhriksträgrr u»d durch un>«r« vo»r» Sri frri«r Lirfrrung in, ha»i,«rh«bi Ui Post "0^> 2ust«Ilung,grbüi>r von 4S psg. L«Ugr«mm-Kdr.: Dorfzeitung Dresden. Nachbestellungen ouf unser Blatt für das 2. Vierteljahr 1905 werden noch jederzeit entgegengenommen von den Postanstalten, Land briefträgern, unseren Ausgabestellen sowie der Geschäftsstelle dieses Blattes. * Das -teueste. Der Kaiser traf gestern, von Tanger kommend, vor Gibraltar ein und ging abends an Land, wo er beim Gouverneur das Diner einnahm. Im Reichstage machte Kolonialdirektor vr. Stübel Mitteilung über die heutige Lage des Aufstandes in Südwestafrika. In Südwestafrika stehen von deutschen Truppen zurzeit 723 Offiziere und 12,657 Mann. Trotz der Resolution des Koburger Landtages hat Herzog Karl Eduard bestimmt, daß es bei der Verlegung wichtiger Hofämter von Koburg nach Gotha veröleiben soll. Im französischen Senat hielt gestern Minister Delcassö eine Rede über die Marokko-Frage. Die rumänische Kammer hat den neuen Han delsvertrag mit Deutschland mit 66 gegen 2 Stimmen angenommen. Wegen Transportschwieriqkeiten auf der Sibirischen Bahn sollen weitere Mobilisierungen russischer Korps eingestellt werden. Politische Weltschau. Deutsches Nkeicd. Der Kaiser traf gestern früh 8 Uhr auf der Reede vor Tanger ein, das m der Morqensonne sehr malerisch dalag; das Bild der von der Zitadelle überragten weißen Häusergrupen, die eine alte Mauer umschließt, war von eigenartiger Schönheit. Die sehr stark bewegte See machte die Landungsverhält nisse schwierig. Der deutsche Geschäftsträger v. Kühl mann mit den Herren der Gesandtschaft kam an Bord der „Hamburg" und wurde vom Kaiser empfangen. Einige auf der Reede seit Juli ankernde französische Kreuzer feuerten Salut. Sie hatten über die Toppen geflaggt; die Mannschaften standen in Parade. Die alten Strand batterien von Tanger salutierten gleichfalls. Der „Friedrich Karl" erwiderte die Salutschüsse. Zahlreiche Ruderboote, von Mauren in bunt leuchtenden Ge wändern bedient, umkreisten die „Hamburg". Der Kom- yiandant der französischen Kriegsschiffe kam an Bord und meldete sich beim Kaiser. Um Uhr landete der Kaiser. Er wurde von dem Vertreter des Sultans empfangen. Der Kaiser trug die Uniform des 1. Garde- RegimentS. An Land empfing den Kaiser unter Salut der Großoheim de- Sultans Scheich Mulai Abd-el-Malek, der von drei hohen maurischen Würdenträgern begleitet war. Nach der Begrüßung bestieg Seine Majestät mit dem Gefolge bereitgehaltene Araberpferde und ritt in die Stadt ein unter ungeheurem Jubel der Bevölkerung, der Mauren, Kabylen und Neger. Die Landungsstelle und die ganze Stadt war phantastisch, reich und bunt geschmückt. Die Kolonien, besonders die deutsche, eng lische und spanische hatten großartig Ehrenpforten vor den Gesandtschaften errichtet. Der Kaiser, der von einer Kavallerie-Eskorte geleitet wurde, begab fick unter fort gesetzten Ovationen zur deutschen Gesandtschaft, wo die deutsche Kolonie und die Damen der europäischen Welt versammelt waren und Erfrischungen gereicht wurden. Die berühmten schönen Gärten der Gesandtschaft wurden besichtigt. Hiernach wurden dem Kaiser Reiterspiele von den Arabern, die sogenannte Fantasia, vorgeführt. Später begrüßte der Bürgermeister den Kaiser. An Bord der.Hamburg" wurden Blumenspenden gebracht. An der Landungsstelle hielt der Kaiser eine Ansprache an die deutsche Kolonie, die mit ungeheurem Jubel ausgenommen wurde. Die ganze Stadt ist ein buntes Gemisch von Palmen, Blumen und Teppichen. In fanterie bildet Spalier, Salven werden fortwährend ab gegeben. Um l'/, Uhr verließ Se. Majestät der Kaiser die deutsche Gesandtschaft und begab sich nach dem Dem Grundsätze, die bedingte Begnadigung in erster Linie jugendlichen Personen zu gewähren, gemäß be treffen */» aller Fälle Jugendliche. Im allgemeinen ist die Maßregel auf Personen beschränkt geblieben, die noch keine Freiheitsstrafe verbüßt hatteü. Die betreffenden strafbaren Handlungen waren zu 66 v. H. Vergehen, zu 21 v. H. Verbrechen und zu 13 v. H. Uebertretungen. Ueberwiegend handelte es sich um Gefängnisstrafen, in 87 v. H. Fällen, seltener um Haftstrafen, nur ganz ver einzelt um Zuchtyaus oder Festungshaft. Die Dauer der Gefängnisstrafe betrug meist eine Woche und weniger, nur in einem Siebentel der Fälle mehr als einen Monat. Die Bewährungsfrist betrug zu drei Vierteln weniger als drei Jahre. Was die Rückfälligen anbelangt, so zieht die Denk schrift einen Vergleich zwischen den Nichtbewährunas- fällen bei bedingter Begnadigung und den Rückfällen der nicht zur bedingten Begnadigung gekommenen Personen. Es zeigt sich, daß von den in den Jahren 1894 — 1899 zum ersten Male wegen Verbrechen oder wegen Vergehen gegen Reichsgesetze Verurteilten, ins gesamt 1,592,606 Personen, im Laufe der auf die erste Verurteilung folgenden drei Jahre 13 v. H. von neuem verurteilt wurden. Der Prozentsatz der Rückfälle ist also geringer als die Verhältniszahl der ungünstig ver laufenen Fälle bei der bedingten Begnadigung. Diese Tatsache erklärt sich der Hauptsache nach wohl aus der tief bedauerlichen Erscheinung, daß gerade unter den jugendlichen Verbrechern der Prozentsatz der Rückfälligen weit über dem allgemeinen Durchschnitt steht, die be dingte Begnadigung aber gerade für Jugendliche am häufigsten zur Anwendung kommt. Alles in allem muß gesagt werden, daß mit der bedingten Verurteilung ein Weg beschritten worden ist, der dem Vaterlande zweifellos zum Segen gereicht. Anzeigen-Preise: vi« einspaltig« S«il« IS vfg., unter „ki->gesandt" 40 Pf« anjeiaen-Nnnichm« erfolgt di, mittag- »r Uhr. — Nn»ahmeu«ll«» st«»: Unser, §eichas!»itelle, Nein, Meißner' Laif« Nr. 4, 3n«Ut»enSu»k, kaasenstetn «I Vogler, Nu». Moss,. <b. c. Daube kl So. in c> >p,iq. Frankfurt a Nk: « Nohl inNesselsbor,; Hugo Müchletit»N<n,l1^ broda, <vtto vittrich in Nechendors, tsutzo Vpch en keuknitz-Neuostra, Lmil Nollaa in Nadekeul, Nud. »rtnim in Vrerden.wSlfMtz, Friedrich leuche»; in ilossebaud«, Neinh. lvoiti* in Moritzburg, ivtto Nunaih in iloita, Max Feurtch in loschmitz. Telephon: Dresden, Nr. 2916, .. Die bedingte Begnadigung im Jahre LSVL. Vor kurzem ist dem Reichstage die Denkschrift über die Anwendung der im Reiche für die bedinate Be gnadigung geltenden Vorschriften zugegangen. Bekannt lich sind in Deutschland erst seit dem 1. Januar 1903 für alle Bundesstaaten gemeinsame Grundsätze für den bedingten Straferlaß aufgestellt. Die segensreiche Wirkung dieser Einrichtung wird in der neuesten Denk schrift vollauf anerkannt; es ist eine erfreuliche Tatsache, daß immerhin der weitaus größte Teil der bedingt Be gnadigten sich bewährt hat und somit bei diesen der hauptsächliche Zweck der Strafe erreicht werden konnte, ohne daß zum Vollzüge derselben geschritten zu werden brauchte. Es ist hierdurch erreicht worden, daß die Betroffenen vor einem schweren Eingriff in ihre soziale Stellung und einer empfindlichen Beeinträchtigung ihres Fortkommens bewahrt geblieben sind, wozu noch kommt, daß auch dem Staate nicht unerhebliche Kosten er spart wurden. Die Gesamtzahl der Fälle bedingter Begnadigung überhaupt seit dem Inkrafttreten der einschlägigen Ge setze beläuft sich auf 80.830. Bis zum 31. Dezember 1898 ergaben sich jährlich 6041 Fälle durchschnittlich. Seitdem ist die Zahl mit jedem Jahre gestiegen und wuchs 1904 auf 14,783 an. Auf das Hundert berechnet hat die Zunahme jedoch gegen die Vorjahre erheblich nachgelassen; 1901/02 betrug sie 36 v. H., 1902-03 21 v H., und 1904 verringerte sie sich auf 7 v. H. Fast durchweg wird die bedingte Begnadigung nur gegenüber Jugendlichen in Anwendung gebracht, und zwar in Preußen auf je 100 Fälle der Verurteilung Jugendlicher 19 mal, in Baden 16, in Bayern 1b mal usw. Von sämtlichen Fällen, in denen die bedingte Be gnadigung angewandt wurde, waren am 1. Januar 19t)b 60 v. H. endgültig erledigt. Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre waren erfolgreich ziemlich genau der Fälle verlaufen. Doch dürfte diese Zahl gegenüber den wirklichen Verhältnissen etwas zurückbleiben, da gerade in den letzten Jahren die Zahl der bewilligten Straf aussetzungen erheblich zugenommen hat. Ueberwiegend waren es Männer, denen die Begnadigung zuteil wurde. Die Zahl dieser Fälle belief sich auf 76 v. H., doch ist die Zahl der beteiligtet» weiblichen Personen immer- hin größer, als sich gegenüber der allgemeinen Krimi nalität für das weibliche Geschlecht erwarten ließe; die ^ahl der Fälle betrug 24 v. H. gegen 23 v. H. im Anzeiger für Stadt und Land mit der Beilage: „Illustriertes sonntags-Blatt" Amtsblatt für die Kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für das Rgl. Amtsgericht Dresden, die Ngl. Zorstrentämter Dresden, Moritzburg, Tharandt und die Gemeinden Gberlößnitz und Radebeul. 67. Jahrgang Ladungsplatze zurück. Hier überreichte Abd-el-Malek dem Kaiser die ihm vom Sultan gewidmeten Geschenke. Um 2 Uhr kehrte Se. Majestät an Bord der „Hamburg" zurück, die darauf nach Gibraltar in See ging. Um 5 Uhr 15 Minuten kam die „Hamburg" vor Gibraltar in Sicht und steuerte auf die Bucht zu. Zum zweitenmal hat sich Herzog Adolf Fried rich zu Mecklenburg nach Deutsch.Ostafrika be geben, um sich dem edlen Jagdsport zu widmen. Er verließ den Dampfer der Deutsch-Ostafrika-Linie am 8. Februar in Mombassa, um sofort per Uganda-Bahn nach dem Viktoria-Nyanza zu fahren. Von Port Florenz aus begab er sich am 13. Februar nach der Militärstation Schirati, am Ostufer des Sees in sehr wildreicher Gegend gelegen, wo er bis zum 10. April zu jagen gedenkt. Am 18. April hofft er von Mom bassa aus nach Tanga zu fahren, dann einen etwa achttägigen Ausflug in Usambara zu unternehmen, um am 27. April in Dar-es-Salaam einzutreffen, wo er vor seiner Rückkehr sich noch einige Tage aufzuhalten gedenkt. Die Gefchäftsanordnungen im Reichstage sind von maßgebender Seite im Einverständnis mit den Führern der Parteien dahin getroffen worden, daß am Sonnabend (1. April) und Montag (3. April) die Ple narsitzungen ausfallen sollen Dagegen werden am Dienstag (4. April), Mittwoch (5. April), Donnerstag (6 April) und Freitag (7. April) Plenarsitzungen ab gehalten und der Nachtrags- sowie der Ergänzungs etat und Wahlprüfungen behandelt werden. Der Nach trags- und Ergänzungsetat müssen an die Budget- kommission verwiesen werden. Am Sonnabend (8. April) werden die Osterferien beginnen. Die Budgetkommission des Reichstages trat gestern in die Beratung des Militärpensions gesetzes ein. Sämtliche Parteien stimmten darin über ein, daß man sich auf den vorliegenden Gesetzentwurf beschränken müsse. Auch die Regierungsvertreter stimmten dem zu. Bezüglich des Punktes „rückwirkende Kraft" trat Graf Orwla für allgemeine Rückwirkung des Ge setzes ein. Abg. Erzberger (Ztr) gibt die Notlage zu, betont aber, daß noch nie ein derartiges Gesetz mit rückwirkender Kraft gemacht sei. Die Konsequenzen würden gar nicht abzusehen sein. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt. Es folgt die Fortsetzung der Generaldebatte. Die Kommission des preußischen Abgeordneten hauses für die Berg Novelle genehmigte einstimmig im Prinzip die Abschaffung des Wagennullens und vertagte darauf die Wiederberatung auf Montag. Der deutsche evangelische Kirchenausschuß, der die deutschen Kirchenregierungen zusammensaßr, tritt mit einer Denkschrift über die kirchliche Ver sorgung der Diaspora im Auslände vor die Oeffent- lichkeit und erinnert das evangelische Deutschland an seine Pflichten gegen die in allen Weltteilen zerstreuten Vaterlands- und Glaubensgenossen. DaS Ziel ist die kirchliche Organisation des gesamten evangelischen Deutschtums im Auslande. Die Deutschen draußen sollen ihrem angestammten Glauben und dadurch der vaterländischen Sprache und Sitte erhalten bleiben. Wie die Denkschri t hervorhebt, ist die Versorgung der deutschen Weltdia pora mit Geistlichen und Lehrern, mit Kirchen und Schulen bisher in ungenügender Weise geschehen. Der deutsche evangelische Kirchrnaus- schuß beabsichtigt deshalb für das ungeheure Arbeits feld einer üver alle fünf Weltteile ansgedehnten Dia spora eine planvolle und'großangelegte Organisations- tätiakeit. In seiner Denkschrift grenzt, der KirchenauS- schuß zunächst das in Aussicht genommene Arbeitsgebiet ab. Die Deutschen in den Balkanstaaten, Italien, Spanien und Portugal, in den deutschen Schutzgebieten im Westen und Osten Afrikas, in Südafrika, in Aegypten, Palästina, Syrien, Kleinasien, Ostasien, Mittelamerika und Südamerika kommen besonders in Betracht. Hier zu kommt noch der deutsche Seemann, den man in der ganzen Welt findet, und der deutsche Auswanderer, dem man in den Auswandererhäfen eine besondere Für sorge zu widmen hat. Zunächst sollen die Zustände in der Gesamtdiaspora erforscht und überall Beziehungen angeknüpft werden. Der Kirchenausschuß erbietet sich ferner zur Vermittelung, wo es sich um Gemeinde bildungen, Aussendung von Geistlichen, Sicherstellung derselben und ihrer Angehörigen handelt. Die Ein richtung regelmäßiger Kirchenkollekten für den vor liegenden Zweck wird erstrebt. Wo der Ausschuß irgend