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Sächsische vorszeitung Lele-rainm-Kdr.: vorszeitung Dresden. 67. Jahrgang. Dresden, Dienstag, den 28. Februar 1905. Nr. 49 Geschäftsstelle. das sehr den Be- Bezugsbedingungen: Hb .vortzew»,* «schrt»« t«d«n wech««»«« S Uhr mtl txm Vatu« d« svls«»t>r« ta»« vt< vqug»g«bühr betrügt 1^0 Mart ^«trtjührUch ober bv Pf« fUr jeb«, Monat, vt« .vorszeitung' ist zu begehe« durch di« kaiserliche« poftan itnUa», di« Landdrieftrüger unb durch ^isen Voten. Sei freier tieserung in, Hani erheb« »«, Post noch di« Su steUnngrg ebühr »», « pfg. um nur «v Pfg. ^m »thmm entgegen alle Poßanpalte», Briefträger, die Kuiträger sowie die Bestelluugeu aus unsere Zeüuug f», de» Monat März zu« Preise »on Anzeigen-Preise: vt« einfpalttgr Leil» I» pfg.. unter.ttugesanb»' 40 Pfg klnzetgen.Nnnahm« erfolgt >2 Uhr. — Nnuahmestelleu find Unter« '^chüfustelle, Nein« Nieiftner »aff« Ur 4, )»vaitdenbank, haa feiest »in L Vvqler, Nud. Moss«, O. Q Vaud« » L«. k, Leipzig, Zra-kf«« «. M.; ».Uohl tn UeNel-ibor,; k)ugo Müchl«tn U»»^e«. hroda, ivtto Vittrich in Neitzendorf, Hugo ivpch tu ceuduttz.Neuastra.LuUl No Nau tu Serdnoitz. Mtd »rtuuu tu vre^xn-wblfut», Lrtedrtch Leuch«, tu Cossebaude, »etnh. lvot'ft« in Monndiir» Otto Uuuattz tu Cotta, Max Zeurtch tu coschmttz. Telephon: Dresden, Nr. 2916. Das stteneste. Heute fand in Gegenwart des Kaiserpaares die feierliche Einweihung des Neuen Domes in Berlin statt. Prinz Friedrich Leopold von Preußen hat sich gestern abend nach Genua begeben, um von dort die Ausreise nach Ostasien anzutreten. Auf dem Zentralbahnhof zu Rom begann gestern die Obstruktion der Eisenbahnbeamten. General Stössel ist in Moskau eingetroffen und von einer großen Menschenmenge jubelnd begrüßt worden. Der deutsch-russische Handelsvertrag ist vom Zaren ratifiziert worden. Der Austausch der Ratifikationen erfolgt am 28. d. M. Ueber alle europäischen Bahnen Rußlands ist der Kriegszustand verhängt worden. Die Japaner haben die russischen Truppen südlich von Mukden auf ihre Hauprstellungen zurück geworfen. Der nach Wladiwostok mit einer Ladung Cardiff kohlen bestimmte Dampfer „Ro mulus" ist von den Japanern aufgebracht worden. Politische Weltfchau» Deutsches Reicd. Heute am 24. Hochzeitstage unseres Kaiserpaares fand in Berlin die feierliche Weihe des neuen Domes unter großem Zeremoniell statt. Der evangelische Teil des deutschen Volkes ge langte durch diesen Weiheakt in den Besitz eine- Gottes hauses, das sich würdrg dem Kölner Dome zur Seite stellen darf, in dem es die Herzen in gemeinsamer Andacht emporheben kann, wenn große nationale Ver anstaltungen, eine Kaiserkrönung, eine Huldigung, eine Sieges- oder Trauerfeier, nach einer imposanten Be tätigung auf religiösem Gebiete drängen. AuS diesem Anlaß richteten sich die Blicke des ganzen protestantischen Deutschland nach der Reichshauptstadt, und daS evan gelische Bewußtsein stärkt und labt sich an dem Ge danken, daß der Schirmherr des Reiches, der Träger der Kaiserkrone, Wilhelm lt„ in seiner ganzen gewaltigen Machtfülle auf den Plan trat, um Zeugnis abzulegen für das Evangelium, wie es uns die Reformation über liefert hat. DaS ist wohl ein geschichtlicher Moment Anzeiger für Stadt und Land mit der Beilage: „Illustrierter Sonntags-Blatt" Amtsblatt für die Ngl. Nmtshauptinannfchasten Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für das Ngl. Amtsgericht Dresden, die Kgl. Forstrentämter Dresden, Moritzburg, Tharandt und die Gemeinde Gberlößnitz Gäste vereinigen müssen, stanz abgesehen von all den Mitgliedersitzungen, Delegierten - Beratungen usw., so daß der Arbeiter außer seinen Beiträgen auch noch einen nicht unbedeutenden Tribut dem „Genossen" Bier- und Schnapswirt zu leisten gezwungen wird. Ferner hat sich die weitere Ausbeutung des Ar beiters in anderer Richtung bis zur höchsten Stufe ent wickelt Wer sich nämlich die Mühe geben will und in sozialdemokratischen Lokalen die Wände mustert, der findet dieselben nicht nur mit Ankündigungen von öffent lichen Volksversammlungen, sondern zumeist mit allen möglichen bunten Plakaten verziert, welche die Arbeiter einladen zu Parteikonzerten, Tanr- und Ballvergnügen usw Ganz besonders haben sich bei den Organisationen die sog. „Wiener Maskenbälle" gegenwärtig vermehrt; jede noch so kleine Gewerkschaftsgrüppe hat ihren eigenen Ball, und ihn mit Familie zu besuchen, verlangt Solidaritätsgefühl, an welches in dieser Richtung erfolgreich appelliert wird. Erwägt man all' die Ansprüche, welche an Arbeitslohn des einzelnen erhoben werden und friedigung finden, so muß man zu dem Schluß gelangen, daß nicht nur unter den sich stetig bessernden Lohn verhältnissen praktisch für den Familienbedarf, des Lebens Notdurft, ein ausreichender Ueberschuß an Ar beitsverdienst nicht bleibt, nicht bleiben kann, und muß sich ferner sagen, daß auch keine noch so hohe Lohn steigerung für die Arbeiter, am wenigsten in den großen Industriestädten, tatsächlich eine wirkliche Aufbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage herbeiführen wird. Hat nun im Ruhrgebiet eine Partei eine Niederlage erlitten, ja ein Fiasko erlebt, so ist es die sozialdemokratische Partei und zwar in dreierlei Richtung. I. Es ist vollauf er wiesen, daß die Sozialdemokratie Deutschlands aus sich selbst nicht im entferntesten, ja selbst mit Unterstützung des Auslandes in ganz geringem Maße imstande ist, einen großen Ausstund mit Parteimitteln längere Zeit am Leben zu erhalten. 2. Ferner hat sich die Berech nung, es werde zu bedeutenden Unruhen kommen, welche geeignet seien, Regierung wie Unternehmer einzuschüch- tern, als falscherwiesen. 3. Mit nachdrücklicher Schärfe hat sich gezeigt, daß die Taktik der Unternehmer, mit Sozialdemokraten überhaupt nicht verhandeln zu wollen, sich als absolut richtig erwiesen, denn dadurch allein hat sich für die Regierung die Möglichkeit ge boten, mit Hilfe aller übrigen Parteien, in Frieden und mit aller gebotenen Rücksicht die Klagen der Ar beiter zu prüfen, soweit dies möglich, Abhilfe zu schaffen, ohne die Industrie selbst zu schädigen, mit einem Worte: die Gefahr einer wirtschaftlichen Kalamität vielleicht für lange Zeit zu beseitigen. Mit süßsaurem Gesicht steht die sozialdemokratische Partei dieser Tatsache gegenüber und sucht die Nieder lage durch alberne Phrasen aller Art und der noch mehr albernen Drohung mit neuem Ausstand in der Zukunft zu beschönigen. Der einzige Trost für die Parteipäpste mag eS sein, daß von den Sammelgeldern in der Parteikasse ein erkleckliches Sümmchen übrig bleibt, wenn das Geschäft auch nicht so lohnend gewesen ist, als beim Crimmitschauer Streik. Aber es ist ein neuer Beweis geliefert für die Notwendigkeit der Parole: Keine Unterhandlung mit der Revolution. „DaS verd Sammeln!" In der letzten Zeit hat eS sich mit immer größerer Deutlichkeit herausgestellt, daß das -Solidaritätsgefühl" der sozialdemokratischen Arbeiterschaft, so weit es sich bisher in bezug auf Geldopfer oft staunenswert ent wickelt zeigte, bedeutend im Schwinden begriffen ist. Man braucht nur die sozialdemokratische Sammeltätig keit bei dem Streik in Crimmitschau mit derjenigen für die ausständigen Bergarbeiter im Ruhrgebiete zu ver gleichen, um, trotz der Tatsache, daß sich die Bergarbeiter weit allgemeinerer Sympathien erfreuten als die Textil arbeiter, sofort einen großen Unterschied in den freiwillig gespendeten Summen festzustellen. Wo man in der letzten Zeit in sozialdemokratischen Kreisen hinhörte, wurde der Mißmut über da- unaufhörliche Sammeln in oft allzu drastischer Weise laut und die sammelnden Beamten der roten .Kultur-Partei" baden Dinge zu hören bekommen, welche mehr die Kritik über ihre dicken Bäuche, neuen Röcke, goldenen Ringe und Uhrketten usw. bildeten als eine Betrachtung über die „schwieligen Hände", welche bei den meisten schon der fernen Ver gangenheit angehören. Es ist diese Tatsache des Miß muts über das viele Sammeln um so bemerkenswerter, als doch im allgemeinen sich die Lohnverhältnisse fort gesetzt gebessert haben und die Organisationen fester geschlossen sind denn ie. Ein Blick indessen in die Aewerkschastsblätter allein genügt schon, um eine Er klärung dafür zu finden, wie sehr der Mißmut berech tigt und wie kostspielig den wirklichen Arbeitern die „Ehre' ist, „organisiert" zu sein. Es ist tatsächlich saft keine der existierenden 63 verschiedenen Gewerk schaften, in denen nicht fortwährend irgendwo Ausstand ist, so daß von den Mitgliedern neben den regelmäßigen Beiträgen immer wieder Extragelder zur Unterstützung der..kämpfenden Genoffen" begehrt werden. Ueberdem erweist sich auch die Parieikaffe immer unersättlicher und haben die Parteibcamten fortdauernd auf neue Mittel zu sinnen, wie die ihnen unterstehenden Kaffen M die große Parteikassc besser geschröpft werden können. Mit diesem Kassengeschäft der einzelnen Organisationen hängt dann wieder das Geschäft der „Parteibudiker" zusammen, bei denen allwöchentlich die Zahlstellen die zu nennen, würdig, vom Gedächtnis der Zeitgenossen festgehalten zu werden zu Neuer Erinnerung und zu rechter Erbauung. Solchen Trost haben wir nur zu nötig in de» jetzigen Zeitläuften, wo uns, die wir von ganzem Herzen den konfessionellen Frieden wünschen, immer und immer wieder durch erneute ultramontane Uebergriffe da- Leben verbittert und schwer gemacht und die Notwendigkeit eines entschlossenen KampsrS — nicht um unsere Vorherrschaft, sondern um die Wahrung der evangelischen Gleichberechtigung — zur Erkenntnis gebracht wird. Wir führen den Streit nicht um des Streites willen, sondern — das sei hier nochmals nach drücklich betont — ausschließlich zur Erhaltung der evangelischen Geistesfreiheit, die das Mark unseres nationalen Seins bildet. Reisedispositionen des Kaiserpaares. Aus Abbazia wird gemeldet, daß die deutsche Kaiserin dort am 23. März zu längerem Aufenthalt eintreffen und daß Kaiser Wilhelm dort am 29. März die Kaiserin besuchen werde Gräfin Henckel Donnersmarck habe der Kaiserin ihre Villa zur Verfügung gestellt. Auf der Wiener deutschen Botschaft ist von dem Besuch des Kaiserpaares in Abbazia ni t-ts bekannt. Kaiser Wilhelm werde am 23. März die Mittelmeerreise über Gibraltar (? Soll wohl heißen Genua. D. Red.) antreten, so daß er unmöglich schon am 29. März in Abbazia sein könnte. Doch sei nicht ausgeschlossen, daß er später beim Kreuzen im Mittelmeer Abbazia besuche. Dem Reichstag ist das in Paris abgeschlossene internationale Abkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels zugegangen. Mehrfach ist neuerdings in Preßorganen ver schiedener Richtung davon die Rede, die Finanzminister der deutschen Einzelstaaten hätten sich zugunsten der Einführung einer Reichserbschaftssteuer aus gesprochen. Dies ist nach Erkundigungen an zuständiger Stelle nicht zutreffend. Eine der Arbeiten, die in Ausführung der neuen Handelsverträge zu Ende geführt werden müssen, ist die Uebergangsbestimmung für die Berechnung der Getreideeinfuhrscheine nach dem Inkrafttreten der neuen Getreidezollsätze. Diese Einfuhrscheine werden grundsätzlich nach den zur Zeit der Ausfuhr geltenden Zollsätzen berechnet. Es wäre deshalb, wenn keine be sonderen Vorkehrungen getroffen würden, möglich, daß Getreide, das noch unter den herrschenden niedrigeren Zollsätzen sich im freien Verkehr des Zollgebietes be funden hat, dazu benutzt wird, bei der Ausfuhr Ein fuhrscheine zu erlangen, deren Zollwert um die Spannung zwischen den alten und den neuen Zollsätzen höher wäre. Ein Anreiz zur Einführung größerer Getreide mengen noch zu den alten Zollsätzen liegt damit sicher vor, und eS ist notwendig, diesen Anreiz zu beseitigen. Ueber die Modalitäten der betreffenden Neuregelung ist man zu einer Übereinstimmung noch nicht gekommen. Die Aeußerung des preußischen FuianzministerS von Rheinbaben, die das österreichisch-ungarische Kabinett zu Vorstellungen in Berlin veranlaßte, lautete in einer Polemik gegenüber den Polen im preußischen Landtage: „Lesen Sie die ruthenischen Schriftsteller, bann können Sie ein Bild bekommen von den idealen Zuständen, die eine polnische Wirtschaft herbeiführt. Lesen Sie dieses Maß von Bedrückung der kleinbäuerlichen, ruthenischen Bevölkerung, den Exodus der Studenten auS Lemberg, weil sie es unter der polnischen Herrschaft nicht mehr aushalten können! Und dann, meine Herren von der polnischen Seite, seien Sie etwas bescheidener in Ihrem Vorwurf, daß wir Sie unterdrückten." — Herr von Rheinbaben hat, nach dem Urteil jedes Unbefangenen, nicht nur in Wahrnehmung höchst berechtigter Interessen, sondern auch nach dem Rezepte des Boileau gehandelt, daß man eine Katze auch eine Katze und einen Schüft einen Schuft nennen soll. Er hat auch keineswegs die Politik der österreichischen Regierung angegriffen, sondern nur die Zustände in Galizien und namentlich das Ver halten der Polen gegen die Ruthenen liebevoll auS- gemalt. Pastor v Bodelschwingh, der bekannte Gründer der Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel bei Biele feld, der auch durch seine Reden im preußischen Ab- aeordnetenhouse während der jetzigen Session vielfach Aufsehen erregte, gedenkt am 1. Oktober sein Amt als Geistlicher der Anstalt Bethel niederzulegen und hat sein EmeritierungSgesuch bereits eingereicht. Die