Suche löschen...
Sächsischer Landes-Anzeiger : 15.05.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188805158
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880515
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880515
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-05
- Tag 1888-05-15
-
Monat
1888-05
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 15.05.1888
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
. --. ^M»«vM^EMVMNd?VMWWM^ Nr. M. — 8. Jahrgang. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum de« folgende» TageS) zur Versendung gelangende „Sächsische LandcS-Auzciger" mit täglich einem besonderen Unter» baltung-blatte und mit dem Extrabeiblatt Lustige» Bilderbuch kostet bei den Ausgabe stellen monatlich 70 Pfg., bei denPost-Anst. 7b Pf. (18Söer ZtgS.-PreiSliste Nr. 5035.) Für Abonnenten erscheint je einmal im Jahr: Sommer-Eisenbahnsahrtilanheft für Sachsen. «inter.Eiseiibaliusahrvlanhcft für Sachsen. Illustr. «alcnder de- Sächsischen Landboten. 3llustrirtesJahresbuchdesLandeS.«nze>ger-. ALchsischer mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. DleuStag, 15. Mal 1888. »>>,elgendttiS de» ..Stichs. Sander>«n,el«er»», Kaum einer schmalen CorpnSzelle lo Psg. Bevorzugte Stelle (lspalt. Petitzcile) 30 Pf. BeiWiederholung großer AnnoneettNabatt., Bei Bestellungen von An-märtS wolle mal« JnsertionSbetrag (in Briefmarken) beifügen tje 8 Silben CorpuSschrist bilden ca. 1 Zeile.) Annoncenannahiue nnr bis Vormittag. Lerlüin Mniler Wick/ Bnchdrnikcrci. Chemnitz. Theaterstraße b (Fernsprcchstelle Nr. 136). Telegr -Adr.: LandeS-Anzeiger, Chemnitz. Mit täglich einen! besonderen 4. Sächsisches Allerlei - Unterhaltnngsblcitt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 6. Jllnftrirtes Unterbaltnngsblatt — 6. Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt. Lustiges Bilderbuch. Amtliche Bekanntmachungen. Ueber das Vermögen des Schankwirths Carl Moritz Wächtlcr in Chemnitz wird heute am 9. Mai 1888 Nachmittags Uhr das Concursvcrfahre» eröffnet. Der Rechtsanwalt Zenker in Chemnitz wird zum Concursverwalter ernannt. Concursforderungcn sind bis z»m 6. Juni 1888 bei dem Gerichte anzumelde». Es wird zur Beschlußfassung über die Wahl eines andere» Verwalters, sowie über die Bestellung eines Gläubigeransschusses und ein tretenden Falles über die in 8 120 der Concursordnung bezeichnet«!» Gegen stände auf den 26. Mai 1888 Vormittags 10 Uhr und zur Prüfung der an- gsmeldcten Forderungen auf den 21. Jnni 1888 Vormittags 10 Uhr vor dem Unterzeichneten Gerichte Termin anbcraumt. Allen Personen, welche eine zur Concnrsmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Concnrsmasse etwas schuldig sind, wird ausgegebcn, nichts an den Gemeinschuldncr z» ver abfolgen oder zu leiste», auch die Verflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befricdignng in Anspruch nehmen, dem Concursverwalter bis zum 12. Juni 1888 Anzeige zu machen. Königliches Amtsgericht zu Chemnitz. Telegraphische Nachrichten. Vom 13. Mai. Petersburg. Fürst Dondnkow-Korsakow, Gouverneur des Kaukasus, bringt eine Adresse von angeblich einer halben Million Bulgaren, der Zar möge den Cvburger, welcher Bulgarien usnrpirc, entfernen; eine ähnliche Adresse sendet General Gnrko. Konstantinopel. Die Türkei ist nun ebenfalls ringelnden worden, an der einen durchaus friedlichen Charakter tragenden Flotten Vereinigung bei Barcelona thcilzunehmen. Paris. Umfassende Sicherhcitsmaßregeln wurden von der Polizei und den Militärbehörden in Douai für die Zeit der An wesenheit Boulangers getroffen. Auf Befehl des Corpscommandcurs durfte gestern kein Soldat die Kasernen verlassen. 25 Mann jeder Batterie standen zum Abmarsch bereit, wenn von den Civilbchörden militärische Hülfe in Anspruch genommen würde. Berlin, den 14. Mai, Vormittags. Der Kaiser hatte eine recht gnte Nacht mit erquickendem Schlaf. Cr stand nm 10 Uhr auf. Die Eiterung ist geringer. Politische Rundschau. Chemnitz, den 14. Mai. Deutsches Reich. Aus Schloß Charlottenburg. Die lang same Besserung im Befinden des Kaisers hält an, die Kräfte nehmen mehr und mehr zu und man darf hoffen, daß eine längere Ruhepause cintreten wird, besonders, wenn das Wetter sich günstiger gestaltet und für den Kaiser der Aufenthalt in freier Luft selbst möglich wird. Die Hochzeit des Prinzen Heinrich von Preußen mit der Prinzessin Irene von Hessen wird am Donnerstag nach Pfingsten in Charlotten- bnrg stattfinden, der Kaiser selbst aber der Ccrcmonie kaum beiwohnen. Die Anstrengung dürste doch etwas zu groß sein. Nach der Hochzeit wird dann ernstlich an die Ucbersiedclnng nach Potsdam hcran- gctrctcn, immer natürlich ein gutes Befinden des Kaisers voraus gesetzt. Wenn der sog. „Hofbericht" versichert, an diese Ucbcrsicdclung sei noch gar nicht gedacht, so beruht diese Mittheilnng einfach ans Ge dankenlosigkeit. Es stehen sogar die kaiserlichen Salonwagen schon in Charlottenbnrg bereit. Bulletins werden fortan nur Dienstags und Freitags ansgegeben werden. — Die Prinzessin Maria von Hvhenzollern Hcchingcn ist am Sonnabend Mittag im Kloster Oliva bei Danzig an einem Herzschlag gestorben. Dieselbe ist am 25. Jnni 1808 geboren. Mit dem Tode der nnvermählt gebliebenen Prinzessin erlischt die bereits im Mannes- stamme ausgestorbcnc Linie Hohenzollern-Hechingcn gänzlich. — Der Reichskanzler Fürst Bismarck wird, wie die „Krcuzztg." bestätigt, für einige Tage nach Varzin reisen. Auch diese Reise darf als Gewähr dafür gelten, daß eine erhebliche Besserungen» kaiserlichen Befinden cingetreten ist. Die „Krenzztg." bezeichnet die Nachricht Petersburger Blätter, der Reichskanzler solle in den russischen Fürsten stand erhoben werden, als Unsinn. Das ist sie auch. — Minister von Puttkamer ist aus dem Weichselgebiete, Botschafter Herbette aus Paris in Berlin angekommen. — Dieser Tage wurde als etwas Besonderes initgctheilt, die Adresse der Poscner Damen an die Kaiserin sei zwei Mal mit dem Vermerk „Annahme verweigert" aus Charlottenbnrg retour gekommen. Die Sache klärt sich dadurch auf, daß im kaiserlichen Hofmarschallamt zu Charlottenbnrg jede Pcickctscndung zurückgewicse» wird, welche nicht mit einem ordnungsmäßigen Begleitschreiben kommt. — Gelegentlich des unlängst gefeierten russischen Osterfestes, so schreibt man der „Voss. Ztg.", ist fast das gcsammte Personal der russischen Botschaft in Berlin vom Zaren Alexander ausgezeichnet worden. Die Thatsache wird in Berliner diplomatischen Kreise» all gemein als ein Beweis dafür angesehen, daß die Beziehungen zwischen den beiden großen Nachbarstaaten zur Zeit durchaus leidliche sind. — Der Kultusminister von Goßlcr hat dem Vorsitzenden ver deutschen Tnrncrschaft, dem Abg. Gütz, folgendes Schreiben übermittelt: „Ew- Hochwohlgeboren sage ich für die Ucbersendnng des „Handbuches der deutschen Turnerschaft" verbindlichen Dank. Ich habe aus dem selben von der fortschreitenden Entwickelung der deutschen Turnsache gern Kenntniß genommen. Zu Ihrer Aeußerung in der an mich gerichteten Zuschrift, wie» die deutsche Turnerschaft seit langen Jahren darauf hingewiesen habe, daß die Forderung eines gewissen Maßes leiblicher Geübtheit und turnerischer Fertigkeit für die Erlangung der Berechtigung zum Einjährig-Freiwilligcndienst das sicherste Mittel sein würde, die Jugend der höheren Schulen zum fleißigen Betrieb der Leibesübungen zu zwingen, muß ich ergebenst bemerken, daß diese Frage zur Entscheidung noch nicht reif ist und weiteren Erwägungen Vorbehalten wird." — Das preußische Abgeordnetenhaus wird, wie angenommen wird, vorläufig nur noch Montag und Dienstag dieser Woche Plenar sitzungen abhalten, um am letzteren Tage namentlich den Gesetzen« Wurf betreffend die Verbesserungen der Oder und Spree zu erledigen. Das Herrenhaus wird in dieser Woche das Volksschullastcngesetz bc- rathen. Im Abgeordnetenhanse ist das Gesetz bekanntlich als Ver fassungsänderung angesehen, während das Herrenhaus anderer Ansicht ist und ebenso wie die Regierung meint, die Vorlage enthalte keine Abänderung der Verfassung. Wird zwischen beiden Häusern des Landtages keine Uebcreinstimmnng über diesen Punkt erzielt, so würde daran zu guter Letzt noch das ganze, mit so großen Erwartungen begrüßte Gesetz scheitern. — Herr Windthorst begeht gegen Ende dieses Monats seine goldene Hochzeit, hat sich aber alle öffentlichen Theilnahmebezeugnngcn dankend verbeten, will vielmehr den betreffenden Tag mit seiner Ge mahlin bei Verwandten in ländlicher Stille begehe». Von den vier Kindern, welche der Ehe entsprossen, lebt nur noch eine unverheirathete Tochter. — Wie wir vor einiger Zeit mittheiltcn, sind auf Veranlassung des Staatssecretärs 1)r. von Stephan in denjenigen Orten, wo es an sonstigen Sammclstcllcn fehlte, die Postanstalten zur Entgegen nahme von Geldspenden für die Ucberschwcmmtcn ermächtigt worden. Die Sammlungen bei den Postanstalicn haben nach dem inzwischen erfolgten Abschluß den Betrag von 76,740 Mk. 95 Pf. ergeben, welcher an das Berliner Ccntralkomitce zur Unterstützung der Ueber- schwcnnnten übermittelt worden ist. Oesterreich Uttqarn. Am Sonnabend Abend gab es in Wien eine» bedeutenden Straß nkrawall. Eine große Menge Studenten und Personen aus den niederen Volksschichten sammelten sich vor dc> Wohnung des jüngst vcrurthcilten Abgeordneten Schönerer, des be kannten Anliscmitcnführers, an, überreichten der Frau desselben Blumenspendcn und riefen: „Hoch Schönerer, nieder mit den Juden!" Die Tnmulluantcn zogen dann in dichten Massen über die Ringstraße durch die Kärthnerstraße zum Kricgsmiuisterium und konnten dort erst zerstreut werden. Vor dem Hanse Rothschilds und den Häusern anderer bekannter jüdischer Bankiers wurde gepfiffen und geschrieen; eine größere Anzahl von Exccdentcn wurde verhaftet. — Die unga Suzon's Ende. Von Emil Pesch kan. Fortsetzung. Nachdruck verboten. „Sind Sic cs, Herr Mathieu?" „Ich bin cs, Gilberte. Was macht der Vater?" „Er schläft — und cs ist gut, das wird ihn sicher kräftigen. O, Herr Mathieu, es wäre so traurig, wenn er sterben sollte! Und jetzt — jetzt — wo sich alles von ihm zu lösen scheint — aller Groll — alle Härte! Ich glaubte ihm immer tiefer ins Herz zu blicken als andere Leute, ich habe nie daran gczweifclt, daß er doch gut war, wenn er auch so oft ganz anders schien. Herr Mathieu, auch Sie haben cs nicht geglaubt." Mathieu erwiderte nichts, aber er sah Gilberte aufmerksam i" das erregte Gesicht. Sie wich seinem Blick nicht aus und erwartete seine Antwort. „Sagen Sie mir, Gilberte," begann er nach einer Weile, „warum nehmen Sie sich eigentlich so um uns an?" „Werde ich nicht dafür bezahlt?" sagte sie, und zugleich zog eine leichte Röthe über ihre blassen Wangen. „Ja. Aber nicht wie Sie cs verdienen." „Vielleicht haben Sie Recht, Herr Mathieu. Es ist nicht viel, was ich bekomme, und ich glaube, daß mir Herr Gerard mehr be zahlen konnte. Aber was ändert das? Wenn ich deswegen meine Arbeit nur halb machen wollte, könnte ich cs denn? Nein, Herr Mathieu, das brächte ich nicht fertig, das würde mich unglücklich machen. Ich finde keine Ruhe, ehe nicht Alles so gut ist, wie ich mirs denke, ehe nicht Jedes in Ordnung an seinem Platze steht und ich nicht Alles gethan habe, was gethan werden soll. Das Geld, das mir Herr Gerard giebt, nehme ich, weil ich davon leben muß Aber die Freude macht mir nicht das Geld, sondern meine Arbeit und Sie wissen gar nicht, wie glücklich ich mich fühle, so Tag für Tag einen Haushalt in Ordnung bringen zu können, wie mir zu Mnthe ist, wenn ich weiß, jetzt ist Alles so gut und so hübsch ge macht, wie ich es nur machen kann." Mathieu ließ seine Augen nicht von ihrem Gesicht und unter brach sie kopfschüttelnd. „Gilberte, — Sie sprechen, als ob Sie über diese Dinge nach gedacht hätten." rische Negierung hat beschlossen, allen Truppenkörpern, welche sich an dem Rettungswerke bei den Hochwassergefahren mit großer Selbst aufopferung betheiligt haben, ihren Dank auszusprcchen. — In Wien hat in Gegenwart des Kaisers Franz Joseph, der Mitglieder des kaiserlichen Hauses, der Minister, Behörde», Generale, zahlreicher Deputationen die feierliche Enthüllung des neuen Maria-Theresia- Denkmals stattgesunden. Der Kaiser wurde lebhaft begrüßt. — Die Delegationen sind zum 4. Juni einberufen worden. Italien. Im Zustande des in Mailand lebensgefährlich er krankten Kaisers von Brasilien ist eine Besserung cingetreten. DaS Fieber ist leicht, die Rippenfellentzündung verläuft günstig und die sehr bedenklichen Symptome einer Gehirnkongestion haben sich nicht wieder gezeigt. Der Kaiser ist bei Bewußtsein, aber äußerst schwach. — Die italienische Deputirtenkammer hat am Sonnabend dem Mi nisterpräsidenten Crispi in der auswärtigen Politik ein volles, unge schminktes Vertrauensvotum ausgesprochen und mit 302 gegen 80 Stimmen Crispis Ansicht gebilligt, daß die Besetzung von Massauah und Umgebung vorläufig aufrecht erhalten werden soll. Die Debatte brachte etwas Neues nicht mehr, tiefen Eindruck machte es aber, als Minister Crispi in herzlichen Worten erklärte, seine Politik gelte nur dem Ruhme und Wähle Italiens, man möge ihm also Vertrauen in dieser Sache schenken und dasselbe aussprechen. — Am 15. Mai geht die italienische Uebnngsflotte, 15 Schiffe stark, zur Eröffnung der spanischen Ausstellung nach Barcelona und wird sich dort mit dem österreichischen und englischen Geschwader vereinigen. — Papst Leo empfing am Sonnabend den Bischof von Osnabrück und einen Theil der Mitglieder des zweiten deutschen Pilgerzugcs. — Der Sultan von Marokko hat kürzlich drei italienische Offiziere in seiner Armee als Instruktoren angcstellt. Die Herren, zwei Artilleristen und ein Ingenieur, haben sich bereits nach Afrika begeben. Frankreich. Bonlanger's Reise im Norddepartement, seinem Wahlkreise, gleicht einem Trinmphzuge. Hier und da ist wohl von Gegnern gezischt, aber diese feindlichen Aeußerungen waren so unbe deutend, daß sie wenig in Betracht kommen. In Dünkirchen wurde einem Antiboulangisten, der pfiff, der Schädel eingeschlagcn. Man muß es dem ehemaligen General lassen, daß er die Massen sehr gut zu behandeln weiß; er erscheint in Civil, trägt die Deputirtenschärpe und das ihm von Grevy noch verliehene Großkreu; der Ehrenlegion. Der Einzug in Dünkirchen erfolgte in fünfzehn Wagen inmitten großen Volksjnbels. Boulanger empfing u. A. auch eine Deputation der Fischweiber, deren Führcrin er umarmte, besuchte den Hafen, wo die Arbeiter ihn feierten, und nahm an einem Festmahle Theil, auf welchem er den Bewohnern der Stadt allerlei Schmeicheleien sagte. Alle bonapartistischeii Blätter feiern ihn. Ganz außerordentlich war der Einzug in Lille. Mehr als fünfzi'gtauscud Menschen empfingen Boulanger und geleiteten ihn znm Hotel, auf dessen Balkon er immer wieder erscheinen mußte, fortwährend von Hochrufen begrüßt. Beim Einzuge in Lille gab es indessen doch mehrere Scandalscencn. Ein Mann, der pfiff, wurde halvtodt geschlagen. Das Redactionslocal eines antibonlangistischen Blattes wurde gestürmt, die Redactcure mußten mit Revolvern Vorgehen. Bei den vielen Prügeleien gab es zahlreiche Verwundungen. Einmal gewannen Boulangers Gegner die Oberhand; sie versuchten seinen Wagen umznwerfcn und bombardirten ihn mit mehlgcfüllten Eiern. Auch in Douai gab es Lärm; hier mischte sich Militär in die Schlägereien, sehr viele Personen wurden verwundet. Abends war im Alcazar-Thcatcr ein Bankett von 800 Gedecken, auf welchem Boulanger eine größere Rede hielt. Er sagte, er wolle weder Krieg, noch die Dictatur. Was er wolle, sei die Verthcidignngsfühigkeit Frankreichs und die Hebung seines durch die Parlamentswirthschaft sehr geschädigten Ansehens, sowie Reformen im Innern. Zn dem Zwecke sei Auflösung der Kammer und eine Ver- sassuugsrcvision nothwendig. Seine Worte fanden großen Beifall, wie nicht anders zu erwarten war. Am Sonntag reiste der General von Lille nach Valcncienncs, abermals großartiger Empfang. Diens tag wird der General wieder in Paris sein, um der Eröffnung der „Das habe ich auch, denn Herr Gerard hat gestern und auch heute wieder dieselbe Frage an mich gerichtet, ich weiß nicht, warum. Und heute sagte er dann zu mir ganz seltsam: „Kind, wie weise spricht Gott zu uns ans einfachen, harmlosen Geschöpfen!" — Ich habe ihn nicht verstanden, ich verstehe nicht, was er meint." „Sprach mein Vater öfters so mit Ihnen? Er deutete auf dunkl» Dinge in seinem Leben — sagte er Ihnen etwas davon?" ' „Nein, Herr Mathieu. Er war immer stumm und doch schien cs mir oft, als würde ihm die Last zu schwer, als wollte er sprechen. Dann aber behandelte er mich plötzlich noch viel schroffer als sonst, und ich glaube, daß er mir kein rechtes Vertrauen geschenkt hat. Erst später, nachdem er Sie zur Rede gestellt hatte, weil — weil Sie den Scherz mit mir getrieben — und als Sie dann so un freundlich zu mir wurden, erst von da an war er freundlicher, milder, wenn er mit mir zu sprechen hatte. Aber erzählt hat er mir trotz dem nichts — wir sprachen nie mehr als vom Haushalt und ähn lichen Dingen." „Und jenen Scherz — jenen Scherz haben Sie vergessen, Gilberte?" „Vergessen? Nein. Da müßte ich ja ein schwaches Gcdächtniß haben, aber warum fragen Sie danach?" „Sie haben nie daran gedacht, Gilberte, daß Sie meine Frau werden könnten?"' Gilberte erröthcte heftig und erwiderte in unwilligem Tone: „Herr Mathieu — das sollten Sie nicht von mir denken. Ich bin Ihnen gut, wie einem Bruder — ja, Herr Mathieu, weil Sie die Wahrheit wissen wollen — ich liebe Sie, wie ich meinen Bruder lieben würde oder meinen Mann, wenn ich verhcirathet wäre. Aber Ihre Frau zu werden, das habe ich nie gewünscht. Ich bin viel älter als Sie, ich bin nicht schön, nicht reich, ich bin nicht so wie Frauen — wie andere Frauen, die man hcirathet. Und dann, Herr Mathieu, ich bin ein einfaches Geschöpf, ich bin eine Magd, ich habe keine Bildung — und Sie, Sie sind ein Künstler! Ich kann Sie lieben und für Ihr Haus sorgen, aber was sollte ich denn den ganzen Tag mit Ihnen sprechen? Und wenn ich Arm in Arm mit Ihnen ausgche» sollte — ich würde ja vor Scham in die Erde sinken. Nein, Herr Mathieu, das wäre lächerlich, alle Welt würde darüber lachen, und halten Sie mich für so thöricht, daß ich mich lächerlich machen könnte? Ich habe nicht viel gelernt, aber ich bin doch klug, Herr Mathieu, das darf ich wohl sagen." Er reichte ihr die Hand. „Verzeihung, Gilberte — ich werde suchen, ein guter Bruder zu sein. Und der Vater — er schläft also?" Ihr Blick wurde wieder freier, das Roch schwand von ihren Wangen. „Ja, Herr Mathieu. Ich horchte vorhin an der Thüre, und wissen Sic, was er im Traume sprach? — „Mathieu, mein lieber Mattsten!" — O, es ist merkwürdig, wie das seit seiner Krankheit mit ihm geworden ist. Sowie er mich sicht, fragt er nach Ihnen, ob Sie sich das sehr zu Herzen nehmen, und wo Sie sind und was Sie machen. Es ist, als ob nur mehr die Angst in ihm lebte, Sie zu verlieren." „Ich danke Ihnen, Gilberte. Ich will jetzt auf mein Zimmer gehen — wenn der Vater erwacht, dann rufen Sie mich, nicht wahr?" Er drückte ihr nochmals die Hand und öffnete dann die Thür seiner Stube. Hier angclangt, trat er einen Augenblick an das Fenster und ließ die Vorhänge herab. Und dann warf er sich in einen Lehnstuhl,'.der neben dem Klavier stand, und senkte den Kopf in die Hände. Was war denn anders geworden als sonst? Er sah seinen Vater, Suzon, Gilberte — und Alle blickten sie ihn niit Gesichtern an, die nicht die alten waren. Was war denn geschehen — was für dunkle Mächte spielten mit ihm? Er dachte nicht daran, wie sehr ein großer Schmerz die Seele weitet und vertieft, wie sehr er unsere Augen schärft, daß wir Plötz lich das Thun der Menschen verstehen und Dinge sehen, die wir vorher nicht ahnten. Er glaubte nun, seinen Vater zu verstehen — er verstand Gilberte — er sagte sich, daß der Vater nicht ganz Unrecht hatte, wenn er ihm abrieth, Suzon zu hcirathen. Sie war leichtsinnig, sie war fast eine Verschwenderin zu nennen — ja. Es war nicht so schlimm, wenn der alte Mann gegen sie sprach, er that cs in der besten Absicht. Aber hätte er nicht zur Einsicht kommen sollen: Mein Kind liebt dieser Weib — warum soll er sie nicht besitzen — sind wir nicht reich? Gewiß hätte er dies sagen sollen — wie cs die Leute immer sagten! „O, die Schätze Deines Vaters! Er vergräbt sic, er hält sie verschlossen, er ist ein Geizhals. Er kennt nichts als Sparen und Knickern »nd betrügt Dich nm das Schönste des Lebens, um die Genüsse der Jugend" .... Was lag am Gelbe, wenn er Suzon besaß! . . . Und wenn sie wirklich mehr vergeudete als gut war — mußte er nicht Millionen verdienen mit seinen Werken? Ein paar - 'Ä - ' ^ '2 '! ^
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite