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Sächsischer Landes-Anzeiger : 31.01.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-01-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188801310
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880131
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880131
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-01
- Tag 1888-01-31
-
Monat
1888-01
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 31.01.1888
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— Nr. 25. — 8. Jahrgang. — Sächsischer Dienstag, 31. Januar 1888. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum de- folgenden Tage») zur Versendung gelangende „Sächsische LanVeS-Anzetger" mit täglich einem besonderen Unter- baltungrblatte und mit dem Extrabeiblatt Luftige» Bilderbuch kostet bei den Ausgabe. Hellen monatliches Pfg., bei den Post-Anst. 75 Pf. (1888er Ztgr.-Pr«i»liste mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. «nzeigeuvrei-de» „sichs. raure«.«nzelger»"r Raum einer schmalen Corpurzeile Io Pfg. Bevorzugte Stelle (1svalt.PetItzeile)S0 Pf. BeiWiederhvlung großer Annoncen Rabatt. Bei Bestellungen von AuSwärt» wolle man 8e 8 Silben Torpurschrift bilden ca. 1 ^e^e.) vnnoncenannahme nur bi» Vormittag. krcki: MiUiin Mt. Buchdruckcrei, Chemnitz. Theaterstraße 5 (Fernsprechstelle Nr. 136). Mit täglich einem besonderen Unterhaltungsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 4. Sächsisches Allerlei — b Jllnftrirtes Unterhaltungsblatt — 6 Sonntagsblatt — Extra- Beiblatt: Luftiges Bilderbuch. Abonnement für Februar und März. Der „Sächsische Landes-Anzeiger" bringt im Februar in seinem täglichen Feuilleton die historische Novelle: „Schelm von Bergen" ) von A. von Limburg zum Abdruck, welcher dann im weiteren Verlauf des Quartals folgen werden: „Wandlungen", Novelle von F. L. Reimar, sowie „Fahr wohl!" Erzählung von A. Godin. Jeder neubeitretende Abonnent, welcher die Abonnements- Quittung direct an die Verlags-Expedition einsendet (auswärtige Abonnenten wollen zur Frankirung eine 10-Pfg-Marke beifügen), > erhält gratis die Extrabcigaben geliefert: D 1. Wethnachtsbüch (Jllnftrirtes Jahresduch für 1«SS), I 64 Seiten groß 8°, mit Almanach, hübschen Weihnachts-Erzählungen D und Bildern rc. (Preis dieses Buches für Nicht-Abonneuten 40 Pfg.) M 3. Jllustrirter Kalender für 1888, 84 Seiten 40 mit Oeldrnck- 8 bild, fesselnden Erzählungen, vielen Bildern rc. 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Telegraphische Nachrichten. Vom 29. Januar. Straßburg. Girard, Apotheker in Schirmeck, ist als des Landesverraths verdächtig vorgestern Abend verhaftet worden; wie s Appel, beschäftigt auch er sich mit Brieftaubenzucht, l Wien. Die Bedeutung von Tisza's Friedensrede wird allge- ß mein zwar gewürdigt, sie hat aber die in gewissen Kreisen herrschen den pessimistischen Anschauungen doch nicht ganz zu verdrängen ver mocht. Es wird immer noch befürchtet, ein unvorhergesehener I Zwischenfall künne einen ernsten Konflict herbeiführen. Der sichere ( Fortbestand der Friedens-Allianz wird mit lebhaftem Beifall begrüßt. L Zürich. Singer's Mittheilungen bei der Sozialistendebatte im » Reichstage erregten hier großes Aufsehen. Die Auslieferung der I Untersuchungsergebnisse an deutsche Sozialdemokraten wird mißbilligt. A Paris. In der Wilson-Affaire ist ein neuer Skandal zu ver- » zeichnen. Man hat einen Brief verloren, durch den bewiesen wurde, I daß Legrand 3000 Francs in den Bureaux des Wilson gehörigen „Moniteur de l'Exposition" habe bezahlen wollen. Man spricht in Folge dessen viel von der Demission des Gencralprokurators Bouchcy L und des Prokurators Bernard, die eine kompromittirende Rolle in ß den verschiedenen Wilson-Affairen gespielt haben sollen. Madrid. Das hiesige Variete-Theater ist heute früh abge- ^ bräunt; Menschen sind bei dem Brande nicht verunglückt. ^ Konstantinopel. In Damaskus haben türkische Gens- darmen aus dem französischen Konsulat einen Algierer gewaltsam entführt. Darauf ist der älteste Sohn Abdelkader's sofort nach Bey- ruth gereist, wo er den französischen Konsul um Anweisung eines anderweitigen Aufenthaltsortes für sich und seine Landsleute ersuchte. Der französische Botschafter Graf Montebello hat bei der Pforte ernst liche Beschwerden erhoben. — Die Bank Ottomane hat die Forder ung des Finanzministers wegen eines Vorschusses zur Bezahlung der Mausergewehre vorderhand abgelehnt. — In Kukajan haben Officiere wegen Ausbleibens der Gehälter den ersten Finanzbcamten geprügelt. — Krupp hat wegen Nichteinhaltung der Verbindlichkeiten seitens des Finanzministers ein neues Ultimatum gestellt. Das Friedensbündnitz und die Friedensausstchten. Endlich ist wieder eine Kundgebung über die allgemeine politische Lage erfolgt, die den Werth hat, von wirklich kompetenter Seite zu kommen. Der ungarische Ministerpräsident Tisza hat im Einver nehmen mit dem Minister des Auswärtigen, Grafen Kalnoky, im Abgeordnetenhause zu Pest folgende Erklärung abgegeben: „Zwei In terpellationen über die auswärtige Lage sind an mich gerichtet; ob es angezeigt war, diese Interpellationen zu stellen, darüber will ich nicht urtheilen, doch ist es meine zweifellose Ueberzeugung, daß, wenn wir sehen, wie sehr sich in allen Staaten, selbst in England, die Minister die größte Reserve auferlegen, wenn sie die politische Lage besprechen, Jedermann erkennen muß, daß die geübte Zurückhaltung von der durch die Situation selbst geschaffenen Nothwendigkeit geboten ist. Von dieser Ueberzeugung durchdrungen, werde ich es unterlassen, auf die Fragen der Interpellanten näher einzugchen und mich nur kurz fassen. Bevor ich dies thue, warne ich Jedermann, den einander ablösenden und oft in vollkommenem Widerspruche mit ein ander stehenden Telegrammen und Zeitungsgerüchten Glauben zu schenken. Es ist nicht meine Absicht, zu untersuche», ob diese Gerüchte Börseumanöver sind oder aus Sucht, Aussehen hervorzurufen, als voraus gelassene Fühler oder gar zu dem Zwecke in die Welt geschleudert werden, damit durch dieselben hier und da im Innern eines Staates Beunruhigungen und Spaltungen hervorgerufen oder das gegenseitige Vertrauen der alliirtcn Mächte zu einander erschüttert werde, — es mag denselben einmal dieser, ein andernial jener Zweck zur Grund lage dienen; ist cs doch die Aufgabe eines jeden Politikers, der auf Beachtung Anspruch erheben kann, sich durch derlei Gerüchte nicht irre führen zu lassen und namentlich daraus nicht sosort Schlüsse zu zu ziehen, die, weil auf falschen Voraussetzungen beruhend, hinfällig sein müssen. Die Folge einer solchen Irreführung ist es, wenn Je mand schwerwiegende Conseqnenzc» aus angeblichen Einmischungen und Conflicten ableitct, die der Minister des Auswärtigen bezüglich politischer Entscheidungen zu bestehen hat. Daß aber daran kein wahres Wort ist, wurde bereits von kompetentester Stelle bekannt gegeben. So ist cs auch, wenn die bereits den Ausdruck des Zweifels enthaltende Anfrage an mich gerichtet wird, ob wir darauf rechnen könne», daß unsere Alliirtcn das erfüllen werden, was wir von ihnen zu erwarten berechtigt sind. Wenn wir sehen, daß man uns bald in der einen, bald in der anderen Form darauf aufmerksam macht, auf der Hut zu sein, weil wir uns im Vertrauen auf unsere Alliirtcn täusche» würden, und wenn dann wieder Jene gewarnt werden. Acht zu haben, weil sie sich in uns täuschen würden, so muß man einsehen, daß es im Interesse irgend Jemandes liegt, den Friedensbund zu stören oder wenigstens das gegenseitige Vertrauen der Mitglieder des selben zu erschüttern und auch in den betreffenden Völkern eine die Thatkraft lähmende Beunruhigung hervorzurufen. Diesen Ausstreu ungen gegenüber steht die Thatsache fest, daß nicht der geringste Grund vorhanden ist, an der gegenseitigen Treue der zur Aufrccht- erhaltung des Friedens und zu ihrer eigenen Sicherheit verbundenen Mächte zu zweifeln. Daß Rußland eine einschneidende Verlegung seiner Truppen gegen Westen vornimmt, ist sattsam bekannt, sowie auch, daß die Durchführung dieses seit längerer Zeit bestehenden Planes in neuerer Zeit in größerem Maßstabe erfolgte. Eben des halb, ohne jedoch irgend einen Zweifel in die friedlichen Erklärungen Sr. Maj. des Kaisers von Rußland zu setzen, ist es unsere Pflicht» dafür zu sorgen, daß bei Vermeidung Alles dessen, was den Schein einer Herausforderung haben könnte, alles Nöthige geschieht, was die Sicherung unserer Grenzen und die Wehrfähigkeit unserer Armee er fordert. Die Ziele unserer auswärtigen Politik sind aller Welt be kannt. Jeder weiß, daß wir für uns gar nichts, weder eine ver tragswidrige Ausdehnung unseres Einflusses, noch gar irgend einen Länderzuwachs, anstreben, wie uns dies lügnerischer Weise zugeschrieben wird. Auf der Basis der internationalen Verträge stehend, wünschen wir vor Allem die Erhaltung des Friedens und werden auch im In teresse desselben bereit sein, im versöhnlichsten Sinne im Verein mit den übrigen europäischen Mächten zur Erhaltung des vertragsmäßigen Zustandes mitzuwirken. Ich kann nur wiederholen, daß das Bünd- niß der mitteleuropäischen Mächte nie etwas Anderes war, als ein entschiedenes Friedensbündniß auf rein defensiver Basis, und deshalb aller gewaltsamen und kriegslustigen Politik fecnsteht. Da auch von Rußlands maßgebendster Stelle die friedlichsten Absichten verkündet werden, so können wir trotz mancher zur Zwietracht und zum Kriege treibender Elemente hoffen, daß es den friedliebenden Monarch en und Regierungen gelingen werde, den Frieden zu erhalten und Europa von dem schwer auf demselben lastenden Gefühle der Unsicherheit zu befreien." Die Rede hat im ungarischen Parlament und in der österreichisch-ungarischen Presse lebhaften Beifall gefunden. Dieselbe Zustimmung wird auch jeder Friedensfreund in Europa dieser offenen nnd unzweideutigen Friedenserklärung zu Theil werden lassen. Politische Rundschau. * Chemnitz, den 30. Januar. Deutsches Reich. Am Sonntag Vormittag empfing der Kaiser eine große Anzahl von Offizieren, darunter den sächsischen Stabsarzt Or. Wolfs und den Premierleutnant Kling, welche sich nach dem Togogebiet in Wcstafrika begeben. — Aus San Remo. Am Sonnabend herrschte ein heftiger Wind, der deutsche Kronprinz fuhr deshalb im geschlossenen Wagen spazieren. Bei dem sehr niedrigen Barometerstand fürchteten Viele ein Erdbeben. Hoffentlich bleibt es bei der bisherigen Ruhe. Auch am Sonntag machte der deutsche Kronprinz einen Ausflug. Sein Befinden ist befriedigend. Die Ankunft des Großherzogs von Hessen und seiner Tochter Irene, der Braut des Prinzen Heinrich, haben ein heiteres Leben in die kronprinzliche Familie, besonders in den jüngeren Theil derselben, gebracht. Sonntag Abend ist vr. Mackenzie ans London in San Remo angckommen. Die vom deutschen Kron prinzen ausgehusteten Knorpellheilchen hat Professor Virchow erst in der zweiten Hälfte der vorigen Woche zugestellt erhalten und sie auch schon untersucht. Ueber das Resultat wird aber Stillschweigen be obachtet. Ist es günstig, so kann sicherer, als bisher, angenommen werden, daß das Halsleiden in Kehlkopsknorpelentzündung besteht. Wenn Wiener Blätter schreiben, in Gries bei Bozen werde passendes Quartier für die kronprinzliche Familie gesucht, so ist das nicht so zu verstehen, als ob eine Uebersiedelung nahe bevorsteht. Zum Aufenthalt in Tirol gehört größere Wärme, als sie jetzt dort vorhanden ist. — Der Reichskanzler Fürst Bismarck und seine Gemahlin sind am Sonnabend Abend von Friedrichsruhe in Berlin angckommen. Der Kanzler ist bereits vom Kaiser empfangen worden und wird heute Montag im Reichstage zur Vertretung des Sozialistengesetze- erwartet. Eine hochinteressante Debatte steht also bevor. Nach dem Verlauf der Sonnabendsitzung war die Annahme der geforderten Ver schärfung des Gesetzes aussichtslos, da auch die Nationalliberalen sich dagegen erklärt hatten. Es bleibt abzuwarten, ob nun eine Aender- ung eintritt. — Staatssekretär Graf Herbert Bismarck gab zu Ehren des spanischen Botschafters Grafen Bcnomar ein Diner. Fritz mutz Doctor werden. z Von A. G. von Suttner. Nachdruck verboten. „Fritz muß Doctor werden!" Dieser gewichtige Ausspruch fiel von den Lippen des Herrn Mathias Stahlwiescr, als beschlossen wurde, den sechsjährigen Sprößling in die Bürgerschule zu entsenden. „Er muß Doctor werden!" . . . Heute erst hatte der fürsorg liche Vater in der Zeitung gelesen, daß ein berühmter Pariser Operateur nach Petersburg berufen worden, um einem seit Jahr zehnten darniederlegenden Nabob Rettung zu bringen, und daß man keinen Augenblick gezögert, dem Apostel der Heilkunde das ausbe dungene Honorar von 20,000 Rubel zuznerkeunen . . . Teufel, — : zwanzigtausend Rubel für einen Messerschnitt l Besseres gab's ja wohl nicht mehr auf der Welt, — also, wie gesagt, es bleibt dabei: I? Fritz muß Doctor werden! I Schwager Blechmüller, welcher zufällig dem Familienrath bei- 8 gewohnt, hatte zwar bemerkt, daß es nicht Jedem gegeben sei, in die I Fußstapfen des weltberühmten Professors zu treten, — und daß man I vielleicht besser thäte, nicht heute schon über die Zukunft des Scchs- M jährigen zu entscheiden, aber da hatte der gute Mann tauben Ohren I gepredigt, — ja Herr Stahlwiescr war sogar unwirsch geworden, ' weil es ihm geschienen, wie wenn Blechmüller die Karriere des Jungen zu „verschreien" suche. . . . Warum sollte es nicht gerade auch Fritz glücken? — Machen doch verschiedene Leute den Haupttreffer, — und «in Haupttreffer war's, so im Handumdrehen baare 20,000 einzu- steckcn! — Uebrigens war jener Professor sicherlich auch schon von seiner Geburt auf dazu bestimmt worden, Doctor zu werden, — also konnte man's mit Fritz ebenso halten. ^ „Das wohl, — aber es heißt bedenken, daß aus Tausende» von Concurrenten Einer nur durchgreift." — Larifari! — Der Schwager war seit jeher ein Schwarzseher gewesen. — Und zugegeben, daß nur einer in die Höhe gelangt — so konnte es in den Sternen geschrieben stehen, daß gerade Fritz dieser Eine sein sollte! Gab's überhaupt eine schönere Karriere auf der Welt? Wollte t der Schwager etwa, daß der Junge den Kramladen des Vaters fort- I führe und gleich diesen, sich zwanzig lange Jahre plage, um schließ lich einen Sparpfennig von lumpigen sieben Tausend Thalern zusam- I menzubringen? — Nein, es bleibt dabei, — Fritz muß Doktor ß werden, und eS blieb dabei. Dem Knaben wurde die Phrase im Lauf der Jahre so geläufig, daß er sich gewissermaßen als zum Doktor geboren betrachtete, ja, als der Lehrer ihm einmal vorwurfsvoll sagte: „Fritz, was wird aus Dir noch werden?" erwiderte der Befragte mit Bestimmtheit: „Ein Doktor!" . . . Die vier Normalklasscn waren absolvirt, — dann hieß es, das Gymnasium besuchen. . . . Dos war eine Plage! Der einzige Gegen stand, für den der Schüler Sinn und Verständniß hatte, war die Mathematik; dafür ging es in den anderen Fächern, besonders in den tobten Sprachen, so holprig, daß Fritz nur mit knapper Nvth im Schwimmen blieb, und hauptsächlich deshalb, weil der Mathematik- Professor auch zugleich Klassenlehrer war. Die Ferien verbrachte Fritz natürlich zu Hause. Als „Herr Student" spielte er selbstverständlich eine hervorragende Rolle, in der er sich recht gut gefiel. Seine ehemaligen Spielkameraden betrachteten ihn halb und halb als goldenes Kalb und fühlten sich sehr geehrt, wenn er sich herabließ, mit Einem oder dem Anderen ein halbes Stündchen zu verplaudern. Er hatte so eine eigene joviale Art, gewisse selbstbewußte Gesten, mit denen er seinen Bekannten von damals zu verstehen gab, daß er sich zwar als etwas Höheres fühle, — aber, eben von diesem seinen inneren Werth überzeugt, sich doch nichts vergebe, wenn er mit ihnen, ob nun Bäcker, oder Fleischhauer, oder Schneider, einen flüchtigen Verkehr unterhielt. . . . Bei den weiblichen Bewohnern des Fleckens war er schon mit siebzehn Jahren der Hahn im Korbe; er arrangirte Pikniks, — wußte allerhand Gesellschaftsspiele, war ein fermer Tänzer, — kurz, — „Fritz ist ein allerliebster Kerl" hieß es allerseits! Einmal geschah es, daß der Vater während der Ferien erkrankte; da machte es dem Sohne Spaß, eine Zeitlang den Laden zu beauf sichtigen und das Geschäft zu leiten; bald hatte er sämmtliche Frauen und Mädchen des Ortes zu Kunden, — und da er mit richtigem Scharfblick vorausgesehen, daß das bevorstehende Turnerfest eine günstige Gelegenheit zum Verkauf einiger hier noch nicht gekannter Neuheiten bieten würde, so verschrieb er auf eigene Faust eine Sendung aus der Stadt und machte damit ein glänzendes Geschäft. „Du solltest den Jungen in die Handelsschule senden", meinte Schwager Blechmüllcr zu Herrn Stahlwieser, nachdem er vom Erfolg der Speculation Kunde erhalten. — „Er hat das Zeug zum Kauf mann." Der Patient fuhr entrüstet aus seinen Kiffen empor: „Fritz wird Doctor", erwiderte er unter einem vernichtenden Blick. — „So war es seit jeher bestimmt, — und so soll es bleiben." Die Prüfung war glücklich überstanden, und der Abiturient hielt an der Facultät seinen feierlichen Einzug. — Das war nun ein herr liches Leben! — Vorlesungen schwänzen, Bier trinken, aus großen Pfeifen rauchen, Karten spielen, — das füllte prächtig den Tag aus, — ja er konnte sogar mit voller Berechtigung dem „Alten" schreiben: „Lieber Vater, — wenn nur die Tage länger wären!" Der „Alte", entzückt, posaunte im Flecken das Lob seine- Doctors" aus und verkündete Großes für die Zukunft; in seiner Freude bestimmte er, die Interessen seines kleinen Capitals dem Sohn als Zulage zu widmen, — er würde es ihm schon eines Tages zehn fach zurückzahlen, — und was ihn, 'Herrn Stahlwieser, nebst der Mutter betraf, so mußten sie sich eben bequemen, mit dem auszu kommen, was der kleine Laden abwarf. So ging es fort bis zum ersten Examen, bei welchem der Kan didat glänzend — durchfiel! — Das war wohl vorauszusehen ge wesen, denn da man ihn von Jugend auf daran gewöhnt gehabt, sich als geborener Doctor zu fühlen, so hatte er es selbstverständlich ge funden, daß das Wissen in Gestalt des heiligen Geistes ganz ohne sein Zuthun über ihn Herabkommen werde; — heißt cs doch im Spruch: „Wem Gott giebt das Amt, dem giebt er auch den Verstand!" Jetzt erst, nach diesem unerwarteten Schlage, gingen dem künf tigen Doctor die Augen ein weni^uf, und er begriff, daß es bis zum nächsten Termin ganz gchöMM^M^KjH^MN er mit heiler Haut durchschlüpfcn wollte. gar nichts von dem Unfall, der treff liches Mittel, neues Lob zu er die Ferien diesmal in der Stadt zubringen wervej' nm^en Kollegen um ein Tüchtiges vorauszukommen. — „Herrlicher Junge! — das wird ein berühmter Chirurg^Eden!" versicherte der begeisterte Vater allen Jenen, die es MMFWWn. — Sein Enthusiasmus erlitt aber einen ganz unerwarteW§Mag, als nach einigen Wochen wieder ein Brief eintraf^m wxlHem der Sohn trübselig versicherte, daß er nicht viel Passion für die medicinische Karriere fühle, — daß die Aussichten für Acrzte schlecht seien, — daß die Concurrenz immer mehr zunehme und daß er nicht ungern — dem Vater in seinem Geschäfte beistehen würde . . . „Hab ich's nicht gesagt?" — rief Schwager Blechmüller triumphircnd.
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