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Nr. 123. — 8. Ialrrgaril,. D« jeden vochentag Abend (mit Datum srsL«'°LLW mit täglich einem be>o»deren Unter« baltungrblatte und mit den« Extrabeiblatt LustigkS Bilderbuch kostet bei den Ausgabe stellen monatlich?» Pfg., bei denPost-Anst. ?5 Pf. (1888er ZtgS.-PreiSliste Nr. 8035.) Mit täglich einem besonderen 4 Sächsisches Allerlei - Mittwoch, 3V. Mai 1888. Znfertiondbetra« (in Briefmarken) beifüge» sie SSilbeu CorprlSfchrist bilden ca. IZpile.) Annoncenannahme nur biß Vormittag. mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiisch- täglich« Leitung für Sachsen „,,i> Thüringen. VS-LÄÄ^ Unterhnltungsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 5. Jllnsirirtes UnterhaltnngSblatt — 6. Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Luftiges Bilderbuch. Für den Monat Juni nehmen die Ausgabestellen In Chemnitz und Um gegend zuni Preise von 7» Pfg. (die Postanstalten zu 75 Pfg.) Abonnements- Bestellungen aus den Sächsischen LandeS-Anzeiger entgegen. Der Sächsische LandeS-Anzeiger ist in der deutschen Post-ZeitungS- Preisliste unter Nr. 5035 (in der österreichischen unter Nr. 2307) eingetragen. Allen Abonnenten wird vollständig gratis als Extrabeigabe geliefert: Eisenbahn-Fahrplanheft für Sächselt (Sommer-Halbjahr 1888). (Giltig vom 1. Juni 1888 ab.) Dieses EisenSahn-Fahrplanhest ist in Umschlag geheftet und enthält in sauberen! deutlichen Druck die Fahrpläne sämmtlicher Strecken des sächsischen Eisenbahn-Netzes nebst den Anschlüssen sowie mit Angabe der Entfernungen und der Fahrpreise. Preis dieses Hestes für Nicht-Abonnenten 20 Pfg. Ferner erhält jeder ncubeitrelende Abonnent, welcher die Abonnemcnts- Onittung (Post-Abonnenten wollen 10-Psg,-Marke für Porto beifügen) direct an die Verlags-Expedition cinsendet, vollständig gratis geliefert: 1. Jllustrirter Kalender für 1»»S, 84 Seiten 4° mit Oeldruckbild, Almanach, Kalendarium, Märkte-Verzcichniß: reich-illustrirtem unifangreichen hnmoristischen THeilu. fesselnde» Erzählungen. (Preis f. Nicht-Abonnenten40Pfg' 2. DeS Sächsischen Lanves-Anzcigers Jllnsirirtes Jahrcsbnc für 1888; 64 Seiten gr. 8° mit Almanach und vielen Erzählungen und Bildern. (Preis für Nicht-Abonnenten 40 Pfg.) Abermaligen zahlreichen Beitritt neuer Abonnenten erbittet die Verlags-Expedition des Sächsischen Landes-Anzeigers. Um Verwechslungen z» vermeide«, werden Post-Abonnenten ersucht, bei Bestellung frenndltchst genau zn verlangen r den in CheMItih erscheinenden „Sächsischen Landes-Anzeiger" (Nr. 5035 der Post-Zeitungs-Preisliste). Telegraphische Nachrichten. Vom 28. Mai. Wien. Ankniipfend an die Gereiztheit der Pariser Blätter über die Rede Tiszas wegen Betheiligung au der Weltausstellung in Paris sagt die offiziöse „Montagsrevue": Minister Tisza war weit entfernt davon, Frankreich verletzen zu wollen, womit Oesterreich in Freund schaft und Frieden leben will, so lange es nicht der Bundesgenosse Rußlands ist. Die Franzosen müssen in diesem Punkte ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie in Tisza's Rede etwas Beleidigendes finden. Sie müssen „finden wollen" und dann ist über die Stillung Frankreichs kaum mehr ein Zweifel möglich. Athen. Hier fand eine wahrhafte Schlacht zwischen griech ischen und italienischen Arbeitern statt; es gab über dreißig Todte und Verwundete. Rom. Die parlamentarische Marine Kommission konstatirte, in dem sie in dieser Beziehung den Marineministcr unterstützt, daß Italiens Flottenbesatznng kaum für die Friedenszeit ansreiche, ge schweige denn für den Kriegsfall, daher sei eine Erhöhung der Friedenspräsenz von 12,000 auf 19,000 Mann angezcigt. Gleich zeitig wird bemerkt, Frankreich verfüge trvtz weit geringerer Küsten entwickelung über 62,000 Mann Friedcnspräsenz. Anläßlich Nicoicra's Interpellation, die auch den Zustand des Kriegsmaterials behandeln wird, dürften diese Dinge auch einer parlamentarischen Disknssion unterzogen werden. London. Der „Times" wird aus Sansibar gemeldet, daß dort Briefe des Majors Baritelot, welcher bekanntlich die Nachhut Stanley'« am Aruwhimi befehligt, eingetroffen sind. Deserteurs seien am 25. October nach zwanzigtägiger Fahrt in Singatini angclangt. Stanley befinde sich ganz wohl. (?) Berlin, den S9. Mai, 11 Uhr 10 Min. Vorm. Der Kaiser hatte eine recht gnte Nacht. Der Kronprinz wird seine Brigade gegen 11 Uhr dem Kaiser vorfiihren, der Kaiser wird in offenem Wagen in Begleitung der Kai serin die Front abfahren. Die Abnahme der Parade findet an der Schlohterraffe statt. Die Kronprinzessin ist seit 10 Uhr im Schlöffe. Politische Rundschau. Chemnitz, den 29. Mai. Deutsches Reich. Aus Schloß Charlottenburg. Der Kaiser war den ganzen Sonntag über -recht wohlauf, die für den Abend geplante Spazierfahrt unterblieb indessen wegen der rauhen Witterung. Wiederholt zeigte sich der Kaiser am Schloßfenster und wurde jubelnd begrüßt. Die Uebersiedelung nach Potsdam bleibt für die ersten Tage des Juni in Aussicht genommen und soll auf dem Wasserwege mit dem Dampfer „Alexandra" erfolgen, der sehr bequem eingerichtet ist. — In dem Wagen, in welchem der Kaiser gewöhnlich seine Ausfahrten außerhalb des Schlosses macht, ist jetzt in ähnlicher Weise, wie in denCoupö's der Eisenbahnen, eine Waschvorrichtung eingestellt worden; dieselbe soll dazu dienen, um, wenn auf einer der Fahrten sich die Reinigung der Kanüle einmal nvthwendig zeigen sollte, so gleich die nöthigen Utensilien zur Hand zn haben. — Ueber die Ncisepläne der Kaiserin zum Besuch von Westpreußen berichtet die »Voss. Ztg.": Die Kaiserin wird in Folge des Unglücksfalles in Berlin in dieser Woche das Weichselgebiet überhaupt nicht besuche». Wenn die Reise noch ausgcführt werden sollte, würde dies voraus sichtlich nächste Woche geschehen, weil später Sir Mvrell Mackenzie auf zunächst acht Tage nach England gehen will und die Kaiserin in Abwesenheit desselben ihren hohen Gemahl nicht zu verlassen wünscht — Am Montag Nachmittag ruhte der Kaiser nach dem Mittags mahl längere Zeit. Nach fünf Uhr wurde wieder eine Spazierfahrt unternommen, bald nach 6 Uhr traf das Kaiserpaar im offenen Wagen in Berlin ein und wurde mit donnerndem Jubel begrüßt. Das Schauspielhaus wurde besucht. Der Kaiser befahl strengste Untersuchung des Unglücksfalles. Der Monarch sah recht wohl aus und befindet sich recht gut. — Der Reichskanzler Fürst Bismarck ist wieder aus Varzin in Berlin angekommen und dürfte dort so lange bleiben, als der Kaiser in Charlottenburg ist, von welchem er bereits in längerer Audienz empfangen wurde. Später bezieht sich der Kanzler nach Friedrichs ruhe, vielleicht im August auch nach Kissingen. Fürst Bismarck ist nach Berlin zurückgekehrt, weil seine Gemahlin an heftigen asthma tischen Beschwerden leidet, doch liegt glücklicherweise keine Gefahr vor. Es ist auch bereits eine Besserung eingetrcten. — Zum Pfingstscste hat der Reichskanzler Fürst Bismarck den kranken und bedürftigen Arbeitern seiner Besitzung in Schönhausen 1000 M. übersandt. Bei dieser Gelegenheit sei auch bemerkt, daß Fürst Bismarck für seine sämmtlichen Arbeiter die Beiträge zur Krankenkasse allein zahlt. — Die „Münch. Allg. Ztg.", ein sehr gemäßigt ncüionallibe rales Blatt, meldet aus Berlin, Kaiser Friedrich sei von der Eingabe des Kriegsministers, welche die Ablehnung des Begnadigungsgesuches des 1848 veriirtheilten Lieutenants Techow verlangt, sehr empfindlich berührt worden und habe nur sehr ungern sich zur Ablehnung ent schlossen." Es heißt schon länger, in den höheren Militärposten werde ein sehr bemerkbarer Personenwechsel cintreten. — Auch Graf Stol- bcrg-Wernigerode soll sein Amt als stellvertretender Minister des Königlichen Hauses angeblich niederlcgen wollen. — In Berlin wurde am Montag in Massen ei» Flugblatt ver breitet, welches vom Kronprinzen Wilhelm als dereinstigen Kaiser spricht und bereits ein Regierungsprogramm desselben aufznstellen sich erkühnt. Es ist traurig, daß so etwas möglich ist. Wenn Kaiser Friedrich von solchem Treiben Kcnntniß hätte, was sollte er vom deutschen Volke denken? — Das Comitce für die Spiritusbank in Berlin hat die Frist zur Anmeldung bis zum 30. d. M. Abends verlängert. Man glaubt, die Bank werde dann zu Stande komme». — Wie über Hamburg gemeldet wird, stehen auch in der deut schen Marine Uniform-Aendernngen bevor. Namentlich soll der Frack verschwinden und ein neuer vierknöpfiger Waffenrock nach englischem Schnitt eingeführt werden. Das Lutherfestspiel in Hermauustadt. Wie vorauszusehcn war, haben die Aufführungen des vr. Otto Devrient'schen „Luther" ans die protestantische Bcvötkcrung Hcrniann- stadts eine geradezu überwältigende Wirkung ausgeübt. Aber mit welchen Mühen, Opfern und Aufregungen sind diese Luther-Vor stellungen in der alten Sachsenstadt am Cibinflnsse erkauft worden! Wahrlich nur ein so ausdauerndes, muthiges und für seine deutschen Bestrebungen so opferwilliges Völkchen, wie das der Siebenbürger Sachsen, vermochte es, alle Hemmnisse und Widerwärtigkeiten, die sich ihm gelegentlich dieser Aufführungen von gegnerischer Seite cnt- gegenstellten, siegreich zu überwinden. Wir berichteten in einer Lokalnotiz in der vorigen Woche bezüg lich des Lulherfestspiels in Hermannstadt, daß die ungarische Regier ung die Aufführung desselben genehmigt habe; allein wie uns neuer dings aus Hermannstadt geschrieben wird, ist diese Genehmigung nicht so ohne Weiteres erfolgt. — Unser Hermannstädter Gewährsmann theilt uns hierüber Folgendes mit: „Die Vorbereitungen zu Dcvrients gewaltigem Schauspiel „Luther", das außer einer großen Anzahl von Darstellern auch einen nicht geringen Aufwand von Kostümen, Decoration rc. erfordert, hatten die intelligentere Einwohnerschaftvon Hermannstadt schon lange beschäftigt. Bei Allen, die in irgend welcher Beziehung zu dem auf zuführenden „Luther-Schauspiele" standen, herrschte eine fieberhafte Aufregung. Es wurden eifrig Proben abgehalten, Kostüme an ge fertigt, für dies und jenes Sorge getragen, kurz das Lutherfestspiel bildete Monate lang unausgesetzt den Gesprächsstoff in den protestant ischen Kreisen unserer Stadt.' Kein Wunder, wenn schließlich auch die Aufmerksamkeit der katholischen und ungarischen Bevölkerung Hermannstadts auf dies Luthersestspiel gelenkt wurde. Anfangs erschien den Genannten das Ganze als eine nichtssagende Spielerei; als aber die Begeisterung unter uns Sachsen immer höhere Wellen schlug, fingen unsere Gegner doch an, besorgt zu werden. — Die Katholiken erblickten zunächst in dem Stücke eine gehässige und gefährliche Verhöhnung ihres Glaubens; die Ungarn dagegen, die weniger religiöse Bedenken hegte», fürchteten vielmehr, das Schauspiel Würde uns Sachsen Gelegenheit bieten, durch die bewährte Methode des Anschauungsunterrichtes in unserm Volke deutsches Wesen und deutsche Sitten zu stärken und zu festigen. 8s wurde demnach von beiden gegnerischen Seiten eifrig daran — In Straßburg werden soeben die Ausführungsbestimmungen ür die Paßverordnung an der deutsch-französischen Grenze publi- zirt. Jeder Ausländer muß bekanntlich eine» von der deutschen Bot schaft in Paris visirten Paß vorlegen; dieser ersetzt die AufenthaltS- erlaubiiiß im Rcichslande für acht Wochen. Wer länger bleiben will, muß die Erlaubniß des Bezirkspräsidenten habe». Militärpersonen brauchen außer dem Paß noch besondere Erlaubniß. Frankreich. Am Sonntag hat es wieder Lärm gegeben. Aus Anlaß des Jahrestages der Unterdrückung der Kommune im Jahre 1871 besuchten zahlreiche Kommunisten die Gräber der Er- chossenen auf dem Kirchhofe Uörs ln odnise. Es wurden heftige, revolutionäre Reden gehalten, wobei sich einige Wortführer auch heftig gegen den Boulangismus wendeten. Als zahlreiche Rufe „Nieder mit Boulanger!" vernommen wurden, kam es zu einem Zusammenstoß zwischen Boulangisten und Kommunisten. Einer der Erstercn gab drei Revolverschüsse ab, wodurch zwei Kommunisten verwundet wurden. — Die Minister Floquet und Lockroy, welche sich nach Laon zur Einweihung des dortigen Lyceums begeben hatten» wurden dort von der Bevölkerung mit lebhaften Zurufen begrüßt. Der Ministerpräsident Floquet empfing die Offiziere und betonte den» elbcn gegenüber, die Regierung rechne auf die Armee, um die repn- itikanische Freiheit gegen Jeden zu vertheidigen, der sie antasten ollte. Auf einem späteren Diner hob der Premier die- große Für- orge der republikanischen Regierung für die Landwirthschaft hervor. Die Regierung wolle Friede und Versöhnung unter allen Republi kanern, sie werde den jetzigen abenteuerlichen Bestrebungen (d. h. der Boulangisten) einfach die Ruhe der Kraft entgegensetzen. Er schloß mit den Worten: „Nehmen Sie sich ein Beispiel an der Armee» die würdig ist, die Freiheit zu vertheidigen, wie sie auch infolge unab lässiger Arbeit würdig ist, den Boden des Vaterlandes zu vertheidigen, wenn derselbe jemals angegriffen werden sollte." Davor kann Franks reich wohl ruhig sein. — Die Rede des ungarischen Minister präsidenten Tisza vom Sonnabend gegen den Besuch der Pariser Ausstellung hat in Paris selbst sehr großen Eindruck gemacht und wie ein kalter Wasserstrahl gewirkt. Man ist sehr unruhig. Angeb lich heißt es, Minister Goblet werde vom österreichisch-ungarischen Botschafter Erklärungen fordern, aber er wird sich wohl hüten. Neues kann er nicht erfahren. In Belgien haben am Sonntag allgemeine Gemeindewahlen stattgesunden. Die Klerikalen haben bei den Wahlen zwar 5 Pro vinzen von 9 behalten und Luxemburg erobert, aber die Liberalen sind doch im Avanciren begriffen. Sie haben keine neuen Sitze ge wonnen, aber eine erhebliche Stimmenzunahme. In den Vorstädten von Brüssel ist eine große liberale Mehrheit, die Arbeitercandidaturen machen Fortschritte. England. In der englischen Marine finden z. Z. außer ordentliche Rüstungen statt. Im Woolwich-Arsenal wird Tag und Stacht gearbeitet. Rußland. Ueber die Eröffnung der transkaspischen Bahn in Cciitralasien bis Samarkand wurde aus Petersburg berichtet: Der erste Zug, in welchem sich der Bahnerbauer, General Annenkow, Deputationen gelehrter Gesellschaften, Vertreter der Presse, sowie zahl reiche auswärtige Gäste befanden, wurde von dem Gouverneur von Turkestan, General Rosenbach, den Abgesandten des Emirs von Bu chara, den Behörden und einer zahlreichen Menschenmenge empfangen. Der Zug hielt unter Kanonendonner bei dem Grabmal Tamerlans an. Später fand großes Festessen statt, bei welchem Hochs auf den Zaren und den General Annenkow ausgebracht wurden. Die Stadt Samarkand war reich geflaggt und wurde Abends illuminirt. — Das russische Ministerium befahl die Ausweisung aller Juden aus Finnland. Asten. Wie aus Asien gemeldet wird, ist das Schiff „San Pablo", welches am 24. April in der Meerenge von Formosa stran dete, von Seeräuber» angegriffen worden. Aus einer großen Anzahl chinesischer Dschonken stiegen bewaffnete Kulis auf's Deck. Die Ein- gearbcitet, die Aufführung des herrlichen Werkes zu Hintertreiben, und es schien fast, als ob die feindlichen Parteien triumphiren sollten — I Die Vorbereitungen zu dem trefflichen Schauspiele gingen ihrem Ende entgegen. vr. Devrient und Fräulein Kuhlmanii wurden ani Mittwoch, den 16. Mai, in Herinannstadt erwartet; am Pfingstsonn tage sollte die erste Aufführung des „Luther" stattfinden. Da erhält der Vicegespan des Hermannstädter Komitats plötzlich am Dienstag, den 15. Mai, eine ministerielle Verfügung folgenden Inhalts: „In Anbetracht des Umstandes, daß der evangelische Fraucn-Verein *) in Herinannstadt keine Bewilligung zu Aufführungen von Theatervor stellungen hat, ist ihm bis auf Weiteres die Ausführung von vr. Otto Dcvrients „Luther" untersagt." Man kann sich nun leicht die Bestürzung aller Derer vorstcllen, die cs sich schon seit Monaten angelegen sein ließen, an dem ebenso erhebenden wie pietätvollen Lutherfestspiele mitzuwirken. Sollten alle Mühen und Opfer vergeblich gewesen sein? Wie war es dnrchzusetze», daß keine unliebsame Störung des längst festgesetzten Programms stattfände? Diese Frage beschäftigte nun zunächst alle Theilnehmer an dem Luther-Schauspiele. Eingedenk unserer Väter, die sich Jahrhunderte lang mit zäher Ausdauer gegen Kumanen und Petschenegen, gegen Türken und Tartaren tapfer wehrten und ihre deutschen Gesinnungen in allen Stürmen, die sie gar oft bedrohten, unentwegt bewahrten, beschlossen auch wir, uns so leichten Kaufes nicht abschrecken zn lassen. Es wurde mithin der Beschluß gefaßt, unseren gegenwärtig in Pest weilenden Hermannstädter Abgeordneten vr. Oscar von Melzel zu beauftragen, seinen ganzen Einfluß aufzubieten, um von dem ungari schen Ministerium für den Hermannstädter „Frauen-Vcrein" die Er laubniß zu Aufführungen von Schauspielen zn erwirken. Unser Ab geordneter unterzog sich nun ungesäumt dieser keineswegs leichten Aufgabe und war bereits nach wenigen Stunden in der Lage, uns telegraphisch mitzutheilen, daß Aussicht vorhanden wäre, die Erlaubniß zur Auffühung des „Luther" zu erlangen, wenn die rituellen Gesänge und einige den katholischen Gläubigen unliebsame Stellen in dem Werke gestrichen würden; auch müßte jede nationale und politische Manifestation unterbleiben. *) Die Initiative zu de» Ausführungen des Dcvrient'sche» „Luther" in Herinannstadt ist vom dortigen evangelischen Frauen-Verein ausacgangeil und namentlich hat sich die Vorsteherin dieses Vereins, Frau Julie Jikcli, in» das Zustandekommen des LuthcrfestspiclS große Verdienste erworben. (Anm. der Rcdaction.) Wiewohl ungern, so mußten sich die Hermannstädter Theilnehmer an dem Lutherfestspiele doch zu diesen Streichungen bequemen, wen» sie nicht die ganze Aufführung des Werkes aufs Spiel setzen wollten. Erst am Sonnabend, den 19. Mai, in später Abendstunde, traf von Pest die definitive Entscheidung ei», daß der Aufführung des Dcvrient- schen „Luther" nun nichts mehr im Wege stünde, und am nächsten Tage, dem Pfingstsonntage, ging dann die unvergleichliche Dichtung über die Bretter unseres Stadttheaters. Der Erfolg, den das Werk hier errang» war ein unerhörter, einen solchen Sturm von Begeister ung hat hier noch keine dramatische Dichtung zu erzielen vermocht." Soweit unser Gewährsmann. Ueber die erste Aufführung des „Luther" in Hermannstadt bringt das „Siebenbürgische Deutsche Tageblatt" einen fesselnden Bericht, dem wir nachstehende Mittheilungen entnehmen: „Das große Werk ist gelungen: am 1. Pfingstabend ist Devrient's Luther mit großartigem Erfolg in unserem Stadttheater ausgcführt worden. Hunderte — so viel eben der Raum des Stadttheaters, das ein solches Stück noch nie gesehen, fasten konnte — lauschten mit steigender Spannung, mit gehobenem Herzen den ungewohnten Szenen, die sich vor ihnen abspielten, der Beifall, der schon anfangs lebhaft war, wuchs nach jedem Bilde höher und zuletzt wars ein Sturm, der alle initgerisse», alle fortgetragen. Doch was will der äußere Beifall, wo das Herz so ganz ergriffen ist, daß die Hand zuweilen vergaß, zum äußeren Bcifallszciche» sich zu rühren? Der Zuschauer, der in dieses Festspiel hineintritt, das sich selbst ein „Historisches Charakterbild" nennt, kennt den äußeren Verlauf des bedeutsamen Menschenlebens, das ihm hier vorgeführt werden soll; ist er etwas tiefer in die Geschichte ciiigedrungcn, so wird ihm auch aus Luthers innerem Leben sein Kämpfen und Leide», sein Ringen und Suchen »ach dem Frieden seiner Seele nicht unbekannt sein. Es tritt also jeder etwas vorbereitet in die Vorstellung ein. Und das ist nun das Großartige, daß das Leben Luthers und seiner Zeit nach den tiefsten treibenden Ideen wie nach den persönlichste» Gestaltungen vor uns ersteht, wie man es kaum für möglich halten sollte. Ei» THeil jener Gedanken, mit denen Luther rang, die seine Seele ängstigten, übt heute nicht mehr jene Macht über die Herzen wie vor 300 Jahren; aber die Grundgedanken des religiösen LebenS überhaupt, die Grundfragen des Protestantismus, die er in brennendsten Zweifeln kühn sich erkämpfte, das sind Fragen, die die Menschheit noch heute bewegen. Selten ringt heute noch ein Mensch in solchem schweren Kampf um seiner Seele Frieden, aber erspart ist er gerade