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Sächsischer Landes-Anzeiger : 14.10.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188610141
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18861014
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18861014
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-10
- Tag 1886-10-14
-
Monat
1886-10
-
Jahr
1886
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 14.10.1886
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-— ^ 2SS. — 6. Jahrgang. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum des folgenden Tages) zur Versendung gelangende „Sli»st,che Landes-Anzeiger" mit täglich einem besonderen Unterhal- tungsblatte kostet monatlich «0 Pfg> (mit Ectrabeiblatt Lustigks Biloerliuch 70 Pfg.) bei de» Ausgabestellen in Chemnitz und de»Vororten, sowie beiden Postanstalte». Für Abonnenten erscheint im 2. und 4. QuartalLiscnbahn-KahrplanhcftfnrLachscn, sowie im 4. Quartal dieWeihnachtsbciaabc Illnstrittcs Ialireelinch de- LandeS-'lnzetgcrs und zu Neujahr Zllustt'.Landbotcn-Äulcndcr. Sächsischer KM-ts-Knskilskr mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Donnerstag, 14. Oktober 1886. «nzeigenprel- des„Sächs. Laudes-Anzeiger": Raum einer schmalen Corpuszeile I5Pfg. Bevorzugte Stelle (>spalt. Peützeite) 30 Pf. Bei Wiederholung großer Annoncen Rabatt. Bei Bestellungen von Auswärts wolle mau Jnsertionsbctrag (in Briefmarken) beifügen (>e 8 Silben Corpusschrist bilde» ca. I Zeile). Annoncena»»ahine nur bis Vormittag. Verlag: Alexander Wiede, Buchdrucker«», Chemnitz. Theaterstraße b (Fernsprechstelle Nr. 138). Tclcgr.-Adr.: Landcs-Anzeiger, Chemnitz. Mit täglich einem besonderen Unterhaltungsblatt: i. Sonntagsblatt - 2. Jllustrirtes Unterhaltungsblatt - 3. Kleine Botschaft 4. Sächsischer Crzähler — 5. Sächsische Gerichts-Zeitung — 6 Sächsisches Allerlei. — Ertra-Beiblatt Lustiges Bilderbuch. Amtliche Bekanntmachungen. Die im Grundbuche auf den Namen Carl Adolvh Schlegel eingetragenen, im nachstehenden Verzeichnisse unter 1 bis 9 ausgesührle» Grundstücke sollen im hiesigen Amtsgericht zwangsweise versteigert werden und ist der 29. Oc< tober 1886, Vormittags 10 Uhr, als Anmeldetermi», ferner der l3. November 1886, Vormittag« 10 Uhr, als Versieigernngstermln, sowie der 27 November 1836, Vormittags 10 Uhr, als Termin z« Verkündung des VerthellungSplans anberoum« worden. Die Realberechtiglen werden ausgefordert, die aus den Grundstücken lastenden Rückstände an wicderkehrendeu Leistungen, sowie Kosten sorderungen, spätestens im A»»>eldctc:mine onzumelden. Eine Uebersicht der auf den Grundstücken lastenden Ansprüche uud Ihre» RangoerhältnisseS kan» nach dem Anmeldctermin« in der Gerichtsschreiberei dcS Unterzeichnete» Amtsgerichts eingesehen werden Chemnitz, am 9. Oktober l886. Königliches Amtsgericht. Verzeichniß der zu versteigernden Grnndstücke: 1. die an der Luthe» und Zschovaucrstrabe gelegenen Baustrllsn Folium 1459 des Grundbuchs für Chemnitz, Nr- 1993, 1993» bi» 1993v des dasigrn Flurbuchs, geschätzt auf 113/ 02 Mark, 2. Wiese, zur Straße verwendetes Areal, sowie Baustellen, Folium 1484 des Grundbuchs für Chemnitz, Nr. 1991, 1992, 1992» und 2243 des dasigen Flurbuchs, am Bernsdorserweg, bez. an der Turnstraßs, sowie Eck« der Luther- und Zschopauerstraße gelegen, geschätzt aus 21,0>5 Mk.. 3. der längs der Parzelle Nr. 1994c und hinter der Parzelle Nr. 1993k des Flurbuchs iür Chemnitz gelegene Fußweg Folium 2369 des Grundbuchs für Chemnitz, Nr. 1994d dcS dasigen Flurbuchs, geschätzt aus 200 Mark, 4. die an der Lulherstraße gelegene Baustelle Folium 306t des Grundbuchs für Chemnitz. Nr 2343a des dasigen Flurbuchs, geschätzt ans 5740 Mark, 5 die an der Zschopauerstraße gelegene Baustelle Folium 3062 dcS Grundbuchs für Chemnitz, Nr. 2348b des dasigen Flurbuchs, geschätzt aus 9600 Mark, 6. die an der Turnstraß: gelegene Baustelle Folium 3064 dis Grundbuchs für Chemnitz, Nr. 23436 des dasigen Flurbuchs, geschätzt auf 4200 Mark, 7. die an de- Zschopauerstraße gegenüber der Turnstraße gelegene Baustelle mit Garten, Garlenhänschen, Gartenlaube und Geflügelstall, Folium 3126 de« Grundbuchs für Chemnitz, Nr. 1993^ de« dasigen Flurbuchs, geschätzt aus 18.500 Mark, 8. die an der Lulherstraße gelegene Baustelle Folium 3127 des Grundbuchs für Chemnitz, Nr 19931 deS dasigen Flurbuch?, geschätzt auf 6600 Mark, 9. die an der Luthcrstraß- gelegene Baustelle, Folium 3128 des Grundbuchs für Chemnitz, Nr, 1993m des dasigen Flurbuchs, geschätzt aus 6800 Mark. Die im Grundbuche auf den Namen Johann Friedrich Wilhelm Blüher eingetragenen Grundstücke, als- 1. da» Lehngerichtsgut Folium 1 deS Grund buchs für OlberSdors, bestehend aus Wohn- und Wirthschastsgebäuden, Garten Wiese und Feld, Nr. 20a, 20b, 56, 233 bis 268. 3>/5a des Flurbuchs für Kleinolbersdorf, nach dem Flurbuche 39 Acker 203 mk. ----21Hect. 85,8 Ar groß und uiit 611.78 Steuer-Einheit belegt, geschätzt aus 33,877 Mk , 2. das Beigut Folium 55 deS Grundbuchs für Olbersdorf, bestehend aus der Feld parzelle Nr. 307» des Flurbuchs sür Kleinolbersdorf, nach dem Flurbuche 17 Acker 272 — 9 Hectar 91,0 Ar groß und mit 179 41 Steuer-Ein heiten belegt, geschätzt aus 8360 Mk., während der Gesammtschätzungswcrth der beiden in einem wirthschastlichen Zusammenhänge stehenden Grundstücke sich aus 46,237 Mk. beläuft, sollen im hiesigen Amtsgericht zwangsweise ver steigert werden und ist der 15. November 18L6 Vormittags 10 Uhr als An meldetermi», ferner der 1. Decembcr 1886 Vormittags 10 Uhr als Ver- steigerungstermin, sowie der 14. December 1886 Vormittags 10 Uhr als Termin zur Verkündung des Vertheilungsplans anberauint worden. Die Realberechtigten werden ausgefordert, die aus den Grundstücken lastenden Rückstände an wiederkchrcnden Leistungen, sowie Kostensorderungen, spätestens im Änmeldetermine onzumelden. Eine Uebersicht der aus den Grundstücken lastenden Ansprüche und ihres Rangverhältnisses kann nach dem Anmeldete» Mine in der Gerichlsschreiberei des Unterzeichneten Amtsgerichts eingesehen werden. Chemnitz, am 7. Oktober 1886. Königliches Amtsgericht. Skelegraphrfche Nachrichten. Vom 12. Ocloier. Da« zig. Hext« Bormittag wurde hier ei« Mord und Selbst mord verübt. Der Bauaufseh:« Johanni erschoß seine geschiedene Fra« i« der Woh«»«g ihre» Liebhader» und da«« sich selbst. Wie«. Folgende» Telegramm de» Fürste» Alexander soll in Rufischnk verlesen sein: „Ich verweigere die Annahme de» mir von der kleinen Sodranje »vtirten Leide»; sollte ich von der großen Sobrauje wiederzewählt werden, so «erde ich den Thron durch Gottes Gnade uud de» Volke» Wille« wi-dttIe!unehme«>* Klingt nicht recht wahrscheinlich. London. Dem Bureau Renter wird a«S Hrliiox vom 12 d. gemeldet: Die awerikavischr Fische,barke .Mariou GitwmeS* wurde von dem kanadischen Kreuzer „Terror* beschlagnahmt, weil sie in deu Hafen Ghelburne eingelause« sei, ohne de« Zollbehö.den ihre Ankunft angezeigt zu haben. Der Kapitän wurde zur Zahlung von 400 Doll, oer»rth«tlt. Zufolge der widerspäustigeu Haltung de« amerikanischen Kapitäns, welcher darauf bestand, die amerikanische Flagge über der englische« zu bissen, begab sich der Kapitän de» „Terror* ->u Bord d-r „Marion* und befahl» die amerikanische Fahne zu entjerneu und ließ im Schiff« eine bewaffnete Woche zurück Der amerikanische Generalkonsul telegraphirtr über diese Vorgänge dem Staatssekretär Bayird. De* Mroceß ZFHring Mahlow. Berlin, den 12. OctoLer. Der Proceß Berndt-Christensen, de» Protestes Jhring - Mahlow zweiter Theil, beschäftigte heute in der Bernsslust.nz di« VI. Straf kammer hiefigr« Landgericht» I «nd füllte eine ganze Sitzung der selbe» au». Angeklagt der wissentlich falschen Anschuldigung sind der Schriftsteller uud Prioatlehrer Thristenseu und der Tischler Franz Berndt Sie stad ia erster Instanz vom hiesigen Schöffengericht am 14 April zu je 6 Monaten Gesänguiß verurtheilt worden, weil sie dem ReichSlagSabgeordneten Singer das Material zu seiner be kannten ReichSlagürrde über die Provocationeu de» Jhring-Mahlow geliefert u u. A. behauptet hatten, daß der Schutzmann Jhring sich nicht nnr all Dyaamitarde gerirt, sondern auch Mojestät»belridlguugen sich Hab« z» Schulden kommen lasse«. Wie in drr ersten Instanz, vertritt auch heute Staatsanwalt Wagner die Anklage, als Bertheibtgrr fuvgiren Rechtsanwalt Freuden ihal und Rechtsanwalt Munckcl Der Z«scha»erraum ist zumeist von Polizeibramten gefüllt Der inzwischen ««»gewiesene und in Plauen wegen Verbreitung aufrührerischer Schriften verhaftete Christensen ist von dort unter polizeiliche« Bewachung zu» Termin gebracht worden Da dir ganzr Beweisaufnahme wiederholt wird, so find 18 Z-ugeu zu« Termin geladen. DaS Crkenntniß erster Instanz geht «. A von der Voran» setznng au», daß der Angellagte Berndt der bezahlt« Vigilant de» Schntzmann» Jhring gewesen und nachher au» Aerger über ein von Jhring abgelehute» Darlehn»gesuch seine Genossen gegen denselben anfgestachelt habe, während die Mitglieder de» Arbeiter Bezirkoerein», dessen Mitglied Jhring war, au- Aerger darüber, daß sie sich so lange hatte« dupiren laste«, de» Jhring durch Ausstellung ihrer falschen Anschuldigungen zu vernichte« gewillt Ware« Im Uebrigr« steht das erste Erlenntniß auf des Standpunkte, daß Jhring ein Agent provocateur «>cht gewest« und di« behaupteten aufrührerischen üeußmungku desselben nur Erfindungen der Angeklagten Berndt und Thristenseu, seine Unterhaltungen über Dyxamitbereitnng, Dyua- mitbowbe« rc. nur Scherze gewesen seien. Der zweite Theil des außerordentlich umfangreichen Erkenntnisses bezieht sich auf die Majestätsbeleidigung, welche «ach Behauptung deS ««geklagten Lhristeusen der Schntzman« Jhriug bei einer gemtin- sameu Promenade über de» Opernplotz anSgestoßen haben soll, In erster Instanz war bei der Verhandlung dieses ganzen TheileS der Anklage dir Oeffentlichkelt ausgeschlossen worden. Im heutigen Ter mine lehnte der Gerichtshof einen aus Ausschluß der Oeffentlichkeit gerichtete« Antrag d-S Staatsanwalts ab, weil er nicht der Meinung war, daß die öffentliche Bnhandlang dir öffentliche Ordnung gefährde. DaS Schöffengericht hat die Behauptungen der Angeklagten über Der Ster« trug Von Adolf Strecksnß. Fortsetzung. Nachdruck verboten- dies« und andere MajestätSbelridigungeu, sowie über eine Beleidiguna d-S Prinzen Wilhelm nicht sür wahr gehalten, «nd das Erkeuntuiß legt sehr eingehend die inneren Uuwahrjcheinlichkeiten dar, an welche« «ach Anficht des Schöffengerichts die Behauptungen de, Angellagte» leiden. DaS Erk-nntniß steht außerdem aus dem Standpunkte, daß es irrelevant sei, wen« für jede diese« Behauptungen drei Beweis« zeuge» auftret-n, den» „eine Lüge werde dadurch nicht zur Wahrheit» daß fie dreimal bekräftigt wird * Die BerusnugSschrist macht ia erster Reihe de« Schuh deS Z 193 St.-G.-B geltend und RrchtSauwalt Manckel macht vor Eintritt i« die Verhaadlnug in dieser Beziehung folgende Ausführungen: Nach dem Socialisteugesetz fei di« Regierung dem Reichstag« Rechenschaft schuldig über die Ausführung der Gesetzes. Dabei habe die social» demokratische Partei das Recht, sich durch den Mund ihrer Vertret« zu beklagen, falls es Vorkommen sollte, daß bei Ausführung de- Gk» setze« solche Untechtmäßigkeiten uud verwerflich« Mittel ihnen gegen über in Anwendung gebracht werde«, wie eS in diese« Falle vorge- kommen sein soll. Damit der Reichstag, der da- deutsche Boll vertreteu solle, derartig« Dinge zur Sprache bringe« könne, müssen fie ihm bekannt sei«, und wenn rin Mitglied der soclaldemolratische» Partei einem ReichStagSabgeordneleo, als dem berusrnen Vertreter dieser Partei, Mitthrilnng von solche» Vorkommnisse« mache» so befinde er sich in der Wahrung des allereinsachsteu politischen Recht»: der politischen Nolhwehr. RrchtSauwalt Fceudeuthal beantragt, au» der Verlesung de» Strafantrages zu coufiatirrn, daß dieser sich nur auf di« dem Abge ordneten Singer gemachte» Mitteilungen bezieht, und betreff» der Mitteilungen an ander« Personen ein Strafantrag nicht vorliege. Staatsanwalt Wagner liest au» dem Strafantrag heran», daß derselbe durchaus allgemein gehalten sei und sich nicht nicht blo» auf die dem Abgeordnete» Singer gewachten Mitteilungen beschränke. Der Gerichtshof erklärt «ach kurzer Berathnug seiue Ansicht dahin, daß Gegenstand der Untersuchung lediglich die dem Reichstag»- abzeorduete» Singer gemachten Mittheiluugen sei und unr bezüglich dieser Mitteilungen ein Strafantrag vorliege. Hierauf werden die Angeklagten vernommen. Dieselben bleibe« mit aller Bestimmtheit bei ihren Bekundungen erster Instanz, wonach Jhring wiederholt gräaßert habe, daß mit dem Parlamentarismus Nichts auzusaugeu sei, daß man ander» Vorgehen uud zu Dynamit bomben greifen, eiueu Putsch veranlassen müsse, um der herrschenden Gesellschaft einen Schrecken eiuzujagen. Die Angeklagten bleibe« ferner dabei, daß Jhring wiederholt von Dynamitbomben re. ge sprochen habe. Der Angeklagte Berndt verwahrt sich entschieden dagegen, daß er ein bezahlte» Werkzeug deS Jhring gewesen sei. Der sogenannte Mechaniker Mahlow sei ihm uud seinen Freunden verdächtig vor« gekommen, uud er Hab«, weil er damals gerade arbeitslos war, von seinen Freunden den Auftrag erhalte«, denselben zu überwachen und auSznkundschafteu. Als er k ar gesehen, daß derselbe Polizist sei, habe er natürlich Interesse daran gehabt, soviel als möglich in die Karten desselben zu sehen, die» aber war nnr möglich, wen« er Alle» da» unterschrieb, war Jhriug ihm vorlegte, und die» habe er bau« gethan, nachdem seiue Genossen ihm die» gestattet hatten. Lhristensm habe auf Aufforderung de» Abgeordneten Singer di« Vorkommnisse schriftlich fixirt, er habe da» Schriftstück mit durchgelesen uud durch aus gebilligt, da es absolut der Wahrheit entspreche. Angekl. Ehristensen bestätigt die thatsächltcheu Behanptuugeu seines Mitangeklagte« über die Provokationen de» Jhring und bleibt dabei, daß, als er eine» Tag-S auf de« Wege nach der königliche« Bibliothek sich befand. Jhring sich ihm attachirt und di« Majestät»- beleidignng anSgrfloße» habe. Es sei durchaus richtig, daß der Ab« 7. Eine neue Spur. Am folgenden Morgen machte Werder in aller Frühe eine Reihe von Besuchen bei den Kanflente« von Beutliugen, auch beim Senator Heiwald. Er war wieder ganz der lebendige HandlnngSreisende Cornelius Steinert. Keiner der Kunde« konnte ahnen, daß der heitere Reisende eine schlaflose, vrrzweiflungsvolle Nacht verbracht, daß er sich nur mit dem Aufgebot seiner ganzen geistigen Kraft gezwungen hatte, die verhaßte Rolle, welche er jetzt so trefflich durchführte, wieder anfzunehmeu. Er zeigt« seine Waaren, er pries sie in landesüblicher Weise an, er verkaufte und kaufte, bei jedem Besuch gelang e» ihm, sür da» HauS W. Oidrcott u. Co. ein Geschäft zu mache», und doch verlor er niemals den eigentlichen Zweck seiner Reise, die Nach forschungen über das Leben der Gebrüder Heiwald und ihr Ber- hältniß zu dem verschwundene« Heer« von Scharnau aus den Angen. Mit der ihm eigenen Geschicklichkeit wußte er stet» das Gespräch auf denselben Gegenstand zu leiten; ohne direct zu fragen, brachte er die ganz unbefangenen Kanflente dazu, ihm z» erzählen, wa» sie wußten. Einem Polizeibramten oder dem Richter gegenüber würde« fie sich in ihren Aussagen vorsichtig aus die Beantwort»» g bestimmter Fragen beschränkt habe», gegen den lebenslustigen und redseligen Reisenden aber äußerten fie sich ohne Scheu, fie thetlteu ihm oft ganz unbedeutende Kleinigkeiten, die ihm aber wichtig für die Charakteristik der betreffenden Personen Ware«, mit; fie beschränkten sich nicht aus Thatsache», fie sprachen sorglos auch ihr« Muth- maßunge« aus, uud diese ginge« mit seltener Einstimmigkeit dahin, daß Herr von Scharnau gemordet und beraubt, daß Herr von Hei wald der Mörder sei. Auch de« Senator hatte« einige im Verdacht al» Theilnehmer an dem verbrechen, andere bestritte« dies. Interessante Mitteilungen empfing Werder von mehreren Seiten über da» Leben de» Herrn von Scharnau in Beutliugen. Der junge Edelmann hatte sich durch sein hochmüthlge», brutale- Wesen sehr mißliebig gemacht, sich durch seine Liebe zum Trnnk die Achtung der ruhige« Bürger der kleinen Stadt gänzlich verscherzt. Er hatte oft Abend» im „Weißen Roß* daS große Wort geführt «nd mehrfach dort ausgesprochen, er werde die schöne Jda von Heiwald heirathen, auch wenn fie mit dem Teufel selbst verwandt wäre. Seine Aeußer- uugen über Herrn von Heiwald waren stets rücksichtslos gewesen, noch am letzten Abend seiner Anwesenheit in Beutliugen hatte er im „Weißen Roß*, nachdem er durch mehrere Flasche» in Aufregnng gerathru war, mit Fluchen erzählt, Herr von Heiwald habe gewagt, ihm einen Korb zu geben, dafür aber solle er, wenn er sich nicht anders besinne, büßen. De« Schuft könne man ja an den Galgen bringen uud dahin solle er kommen! Va er Grawald, der au jenem Abend ebenfalls als Gast in Beut- lingeu im Weißen Roß anwesend gewtse« war, hatte sich in seiner Suthwüthigkelt vergeblich bemüht, den Wütheuben zu beruhigen; dieser war immer aufgeregter geworden. Ec halte eine dick« Brief tasche von rothem Leder aus den Tisch geworfen, fie geöffnet «nd den Inhalt, viele Tausende von Thalern, meist in Hnndrrtthaler- scheinen, heran»,«zogen. Sein ganze» Vermögen wolle er srendi-i opfern, hatte er gernfeu, wenn «» ihm gelinge, sich an dem schuftigen Herrn von Heiwald zu räche«, diesen an d»n verdienten Galgen zu bringen. Nur mit äußerster Anstrengung war «» endlich Grawald und dem Wirth vom „Weißen Roß* gelungen, den Schwerbrtrunkeneu in sein Zimmer und zu Bett zu bringen. Am folgende« Morgen war er mit Grawald abgrreist und in der Dieb»haid« verschwunden. Ergaben dir Mittheilnuge», welche Werder von aste« Seiten empfing, auch an Thatsache» im Gemzen wenig Nene», so trugen fie doch dazn bei, seinen Verdacht gegen Herr» von Heiwald mehr und «eh» zu bestätige», ja ihn säst bi» zur Gewißheit zu erheben. Der Polizeirach befand sich daher in keiner besonderen Stimmung, al- er gegen elf Uhr den sür die ganze Zeit seine» Ausentbalt» in Beo«- ltuge» gemirtheten Wogen bestieg, um eine kleine Reise nach der Eisenbahnstation Weidenhag«» anzntretrn. Er lehnte sich in die Kiffe» znrück nnd überließ sich seinen trüben Gedanken; diesmal schenkt« er dem Waldweg« wenig Anfmerksamkeit, er erwachte au» seinen Tränmereien erst, als der Kat cher alter Gewohnheit nach vor dem Sternkrug hielt. Baler Grawald stand vor der Thür, er war mit seine« Sohne, einem großen, starken Mensche«, dessen rothgednnsenes, gemeines Gr- sicht gar nicht a« di« srrnndlichr«, gnthmüthigen Züge de» Vater» erinnerte, beschäftigt, eine« Fuhrmann bei drr «othdürstigen Wieder herstellung «ine» zerbrochene» Rade» zu Helsen. Grawald begrüßte Werder mit seiner gewohnten herzlichen und liebenswürdigen Freundlichkeit; er brachte selbst, als der Reisende nicht au-steigen wollte, diesem ein GlaS vortrrfflicheu Biere» an den Wagen, dann aber wendete er sich wieder zu seiver Arbeit. »Andre»,* rief er dem Sohne z», „geh', hol' mir 'mal au» der Kalesche »aS Nein, Beil.* „Dar hat der Friedrich Srnnzig «och nicht wieder znrückgebracht.* „War geht den» den Friedrich Grunzt, unser Beil au?* „Er hat eS sich vorgestern Abend, al» er durchkam, geborgt. Herr non Heiwald hatte ihm befohlen, die ans dem Bromberger Weg gefallene Keine Esche bei« Vorbeifahren abzuhaue», da bat er um da» Beil; ich konnte e» ihm doch nicht abschlagen.* „Aber er war doch gestern wieder hier.* „Ei sagte, er habe eS vergessen, da» nächste Mal wolle er eS schon bringen. Ich glaub« aber, er hat eS verloren.* „Dann mag er eS bezahlt«, der Alte. Denk' d'ran, Andre»; hol' also da» Küchenbeil an» dem Schuppe«, Ich muß di« Nothspeiche etwas behaue», damit fie paßt." Werder hatte dem Gespräch anfangs ohne Jntereffe, dann mit hoher Spannung zngehört. DaS Beil, deffenGriff Blutflecke trng.gehörte nicht dem Friedrich Grunzig, sondern Grawald; der Alte Halle«» wirklich geborgt, um eine über de« Weg gefallen« Esche abzuhaue». Werder schante i» Gedanke« über da» Gehörte vor sich nieder. Dabei fiel sei» Blick plötzlich aus eia« breite, klar in den weiche» Sandboden eingedrückte Fußspur. Ei« electrischer Schlag durchznckte den Polizeirath. Diese Spur hätte er unter Hunderte» wieder erkannt. Er hatte fie in der Diebs- Haide, im Morast «nd an dem schwarzen Sumpfloch so oft gesehen, daß hirr kein Zweifel möglich war. Er hafte nicht einmal «öthig, fie mit dem im Walde anfgenommeueu «nd anSgrfchuitteneu Bilde zu vergleichen; hier konnte er sich nicht täuschen, und unr um volle Sicherheit zu gewinne», beschloß er, die Vrrgleichnug vorznuehmru. Die Spur rührte von Andrea» Grawald her, der über de» sand igen Platz nach einem etwa» Hinte» da» HanS znrückgebauten Schuppen gegangen war, um da» Beil z« hole»; mit diesem war er jetzt zurück- gekehrt; er half de« Vater bei der Befestigung drr Nothspeiche. Werder sprang au» dem Wagen, er verfolgte die Fußspur nach der Eck« deS Harfe». Sein Herz klopfte vor bang» Erwartung, ob er fie auch hinter dem Hause bei dem Schuppen finde» werde, den« hier erst konnte er sie, ohne gesehen zu werden, gena» mit seine« PapIerauLschnitt vergleichen. Er bog um die HanSecke, da lag die Fußspur vor ihm, Nar und scharf in dem weiche», weißen Sand aus geprägt. Im nächsten Augenblick war fie gemessen, fie paßte fast haarscharf mit dem im Walde genommenen «inen AnSschnitt zusammen. Ein Schwindel überkam den Polizeirath, er mnßte sich an da» HauS lehnen, a'ier mit gewaltiger Kraft überwand er die furchtbare
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