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47. Jahrgang Dienstag, den 1. September 1885 Die Verlags-Expedition. Inserate werden bis Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: dielspaltZeilelSPfg. Unter Eingesandt: 30Pfg. Abonnements - Einladung. Bestellungen auf die „Sächsische Dorszeitung" für den Monat September nehmen alle kaiserlichen Postanstalten und Postexpeditionen, sowie auch alle Landbriefträger gegen Vorausbezahlung von 50 Pfg. entgegen. Ir-ed. u. Redaktion rre«den»Rcustadt kl. Meißner Gasse 4. Vie Zeitung erscheint Ttcnstag, vnnuerstag und Lounaben» früh. Politische Weltschau. Deutsches Reich. Die „Germania", das be kannte ultramontane Blatt, brachte kürzlich einen Artikel über den zwischen Deutschland und Spanien wegen der Karolinen-Inseln auSgebrochenen Konflikt und scheute sich nicht, bei dieser Gelegenheit in höchst unpatriotischer Weise ganz offen für die Spanier Partei zu nehmen. Dieser Umstand giebt nun der „Nordd. Allg. Ztg." zu folgenden Bemerkungen Anlaß: „Es ist im höchsten Grade bezeichnend für die politische Haltung der „Ger mania", daß sie daS einzige Blatt in der ganzen deutschen Presse ist, welches die Partei des Auslandes ergreift und welches die Ruhe und Sicherheit, mit der Deutsch land die Karolinen-Frage behandelt, indem eS sich bereit zeigt, eine schiedsrichterliche Entscheidung darüber zu acceptiren, nicht als Beweis der Friedensliebe und Versöhnlichkeit unserer Politik auffaßt, vielmehr sich veranlaßt findet, die Rechtmäßigkeit der deutschen Sache anzuzweifeln. Die Haltung der „Germania" überrascht unS jedoch nicht; denn dieses Organ ist überhaupt kein ZUM 2. September. Fünfzehn Jahre find verflossen, seit aufdem Schlacht- felde von Sedan unter dem Donner der Kanonen in schauerlich feierlicher Weise der Grundstein zum neuen deutschen Reiche gelegt wurde. Mit gutem Rechte hat man den 2. September zum nationalen Gedenktage an den ruhmvollen deutsch-französischen Krieg bestimmt, denn die Schlacht bei Sedan bildete den entscheidenden Wendepunkt in dem Schicksale dieser beiden Staaten; daS französische Kaiserthum, welches in frevelhafter Weise den Krieg heraufbeschworen hatte, ward gestürzt, seine bedeutendste Armee gefangen genommen und damit war der erste und wichtigste Abschnitt deS FeldzugeS beendet. Was jetzt noch folgte, war nur der Ausbruch der ohnmächtigen Wuth eines steuerlos gewordenen Volke-, welches sich mit dem letzten Muthe der Ver zweiflung gegen die Fesseln streubte, die sich immer enger und enger um seine Glieder schmiegten. Für Deutschland und für die Interessen deS europäischen Friedens überhaupt wäre es freilich vortheilhaster ge wesen, wenn wir hätten mit einer monarchischen, anstatt mit einer republikanischen Regierung den Frieden ab schließen können und haben sich die von uns damals aus gesprochenen Befürchtungen leider als nur allzu begründet erwiesen Frankreich ist seitdem der Herd fortwährender politischer Unruhen geblieben, sintemal die von dem Volke selbst gewählte Regierung nicht stark genug ist, dem Revancheg. schrei der Chauvinisten, welche es den Deutschen niemals verzeihen können, daß sie daS fran zösische Volk um den Namen der „grauste nulioir^ ge bracht haben, Schweigen zu gebieten; vielmehr muß sie, will sie daS Staatsruder in den Händen behalten, den EtrLmungen der im Allgemeinen deutsch-feindlichen öffentlichen Meinung Folge leisten. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Fürst Bismarck diese Gefahren so gut, wie wir, vorausgesehen hat, auch mag es diesem streng monarchisch gesinnten Staatsmann- schwer genug ge fallen sein, mit dem Abgesandten einer republikanischen Regierung zu unterhandeln. Entschloß er sich trotzdem dazu, so darf wohl angenommen werden, daß von Außen Ubonuemenl»- Preis: PerteljShrl.Mk. 1M Zu beziehen durch die kaiserlichen Post wstalten und durch unsere Boten. Lei freier Lieferung tu» Haus erhebt di« Post noch eme Ge bühr von 25 Pfg. Jnseraten- Annahmestellen: Die Arnoldische Buchhandlung, Jnvalidendank, Haa s enstein L V ogler, Rudolf Mosse, G L. Daube L Co. in Dresden, Leipzig, Hamburg, Berlin, Franksurt a/M. u. s. w. Ein unterhaltende Blatt für den Binger und Sandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und DreSden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Müller in Dresden. » sondern der Bundesgenosse eines Jeden, deutsches Blatt, s e „essen Deutschlands zu s" A^cht Die öffentlich- Meinung wird vorauS- in der Lage sein, den Verdächtigungen der aeaenübtt die deutschen Rechtsansprüche „Germania g S unparteiisch beurtheilen zu können, m der m nächst» Z-tt di, dies- denn wir Aktenstücke zur Veröffent- bezuglichen P — Einer Meldung auS Würz- ltchung g^ang m-hrere spanische Firmen die einem dortla?» Ervorthause gegebenen Aufträge zurückgezogen dortigen Erpor hau'e g g ^er Patriotismus mit dem Bemerken, oap ' nicht gestatte, auS einem Lande, ^g-n^ feindselig auftrete, Waaren b-riehem Derarttge Zwischenfälle, infolge deren einzelne Firmen v.elle.ch empfindlichen Schaden erleiden bei großen StaatSaktionen, nne es d,e Besetzung der Karolinen-Inseln immerhin ist, unvermeidlich. « Der in Paris erscheinenden „Gazette diplomatique wird aus Berlin geschrieben, Fürst Hohenlohe der neue Statthalter von Elsaß-Lothringen, werde seme Ver- waltuna mit der Ausweisung aller Franzosen aus den Reichslanden beginnen. Die „Gazette diplomatique hat sich niemals besonders zuverlässig -"v'-'-n und auch diese ihre neueste Meldung klingt im höchsten Grade unwahr scheinlich. Allerdings steht zu erwarten, daß Fürst Hohenlohe den in den Reichslanden wohnenden Fran zosen, sofern dieselben sich deutsch-feindliche Agitationen und Hetzereien zu Schulden kommen lassen, etwas schärfe? auf die Finger sehen wird, als eS sem Amtsvorgänger, der verstorbene Feldmarschall Freiherr v. Manteuffel, ge- than hat. Allein die Ausweisung sämmtlicher Franzosen aus Elsaß-Lothringen wäre denn doch ein Gewaltakt, der für die Beziehungen Deutschlands zu Frankreich die schlimmsten Folgen haben könnte. Kaiser Franz Josef und der Czar Alexander HI. sandten am 26. v. M. von «remsier aus ein Telegramm an den deutschen Kaiser, in welchem sie denselben auf daö Herzlichste begrüßten und dem Gedanken Ausdruck gaben, daß sie den greisen Mo narchen „im Geiste anwesend betrachteten". Bald darauf traf eine telegraphische Antwort deS Kaisers Wilhelm ein, in welcher dieser seinen Dank für die Begrüßung und gleichzeitig die Versicherung auSsprach, daß er die freundschaftlichen Gefühle der in Kremsier zusammenge troffenen Majestäten erwiedere. Ein deutlicher sprechen der Beweis für die innigen Beziehungen der drei Kaiser reiche ist wohl nicht denkbar. — Der neuernannte Unter-Staatssekretär im Auswärtigen Amte, Graf Herbert BiSmarck, hat nunmehr seine amtlichen Funktio nen und gleichzeitig die Vertretung des Staatssekretärs Grafen Hatzfeldt, dem ein vierwöchiger Urlaub be- her, namentlich von London und Petersburg auS, wo man die glänzenden Erfolge der deutschen Waffen mit eifersüchtigem Auge verfolgte, eine Pression auf ihn auS- geübt wurde. Daß Fürst Bismarck, wenn es nach ! seinen persönlichen Wünschen gegangen wäre, lieber mit einem monarchistischen, als mit einem republikanischen Frankreich Frieden geschloffen hätte, beweist der erst jüngst bekannt gewordene Umstand, daß der nunmehrige Reichskanzler einer Wiedereinsetzung Napoleons als Kaiser keineswegs abgeneigt war, ein Plan, der jedoch durch den plötzlich erfolgten Tod des entthronten Regenten vereitelt wurde. Doch vor der Hand braucht unS daS französische Revanchegeschrei nicht zu beun- > ruhigen, sintemal eS dem Fürsten Bismarck gelungen > ist, die drei größten Reiche Europas zu einem FriedenS- bunde zu vereinigen, an dessen Feste zur Zeit sich die Wellen jeder kriegerischen Strömung brechen müssen. Eine weit größere Gefahr droht jedoch dem deutschen Reiche von Jnnnen her und hier ist es insonderheit die sociale ! Frage, welche imv*r mächtiger einer — sagen wir eS > offen — gewaltLamen Lösung zudrängt. Wie die Ge- > scdicke der Einzelnen, so erfüllen sich auch die der Völker ! mit einer unerbittlichen Konsequenz und selbst einem Bismarck ist eS nicht möglich, daS dahinsausende Rad ! der Zeit aufzuhalten. Somit gehen wir im Inneren i allem Anscheine nach einer sturmbewegten Zeit entgegen und mit dem Wunsche, daß sich dann unser Staats gebäude fest und stark erweisen möge, begrüßen wir den 2. September aufs Neue als den Gründungstag des deutschen Reiches. Feuilleton. Schrüdbeladen. Original-Roman von Julius Keller. (27. Fortsetzung.) Hastig öffnete sie das Kouvert und hielt eine Banknote, einen Hundertmarkschein in der Hand. „Geld", murmelte sie fassungslos, „von ihm?!" — Aber das Kouvert enthielt noch ein anderes Papier — einen kleinen Briefbogen, welcher mit undeutlichen und unsicheren Schriftzügen bedeckt war. Hedwig erkannte die Handschrift der Räthin und laS: „Meine liebe Frau Hedwig! Sie verlassen mich leider noch vor dem heiligen WeihnachtSfeste, so daß mir die lang ersehnte Gelegen- hm, Ihnen den Dank für Ihre aufopfernde Pflicht erfüllung und die rege Unterstützung, welche Sie mir weit über meine Ansprüche hinausgehend gewährt haben, beweisen zu können, geraubt wird. ES würde mir ewig als ein Vorwurf erscheinen, müßte ich auS diesem Grunde das, waS ich seit langer Zeit sür Sie bestimmt, zurückbehalten. — Hätte ich nur einen Tag früher von Ihrem Entschlusse, mich zu verlassen, Kenntniß erhalten, so würde ich erst die Kleinigkeiten, welche ich Ihnen für das WeihnacbtSfest zugedacht, besorgt haben, so aber ist mir daS nicht mehr möglich und ich kann nichts Anderes thun, als Sie bitten, sich selbst durch die Anschaffung dessen, was Ihnen nöthig erscheint und waS Sie sich wünschen, zu er ¬ freuen. Zu diesem Zwecke übergebe ich Ihnen hiermit daö, waS ich für Sie bestimmt und bitte Eie, es freundlich anzunehmen. Indem ich Ihnen nochmals für die Zukunft alles Gute wünsche, hoffe ich, daß Sie nicht ganz vergessen werden Ihre Sie liebende Antonie Claus." Hedwig blickte bald auf das kurze Schreiben, bald auf das Werthpapier in ihrer Hand und neue Thränen füllten ihre Augen. Ein Gefühl der Genugthuung, daß Bernhard ClauS ihren Charakter wirklich erkannt, erfüllte sie, er mußte von dem Gelde wissen und weil er überzeugt gewesen, daß sie es von ihm. nimmermehr annehmen würde — darum nur hatte seine Mutter diese Zeilen geschrieben. — Nicht lange währte die Unentschlossenheit Hedwig's, ob sie die freundliche Gabe annekmen oder zurückwelten sollte — ihre Exaltation hatte sich seit jenen AbsckiedS- worten, die sie mit Bernhard Claus gewechselt, ver flüchtigt und ihr gesundes Empfinden siegte. „ES würde ihn von Neuem verletzen und kränken, wenn ick daS Geld zurückwlese", sagte sie sick, „eS ist auS wirklich gutem, eklem Herzen, ohne jede Neben absicht gegeben. Es wäre falscher Stolz, die Gabe zurückzuweisen." Es war bereits neun Uhr, als Hedwig Barthold die Treppe des Hause- hinunter schritt — fast so wie an jenem Morgen, da sie dasselbe betreten hatte. Jkr Herz war übervoll, als sie den Fuß über dre Schwelle HeS freundlichen Gebäudes gesetzt und auf der Str-ße stand. — Lautes, buntbewegles Leben und Treiben umgab sie — abermals stand sie allein, verlassen, ohne Freund und Rather! Eie überschritt langsam den Fahrdamm und blieb auf dem dem Hause gegenüberlieaenden Trottoir sieben. — Noch einen Blick warf sie Wtauf zu der Wohnung, welche ihr ein so freundliches Asyl gewesen und bemerkte, daß an einem der Fenster d»e Räthin und ihr Sohn standen. Dieselben mußten Hedwig's Gehen bemerkt haben und schauten ihr nun nach. Mit freundlichem Lächeln neigte Frau Claus ihr Haupt, während Bernard regungslos mit wehmüthig- traurigem Ausdrucke hinab sah. Der resignirende Sckmerz der Enttagung lag auf seinem ernsten Antlitze und Hed ig konnte nicht umhin — »hm noch einen letzten herzlichen Abschiedsgruß zuzuläckeln. Sie fühlte, daß dieS ein Abschied sür'S Leben war! Ein Moment noch dann trat Bernhard hastig zurück und Hedwig eilte schnell weiter. Die Räthin aber seufzte lief auf und murmelte: „Der arme Junge! — - Es wird lange dauern ehe er eine Trösterin findet!" — XV. „ES hat geläutet, Mmna, wahrscheinlich wird mich abermals ein Gratulant Heimtücken!" D>ele Worte richtete eine junge, auffallend hübsche, Dame von etwa v.erunkzwanzig Jahren an .kr Kammer- m'ä ""cd Herrin Bemerkung diensteifrig aus kem Zimmer huschte. blanke, ebenmäßige Gestalt, IN nnr *üunies lusngeS Morgenkostüm umküllie, N'hm nachlässiger Haltung aut der bequemen