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Sxprd. u. Redaktion rreSden-Ueustadt v. Meißner Gasse 4. Lie Zeitung erscheint Ticnsta«, Donuerstas und eonuadend früh. SdouveWent»- Pret»: vierteljihrlMk. 1,80. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- anstalten und durch unsere Boten. Bei freier Lieferung ins HauS erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Pfg. ach fische D ocheilung. Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Müller in Dresden. Inserate werden bis Montag, Munvoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: die1sPalt.Zeile15Pfg. Unter Eingesandt: 30 Psg. Juseraten- Nnnahmestcllrn: Die Arnoldijche Buchhandlung, Jnvalidendank, Haaicnstcin LVogler, Rudolf Mosse, G. L. Daube L Co. in Dresden, Leipzig, Hamburg, Berlin, Frankfurt a/M. u. s. w. Ar. 61.Sonnabend, den 23. Mai 1885. 47. Jahrgang. Wegen der Feiertage erscheint die nächste Nummer der „Sächsischen Dorszeitnng" Donnerstag, den 28. Mai. Abonnements-Einladung. Bestellungen auf die „Sächsische Torfzettung" für deu Monat Juni nehmen alle kaiserlichen Postanstalten und Postexpeditionen gegen Voraus bezahlung von 5V Pfg. entgegen. Die Verlags (Expedition. Politische Weltschau. Deutsches Neich. Unter der Ueberschrist „Das deutsch-französische Einverständniß" bringt der Pariser „Figaro" in einer seiner letzten Nummern einen längeren Artikel, der um so bemerkenSwerther ist, alö er einige höchst interessante Streiflichter auf die gesammte euro päische Politik wirft. „Das Einverständniß zwischen Deutschland und Frankreich" — so führt das genannte Blatt u. A. aus — „ist aus der Besorgniß entstanden, England möchte eines schönen Tages unter der einen oder anderen Form Aegypten annektiren und deshalb wird das gute Einvernehmen zwischen Berlin und Paris so lauge fortbestehen, bis der letzte britische Soldat Kairo verlassen hat. Von dem Augenblicke, da General Wolseley von Gladstone nach dem Sudan ent sandt wurde, datiren alle jene Maaßregeln, welche von Deutschland, Rußland, Oesterreich-Ungarn und Frank reich gemeinsam ergriffen wurden, um die englische Re gierung zu zwingen, ihre Politik in Zukunft etwas mehr, als bisher, nach den Wünschen der übrigen euro päischen Mächte einzurichten. Die Konferenz in Berlin hatte den Zweck, den englischen KolonisationSgelüsten einen Damm zu setzen; der jetzt in Paris tagende Kon greß ist bestimmt, die Herrschaft über den Suez-Kanal den Händen der Briten zu entreißen und die in diesen Tagen in Rom zusammengetretene Konferenz bezweckt nichts Geringeres, als den Engländern die Sanitäts- Kontrolle in Aegypten zu nehmen, um dieselbe einem anderen Staate zu erthrilen. Der englische Premier minister hat sich feierlich verpflichtet, Aegypten im Laufe der nächsten zwei Jahre zu räumen, aber wird Gladstone in zwei Jahren noch Minister und im Stande sein, sein Versprechen einzulösen? Das gegen ihn ge schlossene deutsch'-französische Bündniß wird bis zu dem Tage dauern, wo obigeS Versprechen erfüllt und eine wirklich internationale Verwaltung an Stelle des für leistete Besitz der Provinz Hannover ist von dem Vater wegen eines unparlamentarischen Ausdruckes zur Ordnung des Herzogs von Cumberland als unrechtmäßig wieder holt angefochten worden, ja derselbe hat sich bis an sein Lebensende als einen mit Preußen im Kriege be findlichen Eouverain angesehen. Zu eben dieser politi schen Anschauung hat sich nun der Herzog von Cumber land in seiner Kundgebung vom Juli 1878 bekannt; er hat rief, erhob der Reichskanzler dagegen en rgischen Protest und die Folge war, daß der Präsident sein Amt niederlegte. Ganz verschieden war die Art und Weise, in welcher die letzten beiden Reichstags-Präsidenten in dieser Beziehung ihres Amtes walteten. Während v. Levetzow, der Präsident der verflossenen Legislatur-Periode, mehreren Ministern seitdem seinen Ansprüchen auf den hannöverschen Thron nicht entsagt und die Haltung seiner Anhänger in der Pro vinz Hannover ist bis heute derart, daß selbst ein persön licher Verzicht des Herzogs von Cumberland auf seine vermeintlichen Rechte an Hannover der preußischen Re gierung keine Bürgschaft für die Einstellung der gegen Preußen seitens der Welfenpartei in Scene gesetzten Agitationen gewähren würde. Der bei diesen Be strebungen gemachte Vorbehalt, daß die Abtrennung der Provinz Hannover von Preußen auf gesetzlichem Wege herbeigeführt werden solle, ist bedeutungslos, da der gesetzliche Weg durch die gegebenen Verhältnisse naturgemäß ausgeschlossen und nur der gewaltsame mög lich ist. Bei der reicbstreuen Gesinnung der Bevölke rung im Herzogthume Braunschweig dürfte die Welfen partei dort keinen nennenSwerthen Anhang finden; der Herzog von Cumberland aber würde sich auch als Herzog von Braunschweig den Einflüssen der Partei, an deren Spitze er bisher gestanden und deren vor nehmste Leiter in seinem Auftrage für die Sache der Welfen thätig sind, nicht entziehen können. Die Erbfolge des Herzogs auf dem braunschweigischen Throne würde des halb die unvermeidliche Folge haben, daß sich daselbst unter der Autorität eines Souverains ein Centralpunkt für verfassungswidrige Bestrebungen bilden würde, deren Spitze gegen die vom Reiche garantirte Integrität des preußischen Staates gerichtet wäre." Im Falle der BundeSrath dem obigen Anträge Preußens gemäß sich gegen die Erbfolge des Herzogs von Cumberland auf dem braunschweigischen Throne auSspricht, soll hiervon die Landesregierung in Braunschweig unverzüglich in Kennt- niß gesetzt werden und eS wird dann deren Lache sein, so bald wie möglich eine endgiltige Entscheidung über das Schicksal des Landes herbeizuführen. Wie auS Braunschweig geschrieben wird, geht die dortige öffentliche Meinung dahin, daß es daS Beste wäre, wenn kein neuer Regent eingesetzt, sondern das Herzogthum in ein Reichsland verwandelt würde. Die bereits wiederholt aufgeworfene Frage, ob der ReichstagS-Präsident berechtigt ist, die ihm durch die Verfassung verliehene Disciplinargewalt auch den Mit gliedern deS BundesratheS gegenüber zur Anwendung zu bringen, hat die so wünschenSwerthe Entscheidung noch immer nicht gefunden. AlS der frühere Präsident v. Forckenbeck im Jahre 1879 den Fürsten BiSmarck Aegypten so verderblichen englischen Regimentes ge treten ist. In Paris so wenig, wie in Berlin und Wien wird die auf der Londoner Konferenz beschlossene Finanz konvention durch die Kammern genehmigt werden, wenn nicht England vorher den verschiedenen Vorschlägen zu stimmt, die das kontinentale Europa behufs Regelung der ägyptischen Verhältnisse gemacht hat. Die klägliche Lage, in welcher General Wolseley Aegypten und General Graham den Sudan verlassen, ruft in dem bedauerns- werthen Lande eine Strömung hervor, welche den Schutz Deutschlands (?) an die Stelle der englischen Protektion gestellt wissen will. Die Briten ihrerseits indessen sind nicht gewillt, ohne Weiteres den Deutschen in Aegypten das Feld zu räumen." Was den letzten Punkt betrifft, so glauben wir, die deutsche ReichSregierung wird sich sür die Ehre, die Schutzherrschaft über Aegypten zu übernehmen, schönstens bedanken. Es giebt kaum eine schwierigere und undankbarere Aufgabe als die, in die dortigen zerrütteten Verhältnisse Ordnung zu bringen. Dem Bundesrathe ist am Mittwoch seitens des Reichskanzlers ein Antrag zugegangen, in welchem die verbündeten Regierungen aufgefordert werden, ihre Ueberzeugung dahin auszusprechen, daß „die Erbfolge des Herzogs von Cumberland auf dem braunschweigischen Throne mit dem inneren Frieden und der Sicherheit deS Reiches nickt verträglich sei." Diesem Anträge ist ein eingehendes, höchst interessantes Begründungs schreiben beigegeben, in dem eS u. A. heißt: „Der Artikel 76 der Reichsversassung enthält die Bestimmung, daß Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesregie rungen, sofern dieselben nicht privatrechtlicher Natur sind, von dem Bundesrathe erledigt werden sollen. Nach dem Geiste der Verfassung wird diese Vorschrift dahin zu verstehen siin, daß nicht nur bereits bestehende Streitigkeiten dem Schiedssprüche des BundeSratheS unterworfen sind, sondern daß dieses Kollegium auch berufen ist, dem Entstehen solcher Streitigkeiten ver mittelnd vorzubeugen, wenn ein Antrag dahin gestellt wird. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend erlaubt sich die preußische Regierung, die Aufmerksamkeit des BundesratheS darauf zu lenken, daß zwischen Preußen und Braunschweig Mißhelligkeiten voraussichtlich ent stehen würden, wenn der Herzog von Cumberland den Thron von Braunschweig besteigen sollte. Der durch die Reicksverfassung dem preußischen Staate gewähr- Feuilleton. Toni. Erzählung aus dem Riesengebirge von Georg Hartwig. Wer das Riesengebirge bereiste, hat gewiß seine Freude gehabt an den vielen zierlich gebauten, im Laub- schmuck halb verschwindenden Dörfern, die den Fuß der Bergriesen schmücken und von den Fremden mit Vorliebe ! zum Sommeraufenthalt gewählt werden. Sie stehen in l einem Uebergangsstadium von der schlichten Ländlichkeit ! zur fashionablen Hotelwirthschaft und verbinden dem gemäß alle Reize des Landlebens mit einem gewissen Komfort, der sich den wachsenden Ansprüchen akkommodirt. In einem dieser Dörfer, welches von den meisten Gebirgsreisenden vermöge seiner günstigen Lage zum Aus gangspunkte genommen wird, weil man von dort am bequemsten über die GlaSsckleiferei Josephinenhütte zum Zackenfall und dann über den Kamm an den Schnee gruben und den Teichen vorbei zur Schneekoppe gelangen kann, tönte aus den Fenstern deS Gasthauses „Zur schönen Aussicht" lustiges Geigenspiel zum brummenden Gefiedel deS BaffeS und dem einförmigen Geklimper der Harfe. Es ward Hochzeit gefeiert, zu der geladen war, was nur Freude an Spiel und Tanz in fich spürte und das konnte, Gottlob, die ganze männliche und weibliche Jugend des Dorfes mit gutem Gewissen beschwören. Der Wirth, ein stattlicher, behäbiger Mann, mit nicht zu verkennender ZorneSadrr auf der breiten Stirn, lehnte, seine Pfeife rauchend, am Pfosten und wiegte den Oberkörper behaglich nach dem Takte der Musik. Er war der reichste Besitzer in der Runde und Vater eines schönen Töchterleins. Die Toni war sein Stolz, sein Augapfel, mit der er hock hinaus wollte, sehr hock — höher als der Florian Spiller mit seiner Rosi, die heute mit dem simplen Glasschleifer Hochzeit machte. „Halt Du — wo steckt mein Mädel?' unterbrach er sein stummeS Selbstgespräch, alö er eine feine, zierliche Gestalt an sich vorüberhuschen sah. „Anneli, hast Dich nicht draußen nach der Toni umgeschaut?" Das junge Mädchen stand mit ihrer Last von Bier krügen gehorsam still uvd blickte, die Wangen von der Anstrengung geröthet, mit Hellen Augen zu »hm auf. „Ich kann'S nickt sagen, Herr Pathe, wo die Base steckt — sie hat's allemal nickt gern, wenn man ihr aufpaßt! Sie wird wohl ein Bissel hinausgegangen sein!" „So, so! Sieh, was die jungen Burschen dort für lange Hälse machen! Weißt wonach, Anneli?" fragte der Wirth schmunzelnd. „Nun, nach dem Bier, Herr Pathe!" „Ach was da, Bier!" polterte er halb lackend, halb zürnend. „Nack der Jungfer Toni recken sie sich die Hälse aus — ja, die läßt Euch Alle mitsammen zappeln, die Wetterhere! Schau, schau, bist wohl gar neidisch?" „Ich kann mich nicht länger verweilen", sagte die Kleine leise und wollte fort, aber der Wirth hielt sie noch einmal auf. „Hat sich der Anton Meller noch nickt blicken lassen draußen? Die Herrschaft ist ja lange zurück, die er hinaufgeführt hat!" „Den hab' ick gesehen", fiel Anneli schnell ein. ,,Er saß am HauS auf der Führerbank!" „Er hat wirklich Glück mit seiner hübschen Fratze — die Reisenden mögen keinen anderen Führer, sobald er sich nur zeigen thut. Aber er giebt auch was auf sich, das ist »vahr, so keck sitzt Keinem der Hut und so leicht trägt Keiner seinen Tragstuhl auf dem Rücken! Na, wenn Du zurückkommst, gieb ihm ein GlaS Bier, Anneli — es ist ein armer Schlucker, aber doch ein braver Kerl. Nun aber mach' fort, sonst dursten am Ende noch die Brautleute! Holla, laß Dich dock nicht von den Tänzern umrennen, Mädel!" rief er ihr nach, als Anneli gegen ihre sonstige Gewohnheit langsam und nachdenklich durch den heißen Saal schritt. Gerade als Peter Wang sein Pfeifchen gegen den Pfosten ausklopfte, um sich persönlich nach der vermißten Tochter umzuseken, fühlte er sich leise, aber eindringlich am Rockzipfel festqehalten. Gelassen blickte er sich um und sah in das Antlitz eines breitschultrigen, robusten Manneö, der sich mit der verkehrten Hand den Schweiß von der Stirne trocknete. Seine struppigen, stark in s Röthliche spielenden Haare lagen, durch allerlei Pomaden geschmeidig gemacht, zurückgekämmt hinter den abstehenden Ohren und kontrastirten kaum mit der fuchsigen sonnver brannten Haut des Gesichts. Seine grauen, stechenden Augen funkelten den Gastwirth listig an. „Also?" wandte sich Peter Wang lakonisch gegen ihn. „Ich sehe, Ihr habt'S just eilig, aber die Sache geht uns Beide verflischt nahe an! Kommt nebenan in die Sckenkstube, ich habe Euch was zu sagen!" „Ich thue meine Sacken stets allein ab, wißt Ihr!" sagte Peter und der Stolz seiner Worte harmonirte prächtig mit der Art, wie er seine stattliche Person von der knochigen Figur seines Nachbars trennte.