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Uxped u. Redaktion L rette»-Neuftttt v. Meißner Gasse 4. Die Zeitung erscheint Dienstag, Bonnerftag und Ganaaße«» früh. N»Oi>nn»e»ts- Pret». »terteljLhrl. M. 1^0. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post avstalten und durch unsere Boten. Bei freier Lieferung in» Hau» erhebt die Poft noch eine Ge bühr von L> Pfg. Sächsische V och MMS. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und (andmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Inserate werden bis Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: dielspalt.Zeilc lüPfg. Unter Eingesandt: 30 Pfg. Jnserate«- Annahmcsteve«: Die Aruoldische Buchhandlung, Invalidendank, Haasenstein L Bögler, Rudolf Mosse, G. L. Daube «Co. in Dresden, Leipzig, Franksuri a/M., «. «ohl, «esselsdvrf u. s. w. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmau« Müller in Dresden. Wr. 136. Sonnabend, den 18. Aovemöer 1893. 55. Jahrgang. Politisch« Weltschau. Deutsche- Reich. Am Donnerstag Mittag 12 Uhr wurde die Reichstagssession im weißen Saale des königlichen Schlosses zu Berlin unter Beob achtung de- hergebrachten EeremoniellS durch Se. Majestät den Kaiser mit Verlesung der nachstehenden Thronrede eröffnet: „Geehrte Herren! Als ich Sie im Juli dieses Jahre- um mich versammelt hatte, gab ich dem Vertrauen Ausdruck, daß Sie mir und meinen hohen Verbündeten Ihre Mitwirkung zu der im Inte resse der Sicherheit brS Reicher gebotenen Fortbildung unserer HeereSeinrichtungen nicht versagen würden. Ich freue mrch, daß meme Zuversicht nicht getäuscht worden rst und indem ich Sie heute ber Ihrem Zusammentritte begrüße, ist eS mir Bedürsniß, dem Reichstage für seine patriotische Bereitwilligkeit meinen kaiserlichen Dank auS- zusprechen. Die mannigfachen Beweise warmer Sym pathie, deren ich mich während der letzten Monate in den verschiedenen Theilen deS Rüche- zu erfreuen ge habt habe, sind mir eine Bürgschaft dafür, mit welcher Genugthuung dre Nation es empfindet, daß dem deut schen Heere eme Organisation gesichert worden ist, auf welcher die Gewähr für den Schutz des Vaterlandes und für die Erhaltung deS Friedens beruht. ES wird nunmehr Ihre vornehmste Aufgabe fern, in gemein samer Arbeit mit den verbündeten Regierungen für die Beschaffung der Mittel Sorge zu tragen, welche zur Deckung deS durch die erhöhte Friedenöpräsenzstärke deS HeereS entstandenen Mehrbedarfes erforderlich sind. Die Vorschläge, welche Ihnen in dieser Beziehung zugehen werden, bewegen sich auf einer breiten, zugleich die finanziellen Beziehungen deS Reiches zu seinen Gliedern neu regelnden Grundlage. Die Finanzverwaltung de- ReicheS hat eine endgUtlge Ordnung im Sinne der ReichSverfassung noch nicht gefunden. Die bisherigen Erfahrungen haben bewiesen, daß ohne Schädigung deS Reiches und der Einzelstaaten eine Auseinandersetzung zwischen denselben nicht länger hinausgeschoben werden kann. Da- Finanzwesen deS Reiches wird dergestalt auszubauen sein, daß unter Beseitigung der bisherigen Schwankungen die Anforderungen desselben an die Einzel« staaten in em festes Verhälttuß zu den Ueberweisungen gestellt werden und ein gesetzlich festgelegter Antheil an den eigenen Einnahmen de- Reiches für einen vorher bestimmten längeren Zeitraum den Einzelstaaten zuge- fichert wird. Eine solche Ordnung wird im Einklänge mit der föderativen Gestaltung unseres Staatswesen- ein ungestörtes Zusammenwirken deS Reiches und der Sinzelstaaten gewährleisten und ohne Schmälerung der Rechte deS Reichstage- die Finanzverwaltung in hohem Grade fördern. Zu diesem Behufe wird dem Reichs ¬ tage ein Gesetzentwurf, betreffend die anderweitige Ord nung deS Finanzwesen- deS Reiche-, vorgelegt weroen. Zur Beschaffung der hiernach erforderlichen Mittel werden dem Reichstage Gesetzentwürfe, betreffend die Besteuerung des Tabaks und deö Weine-, sowie die Erhebung von Reichsstempelabgaben zugehen. Ich zweifle nicht, daß die Lösung dieser bedeutsamen Auf gabe Ihrer hingebenden Mitwirkung gelingen wird. Unter Berücksichtigung der gegenwärtigrn Finanzlage deS Reiches ist der Reich-hauShalt mit äußerster Spar samkeit ausgestellt. Die beim Abschlusse der Handels verträge des Reiches mit Oesterreich - Ungarn, Italien, Belgien und der Schweiz gehegte Erwartung, daß die selben zugleich den AnknüfungSpunkt für die vertrags mäßige Regelung unserer Handelkbeziehungen zu an deren Staaten bilden würden, hat sich inzwischen inso weit erfüllt, als es gelungen ist, auf der durch jene Verträge geschaffenen Grundlage auch mit Spanien, Rumänien und Serbien neue Handelsverträge zu verein baren. De Beiträge, durch welche unserem Güter austausche mit diesen Ländern die wünschenSwerthe Ste tigkeit und die Möglichkeit gedeihlicher Entwickelung geboten wird, werden Ihnen zur verfassungsmäßigen Beschlußnahme zugehen. Im Einverständnisse mit mei nen hohen Verbündeten habe ich mich veranlaßt gesehen, Rußland gegenüber von der Befugniß einer außer, ordentlichen Erhöhung der Einfuhrzölle Gebrauch zu machen. Die von mir erlassenen Verordnungen werden Ihnen sofort mitgetheilt werden. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß der Verlauf der schwe benden Handelsvertrag-. Verhandlungen mit Rußland zur Beseitigung dieser Maaßnahmen führen wird. — Dank den energischen Bemühungen, welche die ver. bündeten Regierungen aufgewendet haben, ist eS ge lungen, die verheerende Epidemie, welche im vergangenen Jahre schwere und schmerzliche Opfer gefordert hatte, seitdem fernzuhalten urd wo sich vereinzelte Krankheit-, fälle zeigten, ihrer Verbreitung erfolgreich entgeger- zutreten. Dre gewonnenen Erfahrungen noch wirksamer zu verwerthen und die Abwehrmaaßregeln zu dauernden und einheitlichen zu gestalten, ist der Zweck eine- Ge setzentwurfes, welcher Ihnen vorgelegt werden wild. Um die mit der pflichtmäßigen Strenge jener Abwrhr- maaßregeln vereinbarte Schonung de- internationalen Verkehres thunlichst sicher zu stellen, hat unter Be- theiligung des Reiche- im Frühjahre in Dresden eine von der Mehrzahl der europäischen Staaten beschickte Konferenz stattgefunden, deren Beschlüsse Ihnen zur Genehmigung zugehen werden. Die Erledigung der Ihnen auf finanziellem und handelspolitischem Gebiete gestellten Aufgaben wird Ihre Arbeitskraft in so hohem Maaße in Anspruch nehmen, daß die verbündeten Re- aierunaen eS für rathsam erachtet haben, den Kreis der UL« im Uebrigen thunlichst emzuscheänken. - In dem Verhältnisse Deutschlands -um Auslande,st «ne Aenderung nicht eingetreten. Bel Fortdauer der engen Freundschaft mit den zur Bersolgung gemeinsam r fried- Ucher Zwecke unS verbündentru Rechen stehen nur zu allen Mächten in guten und freundlichen Beziehungen Ich gebe mich daher der Zuversicht hm, daß un- mlt Gotte- Hilfe die Segnungen,deS Frieden- auch ferner- hin werden erhalten bleiben." Der feierlichen Eröffnung deS RechStageS wohnten zahlreiche Abgeordnete bet; nur die Mitglieder der Volks- Partei und die Socialdemokraten glänzten durch Ab- Wesenheit. Die Thronrede wurde sLweigend entgegen- genommen; erst bei dem SchlußpassuS, worin die guten Beziehungen deS deutschen Reiche- zum AuSlar.de be tont werden, ließen sich einige BeifaUSäußerungen ver- nehmen — In der gleich darauf stattfindenden ersten Plenarsitzung ergab der Namensaufruf die Anwesenheit von 215 Abgeordneten. An Vorlagen sind bereit- em- gegangen: die Handelsverträge unt Spanien, Serbien und Rumänien, die Novelle zum Gesetze, bitteffend die Verwaltung deS Reich-invalidenfonds, ein NochtragSetat für 1893/94, ein Gesetzentwurf, betreffend di- Abände- rung der Konkursordnung, eme Novelle zum Bich- seuchengesetze, der Etat für 1894/95, da- Anlüheges-tz, sowie verschiedene Rechnungssachen. Die Absicht, dem Reichstage sogleich bei seinem Zusammentritte die auf die Steuerreform bezüg lichen Borlagen zu unterbreiten, hat sich nicht durch führen lassen. Die Ausschüsse des BundeSratheS ver mochten trotz angestrengtester Arbeit ihre Berathungen nicht so rasch zu sördern, daß jene Absicht zu verwirk- lichen gewesen wäre. Den „B. P. N." zufolge wurde der Gesetzentwurf, betreffend die anderweitige Organisa tion de- ReichSfinauzwe,enS, in den Aurschlissen ein stimmig angenommen und ebenso die grundlegenden Bestimmungen deS TabakSfteuergesttzeS; dagegen steht eine Einigung über verschiedene Einzelheiten roch aus. Die Berathung des WemsteuergesetzeS dürste erst in den nächsten Tagen stattfinden. Der ReichShau-halt-etat pro 1894/95 schließt in Einnahme und Ausgabe mit 1,305.632 229 M. (gegen das Borjahr — 24,797,129 M.) ab. Bon den Au,", gaben entfallen 1,082,884.683 M. (-s- 54,115 004 M. gegen da- Vorjahr) auf die fortdauernden, 83.925,726 M. (— 198,478 M.) auf die einmaligen Ausgaben deS ordentlichen und 138,821,820 M. (— 78,713.655 M.) auf die deS außerordentlichen Etats. Die Ein nahmen vertheilen sich folgendermaaßer.: Zölle und Verbrauchssteuern 616,935 560 M. (-1-14,015 710 M.), Reichsstempelabgaben 34 045.000 M. (- 2,469,000 M.) Feuilleton. Bernt Klingner. Novelle von Klara Jäger. (7. Fortsetzung.) Ob Erna dem väterlichen Zuspruche glaubte, ob sie wirklich sich Mühe gab, zu verwinden, zu vergessen, was nur ein Traum gewesen; waS doch nicht- Andere- sein durfte, al- ein Traum — wer da- dem Generale hätte sagen können. Erna kam mit keiner Silbe wieder darauf zurück. Aber ihr Anblick schnitt dem Vater täglich in's Herz. Bleich, traurig, die Augen vom Weinen geröthet, so schlich sie, wortlos fast, im Hause einher, das Bild einer geknickten Rosenknospe. Eie selbst zweifelte nicht mehr daran, daß da-, was sie anfänglich allerdings für einen Traum gehalten hatte und was nun, nach dem väterlichen Machtspruche nicht- Anderes sein durfte, als ein Traum — daß sie da» durchlebt, mit allen Fibern ihre- Herzen- durch lebt hatte! Alle», Alle» war Wahrheit, war Wirklichkeit ge wesen, oder da» ganze Dasein war nur ein Traum, nicht werth, geträumt »u werden. Erna wußte, daß sie Bernt gesehen, gesprochen hatte. Jeder Blick aus seinen schönen, tiefen Augen, jede» Wort, da» über seine Lippen gegangen, war ihr gegenwärtig. Sie wußte, daß ihr Herz dem Geliebten zugejauchzt, daß sie sich ihm angelobt hatte für alle Zeit und Ewigkeit! Aber neben dieser felsenfesten Ueberzeugung standen wie finstere Wetterwolken am klaren Sonnenhimmel die quälenden entsetzlichen Fragen: Wo weilte er, als ich erwachte? Warum eilte er nicht herbei, um durch seine Gegenwart alle Zweifel zu lösen, alle Dunkelheit au- meiner Seele zu verbannen? Was war aus ihm geworden, als so urplötzlich die Sinne mir schwanden? Als das Furchtbare, Entsetzliche, Unbegreifliche über mich hereinbrach? Das Gewitter war schon vorübergezogen. Hell hatte die Sonne durch die große Glasscheibe rm Lising- Häuschen ihre lachenden Strahlen wieder hernieder gesendet. Erna erinnerte sich genau, wie die Sonne das liebe, schöne Antlitz da vor ihr in warm", lachende Gluth getaucht hatte und dann plötzlich war eS Nacht um sie her geworden; — eine namenlose Angst hatte ihr da- Herz stocken gemacht . . . und nach her? Was war nachher geschehen ? WaS hatte sich zugetragen? Erna fragte eS vergeblich. Niemand gab ihr Antwort. „Eine Ohnmacht", hieß es. „Weiter nichts." O e- war genug, übergenug! Zum Wahnsinnig werden genug war e», so klar zu wissen, wa» geschehen, waS gesagt worden, bis zu einem bestimmten und doch nickt festzustellenden Augenblick — und — dann wie vor einer undurchdringlichen, unübersteiglichen Mauer zu stehen, an der jeder Gedanke wie ein Spielball ob- prallte .... zu empfinden, zu sehen, daß man . . . daß man sie beobachtete, ja, daß man sie beargwöhnte! Für geisteskrank hielt man sie; Ottchen, der eigene Vater sogar, zweifelte an der Klarheit ihres Verstände»? O, e» war qualvoll, unsäglich qualvoll Und wie sollte, wie konnte solch ein Zustand auf die Dauer zu ertragen sein?! .... Doch sein Kind litt, der Freiherr sah es wohl und eS schnitt ihm in'- Herz; tiefer, viel tief.r, als er eS sich eingestehen mochte; aber er preßte die Lippen fest aufeinander, strich sich den Schnurrbart und sagte sich: „Es muß auSgekämpft werden — und das wird es!" Wenn Bernt Klingner nur erst wieder abgerelft wäre. Daß er hier anwesend, war dem Freiherrn eine höchst unwillkommene Nachricht. Daß der Zufall, — die wunderbare Fügung — nicht abermals ihr Spiel triebe, dafür mußte selbstverständlich gesorgt werden. Nachher, wenn der junge Romantiker, dieser über strebsame Streber, erst wieder im fernabgelegenen Amts- stübchen vor feinen verstäubten Aktenbündeln sitzen werde, dann mußte die nüchterne Ueberlegung, vereint mit der überzeugenden Macht der Gewohnheit, dort und hier Alles wieder in'S rechte Geleise bringen. Bis dahin nur Geduld — und bei Leibe keine Sentimentalität. Lin Spürchen nur davon könnte Alle- verderben! Der General hob die Tafel auf. „Ich habe zu arbeiten", sagte er, „nachher will ich au-gehen oder Jahren. Aber für Dich, mein liebes Kind, ist das Wetter doch heute ein wenig zu rauh!" wandte er sich hastig an Erna. Meide im Hause; Du könntest Dich erkälten! Fräulein Felten, sorgen Sie mir dafür, daß Erna nicht heraus kommt. Hören Sie woh>! Ich mache Sie verantwortlich." War war da»? Hausarrest?! Da- Wetter komte