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—.— ' 55. Jahrgang. Donnerstag, den 2. Kovemöer 1893 Inserate werden bis Montag, Mittwoch u. Freilag Mittag angenommen und kosten: dielspalt.Zeile 15Pfg. Unter Eingesandt: 30Pfg. . sation als vollkommen siegreiche Macht entgegentreten können und diese Organisation muß so lange als möglich hinausgeschoben werden, damit in der Revolution sich das Klassenbewußtsein erst bilden kann. Wir dürfen die Kleinbürger nicht zu Athem kommen lassen, wir müssen durch diese die revolutionäre Wuth auf die Spitze treiben, dann gelingt es uns vielleicht, für kurze Zeit die Diktatur unserer Partei durchzusetzen. Aber wie das machen ohne gemeinsamen Plan, ohne oberste Leitung, ohne einen gemeinsamen Willen der Führer? Das sagte ich mir schon seit einem Jahre. Vergebens suchte ich wie mit einer Blendlaterne, ich fand von dem fehlt den meisten deutschen Arbeitern gänzlich; wir müssen den individuellen Haß, die Rachlust des Bauern gegen den Wucherer, die Erbitterung des Tagelöhners gegen den „Herrn" aus beuten. (Hört! hört! Sehr gut!) Wir müssen an allen einzelnen Stationen so rasch und eindringlich terrorisiren (hört!), daß wir den demo kratischen Ausbeutern bei der Vollendung ihrer Organi. Abonnements-Einladung. Bestellungen auf die „Sächsische Dorfzeituug" für die Monate November und Dccember nehmen alle kaiserlichen Postaustalten und Postexpedittoneu, sowie auch alle Laudvriefträger gegen Vorausbe zahlung von 1 M. entgegen. Bereits erschienene Nummern werden, soweit möglich, nachgeliefert. Politische Weltschau. Deutsches Reich. Der von den Socialdemo' kraten in Köln abgehaltene Parteitag, welcher nicht weniger als sieben Tage wahrte, ist am Montag endlich geschlossen worden. Zu der langen Dauer der Ver handlungen steht das Resultat der letzteren in einem kläglichen Verhältnisse. Die längst bekannten alten ab gebrauchten Tiraden über die angebliche Unhaltbarkeit Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger «Herrmann Wüller in Dresden Zwecke die meinigen sind. (Hört, hört!) Als Kom munist — und Atheist — will ich, wie Sie, die Dik tatur der Arbeiterklasse! (Hört, hört! Bewegung.) Meine Mittel wähle ich einzig und allein nach der Zweck mäßigkeit. (Erneute Bewegung.) Dadurch aber trenne ich mich von Ihnen, daß ich fest überzeugt bm: die nächste Revolution bringt das Kleinbürgerthum an «Ruder, die Arbeiterpartei wird den Sieg erfechten der hohen i Bourgeoisie und den feudalen Resten gegenüber, dann aber von den Demokraten bei Seite geschoben werden, I Wir können die Revolution auf einige Zeit vielmcht m eine antibürgerliche Richtung bringen, die Grund- < bedingungen der bürgerlichen Produktion vernichten (Hört, hört! Bewegung); das Kleinbürgerthum aber , niedertreten, das vermögen wir nicht. So viel al- l möglich erringen, das ist mein Wahlspruch und deshalb , bin ich auf immer der Ihrige. (Stürmische Heiterkeit.) Wir müssen eine Organisation der Kleinbürger so lange ! als möglich nach dem ersten Siege verhindern, nament- lich mit geschlossener Phalanx gegen jede konstituirende - , Versammlung opponiren. Der partrkularistische Terro- s s rismus, die lokale Anarchie (Hört! hört!) müssen uns j Jnscraten- Aunahmcftcllcn: Die Aruoldische Buchhandlung, Jnvalidtndank, Haascnstein L Vogler, Rudolf Mosse, G L Daube K Co. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., G. Kohl, Kcsselsdvrf u. s. w. unserer heutigen staatlichen und socialen Zustande wurden , . .. wiederholt, ohne daß damit auch nur auf die „Genossen" : ersetzen, was uns im Großen abgeht. Klassenbewußisein ein erheblicher Eindruck erzielt worden wäre; wie viel - ' wenig r also auf einen objektiven Beurtheiler! Einen > so abgelegenen Göttingen aus, von wo ich nicht fort- ; konnte, nichts. Schon sah ich mich auf ewig i auf mich allein angewiesen und begann mit meinen j nächsten Freunden einen Bund zu gründen, dessen letzter Zweck der Kommunismus, dessen erster Grundsatz: Der Zweck heiligt die Mittel (hört! hört! und erneute Be wegung) und dessen erstes Gesetz unbedingter Gehorsam j war, zu stiften, als ich von London aus die ersten Ge- ! nossen fand. Ich bitte Sie jetzt nur durch P Statuten und Gesetze resp. Befehle zu schicken; er kennt dann wörtlich weiter: „Es wäre nun freilich eine Dumm heit, wollte ich verlangen, daß Sie smir gleich volles Vertrauen schenken. Damit Sie aber doch etwas von meiner Vergangenheit wissen, bemerke ich, daß ich mit Blind in H. studirte, dort vor der Revolution zu der „radikalen Partei" gehörte, als solcher in der Revolution die „Ideen" dieser Richtung verfocht, worauf ich nach Hannover geschickt wurde, um Bauern-Aufstände zu or- gamsiren, von da ging ich nach Göttingen, wo ich an- fangs in kleinbürgerlichem Sinne die gelehrte bureau- kratische und Philisterpartei aus dem Felde schlagen half und endlich eine Arbeiterpartei zu organisiren suchte. (Stürmische Heiterkeit.) Gerade war ich damit be schäftigt, als P (Bebel: ich nenne den Namen des Mannes nicht, der noch in Deutschland lebt) nach England reiste. Ich gab ihm einen Brief an Blind mit, um durch diesen bei Ihnen zu sondiren. Sie sehen, meine Vergangenheit bietet wenig Garantien. (Stür. mische Heiterkeit.) Es ist wahr, ich für meinen Theil kann nichts weiter thun, als Ihnen versichern, daß Ihre N Wie alljährlich so waren auch m diesem Jahre am 27. Oktober als am Tage der Ueb-rgabe von Metz die Freunde und Verehrer des Heimgegangenen General. feldmarschaÜL Prinzen Friedrich Karl, die zu demselben m persönlichen Brziehungen gestanden haben, m Berlin zu einem gemeinsamen Festmahle vereint, welches durch die Gegenwart des Kaisers noch eine ganz besondere Weihe erhielt. Im Mittelpunkte der im Hotel Kaiserhof gedeckten Festtafel von 67 Personen hatte der Monarch, in der Uniform der schwarzen Husaren, seinen Sitz zwischen dem Prinzen Hohenlohe-Ingelfingen und dem kommandiren General des 8. Armeekorps, Generaloberst v. Los. Auf dem Platze jedes Anwesenden lag eine mit einer vortrefflichen Photographie des verewigten Prinzen und mit einem Bilde von Schloß Drcilinden geschmückte Tischkarte. Während der Tafel erhob sich der Kaiser, um daS Andenken des verewigten Prinzen mit tief empfundenen Worten zu feiern. „Wir gedenken" — so ungefähr sprach der Monarch — „emer längst vergangenen Zeit. Es drängt sich uns heute die Er innerung an den großen Helden auf, dem es v rgönnt war, nicht nur ein Zeuge, sondern ein unmittelbare- Werkzeug der großen Thaten zu sein, die unser Vater land geeinigt und groß gemacht haben. Aber noch mehr als dieser Heldenthaten gedenken wir heute de- stillen Schloßherrn, dem eS eine Freude war, an der Brust der Natur zu ruhen, da- Sprossen und Wachsen der von ihm gestreuten Aussaat liebend zu verfolgen. Auch für unsere Armee hat er eine Saat auSgestreut, die in Segen aufgegangen ist und deren Früchte unS Ausschwung nahm die Debatte am letzten Tage, als Bebel einen Brief zur Verlesung brachte, welchen der jetzige preußische Finanzminister Ör. Miquel als junger Mann im Jahre 1850 an Karl Marx, den „Vater der heutigen Socialdemokratie", gerichtet hat. Der Brief — so bemerkte ' Bebel — beginnt mit der Versicherung des lebhaften Bedürfnisses, mit Marx in Verkehr zu treten und lautet , Die Polizei hat in diesem Augen dle richtige ^"ss- ^ge auch (stürmische bl"?/ A nebme jedoch die Charge als Vorstand Heiterkeit), ch zurückkehren nur an, H Mt möglich sein (was sehr jgz kn werde ich für meine Person natür- bleiben und über die Beauftragung eine- .n K - berichten. Wenn Sie vielleicht nicht Anderen an der Sache eirweihen M»°NkN A stell!» Sie mich ganz adg-Iond-N uni« ^i- L- wag ahn- Zusammenhang nm dem Ganzen. Wr d-n Man nMchen ich -ntwa-s-n sür mewe Tha- Ii !e m "ö-b-l: Hi« steh, -m G-h-Mz-ichen m B-i-fe dai soviel ali BevvllmachNgter b-d-M-I- Im- ? »n belichten, wenn ich von London an» genauere Besehle und «ustrage belommen habe.' Sius und Handschlag Ihr Miguel-. - Hat MO» -i w, diesem Briete an dessen Echtheit wohl Nicht zu,Weiseln ist, Lch nm Mii .mer su,endlichen ,»urschw«,ung- zu thun Io dü-st- die B-röffenilichung d- schreiben» dem'jetzigen Herrn Fii anzmimsler immerhin Nicht an. Exptd. u. Redaktion Dresden-Neustadt v. Meißner Gasse 4. Die Zeitung erscheint Dienstag, Daunerstag und Sonnabend früh. Abonnement»- Preis: VierteljShrl. M. 1,SO. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- imstalten und durch unsere Boten. Bei freier Lieferung in» Hau» erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Psg. ächsislhe DochntmlA Lin unt-rhcüt-nd-s Blatt sür den Bürger und Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und " . Dresden für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstren a Feuilleton. Bernt Klingner. Novelle von Klara Jäger. (Nachdruck verboten.) Im Hause des Freiherrn von der Horst gab es weder gestickte, noch gemalte oder gemeißelte Wappen schilder und doch war es nicht nur ein sehr vornehmes, sondern zugleich ein sehr reiches Haus. Die Familie von der Horst gehörte zu den ältesten und angesehensten Adelsgeschlechtern des Landes und der Senior derselben — der General der Kavallerie, Baron Ewald von der Horst-Sen-storff — war gleich allen seinen Vorfahren Aristokrat von der Sohle bis zum Scheitel. Heutigen Tage-, obschon er ein angehender Sechziger war, durfte man den General mit vollem Rechte einen schönen Mann nennen. Er war von fast athletischem Wüchse, hatte fein» geschnittene, regelmäßige GesichtSzüge und seine wunder bar großen, durchdringend blickenden Augen hatten selbst jetzt noch ihre dunkelblaue Farbe und blitzten ost in fast jugendlichem Feuer. DaS volle, leicht mit grau untermischte Haupthaar — im Nacken und an den Schläfen militärisch kurz ge schnitten — lockte sich auf dem Scheitel zu einer zwar altmodischen, aber höchst kleidsamen „Tolle"; der Schnurr, bart hing ihm weit über das Kinn hinaus und eine tiefe Narbe, die sich in schräger Linie vom Auge zum Ohre hinzog, vollendete den kriegerischen Eindruck, den der Freiherr durch sein AeußereS und durch sein ganzes Wesen Hervorrufen mußte. Er war sich dieses Eindruckes sehr wohl bewußt und hätte ihn durch nichts abschwächen mögen. Herr von der Horst war General und Flügeladjutant seines Königs, dessen Jugendgespiele er einst gewesen. Lediglich aus diesem Grunde — das heißt: aus persönlicher Zuneigung zu seinem Herrscher — war der Freiherr dem aktiven Dienste so lange Jahre treu ge- blieben, obschon ihn ost nach beschaulicher Ruhe und nach einem unabhängigen Dasein verlangte. Der General hatte erst in vorgerücktem Lebens alter geheirathet, war aber bereits seit mehreren Jahren Wittwer. Seinem einzigen Kinde — einer jetzt siebzehnjährigen Tochter — hatte er, bald nach dem Tode seiner Ge. mahlin, in Fräulein Ottilie von Felten eine gewissen- hafte Erzieherin und seinem großen Hausstande eine vorzügliche Führerin gegeben. Alles pflegte sich glatt abzuwickeln im von der Horst'schen Hause. Außer während der längeren Krankheit und bei dem Tode seiner Gemahlin hatte das Leben dem Generale niemals besondere Erschütterungen gebracht; seine Ver- wundung im letzten Feldzuge — von der die Narbe am Kopfe Zeugniß ablegte — war nur dazu angethan ge- wesen, seinen Ruhm als Heerführer und die dankbare Anerkennung seimS Königs zu vermehren. Der General hatte alle Ursache, mit seinem Geschicke zufrieden zu sein. Und doch ließ sein heutiger Gesichtsausdruck da- durchauS nicht errathen. Er sah sorgenvoll aus — sehr sorgenvoll. Dea Kopf in die Hand gestützt, saß er vor seinem, mit Büchern und Papieren überdeckten Schreibtische, der, vom breüen Pfeilerfenster quer in das Zimmer Hineinstand. Der weite und hohe Raum war durchaus nicht nach heutigen Begriffen „stylvoll" eingerichtet: aber be haglich und mit Geschmack. d^er, einfarbig grüner Filzteppich bedeckte den Fußboden; an der Breitseite der Wände, die durch keine Zerbrochen wurde, stand ein niedriges, breite- Ruhebett, von einem persischen Wollengewebe lose über- deckt; zur Seite ein kleiner schemelartiger Tisch mit Rauchgerathen. Ueber dem Divan ein einziger, große- ?^8emälde -- em Geschenk des König- nach dem letzten stegttlchen FAdzuge — jene Handlung darstellend, in welcher der Freiherr Wunden und Ehren davontrug; aus b" Geschichte jene- Kriege- und seines uberau- glücklichen AuSgange-. Nikkis» ^Ä^r^ch"^ Karten, eine wohlgeordnete ""d Jagdgeräthe in geschmackvoller z"" als Wandschmuck ver- sendeten die Einrichtung de- Gemache-, gestern Nachdenken versunken. Seit n 2t »hm em Name, eine Persönlichkeit nicht wieder au- dem Sinne. Bernt Klingner! Ak! ^en Namen zum ersten Male gehört? Ah! Richtig, so war's! Etwa zehn Jahre mochten seitdem vergangen sein.