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Sächsischer Landes-Anzeiger : 10.04.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-04-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188804107
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880410
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880410
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-04
- Tag 1888-04-10
-
Monat
1888-04
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 10.04.1888
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Nr. 82. — 8. Jahrgang. »er jeden Wochentag Abend (mit Datum de» salzenden Tage») zur Versendung gelangende „Sächsische LandeS-Anzeiger-' mit täglich einem besonderen Unter« baltungSblatte und mit dem Extrabeiblatt Lustiger Bilderbuch kostet bei den Ausgabe- stellen monatlich 70 Psg„ bei den Post-«»st. 7b Pf. (1888er Ztgs.-Preirlist« Sir. bvSo.) FürAbonnenten erscheint je einmal imJabr: 8rm»ier<Eisenbah»fahr-lanhtst für Sachsen. «inter-Eisenbahnsahrplanbeft für Sachsen. Iliustr. stalender de« Sächsischen Laiidboten. 3llustrirte«Jas,re«bllch»eri!-nde«.«Iu,eiserr. IWWWWWWWWUWWWWWWWWWWWMWWWW Sächsischer MßWWWWWWWSWWW»KWW'1 W Dienstag, 10. AprU 1888/ lliä-es- mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Mit täglich einem besonderen 4. Sächsisches Allerlei - Unterhaltungsblatt: 1. Kleine Botschast — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitnng 5. Jllnsirirtes UnterbaltnngSblatt — 6 Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Lustiges Bilderbuch. Amtliche Bekanntmachungen. Ueber das Vermögen des Kammfabrikanten Adolf Bernhard Carl Reinhold in Chemnitz wird heute am b. April 1888 Nachmittags °/«b Uhr das Konkurs verfahren eröffnet. Der Rechtsanwalt Theodor Müller in Chemnitz wird zum Konkursverwalter ernannt. Konkursforderungen sind bis zum 4. Mai 1888 bei den, Gerichte anznmelden- Es wird zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen Verwalters, sowie über die Bestellung eines Gläubigcrausschusses und eintretenden Falles über die in 8 120 der Kon- kursordnuiig bezeichnten Gegenstände auf den 24. April 1888 Nachmittags 4 Uhr und zur Prüfung der angeiuelde.eu Forderungen auf den 25. Mai 1888 Vormittags lO Uhr vor dem Unterzeichneten Gerichte Termin anberaumt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwa« schuldig sind, wird ausgegcben, nichts an den Gemeinschuldncr zu verabsolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung aufer legt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Bcsriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursver walter bis zum 8. Mai 1888 Anzeige zu machen. K. Amtsgericht zu Chemnitz. In dent Konkursverfahren über das Vermögen des Kohlen- und Producten- händlers Friedrich August Groß in Chemnitz ist zur Abnahme der Schluß rechnung des Verwalters, zur Erhebung vo» Einwendungen gegen das Schluß- verzeichniß der bei der Verthcilung zu berücksichtigende» Forderungen und zur Beschlußfassung der Gläubiger über die nicht vcrwerthbare» Vermögen stücke der Schlußtermin auf den 3. Mai 1688 Nachmittags 4 Uhr vor den» Königlichen Annsgerichte Hierselbst bestimmt. Chemnitz, am 5. April 1L88. Königliches Amtsgericht. In dem Konkursverfahren über das Vermögen 1. des Kaufmanns Emi Loewenthal, Inhabers der Firma Emil Loewcnthal, und 2. des Kaufmanns Carl Louis Wciiihold, Inhabers der Firma Carl Weinhold in Chemnitz, ist zur Prüfung der nachträglich angemeldcte» Forderungen Termin auf den 20. April 1888 Vormittags 10 Uhr vor dem Königlichen Amtsgerichte hier selbst anberaumt. Chemnitz, am 5. April 1888. König!. Amtsgericht. konnte sich nicht Gehör verschaffen. Eine Tagesordnung konnte nicht beschlossen werden. — Heute Nacht brach ein großes Feuer auf dem Bahnhof Saint Lazare aus. Acht Feuerwehrleute wurden unter den Trümmern einer Treppe begraben; sechs sind schwer verwundet, zwei sind todt. Das vom Feuer zerstörte Gebäude war zum Niederreißen bestimmt. Sofia. Der Sultan hat den an der bulgarischen Grenze auf gestellten Sanitätskordon ausheben lassen. Telegraphische Nachrichten. Vom 8. April. Berlin. Am Sonntag befand sich der Kaiser nach einer weniger unterbrochenen Nacht leidlich. Am Vormittag wohnte die kaiserliche Familie de», vom Oberpfarrer Müller in Charlottcnburg abgehaltenen Gottesdienste bei, worauf die Majestäten eine Promenade im Schloß, parke unternahmen. Vor dem Gottesdienst hatte der Kaiser den Be. such des Prinzen Heinrich, des Erbprinzen von Meiningen und dessen kleiner Tochter empfangen. Nachmittags hielt der General vo» Winterfeld Vortrag und empfing der Kaiser einige Besuche. Das Diner nahmen die Majestäten im Kreise ihrer Familie ein. Die Kaiserin Victoria reist morgen früh ^8 Uhr mit Extrazug über Küstrin, Landsbcrg, Kreuz nach Posen zum Besuch der überschwemmten Gebiete. — Zur Kanzlerkrisis verlautete am Sonntag gerüchtweise, aber mit ziemlicher Bestimmtheit, die Krisis bestehe fort. Es seien neue Schwierigkeiten entstanden, hinter welchen das Heirathsprojcct an Wichtigkeit zurücktrete. Durch letzteres seien die übrigen Fragen erst angeregt. Man sagt, Kaiser Friedrich denke in einer Frage der inneren Politik, welche dem Kanzler besonders am Herzen liege, wesentlich anders, als Fürst Bismarck. Was an alledem wahr ist, bleibe dahingestellt. Wien. In hiesigen diplomatischen Kreisen erhält sich die An sicht, daß die Berliner Kanzlerkrise eine ruhige Lösung finden werde. Diese Kreise können jedoch ebenfalls nicht ihr Befremden darüber verhehlen, daß ein Theil der deutschen Presse den Kanzler gegen den Kaiser auszuspiclen versucht; derlei habe man am wenigsten von deutschen Blätter» erwartet. In der öffentlichen Meinung Oesterreichs machen diese Hetzversuche überall einen peinlichen Eindruck, welchem die Organe aller Parteien Ausdruck geben. Paris. Gestern fand in Valencienner eine von 4000 Personen besuchte Versammlung der Boulangisten statt, die sehr stürmisch ver lief. Laguerre sprach eine Stunde laug, mit größter Anstrengung sich vernehmbar machend, unterbrochen von den Rufen: „Nieder mit dem Diktator!", aber auch Foucard, Boulanger's Gegenkandidat, ßnliz: MMr Me. «nchdrnckerei. Chemnitz. Tbeaterstraße 5 (Fernsprechstelle Nr.lSH. Telegr «Adr.: Landes-Anzriger, Chemnitz. Zur Kanzlerkrisis. Die plötzlich aufgetauchte Kanzlerkrisis ist für den Augenblick bereits überwunden. Fürst Bismarck verläßt seinen Posten nicht, ebensowenig sein Sohn, Staatssecretär Graf Herbert Bismarck. Das sind die Thatsachen, welche in dieser Angelegenheit bekannt sind; im Uebrigen fehlen aber alle und jede genauen Nachrichten. Die „Nordd. Allg. Ztg." sagt kein Sterbenswort, man ist also nur auf Vermuth- unge» angewiesen. Es steht nicht fest, ob der Kanzler wirklich ein Entlassungsgesuch einreichte, ebensowenig, welche Gründe die Krisis herbeiführten. Die Behauptungen der „Köln. Ztg." die wir nach stehend folgen lassen, sind stark übertrieben, und auch von den anderen Mittheilungcn kann man nicht sagen, sie seien zuverlässig. Wahr scheinlich ist Manches zusammengekommen, was den Kanzler zur ge »aue» Darlegung seiner Politik dem Kaiser gegenüber bewogen hat. Es läßt sich im Augenblick aber nicht erkennen, wohin die Afsaire zielte. Wir lassen nun der Vollständigkeit wegen die einzelnen Zeitungsstimme» folgen: Die „Köln. Ztg." schreibt: Die Sache liegt so, daß von englischer Seite die Vermählung der Prinzessin Victoria von Preußen, der zweiten Tochter unseres Kaisers, mit dem Prinzen Alexander von Battenberg, dessen Bruder Heinrich mit der Lieblings tochter der Königin von England verheirathct ist, auf's Lebhafteste betrieben wird und daß anscheinend auch Kaiser Friedrich keine per sönlichen Einwendungen gegen den tapferen Battenberger erhebt. Politische Erwägungen aber widcrrathen diese Verbindung auf's Ent schiedenste, da dieselbe unser Vcrhältniß zu Rußland sofort trüben, an unserem Hofe zudem Einflüsse stärken könnte, die uns dazu treiben wollen, Englands Gegner zu bekriegen, ohne daß deutsche Interessen dazu treiben würden. Jedenfalls würde es dem Fürsten Bismarck nach seiner bisherigen Haltung in der russisch-orientalischen Frage und möglicherweise auch in der Frage der Battenbergischen Heiralh un möglich sein, die Geschäfte weiterzuführen, wenn der Prinz Alexander von Battenberg zum Mitglied unseres kaiserlichen Hauses erhoben würde. Da nun in der letzten Zeit der Plan der erwähnten Ver mählung in einer amtlichen Weise an den Reichskanzler gelangt ist, so hat er seine Stellung zu demselben freimüthig und offen dargc- legt und für den Fall, daß die enge Familienverbindung des Prinzen Battenberg mit dem kaiserlichen Hause an Allerhöchster Stelle ge billigt werde, um seinen Abschied gebeten. In ihrer Sonnabend- Abendausgabe schreibt die „Kölnische" dann weiter, daß die Ange legenheit nicht in einem den Anschauungen des Reichskanzlers ent- gcgenstehenden Sinne entschieden worden ist. Prinz Alexander kommt nicht zum Geburtstage der Prinzessin Victoria, an welchem die Ver lobung statifinden sollte, noch Berlin. Der Reichskanzler hatte die politischen Gründe, welche nach seiner Meinung gegen die Verleihung eines preußischen Armeekorps und des Ordens pour Is merits an den Battenbergcr, sowie gegen die Vermählung des Prinzen mit der Prinzessin Victoria sprechen, (die Gründe bestehen in der Besürch- lung, es möchte in Folge der Heirath eine tiefgehende Verschlimme rung der deutschen Beziehungen zu Rußland einlreten) zugleich mit seinem Evcntual-Entlassungsgesuch am Mittwoch Morgen dem Kaiser in einer Denkschrift von 30 Seiten und einem Nachtrag unterbreitet. Von anderer Seile heißt es, der Kaiser habe daraufhin die Vertagung der Heirathsangelegenheit beschlossen, da seiner Ansicht nach nach Lösung der bulgarischen Frage auch die Heirath erfolgen könne. — Die Im unheimlichen Hause. Erzählung von Friedrich Berner. Nachdruck verboten. Fortsetzung ans der Extra-Beilage vom Sonntag, den ö. April. „Ich habe nichts dagegen", sagte Janka leichthin. „Und Sie, Fräulein Helene?" „Ich weiß nicht, ob es dem Herrn Justizrath . . . in dieser feierlichen Stunde und in der Nähe des . . ." „Wie können Sie jetzt hier rauchen wollen, Kamphoven," sagte Paul ernst. „Ich verstehe Sie nicht. Wenn Ihnen die nöthige Achtung vor den Damen fehlt, so sollten Sie dieselbe doch wenigstens vor dem Tobten haben! Kamphove« sprang auf. „Hören Sie. Roland", rief er zornig, „Sie haben sich seit meinem Hiersein schon mehrfach eine derartige überhebende Sprache mir gegenüber zu Schulden kommen lassen! Wie kommen Sie dazu? Was unterstehen Sie sich?" „Was? Unterstehen?" rief Paul, ebenfalls aufspringend. Gleich darauf aber setzte er sich wieder und lehnte sich weit in den Sessel zurück, wobei er einen Blick auf Janka warf, welche der kurzen Scene mit unverkennbarem Vergnügen zugesehen hatte. Helene dagegen saß bleich und mit erhobenen Händen. „Fast hätte ich mich vergessen", sagte Paul zu Fräulein von Nulhart, während ec zu lächeln versuchte. " „Sie haben sich von jeher mir gegenüber vergessen!" rief Kamphovcn mit steigendem Zorn. „Was bilden Sie sich ein? Man sollte fast meinen, daß Sie sich für den Universalcrben und für den Herrn hier im Hause'hielten! Aber nur Geduld!" „Fürchten Sie nichts, Fräulein Helene", sagte Paul. „Ich will heute keinen Streit haben. Aber, hier kommt Herr Doktor Horn." Die Flügelthürcn öffneten sich, und herein trat Franz mit zwei brennenden Wachslichtern auf silbernen Leuchtern, und hinter ihm erschien der Justizrath,. der einen großen Blechkasten trug. Sie gingest quer durch daS große Gemach zu einem kleinen, kunstvoll geschnitzten Tisch, auf welchen, der Diener die Leuchter niedersetzle. Doktor Horn ließ sich i» einem dahinter stehenden Sessel nieder und pellte deit Lasten neben sich auf de» Teppich. L«. "Sr ' «c m-m- H---!«'-»'. L ' --- Sandarb. / goldene Uhr au» der Tasche,zog "-r.. F.f Fi „National-Ztg." schreibt, die Nachrichten der „Kölnischen Zeitung" über die Kanzler-Krisis seien weit übertrieben. Di« „Kölnische" mache deshalb nur so viele Worte von der ganzen Sache, um sich aus der Verlegenheit zu ziehen, in welche sie durch ihre Uebertreib- ungen gerathen sei. — Aus Dannstadt (Prinz Alexander Battenberg ist bekanntlich ein Neffe des Großherzogs von Hessen) wird der „Franks. Ztg." zu der Heirathsangelegenheit geschrieben: „Hier wird Folgendes über die geplante Vermählung des Prinzen Battenberg mit der Prinzessin Victoria von Preußen erzählt: Die Vorverhandlungen über die Verlobung der beiden fürstlichen Persönlichkeiten waren vor etwa 8 Tagen bereits so weit gediehen, daß Fürst Alexander am zweiten Osterfeiertage nach Berlin reisen wollte; es scheint für den Anfang April die Verlobung des Paares in Aussicht genommen ge« wesen zu sein. Alles war hier zur Abreise vorbereitet und die Koffer schon gepackt, als auf einen von Berlin gegebenen Wink die Reise plötzlich unterblieb. Ich theile dies Gerücht selbstverständlich unter aller Reserve mit, muß aber daran erinnern, daß die fragliche ehe« liche Verbindung bereits seit 1684 ein Lieblingswunsch der nun mehrigen Kaiserin Victoria ist. Als im April jenes Jahres in Darm stadt die Vermählung der ältesten Tochter des Großherzogs, Prin zessin Victoria, mit dem Prinzen Ludwig von Hessen gefeiert wurdet ist die Angelegenheit zwischen der damaligen Kronprinzessin des deut« scheu Reiches und dem Fürsten Alexander, welche Beide anwesend waren, so weit als nur möglich gefördert worden. Der Fürst reiste bald darauf nach Berlin, fand indessen am Reichskanzler einen ent schiedenen Gegner der geplanten Heirath, die denn auch unterblieb. Zwischen den Betheiligten wurde aber das ganze Projekt nicht aufge« gebe», sondern nur der richtige Augenblick abgewartet, um damit wieder hcrvorzutreten." — Wiener Blätter versteigen sich gar zu folgenden Sensationsnachrichten, deren Unwahrscheinlichkeit in den Hauptpunkten aber handgreiflich zu Tage tritt: „Am 31. März er fuhr Fürst Bismarck vom Kaiser, daß demnächst die Verlobung der Prinzessin Victoria mit dem Prinzen Alexander von Batten berg staltfindeu sollte. Der Fürst erhob sofort politische Be denken, worauf der Kaiser Friedrich ihm «öffnete, daß diese Verlobung ein Herzenswunsch der Kaiserin sei. Fürst Bismarck bat, von der Kaiserin empfangen zu werden, was sofort geschah. Der Fürst entwickelte der Kaiserin in ihres Gemahles Gegenwart die gegen die Verlobung sprechenden politischen Gründe. Die Kaiserin gewann indessen nicht die Ueberzeugung der Unaussührbarkeit. Hierauf hat der Fürst die Erklärung abgegeben, daß, wenn die Kaiserin auf der Verlobung bestünde, er zur Einreichung seiner Entlassung genöthigt sei.. Am 4. April erfuhr Fürst Bismarck die bevorstehende Ankupst des Battenbcrgers. Er «öffnete dem Kaiser, daß er an dem Tage, an welchem des Prinzen Reise beschlossen werde, demissioniren müsse. Die Verhandlungen mit der Kaiserin dauern fort, doch scheint bisher auf keiner Seite Neigung zur Nachgiebigkeit. Der Kaiser seinerseits will dem Glücke der Prinzessin nicht entgegentrcten, aber auch um keinen Preis die politischen Gesinnungen des Fürsten Bismarck ver letzen. Er überläßt die betreffenden Verhandlungen der Kaiserin. — Die „Konservative Correspondenz" endlich schreibt: „Es ist nicht zu treffend, wenn die Anlässe zu dem erwähnten Entschlüsse des Reichs kanzlers nur mit einem angeblichen Heirathsplan, dessen Verwirklich ung dem Fürsten Bismarck bedenklich erschienen wäre, in Verbindung gebracht werden. Es scheint vielmehr doch, daß der Reichskanzler durch eine Reihe von Maßnahme», die dem Gebiete der inneren Politik angehören, oder der von ihnen berührten Sphäre und der von ihnen ausgehenden Wirkung nach noch intimer charakterisirt werden müsse», zu dem Eindruck geführt ward, daß sein Rath bei der Krone sich nicht mehr derselben Werthschätzung zu erfreuen hat, wie zu den Zeiten des verewigte» Kaisers, und daß zwischen seinem thatsächlichen Antheil an manchen Beschlüssen und Absichten und dem von der öffentlichen Meinung vorausgesetzten ein Mißvcrhältniß besteht, welches eine andere Losung als durch den Rücktritt auch von der äußeren und dann mit kurzem Kopfnicken wieder einsteckte. „Ja, genau eine Minute vor halb zwölf. Franz, rufen Sie die Dienerschaft herein. Der selige Herr General hat keinen vergessen", fügte er Hinz», als der Bediente hinausgegangen war. „Ich bitte im Voraus um Ent schuldigung, wenn Ihnen diese oder jene Formalität überflüssig Vor kommen sollte. Ich habe mich aber strikte an die mir ertheiltcn Ordres zu halten." Der Justizrath zog ein klapperndes Schlüsselbund aus der Tasche, bückte sich und öffnete den Blechkasten, auS welchem er ein viereckig zusammengelegtes, mit grünen Seidenbändern kreuzweis ver schnürtes Dokument herausnahm. Er leg'e dasselbe vor sich auf den Tisch; dann lehnte er sich in den Sessel zurück und rahm langsam und phegmatisch eine Prise. Im Gemach herrschte eine Todtenstille. Paul von Roland, der ab und zu einen Blick aus Janka's großen, unergründlichen Augen zu erhaschen bestrebt war, konnte sich einer nervösen Unruhe nicht erwehren. Helene sah traurig von dem Einen zu dem Andern, und Kamphoven wickelte sich den langen, blonden Schnurrbart um den Finger. Wiederum ging die Flügelthüre auf, und, vom Hausmeister ge führt, kamen, einer hinter dem andern, die männlichen und weiblichen Bediensteten des Hauses herein, zuletzt Wassili Pctrowitsch, der Tscherkesse, mit gefalteten Händen und gesenktem Haupte. „Setzen Sie sich", sagte der Justizath. Seine Stimme klang fremdartig und feierlich. Es entstand ein gedämpftes, raschelndes Geräusch, als die Leute in einer Reihe an der Thür Platz nahmen. Wassili blieb stehen. „Der letzte Wille und das Testament des Herrn Dietrich Beowvlf Maria von Roland, Kaiserlich Russischer General der Infanterie außer Dienst, weiland Specialbcvollmächtigter am Hofe von Teheran, Generalgouverncur von Turkcstan, Ritter höchster und hoher Orden, Excellenz, gestorben am 13. Mai 1883 in seinem Hause zu ***, Am Botschafterwcg Nr. 3." So begann der Rcchtsflcund die Lesung des Testamentes, mit leicht zitternder Hand die goldgefaßten Augengläser auf dem Nasen rücken festhaltend. Und nicht nur die Hand, sondern auch die Stimme verrielh seine innere Bewegnng. Er legte die Gläs« auf den Tisch, blickt« auf und sagte zu den Versammelten gewendet: „Bis hierher sind die hinterlaffenen Anweisungen und Jnpruk- tione« des selige» Herr» General» buchstäblich vollzogen worden. W c'3 FH Aus Grund und im weiteren Verfolg dieser selbigen Instruktionen breche ich nunmehr in Ihrer Aller Gegenwart das Siegel des Testa mentes, dessen Aufschrift Sie soeben gehört haben." Ein leichtes Rascheln im Gemach, dann eine noch tiefere Still« als zuvor; man hörte das Knacken und Knistern des bröckelnden Siegellacks; die grünen Bänder wurden gelöst und beiseite geworfen; der Justizrath breitete das entfaltete Dokument auf dem Tische ans, räusperte sich, drückte die Gläser auf die Nase und las den in der hergebrachten Form abgcfaßten Anfang des Schriftstücks und sodann den Wortlaut einer Reihe von Legaten für die altbewährte, treue Dienerschaft des Hauses, von welcher jede Person die Summe von dreitausend Mark a»sgezahlt erhallen sollte, und noch zweihundert Mark darüber, zur Beschaffung von Trauerklcidern, wie cs aus drück lich hieß. „Meinem alten, braven Leibdiener, Kriegsgenvssen und Freund", las der Justizrath weiter, „dem Sergeanten Wassili Alexei Petrowitsch eine jährliche Rente von eintausend fünfhundert Mark bis zu seinem Tode". Wassili stand unbeweglich. „Meinem Freunde und juristischen Bcirath, dem Justizrath und Doktor der Rechte, Joseph Horn, den goldenen Siegelring mit meinem Wappen, den ich am Zeigefinger der rechten Hand trage." Es folgten noch einige unbedeutendere Vermächtnisse und An ordnungen, und als der Justizrath nach Beendigung der Paragraphen seine Gläser abzuwischen begann, che er zur Fortsetzung schritt, be nutzten die Diener im Hintergründe des Zimmers die Pauie, um einander die Hände zu schütteln und mit leiser Stimme Glück zu wünschen. „Ich komme nunmchr zu den hauptsächlichsten Vermächtnissen", sagte Dokior Horn, indem er langsam und kühl seine Gläser wieder zurechtrückte. „Meiner Großnichte Janka Pokorni, Tochter meiner Nichte Henriette Pokorni, geborene von Roland, die goldene Halskette, die ich von Sr. Majestät dem Schah von Persien «Halen, dazu die Summe von dreihundert Mark, zur Beschaffung von Trauer kleidun." „Sagte ich's nicht?" sagte Janka, indem sie mit bezauberndem Lächeln ihre Gefährte» und zuletzt Paul von Roland aublickte. „Dem Sohne meines Vetters Walters von Kamphovcn, Max von Kamphoven . . ." fuhr Doktor Horn in monoton« Weise fort. Dann unterbrach er sich, um «ine» der Leuchter näher au das Schrijt- stiick Hera« j» rücken. Fortstt'mg solO.
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