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Exped u. Redaktion Tres-en-Neustadt k» Meißner Gasse 4. Die Zeitung erscheint Ttensra«, Danucrstau und Gouuabcud früh. UdouncmcntS- Preis: Vteneljährl. M. 1,50 Zu beziehen durch bi« kaiserlichen Post- «nsialtcn und durch unsere Bolen. Bei freier Lieferung In« HauS erhebt die Most noch eine Ge bühr von 25 Psg. Sächsische Nacheilung. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Sandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrma«« Müller in Dresden. Inserate werden bi- Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: diclspalt.Zeile 15Pfg. Unter Eingesandt: 30 Psg. Inseraten- Bnnahmestellcn: Die Arnoldische Buchhandlung, Jnvalidendank, Haan nstein LVogler, Rudolf Mojfr, G. L. Daube L Co. m Dresden, Leipzig, Franksurt a/M., G. Kohl, Kcsselsdorf u. s. w. Ar. 49. Donnerstag, den 27. April 1893. 55. Jahrgang. Abonnements - Einladung. Bestellungen auf die „Sächsische Dorszeitung" für die Monate Mai und Juni nehmen alle kaiser lichen Poftaustallen und Posterveditionen, sowie auch alle Laudbriesträger gegen Vorausbezahlung von L Mark entgegen. x Bereits erschienene Nummern werden, soweit möglich, nachgeliefert. Politische Wellschau. Deutsche- Reich. Graf HoenSbroech, welcher vor Kurzem aus dem Jesuitenorden, dem er 13 Jehre hindurch angebörte, ausgetreten ist, veröffentlicht in den .Preußischen Jahrbüchern" cir.en Aufsatz, worin er -die Gründe darlegt, welche ihn zu diesem Schritte ver anlaßt haben. Dieser Aufsatz, welcher sehr beachtens- werthe Streiflichter auf die Jesuiten wirft, ist von um so größerem Interesse, als in den nächsten Tagen der Antrag der Ultramontanen auf Wiederzulassung dieses Ordens in Deutschland rm Reichstage zur Beralhung gelangen wird. Die Anklagen, welche Graf HoenSbroech gegen den JesuitiSmuS erhebt, gipfeln in dem Satze: .Derselbe vernichtet die Selb,.ständ«gkeit, den Charakter und die Individualität deS Einzelnen." Zur Be gründung dieser Behauptung führt der Verfasser u. A. auS: „Viel trägt hierzu dre gegenseitige Ueberwachung der Mitglieder und die Berichterstattung über dieselben an dre Oberen des Ordens bei. Wohl nirgends findet man dieses Ueberwachungs- und Berlchterstattunessystem ausgedehnter als im Jesuitenorden. Er ist nicht gerade, wie man es ost betitelt, ein System hinterlistiger Spionage; einzelne Charaktere mögen dazu fick ja fortreißen lassen, allein der Orden als solcher verurtheilt die?. Aber das jesuitische UebeiwachungLsystem dringt in alle Ver hältnisse der OrdcuSwitclüder ein und was sonst an der Individualität des Einzelnen noch unversehrt und frisch geblieben ist, da- wwd auf diese Weise zerstört. Das Bewußtsein, daß man den Oberen über Alles Be richt erstattet, wirkt lähmend auf die individualistische Entwickelung; man grebt sich vielfach nicht so, wie man innerlich ist, man spricht nicht so, wie man denkt, man nimmt Rücksichten hrer und Rücksichten da und allmählig geht die Selbstständigkeit des Handelns, des Sprechens, ja selbst des Denkens zu einem gutcn Theile verloren. Der JesuitiSmuS unterdrückt, ja vernichtet aber auch das NationalitätSqefühl und den Patriotismus. Dies beruht darauf, daß der JesuitiSmuS auf die Nrvellirung aller Gesinnungen hmarbeitet und in dem Individuum allmählig eine völlige Gleichgiltigkeit in Bezug auf Wohnort, Sprache und politische Institutionen erzeugt; Europa oder Asien, Deutsch oder Französisch, Republik oder Monarchie — das ist dem richtigen Jesuiten Alle- gleichwerthig. Mir selbst ist gerade dieser Punkt ein ; fortwährender Stein des Anstoßes gewesen. Als Deut- ; scher, als Preuße, als Glied einer alten Familie, die ! durch vrelhundertjährige Beziehungen mit der ange- j stammten Heimath und ihren politischen und socialen ! und vor Allem aber mit ihren monarchischen Institutionen ! verwachsen ist, empfand ich gegen diesen kosmopolitischen Geist, diese Aller weltS-Politik eine unüberwindliche Üb- ; Neigung. Nichts kränkte mich mehr, als daß gegen l eine Genoss'nschast, der ich argehörte, mit Recht ! der Vorwurf der Vaterlandslosigkeit erhoben wurde. ! Seit zwanzig Jahren besitzt die Gesellschaft Jesu keine l Niederlassungen mehr in Deutschland, sondern nur noch , im Auslande, in Holland, England, Dänemark, Same- ! den, Oesterreich; seit zwanzig Jahren sind ihre Mit glieder vom freien, lebendigen Verkehre mit Deutsch, land abgeschnitten, dem unmittelbaren deutschen Einflüsse ' entzogen. Diese Thatsache muß bei den deutschen Mitgliedern des Ordens dazu beitragen, die an und f für sich schon vom JesuitiSmuS erstrebte systematische Loslösung vom Vate'lande und vom heimischen.Wesen ' noch zu verstärken. Tie deutschen Jesuiten haben ihre i größten Arbeitsfelder in überseeischen Ländern, in Nord- ! und Südamerika, sowie in Britisch-Jndien. Innerhalb dieses großen, so viele nationale und politische Ver schiedenheiten umfassenden Gebietes hat der deutsche f Jesuit zu leben und zu arbeiten. Dabei darf er nir gends seßhaft werden, sondern muß mit dem Wander- : stabe in der Hand von Land zu Land ziehen. Bald ist er in der freien nordamerikanischen Republik, bald f im monarchischen Judien, bald in dem stets in poli- i tischer Gährung begr ffenen Brasilien; dann wird er ' aus irgend einem dieser Länder wieder zurückberusen, > um in den allen monarchischen Staatengeb.lden Europas ? als Lehrer, Prediger oder Oberer zu wirken. Er müßte ! kein Mensch lein, wenn er nicht allmählig du alle hei mische Gesinnung und Anschauung verlöre und nach : und nach dem Universal PatlwlismuS in die A me fiele." — Es ließe sich wohl noch manches Andere gegen den Jesuiten Orden anführen, wie z B. die Intoleranz ihrer , Mitglieder gegen Andersgläubige und die dadurch be dingte Gefahr, daß sie Unfiieden zwischen den Konfes- ! sionen säen. Dies scheint es uns denn auch in erster Linie zu sein, was gegen die Wiederzulassung der ! Jesuiten in Deutschland spricht. Es fehlte nur noch, daß zu der antisemitischen Bewegung auch ein kon- f ssion ller Streit zwi ch n Kacholiken und Protestan ten käme. Wie der officielle .Reichsanzeiger" meldet, ist da- Kaiserpaar über die Aufnahme, die eS in Rom gefunden bat, in hohem Maaße befriedigt. Die freundschaftlichen Gefühle und Gesinnungen der italienischen Majestäten Deutschland gegenüber haben sich der ganzen Bevölkerung mitgetheilt und diese läßt auch nicht eine Gelegenheit vorübergeh-n, ohne dem Kaiserpaare ihre Huldigungen darzubringen, die bei dem lebhaften Temperamente der südlichen Bevölkerung oft in einer dem Nordländer un gewohnten Weise zum Ausdrucke gelangen. — Einer Meldung aus Karlsruhe zufolge werden die Majestäten > auf der Rückreise von Rom am 2. Mai in der Haupt- : stadt Badens zu einem zweitägigen Aufenthalte eintreffen. lieber den Besuch, welchen das deutsche Kaiserpaar am Sonntag dem Papste im Vatikan abgestattet hat, berichtet man aus Rom: In dem sogenannten gelben Saale, in welchem der Empfang stattfand, war ein Baldachin errichtet, unter welchem die Majestäten und zwischen ihnen der Papst Platz nahmen. Der letztere ! überreichte der Kaiserin ein auS dem At-lier des Vatikan- hei vorgegangenes Mosaikbild, welches die Basilika auf dem St. Peterplatze darstellt, zum Geschenke. Der ' Kaiser verehrte dagegen dem Papste em kolorirte- < Gruppenbild der gesummten kaiserlichen Familie. Der r Papst sprach seine große Freude über daS Geschenk aus und bemerkte, er werde das Bild neben der Photo graphie des hochseligen Kaisers Wilhelm l. aufstellen, welche ihm nach dem Tode desselben von dessen Ge mahlin, der Kaiserin Augusta, übersandt worden sei. j Als der Kaiser sein Gefolge dem Papste vorstellte, ! hatte letzterer für jeden von den Herren ein verbind- j licheS Wort und zwar zeichnete er namentlich den Ge- ! sandten v. Bülow, den Grafen zu Eulenburg und den Oberstleutnart v. Moltke durch längere An prachen auS; den letzteren fragte er, ob er ein Verwandter des ver storbenen Generalfeldmarschalls Grafen Mostke sei, waS I Lieser bijahte. Nachdem sich sodann die Kaiserin mit ! dem Gefolge zurückgezogen haben, um die Sixtinische Kapelle und andere vatikanische Sehenswürdigkeiten zu i besichtigen, verweilte der Kaiser noch etwa eme halbe Stunde allein mit dem Papste. Bei der Verabschiedung gab der heilige Vater, im Gegensätze zu dem sonst üblichen C-remoniell, dem Monarchen das Geleite bi- in das Vorzimmer. — Am Montag Morgen 8'/« Uhr verließen der Kaiser Wilhrlm und der König Humbert, sowie die übrigen in Rom anwesenden Fürstlichkeiten, ' von einem zahlreichen und glänzenden Stabe gefolgt, zu Pferde den Quninal, um sich zur Truppenschau nach der Piazza d'Armi zu begeben. Auf allen do:Ihm führenden Straßen stand eine Kopf an Kopf gedrängte Menschenmenge, welche, ungeachtet des bewölkten Himmels, herbeigeströmt war, um den Majestäten be- Feuilleton. Brandkäthe. Aus den Papleirll tuns Dor Schulmeisters. Von A. Linden, t 7 Hortteyunu.) Das kleine Mädchen, das flink und gesund war, half dem Vater oder der Mutter. Auch Beeren und allerlei Pflanzen zu Thee suchten die Kinder im Busche und Käthe verkaufte sie in der Apotheke. Der Konrad hatte Arbeit in der Schmiedewcrkstätte bekommen. Er war so fleißig und geschickt, daß er bald für einen Großen arbeitete und gut verdiente. Jndeß war der Reinberg krank geworden und mußte lange zu Bett liegen, bis er endlich starb. Ob er sich auch nicht um seinen armen Bruder bekümmert hat, weiß ich nicht; er mocht's wohl gerne gelhan haben, wenn er gedurft hält', aber die Frau führte ja das Regiment im Hause und die litt's nicht. Vielleicht s hätte er auch nicht die ganze Erbschaft für sich allein . behalten, wenn die Frau nicht schuld gewesen wäre. Daß sie einen Haß auf die armen Verwandten geworfen j hat, kann ich mir wohl denken, nachdem ich damals gesehen hatte, wie's ihr erging, als sie zu ihnen gekommen war. Es hieß, sie hätte noch einmal 'nen Versuch ge- ! macht, sie wegzukriegen, hält' sich sogar drum hinter die Obrigkeit gesteckt, aber eS hat doch nichts genutzt. ' Nun, die Schtrmer's haben ihr den Haß auch reichlich vergolten; nicht allein ihr, sondern auch dem ganzen Dorfe; denn die Burschen und Mädchen im Orte ver- ' spotteten die Käthe wegen ihrer langen rothen Haare und wegen ihrer Aeltern. Weil sie dann gleich so wild und blitzig wurde, wenn Einer ihr ein Bischen zu nahe kam mit Worten oder sonstwie, wurde der Haß und die Verachtung nur immer größer. „Brandkäthe!" nannten sie das Mädchen und den Namen hat sie behalten bis ' auf den heutigen Tag, wie Sie ja wohl gehört haben. ' Mit Keinem im Dorfe hat sie Umgang, still und fleißig ist sie sonst, das muß man sagen. Seit die Mutter todt ist, haben sich die Schirmer's auch gut gemacht; das kleine Häuschen, drin sie jetzt wohnen, haben sie sich selbst gebaut; der Konrad hat abends nach der Arbeit mit gemauert und gezimmert, der ist überhaupt ein süchtiger Mensch geworden und nächst dem Werkmeister > der erste in der Fabrik. In seiner freien Zeit hat er i noch immer gelernt zeichnen, rechnen und ich weiß nicht was Alles. Bücher hat er sich gekauft und dann f studirte er allein und wenn's nicht so gehen wollte, ging er zum alten Schulmeister, der half ihm, denn das war ein herzensguter Mann, gar klug und gelehrt. ! Nur für die Schul' hat er zu viel Gelehrsamkeit im ' Kopse gehabt, drum könnt' er den Kleinen das Abc nicht beibringen und die Jungens nicht bändigen. Bet . dem hat aber der Konrad so viel gelernt, daß er mit i den neuen Maschinen und noch in vielen anderen Dingen ' bester Bescheid weiß, als der Herr Sallert selber. Er verdient sehr viel und weil die Käthe auch so fleißig ist, kann's nicht fehlen, daß sie sich was erwerben und gar in Wohlstand kommen. Die Leut' im Dorfe aber gönnen s ihnen nicht und meinen, es ginge bei ihnen nicht mit rechten Dingen zu. Die Einen sagen, die Schirmer's hätten am Gmsterberg 'nen verborgenen Schatz gefunden, die Anderen, sie hätten's auf unehrliche Weise und da munkeln sie so allerlei, ich glaub's aber nicht und denke mir, durch Fleiß und Sparsamkeit muß doch endlich Einer zu Wohlstand kommen." „Was munkeln denn die Leute?" fragte ich gespannt. „Ja, sehen Sie, Herr", sagte der Alte, „es wird seit einiger Zeit Manches von drüben her heimlich über die Grenze geschafft, theure Sachen sollen's sein, Spitzen, Seidenband und dergleichen Kram. Die Grenzaufseher haben nun Spuren gefunden, die drauf Hinweisen, daß das Zeug durch unser Dorf geht und sich hier Leute befinden wüsten, die es weiterschaffen. Die Käthe streift weit und breit in den Wäldern umher, geht auch mit den Waaren, die die Schirmer's machen, weiter hin in die Städte, um sie dort zu ver kaufen. Da heißt's denn bei den Leuten, es wär* nicht anders, sie müßt's sein, die das heimliche Ge schäft nebenbei betrieb, sonst wär' auch Keiner im Dorfe, der sich dazu hergeben möcht'." „Das ist ein schändliches Gerede!" rief ich heftig. „Das Mädchen kann nichts thun, was das Tageslicht zu scheuen braucht." Der Alte sah mich verwundert von der Seite an. „Nein, unehrlich glaub' ich auch nicht, daß sie ist; aber bös und blitzig könnt' sie werden; schon als Kind war sie's und am Meisten gegen die Reinberg's. Heut' mußt' ich wieder d'ran denken, wie ich sie so neben dem Hermann sitzen sah. Es war in der Erntezeit, das Jahr, nach dem sie hergekommen waren; da gingen, wie's denn so gewöhnlich geschieht, die armen Leute, besonders die Kinder, Jungens und Mädchen, hinau- auf die Felder der reichen Bauern, um Aehren zu lesen,