Suche löschen...
Sächsischer Landes-Anzeiger : 28.07.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188607280
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18860728
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18860728
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-07
- Tag 1886-07-28
-
Monat
1886-07
-
Jahr
1886
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 28.07.1886
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
l ' r"' - «z» . .. «vr-?.7--'7WS^> ^ k ' !-L' «» «tts L. d«! Win si- mnl fin! Lt» ist H° G. «st leb «in «v« Dr m« die Züi auf für laut Stw vor! fash Zeft G«q hält voll> auf die di« Täglich« Ni>1er?alt»»g»I>ra« zu« Sitchftsch«« Land«-Knj«Iger. Der Herr Bamath. HnmoreSk« vo« Fritz Brentauo. Nachdruck Verbote». «Seine Majestät, der König, haben allerguädigst geruht, de« Baurath Franz Zettel den rotheu Adlerorden vierter Klaff« zu verleihe».* Diese Worte lese ich eben im Reich» Anzeiger, welche» würdige Blatt jeden Morgen während der traulichen Kaffrestunde meine Lieb, «ngtlectüre bildet. Ich halt« e» bereit« seit Jahre«, habe e» lange gelaunt, al- e» noch den etwa» bescheideneren Namen «Kgl. Preußischer StaatS-Auzeiger* führt« und bin dermaßen an dasselbe gewöhnt, daß «lr leine größere CHIcane angethan werden kann, al» wenn e» am Morgen nicht einkifft. E» ist ein« völlig harmlose Lectür«, der deutsche Reichr-Anzeiger Gesättigt von der Milch frommer Denkungsart, enthält er durchaus «ich,» Aufreizende» und Aufregende» — «s müßt« den« Jemand zu fällig einmal seinen rigeuen Steckbrief darin lesen — kurz: er ist für einen friedlichen, gemächlichen Bürger und Steuerzahler wie geschaffen. Nicht wahr, Sie m ßgvnnen mir da» harmlose Vergnügen nicht, tvelche» ich beim Lesen de» deutschen Reichs-Anzeiger» und namentlich in den Momenten empfinde, wo ich au da» Kapitel der «Ernenn ungen, Beförderungen, Ordensverleihungen* gerathe? Ach» e» ist manche» Mal recht hübsch, den aussteigenden Glanz feiner früheren Freunde und Bekannten zu verfolgen, zu lesen, wie Ihne» von Zeit zu Zeit ein Orden «angethan* wird, während nnser eigenes Knopfloch eiusam trauert und sehnsüchtig nach manchem täudergeschmiilkten Nachbar herüberschaut. Und wie ich eben gar gelesen, daß Se. Majestät allerguädigst hten, meinem alten Schul- und Jogendgrnoff-u, Franz Zettel, rotheu Adlerorden zu verleihe», da will «S mich ganz eigenthüm- Uch überkommen und da» Erinnern an unsere tolle Knabenzeit weht »ich au; der dicke pausbäckig« Bengel mit den klugverschwitzt«» Augen verdrängt auf «inen Augenblick da» Bild de» Herrn Baurath» au» «einem Grdächtniß; ich sehe Franz Zettel nicht mit dem blitzenden Adlerorden auf dem schwarzen Frack, sondern sehe ihn, wie er die Gaffen hinabrenut, an de» Schellrnzügen friedlicher Häuser reißt, Garlaternen autdreht, herrenlosen Hunden lauge Napierprrifen an die Schwänze biudet und der Katze der sechzigjährigen Jungfer Skosevbecher Naßschaalen unter die Pfoten leimt. O Jugendzeit, wie liegst Du weit! W'nn Dir damals Jemand erzählt hätte, Franz Zettel, daß Du «Inst al» ehrbarer Baurath, mit dem Königlich Preußischen Adler- Orden geschmückt herum wandeln würdest, Du hättest ihm in das Gesicht gelacht, hättest «in Schnippchen geschlagen und dem nächsten besten Vorübergehenden eine Fratze geschnitten. Erinnerst Du Dich noch «nsere» lieben Mannheimer Professors Georg Heckmann, mit dem strenge« Gesicht und dem weiche«, milden Herzen? Denkst Du noch, wie oft er Dich — oder um ehrlich zu sein, un» freundschaftlichst Lnrchbläut« und beharrlich prophezeite, daß in Ewigkeit auS uns nicht» Rechte» würde? Und wie hat er sich in Dir getäuscht, ordengeschmückter König- ich Preußischer Baurath! Halt, da fällt mir ja auch Dein Spitzname «in: 6oä s»vs Ido Hussa! Führst Du ihn noch? Tr erinnert mich au einen Deiner tolle« Jugendstreich« und Du wirst entschuldigen, wenu ich die persönliche Unterhaltung mit Dir aufgebe und mich wieder zu «einen Lesern wende, um ihnen die Entstehung diese» Namens und «och so Manche» zu erzählen, welche» ihnen beweisen soll, wie man Jahre lang «in fröhlicher Schwiemel sein nnd doch zuletzt ein fein ehrbarer Baurath und Ordeu»ritt«r werden kann. Ich weiß, Du «tmmst mir da» nicht übel, den« ich vermuthe wohl nicht mit Unrecht, baß unter Deinem äußerliche» Philisterthum noch ein« starke Dost- Schalkhaftigkeit und Humor sch'ummert. E» find jetzt ungefähr fünfundzwanzig Jahre. Der Herr Bau- rath Franz Zettel war damals noch ein armer Baueleve, der zwar küren Gehalt, aber destomehr Schulden hatte und den jeder Wirth, besaß solche Schätze der Gelehrsamkeit, an deren Znsawmenbringnng alle Herrscher der Pfalz mit inniger Liebe gearbeitet hatten. Der Obrrbibliothekar Gruteru», rin Manu von seltener Liebenswürdigkeit, «achte die kostbaren Schätze jedem Jünger der Wissenschaft zugänglich. Die Reize de» Orte» nnd de» Laude», die wissenschaftliche Bedeutung der Lesekräft« und der Bibliothek, Alles «achte die Heidelberger Uni derfität zu einer der ersten Europa». Da nahte mit rasche« unaufhaltsamen Schritten da» Verderben. Zweihundert Jahre der furchtbarsten Leide« bracht« herein. Kurfürst Heinrich V. hatte sich verleiten lassen, im Jahr« 1619 di« Krone Böhmens a«S der Hand der Evangelischen anznuehwen. Ja der Schlacht am weißen Berge büßte er seinen Ehrgeiz schrecklich. Al» der „Winterkönig* verspottet und verhöhnt irrteer in de, Fremde »»her. Im Sommer 16L2 erschien der furchtbare Tilly vor Heidel berg, am 19. September kapitnltrte di« Stadt, nnd nun begann die fürchterlichste Verwüstung der Stadt und de» ganzen Lande». Die Hochschule, obwohl nicht förmlich aufgelöst, war in ihre» Thätigkeit so gut wie lahm gelegt. Man weiß vo« de» berühmte« Zerstörung Magdeburg» her, wie Tilly in den eroberten Städten zu vüthen Pflqfte. Der fürchterlichste Schrei de» Entsetzen» ging aber durch die Pfalz und di« ganz, gebildet« Welt, als Maximilian I. von Bayern »nd Lilly Anstalten machten, den Stolz de» Lande», die Palatina, an» Heidelberg fortschasseu zu lasse«. Scho» längst hatte »au im Vatikan ei« gieriges Auge auf diese« Schatz geworfen, und jetzt, nach Besiegnng de» verhaßte» ketzerischen Feinde», beschloß vfäffiische Hinterlist, dem wehrlo» am Boden Liegenden »e» schöusten Stein au» seiner Krone anSzubreche«. Auf 13 Fracht wagen führt« der Grieche Allacei am 15. Febrnar 1623 di« ««schätz, baren Handschriften und Bücher nach Rom. Sie, di« «ine ganze gr- bildete Welt «och Jahrhundert« hindurch erquickt hätten, lagen nun ««benutzt «nd unbeachtet im Vatikan. Erst 1815, nachdem Napoleon de» Römern wieder eine» Theil de» Raube» abgeuommen, gelang e» den Bemühungen Hardenberg» und Wilhelm vo« Humboldt'», wenigsten» «ine«, wen« auch geringen Theil der gestohlenen Schätze zurück zu retten. Mit der Wegführnng der Palatina war der Zusammenbruch der Universität so gut wie besiegelt, 1626 wurde nur noch ein einziger Student in die Matrikel eingetragen. Aber der Geist der deutschen Forschung war doch nicht z« zerstören. Nach eine« vergeblichen Versuch im Jahre 1634 wurde «nter der Regierung Karl Ludwig» im Jahre 1651 ernstlich begonnen, wie «S ln de« betr. Dekret heißt: „waöznr Restauration, Aufnahme und Wach»thum dieser uralte», hochprivt leglrteu Universität gereichen mag, neu in'» Werk zu stellen*. Inner- halb weniger Jahr« war. unter dem Rektorat de» gelehrten Chuno, die Hochschule fast in ihrem alten Geiste wieder auferstanden, da wirkten wieder Männer wie Dankelman«, Heinrich Loceeji, Samuel Pnfendorf, -läuzerde Namen in der Geschichte der deutschen Recht» Wissenschaft. Giebt e» wohl ehrender« Zengniffe für den echt wisse» schaftlicheu Freisinn de» hochherzigen Karl Lndwig, als daß dieser die Uebrrtragnng der Reich»rath»w«rde ans seinen noch di« Hochschule basnchendn, Sohn al» «ine unwürdig, Schmeichelei ablehnte »nd «ft keinem Gering««,, al» dem damal« wegen seiner freisinnige« Unschön. dessen Local er freqnentirte, eine» Thei» zwar um seine» guten Witze» willen, mit dem er die Gäste unterhielt, gerne bei sich sah, anderen Theil» aber wieder dahin wünschte, wo der Pfeffer wächst, well er stet« dann seine Zeche schuldig blieb, wen» ihm da» von Muttern geschickte Geld au-ging. Da die» aber in der Regel am fünfund- zwanzigstrn de» Monat» ankam und am achtnudzwanzigsten von den hungrigen Bären aufgefreffen war, so dauerte di« Pumperei ungefähr den ganze« Monat, während die Hoffnung auf Bezahlung in nebel haft« Ferne schwand. Nun bante damals der Keine Staat, in welchem Zettel seine Bauelevrnschaft absolvirte, die erste Asenbah». lieber die Richtung derselben war lange hi« und her gestritten worden, namentlich hatten Fachmänner «ine gewiss« Steigerung de» Terrain» für geradezu unüberwindlich erklärt «nd hatte infolgedessen der Landesfürst den berühmten Ingenieur Robert Stepheuson au» England kommen lassen, damit dieser sein endgiltige» Urtheil in der Angelegenheit abgebe. Derselbe bereiste mit den betreffenden Herren di« projectirte Strecke, bei welcher Veranlassung de« Gefeierten vielfach« Ovationen bereitet wurden, welche ihren Höhepunkt darin fanden, daß man ihm zu Ehren ein große» Banket veranstaltete, an welchem Alle», wo» zum Eisenbahn-Bau gehörte, natürlich auf eigene Kosten, Theil nehmen konnte. Bei unserem Helden war nun gerade wieder eine vollständige Ebbe in der Kasse «ingelreten, Pump war nirgend», namentlich aber nicht bei dem Wirth, wo da» Festessen stattfand, z« erhalten, «nd doch hatte sich Zettel absolut in den Kopf gesetzt, mit dem berühmten Stephenson an einem Tisch zu speisen. Berglen» durchsuchte er seine Bude nach irgend einem Gegenstand, aus welchen ihm der vor- sichtige David WeiSner noch soviel, als er benöthigte, gepumpt hätte; alle» Verletzbare war den Weg de» Fleische» gewandert, denn e» war am zweiundzwanzigsten de» Monats, nnd so schien für einen ge wöhnlichen Menschen die Theilnahme an dem Banket eine Unmög lichkeit. Allein Zettel war kein gewöhnlicher Mensch und Hindernisse konnten nnr dazu beitragen, eine« einmal gefaßten Entschluß in ihm zu bestärken. Er bürstete daher am fraglichen Tage seinen etwa» fadenscheinigen schwarzen Anzug mit äußerster Anstrengung, half den allzu schäbigen Stellen mit einer Mischung von Wasser und Wichse nach, begab sich zur festgesetzten Stund« in das Hotel und setzte sich stark und frei in die Nähe de» großen Engländer-, ihn nach Herzenslust austaunend und alles Urbrige dem Himmel auheim stellend» der ja bekanntlich keinen guten Deutschen verläßt. Nun, es ging auch alle» recht gut; da» heißt, er aß und trank, war in ihn hineinging, toastete wacker mit und fühlt« sich äußerst wohlig, bi» der kritische Moment herannahte, wo die Gäste sich erhoben, ihre Rechnung oidneten und weggingen. Zettel versuchte eben dar Letztere, ohne daS Erster« gethan zu haben, als der besorgte Wirth, der ihn längst in da» Auge gefaßt hatte, mit dem Teller an ihn herantrat und ihm denselben mit fragendem Blick präseutirte. »Was wollen Sie denn?' fragte der Baucleve, sich sehr er staunt stellend. »Sie entschuldigen,* antwortete der Wirth, »das Couvert — der Wein —* Wie*, entgeguete mit imponirender Sicherheit Zettel, »haben Sie denn nicht gehört, wa» Herr Stephenson beim Weggehen sagte?* »Ich — o ja — aber —* »Nu«, er sagte: Ooä 8UV6 tde Hasen! Verstehen Sie, als Hotelbesitzer, nicht so viel Englisch, um z« wissen, daß da» heißt: Wa» Herr Zettel verzehrt hat, bezahle ich?' Und stolz schritt er hinaus, den verblüfften Wirth stehen lassend, der heute noch auf di« Bezahlung durch Robert Stephenson wartet. Zettä aber führte seit jener Zeit den Namen: ,6ocl savs tks Hasen", den der Herr Baurath hoffentlich heute nicht ableugnen wird. Nun, die Bauelevenschaft Franz Zettels ging, wie Alle» auf der Welt, auch einmal zu Ende «nd eine» Tage» feierte er mit dem Rest de» mütterlichen Gelbe» seine provisorische Anstellung al» Bau meister. Er gelobt« sich an jenem Tage, ein äußerst solider und stiller Mann zu werden, allen früheren Bekanntschaften Valet zn sagen, und namentlich alle die Bären loSzubindeu, welche in Stadt und Umgegend von ihm angebunden worden waren. Vielleicht hatte er den besten Willen, dir» Gelöbniß zu haften, allein di« Aufgabe überstieg wirklich seine noch etwa» schwache« Kräfte, die Versuchung war zu groß. Wenn er so auf seinen häufige« Dienstreisen mit den alten Jungen zusammen kam, wenn sie an trostlosen Winterabenden in der verräucherten Kneipe, oder an fröh lichen Sommerabenden im duftende» Grün zusammensaßr«, wenn der golden« Wein in den Gläsern blinkte und «in lustige» Lied erschallte, da schwanden all« di« philisteriösen Grundsätze und der Herr provi sorische Baumeister glich auf «in Haar dem tollen Baueleve» Franz Zettel, von dem er sich doch so feierlichst verabschiedet hatte. Ei« Streich jagte den anderen, allein, da er in seinem Beruf wirklich tüchtig war, so wurde ihm Manche» nachgesehen. Nur einmal er reichte ihn die rächende Nemesis und traf ihn an seiner empfindlichste» Seit«, au seinem Geldbeutel, und zwar ging die» so zu: Die Böschung der Bahnstrecke, an welcher er fnngirte, war mit Korbweiden bepflanzt, da dies« dem Boden eine gewisse Festigkeit verleihen und sich besonder» gut zu dichten Zaunhecken eignen. Bon Zeit zu Zeit wurde der Ertrag derselben meistbietend ver kauft und gehörte «» zu den Obliegenheiten unsere» Helden, diesen öffentlichen Verkauf vorzunehmen. AlS er sich nun eine» Tag» mit den, auf sein Ausschreiben erschienenen Kauflustigen an Ort und Stelle begab, wurde er etwa» unangenehm durch den Umstand über rascht, daß ein spekulativer Kopf die Dunkelheit der vorangegangeneu Nacht benutzt hatte, die sämmtlichen Weiden fein säuberlich abzu- schneidru, ohne sich vorher einer Concurrenz während der Bersteiger- ung au»zusetze«. Er hatte dabei freilich auch die Kleinigkeit ver gessen, den Kaufpreis zu hinterlasseu — eine Zerstreutheit, die stet» den Herren Langfingern eigen sein soll. Der Herr Baumeister zog also nebst seinen Begleiter« mit langer Nase wieder ab und referirt« noch selbigen Tage» in wohlge setzten Worten an feine Oberbehörde die Sache. Damit glaubt« er die Angelegenheit erledigt, allein Behörden find etwa» umständlich und erhielt er nach vierzehn Tagen sein Aktenstück mit der brevi wann Anmerkung zurück, den Vorfall näher zu erläutern. Diese» erschien ihm als etwa» komische Zumuthung und aber mals berichtete er, daß eben die Weiden gestohlen worden seien und er da, wo'er Nicht» vorgefundeu habe, auch Nicht» habe versteigern könne». Jetzt glaubte er sicher Ruhe zu haben, allein fehlgeschoffen. Wieder vergingen die üblichen vierzehn Tage und wieder kam da» Actenstück brevi manu zurück: »Der questionicte Diebstahl der Korb- weiden soll näher detaillirt werden.* DaS ging über den Horizont unsere» Franz Zettel, allein nach kurzem Besinnen beschloß er, auch hierin seiner Vorgesetzten Behörde Genüge zu leisten. Er war zwar bei dem Diebstahl nicht gegen wärtig gewesen, allein nach seiner Ansicht hatte der Freibeuter di« Weiden einfach abgeschnitten und mitgenommen. Unser Held, der ein vortrefflicher Zeichner war und namentlich in Carricatnreu Große» leistet«, setzte sich an seinen Arbeitstisch und zeichnete dicht unter das letzte brevi wrmu die Böschung mit der glattgeschorenen Weidenhecke. Am andern End« derselben erblickt« man von hinten einen Bauern, welcher mit zwei mächtigen Bündel« Weiden unter den beide« Armen davoulief, während auS seiner Rocktasche ein lange» Messer der« »ätherisch hervorschaute. Am anderen Ende erschien Zettel gerade selbst in wohlgetroffenem Porträt, nebst seinen Begleitern, mit langem Gesicht den Schauplatz de» Diebstahls betrachtend. Unter die ge lungene Federzeichnung aber schrieb er: „Kurfürstlicher Laudbaudirection gehorsamst zn remittiren» mit dem ergebensten Bemerken, daß der Unterzeichnete zwar nicht dem Dieb zugesehen hat, der questkonirte Diebstahl aber wahrscheinlich in der Art und Weise auSgeführt wurde, wie die anfolgeude Skizze zu veranschauliche« sucht.* Die Sache erregte zwar privatim große Heiterkeit — osficiell aber wurde der provisorische Baumeister und geniale Zeichner mit einer Strafe vo« zehn Thalern beleg», die seiner ohnehin schwer er krankten Kaffe abermals eine empfindliche Wund« beibrachte. Fortsetzung folgt. u»grn verhaßte« und vertriebenen Benedict Spinoza, Wege« einer Professur verhandelte, die letzterer ablehnte, weil er übe« Haupt nicht öffentlich lehre» wollte? Auch für die Littwen «ud Waise» der Professoren sorgt« der Kurfürst. Da brach, kaum daß die alte Ordnung und Größe «iederher- gestellt worden, da» Verderben zum zweiten Mal herein, die»mal vo» Westen her. Der unersättlichen Läufergirr und Raublust Lud wig XIV. mußte die Heirath der Tochter Karl Ludwig», der be- rühmte« Lieselotte — nach der Königin Luise von Preußen wohl die tragischste und rühreudste gekrönte deutsche Fraueugestalt — mit de« Herzog von Orleans znm Vorwände seiner Ansprüche an die Pfalz gelten, «xd Loui» gab, al» solch« Frechheit in die gebührenden Schranken znrückgewtese« wurde, seinem schurkische« Kriegsminister Lourrls den berüchtigten Befehl, äs brüisr Io kaiatinst. Wie blutgierig« Hyänen fielen di« Franzosen in die schöne gesegnete Pfalz ein, diesen herrlichen Winkel Deutschlands in kürzester Zeit in eine Wüste, «in Trümmer, «nd Leichenfeld verwandelnd, mit einer so ausgesuchte« Grausamkeit, wie st« nur der Romane, niemals der Deutsch« besitzen kann. Die barbarische, zwecklose Sprengung nnd AuSbrennnng de» Heidelberger Schlosses, de» schönsten Profaubaur» der Pfalz, durch de« Bluthund Mrlac am 2. März 1689 bezeichnet den Höhepunkt dieser schrnßlichrn Mordbreunereien. Und daß r» nicht etwa nnr die Bosheit de» König» «ud Melae» war, die also wüthete, sondern daß sich in diese« Verwüstungen der Charakter de» französischen Volk» anSsproch, beweist der Umstand, daß hundert Jahr« später, al» dl« revolutionären Banden unter Hrntz in die Pfalz «in- bracheu, dieselbe« nicht viel milder vorgiugen al» einst die Schaaren Melae«. Im Jahre 1698 versuchte sich die zum zweiten Mal gesprengt« Universität wieder zu Weinheim an der Bergstraße z» sammeln. Aber die schmachvollen und unerquickliche« Kirchenhändel zwischen Reformirte» nnd Katholiken, der Wiederautbruch de» Kriege», di« Verlegung der Residenz nach Mannheim erschwerte die Wiederher stellung der Hochschule, so daß sie von 1705 ab nur ganz langsam vor sich ging. Alle diese Uedelftände hätten ihr« Wirkung indessen mit der Zeit verloren, schlimmer al» alle» Andere «nd anf lange hinan» die Kraft der Hochschule lähmend war dl« An»liefernng der- selben an die Jesuiten. Wa» Tilly und Lourri» vergeblich versucht hatte«, ihnen gelang e». Langsam, heimlich wie Katzen, wußte» st« sich von Frankreich her in den Lesekörver der Hochschule eiuznschleichen, erst z« zweie», dann zu dreien, daun immer zahlreicher, erst vor sichtig nnd behutsam auftretend nnd wenig Anstoß «regend, dann nach nnd nach eine Kralle nm die andere vorstreckend, bi» sie den Geist de» freien Wissenschaft völlig unter ihre Füße getreten hatten, ohne daß mit AnSnahme de» Astronomen Majer unter ihnen ein einziger Man« von wissenschaftlicher Bedentnng gewesen wäre. Der schwache Kursürst Karl Theodor wnßt« ihnen nicht zu steuern. Wa» half ihr« Aushebung dnrch den Papst Gauganelli? Sie zogen ei« andere» Gewand an «nd setzten al» Lazaristen ihr« verderbliche Thätigkeit fort. Franzi»kaner, Carmeliter, Dominika«« schritte» in ihrem Gefolge, «nd bald war au» der freien Hochschule ein mönchisch« Lonvlet geworden, «nd rin Seminar zur AnlbÄnng von Missionären nnd znr «ttgiftnng de» deutschen Geist«». E» schien, al» wolle »an mit Gewalt di« Wissenschaft zerstöre«. Krtzerproceffe wnrden mied« hervorgeholt, wie in den ärgsten Zeiten de» Mittelalter», d« Teufels beschwörer Gaßuer ward gefeiert, Mönche, di« kein Wort lateluisch, griechisch und hebräisch wußten, lasen üb« Bibelexegese, ein voll- ständiges System der Frrigeistspionage ward «lngeführt «nd jeder Anrüchige den schwersten Verfolgungen au»gesetzt: kurz, die Universität schwebte in der äußersten Gefahr, bi» ln ihr« innersten Säfte hinein vergiftet zu werden. Aber so ist nun der deutsche Beist. Er läßt sich lang« Zeit scheinbar willig die furchtbarste« Bedrückungen gefalle«, treibt e» de» Frevler jedoch gar zu arg, so erhebt er sich mit einem Mal« in sein« ganze» Gewalt «nd schüttelt jenen mit unwiderstehlichem Zorn« wie ein« Fliege von sich ab. Im Frieden von Luneville war die Pfalz an Bade« gefallen, und schon am 9. Mai 1803 begann Carl Fried rich mit der Reinigung und Wiederherstellung der Heidelberger Hoch schule. Eine neue Zeit der herrlichsten Blüthe begann für dieselbe, in der sie sich noch heute befindet. Schon wirkt« der große Theologe Carl Daub in Heidelberg, Carl Friedrich berief zunächst noch den größten Juristen der Nenzeit, Saviguy, und den berühmten Philologen Treuzer. Diese« folgten in den nächsten Jahren Leuchten der Wissen- schaft wie Heise. Thibaut (Savignys große» Gegner), Marti», Mar- heineke, de Sette, Nraudrr. Panlu», Willen, Böckh, I. H. Boß, Nägele und viel« andere, dl« aufzuzählen hier zn weitläufig wäre. Hier, von Heidelberg au», begann die romantische Bewegung in der deutschen Lüteratur. die Neuerweckuug de» Studium» deutschen Alter- thum» und Mittelalter», die Begeisterung für die vergangene Größe unsere» Vaterland«», di« in der Neubegründung de» deutsche» Reiche» gipfelte. Lange Zeit war Heidelberg, wozu e» sich durch seine herrlich« Lage wunderbar eignete, der Vorort der deutschen Romantik — ist e» ja doch in seiner paradiesischen Schönheit gleichsam selbst ein Ge- dicht der Natur. Hier in Heidelberg sammelten Achim von Arnim und Clemens Brentano di« Lieder zu de» Knaben Wunderhoru, diesem köstlichen Schatz alter deutscher Voftrpoefie, hl« gaben sie unter Mit wirkung aller Romantiker die berühmte „Zeitung für Einsiedl«* heran», hierher brachte« die Gebrüder Boifferöe ihr« wunderbare Sammlnng altdeutscher Gemälde, hier liebt« und küßt« «ud schwärmte noch einmal der bereit» zum grrelsteu Manne erwachsene Goethe, mit dessen Name ein« Geschichte de» wissenschaftlichen Heidelberg vorlänfig am würdigsten abschlirßt. So mögen sie denn ln den erste« Tagen de» August» froh- bewegten Herzen» hinwallen, die Tausende ehemaliger Hör«, au den idyllischen Neckarstand, wo sie ihre schönsten, fröhlichsten Jahr« ver lebt haben! Jeder Dentsche, de« dir Größe und da» Ansehen der deutschen Forschung, dn deutsche« Wissenschaft am Herze« liegt, ob er nun mit ihnen »nt« den Bogen nnd Hallen de» alten Schlosse» wandeln und zeche», oder in sein« heimathlichrn Klause znrückbleibe« wird, nimmt i« Geiste Theil an dies« erhabenen nnd «hebende« Feier nnd stimmt mit ein in den Jnbelrnf: Hoch Mt-Heidelberg! Hoch die halbtansendjährig« Stätte drntschrr Wissenschaft! Ruxorto- Huroiu iUustrissimu, vivat, liorsat, orosoat! Fü, de, redaktionell« »heil »erantwottlich: Franz Götze in Chemnitz. — »ruck «d »erlag von Alexander Wied« in Chemnitz ferti. »'2 -was l -
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Nächste Seite
10 Seiten weiter
Letzte Seite