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ächsische DlllßMW 62. Jahrgang Dienstag, den 13. Ieörnar 1900 Inserate werden bis Moni»", Mittwoch u. Freitag Mittag angri^mwen und kost/ .. die 1 spalt. Zeile 15 P,. Unter Eingesandt: 30 Pf. Ekped. ». Redaktton Dresben-Neustadt kl. Meißner Gasse 4. Die Zeitung erscheint Dienstag, rennerstag und Gannadeu» früh. Abannemeut«- Preis: dterteljShrl. M. 1,50. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- anstalten und durch unsere Boten. Bei freier Lieferung in- Haus erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Pf. Inseraten- Annahmcsteven: Invalidendank, Hassenstein Vogler, Rudolf Mosse, G. L. Daube L Co. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., G. Kohl, Kesselsdorf, Hugo Müchler, Kotzschenbroda u. s. w. Politische Weltschau. Deutsche- Reich. Ueber die Bedeutung de- am Sonntag erfolgten Besuchs deS Prinzen Heinrich von Preußen in der Wiener Hofburg ging der „Neuen Freien Presse" in Wien von diplomatischer Seite folgende Information zu: „Ein formaler HöslichkeitSakt iss der Besuch des Prinzen Heinrich beim Kaiser Franz Joseph keineswegs. Wohl bildet die vorausgegangene Ernennung deS Prinzen zum österreichischen Viceadmiral für diesen den Anlaß, am Wiener Hose zu erscheinen, aber nur den nächsten Anlaß. Der Besuch des Prinzen soll jedoch in Wirklichkeit bekunden, daß das Bündniß zwischen Deutschland undOesterreich.Ungarn ungefchwächt sortbesteht und in unerschütterlicher Intimität fortdauern wird. Es ist ein Moment von nicht zu unterschätzender Bedeutung, daß der Prinz Heinrich sich nach so langer Ab« Wesenheit von Deutschland nicht auf dem direktesten Wege in die Heimath begiebt, sondern absichtlich einen Umweg macht, um bei dem Verbündeten deS deutschen Kaisers vorzusprechen. Indem Prinz Heinrich seine Ungeduld, im Kreise seiner Familie nach so langer Abwesenheit zu erscheinen, meistern muß und durch die Fahrt nach Wien daS Wiedersehen mit den Seinen verzögert, ist er durch die Aufwartung am hiesigen Hose der Mittler deS innigsten Einvernehmens zwischen dem deut schen Kaiser und unserem Kaiser. In diesem Sinne ist Prinz Heinrich der Dolmetsch einer hervor« ragenden politischen Missson. Man würde jedoch fehl- gehen, wollte man an die Reise des Prinzen Heinrich irgend welche detailltrte Pläne anknüpfen." Eine aufsehenerregende Nachricht bringt die konservative „Halle'sche Ztg.", indem sie sich aus Berlin melden läßt, der Kaiser habe dem Prinz regenten Herzog Johann Albrecht von Mecklen burg telegraphisch sein Befremden darüber aus gesprochen, daß der Herzog einem Vertreter des Pariser Blattes „Eclair", deS Blattes des Generals Mercier, Audienz gewährt und sich in politische Diskussionen mit ihm eingelassen hat. Wie berichtet, sollte der Herzog über eine eventuelle gemeinschaftliche anttenglische Aktion Deutschlands und Frankreichs seine Ansichten kund- gegeben haben. — So sehr der Herzoge Regent auch das Recht hat, seine persönlichen Anschauungen über auswärtige Politik zu hegen, so wenig verbindlich find sie natürlich für die Leitung unserer StaatSgeschäfte. Man geht vielleicht nicht fehl, wenn man den zwei maligen Besuch, den der Kaiser am Donnerstag dem englischen Botschafter in Berlin abstattete, mit der Klarlegung dieses Verhältnisses in näheren Zusammen hang bringt. die Nettesten der Berliner Kaufmannschaft in ihrem letzten Jahresberichte sich günstig über die Flotten vorlage geäußert haben und daß diese Körperschaft zum größten Theile auS Mitgliedern der freisinnigen Volks - Partei besteht. Endlich sprach sich noch der polnische Abgeordnete Motty namens seiner kleinen Partei gegen die Vorlage aus, während Abg. Liebermann von Sonnenberg (Res.) erklärte, daß die Reformer für daS Flottcngesetz stimmen würden, daS nichts weiter sei, als eine Resolution mit angehängtem Programm; dieser Weg sei gangbar, wenn er auch etwas ungewöhn. ltch sei. Dabet erklärte er aber sreimüthtg, man könne, trotzdem man die Vorlage gutheiße, ihr mit gemischten Gefühlen gegenüberstehen, denn in der Flottenpropa- ganda stecke viel häßliche Streberei neben der ehrlichen Begeisterung. Auch warnte er vor der „NllerweltS- freundschaft" Deutschlands, die uns nirgends Vertrauen erwecke; ferner rieth er zur wirtschaftlichen Angliederung der niederdeutschen StammcSgenoffen und zum Abschlusse einer Alt Marinekonvention mit Holland, damit dessen Kolonien für unsere Marine Kohlenstationen und Stützpunkte sein könnten. Staatssekretär Tirpitz, der dem Abg. Richter entgegenhielt, daß dieser sein starke- Talent und seine große Arbeitskraft von jeher eingesetzt habe, um die Flotte möglichst klein zu halten, behielt sich weitere Erörterungen über die militärische Bedeutung der Vorlage für die KommisstonSberathungen vor. — Am Sonnabend sanden die Fortsetzung und der Schluß dieser Verhandlungen statt, die mit der Ueberweisung der Vorlage zwecks Vorberathung an die Budget kommission endeten. Nachdem Abg. Graf Schwerin- Löwitz (kons.) für die Flottenvermehrung und Abg. Bebel (soc.) dagegen gesprochen hatte, erklärte sich noch der Vorsitzende des Bundes der Landwirthe, Abg. Frhr. v. Wangenheim für die Vorlage, während sie der Abg. Haußmann (südd. Volksp ) sehr entschieden bekämpfte. Staatssekretär Graf Posadowsky wie- die dabei laut gewordenen Angriffe auf die Regierung zurück. Indem er für fich in Anspruch nahm, selbst ein durchaus konstitutioneller Mann zu sein, warnte er davor, mechanisch aus einem Scheine zu bestehen. Gegenüber der großen Frage seien die vorgebrachten konstitutionellen Bedenken kleinlich. Eie seien früher auch gegen die Reorganisation des Landheeres geltend gemacht worden und ohne diese würden wir das deutsche Reich niemals erhalten haben. Natürlich stießen diese Ausführungen links auf den lebhaftesten Widerspruch, die Mehrheit aber gab dem Staatssekretär ihre Zu stimmung zu erkennen. Damit war das Interesse an den Verhandlungen erschöpft, die übrigen Redner konnten im Wesentlichen doch nur wiederholen, was schon vor ihnen gesagt worden war. Aber neben der Diskussion Die erste Lesung der Flottenvorlage im Reichstage, wie sie am Freitag fortgesetzt wurde, hat nothwendigerwetse sehr an Interesse verloren, da das Centrum am Donnerstag zeigte, daß eS vorläufig jede bestimmte Stellungnahme verweigert. Damit wurde ja die Frage nach der Grundlage, auf der die weitere Verhandlung erfolgen soll, ausgeschieden, d. h. aerade die Frage, zu deren Klarstellung eine „erste Lesung" da ist. In der Budgetkommisfion wird daher die ganze Debatte wieder von Anfang an stattfinden müssen, vielleicht sogar bei der zweiten Lesung im Plenum noch einmal. Jedenfalls handelt eS sich jetzt in der ersten Lesung nur noch um die ganz allgemeine Begründung der Stellung derjenigen Fraktionen, von denen diese ohnehin bekannt ist. Nachdem am Freitag der Abg. Graf Arnim (Rp.) dargelegt hatte, daß nach seiner und seiner Parteifreunde Ansicht die angestrebte Marineorganisation ebenso nothwendig sei, wie es seiner Zeit die Armeeorganisation war, verbreitete fich Staatssekretär Graf Posadowsky, indem er von der „Flottenschwärmerei" auSging, namens des Reichskanzlers über die Absichten der Regierung. Er wteS darauf hin, daß alle großen nationalen Bewegungen aus einer tiefgehenden Erregung hervorgegangen wären. Dann hob er nochmals in großen Zügen die Bedeutung unserer Eeeinteressen hervor und verweilte, offenbar mit Rückficht auf die süddeutschen Centrumsabgeordneten, namentlich bei dem Nachweise, daß specirll Süddeutsch land ein großes Interesse an unserem Export und demgemäß auch am Seehandel habe. Weiter legte Graf Posadowsky an der Hand der Statistik dar, wie sehr in den letzten Jahren im Reiche der Wohlstand gestiegen sei und zog daraus den Schluß, unser Volk brauche bei Ausgaben für die Wehrkraft deS Landes nicht so zurückhaltend zu sein. Abg. Richter (frs. Vp ) hielt eine anderthalbstündige Rede, um mit der stark betonten Erklärung zu schließen, daß seine Partei für eine gesetzliche Festlegung nach irgend einer Richtung hin nicht zu haben sei. Seine Freunde würden nur nach Maaßgabe der vorhandenen Mittel beim Etat bewilligen, was sie für nöthtg hielten. Ein großer Theil der Rede Richter'- bestand auS polemischen Aeußerungen gegen den nationalltberalen Abgeordneten Bassermann, gegen den „Landsturm der Flotten professoren" und den Abg. Grafen Arnim. Mit Sachlichkeit und Würde begründete dann der Abg. Rickert (frs. Vg.) seine und seiner Fraktion principielle Zustimmung zur Flottenverstärkung; auch er erklärte aber, wie tag- zuvor der Abg. Bassermann, daß er sich an Form und Inhalt der Vorlage nicht binde. Treffend erinnerte der Abg. Rickert daran, daß, gleich den Handelskammern von Hamburg und Bremen, auch Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und Sandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Musser in Dresden. Keuilleton. Coeur-Dame. Novelle von Hellmuth Mielke. (Nachdruck verboten.) (11. Fortsetzung.) Dabei bo.z sich Fremoire zu Alfen hinüber und Welte ihm zu: „Geben Sie dem Burschen noch ein Frankstück." Alfen befolgte die Weisung. „Hier, JuleS — bis auf morgen." JuleS steckte daS Geldstück ein. Er schien jetzt ganz vergnügt zu sein, daß die Sacke diese Erledigung gefunden hatte und wandle sich mit seinem Korbe einem andern Tische zu. „Aber um Himmelswillen, Sie haben dem Burschen einen Brief abgenommen, der nicht für Sie bestimmt ist!" rief Alfen. Statt einer Antwort holte Fremoire den Brief »ieder hervor und zeigte die Adresse. Sie war flüchtig mit Bleistift geschrieben und lautete an — Frau Richod! Da« Lächeln, daS feinem Gesicht einen so komischen Zug gab, schwebte dabei um Fremoire- Lippen. Im nächsten Augenblick hatte er da« Schreiben wieder ein gesteckt. „Gotte- Wunder, diesen Abend können Sie preisen!" sagte er. „Aber nun lassen Sie uns gehend Alfen begriff die Wichtigkeit des Brieftaube-, denn als folcher erschien ihm die HivdlungSweise de- Ge ¬ heimpolizisten, aber das Mittel war doch gar zu be- denklick. . „Und was wollen Sie mit dem Briefe nun an fangen?" fragte er, als sie draußen standen. „Selbstverständlich ihn öffnen und lesen." „Aber wenn die Sache ganz harmlos ist, Pichet wird gewaltigen Lärm schlagen, sobald er von der Unterschlagung seines Briefe- erfährt." Fremoire zuck e die Achseln. Der Herr neben ihm kam ihm naiv vor. „Wenn die Sache harmlos ist, so erhält morgen Vormittag Frau Richod ihren Brief. JuleS selbst wird chn hintragen. Ich werde ihm einfach sagen, daß ick keine Zeit habe. Pichet aber erfährt nichts. Und war das Brieföffnen angeht — sehen Sie, daS macht man so." Er trat in den Schatten eine-HauSeingangeS und Alfen sah nicht ohne Verwunderung, wie Fremoire den gummirten Streifen deS Umschläge- mit seinen Lippen in Berührung brachte. Er schien darin Uebung zu haben; sehr rasch war der Streifen er- weicht, der Geheimpolizist öffnete, ohne daß der Um- fchlag im Geringsten beschädigt war, ihn in kunstge rechter Weite. „So — nun wollen vir uns ansehen, wa» Herr Pichet an Frau Richod Zärtliche- schreibt." Er trat mit der herauSgenommenen Karte in- Licht, laS sie mit einem Blicke, wandte sich noch ein mal um und reichte sie darauf Alfen. „Achtung! Ich komme heule Nachmittag zwischen 3—4 Uhr mit einem deutschen Spion! P. Da- waren die Worte, mit denen Pichet geglaubt batte, seinen und Alsen'S Besuch doch im Vorau- der Frau Richod anzeigen zu müssen. „DaS ist stark!" sagte Alsen, von dem Ausdruck „Spion" betroffen, indem er die Karte Fremoire zu- rückgab, der sie wieder in den Umschlag that und diesen geschickt schloß. „ Hm, e- ist ein Erfahrung-satz aller Kriminalisten, daß die schlausten Spitzbuben die größten Dummheiten machen", entgegnete er auf Alsen'S Au-ruf. „Werden Sie den Brief behalten?" „Wir werden morgen sehen", lautete die aut- weichende Antwort, worauf der Geheimpolizist Alse» bat, ihn für sitzt za entschuldigen. Er würde sich er lauben. ihn schon m der Frühe um 8 Uhr adzuholeu. „Und wenn nun Pichet heute Abend irgendwo JuleS trifft?" fragte Alsen noch beim Abschied. „Der Bengel wird schon die Augen aushalten. Er hat Ursache, seinem Herrn auS dem Wege zu gehen." Ja Gedanken kehrte Alsen in fein Hotel zurück. Der Verdacht gegen Pichet und Frau Richod hatte durch die Karte eine ganz bestimmte Verstärkung er halten. Zwischen ihnen Beiden bestand etwas, dessen Aufdeckung sie fürchteten. War eS wirklich eia Ver brechen? Punkt 8 Uhr erschien Fremoire am andern Morgen, um Alien abzuholen. Der Geheimpolizist trug als SonntagSgewand einen schwarzen Rock mit langen Schößen und sah darin womöglich noch spieß bürgerlicher aus al» am Alltage. Sie fuhren mit der Tramway in die Vorstadt St. JosseteN'Noode im Südosten Brüssel-. ES war