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Hptd. u. Redaktlon Dresden-Reuftatzt kl. Meißner Gasse 4. Die Zeitung erscheint lienstas, ronnersta» und Lannabeud früh. «bonncmeut»- Preis: Vierteljährl. M. 1,50. Zu beziehen durch kaiserlichen Post- eusialtcn und durch unsere Boten. Kei srcier Lieferung in-Haus erhebt die tzost noch eine Gc- tühr von 25 Pfg. älhsische DachtilML. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Sandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrman« Müller in Dresden. Inserate werd«» bi» Montag, Mittwoch m Freitag Mittag angenommen und kosten: dt«1spaltZeile15Pfg. Unter Eingesandt: SO Pfg. Inseraten- Aunahmestelleur Die Arnoldische Buchhandluna, Jnvalidcndant, HaasknsteinLVogler, Rudolf Mosse, V. L. Daube Eo. t» Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., G. Kohl, Kessel»dors m s. w. Donnerstag, den 23. August 1894. 56. Jahrgang DMMNtS-LiMllU. Bestellungen aufZdie .Sächsische Doifzcitung" für den Monat September nehmen alle kaiserl. Postanstalten und Poftexpedttioncu, sowie auch alle Landdriefträger gegen Vorausbezahlung von 50 Pf. entgegen. Die Verlags - Expedition. Politische Weltschau. Deutsches Sketch. WaS hat die Socialdemo- kcatie großgezogen? — Diese Frage wird in einer von drr „Nordd. Allg. Ztg." mugelhellten Zuschrift folgen dermaaßen beantwortet: Nicht- andere- al» da» allge meine Wah>- und das BersammlungSrecht. Die Ver- simmlungen zu politischen Zwecken erfolgen meist in Aussicht auf die Wahlen und wegen derselben. Wahl berechtigt ist aber nur, wer dar 25. Lebentjahr vol lendet hat. Was in aller Welt haben nun in solchen Versammlungen Minderjährige zu suchen? W r füllt i i der Hauptsache die Säle? Junge unreife Burschen! Nicht 20 Proc. der Anwesenden bilden gewöhnlich solche Personen, die über 25 Jahre alt und wahl berechtigt sind. Die Hauptschreier rekrutiren sich au» den „Jungen", welche die Versammlungen besuchen. Dorr lernen sie AlleS: die Irrlehren der Socialdemo, kcatie, die Frechheit der Anarchie! Sie sind Zeugen, wie man ungestraft auf die Regierung und die gesell schaftlichen Zustände schimpfen darf, denn der anwe sende Gendarm hört selbst zu und statt die Schreier zu arretiren — lächelt er. „Da müssen dock dieselben wohl Recht haben," denkt der jugendliche, unerfahrene Besucher einer solchen Versammlung. „Also müssen wir thrilen, zerstören!" — und wa» für Ideen sonst roch in den unreifen Köpfen spuken. Die älteren Leute, die Wahlberechtigten, denken oft ganz ander»; aber die „Jungen" überstimmen sie. E» kann unserer Ansicht nach doch nicht schwer fallen, diesem Uebel abzuhelfen. Man treffe nur die Bestimmung: „Wer eine politische Versammlung besuchen wrll, muß wahlberechtigt sein! D e Legitimation erfolgt durch eine auf Grund der Wählerliste auszustellende Karte." Eine solche Gesetze»- ! b-stimmung wird Niemand al» eine Unbill betrachten. Ferner muß aber — sagt die „Norddeutsche Allge meine Zeitung" — daS allgemeine Wahlrecht auf die- jnigen beschränkt werden, welche nicht nur 25 Jahre alt, sondern auch wirthschaftlich selbstständig sind. Man wird Jeden, der in die Wählerliste einge-^ tragen werden will, auf seine wirthschaflliche Selbst ständigkeit abzuschätzen haben; er wird dafür Belege beibringen müssen. Tagelohn, Solarr, Familienstand, Dienstdauer, Ansässigkeit, Steuerleifturg — diese und andere Umstände sind dabei in Betractt zu ziehen. Der Gedanke, daß der gebildete, erfahrene, dispositions fähige, einsichtige Mann, daß der ordentliche, sparsame, fleißige Familienvater in Staatsangelegenheiten nicht mehr mitzureden hat, als der verwahrloste faule Bumm ler, muß doch jeden denkenden Menschen anwioern! Der träge, nichtsnutzige Mensch, den der Arbeitgeber gestern au» der Reihe seiner ordentlichen Arbeiter urd Gehilfen entlassen mußte, drängt sich heute, seinen bis herigen Brotherrn mit dem Ellbogen bei Seite stoßend, an die Wahlurne und höhnt: „Hier habe ich auch mit- zureden! Bald werde ich noch mehr zu sagen haben!" Da» ist eine unerhörte „Gleichmacherei", welche die Gesellschaft ruiniren muß. Auch die „Weser-Ztg." wendet sich gegen den sich in letzter Zeit immer breiter machenden Humanitäts. dusel, indem sie u Ä. auSfüh-t: „Die Humanität, die in den letzten Menschenaltern mehr und mehr Ein fluß auf die Strafjustiz und die Strafgesetzgebung ge wonnen hat, wird immer den Männern, die sie gepredigt und geübt haben, zu unvergänglicher Ehre gereichen; aber leugnen läßt sich nicht, daß die alte Hartherzig keit, zu der uns die Gegner der Philanthropie zurück führen möchten, unter Umständen, namentlich im Kampfe gegen die ruchlo» austretenden Mächte der Zerstörung, ihre Vorzüge hat. Da, wo es gilt, schnell und stark zuzuschlagen, ist eS manchmal vrhängnißvoll, wenn der- jenige, der das Schwert führt, von der Sorge be, unruhigt wird, er möchte vielleicht über daS Maaß de- Notbwendigen hinausgehen und dem Feinde gegenüber die Rücksichten der strengen Billigkeit verletzen. Wie auf so vielen anderen Gebieten wird auch hier eine gewisse mittlere Linie, die sich von beiden Extremen gleich weit entfernt hält, die richtigste Norm bilden." ! Einen interessanten Einblick in die socialen Ver hältnisse gewährt eine soeben erschienene Kriminal, statistik, welche die Jahre 1882—1894 umfaßt. Die Durchschnittszahl der während dieses Zeitraumes in Deutschland verurtheilten strafmündigen Personen der Civilbevölkerung beträgt 355,134. ES kamen auf Tausend strafmündige Personen 10,9 Verurtheilte. Besonders stark haben die einfachen Diebstähle, die gefährlichen Körperverletzungen und die Straffälle wegen Beleidigung zugenommen; sie machen nahezu die Hälfte aller Ver- urtheilungen au». Rechnet man die Verurtheilungen wegen verwandter Vergehen und Verbrechen, wie ein facher Diebstahl in wiederholtem Rückfalle, schwerer Diebstahl u s. w., hinzu, so ergeben die dieserhalb er- folgten V.-rurtherlungen 58,4 Prccent der Gesammt" zahl der KrimmalfLlle. Fortwährend gestiegen ist ferner die Zahl der Bestrafungen wegen Urkundenfälschung und Kuppelei, wegen Betrüge», eiufachtn Bankerott», fahrlässigen FalscheideS; etwas abgenowmen hat die Zahl der Bestrafungen wegen Wucher und Meineid; Schwankungen zeigen die Straffälle wegen Brand stiftung, betrügerischen Bankerott-, Münzvergehen, Mord und Zweikampf. Von besonderem Jntensse ist die örtliche Vertheilung der Kriminalität. Nach dem zehn jährigen Durchschnitte berechnet, weist die größte Zahl der Verurtheilungen der Regierungsbezirk Bromberg auf, ihm folgen Gumbinnen, Oppeln, dann die Pfalz, Oberbaiern und Niederdairrn. Sehr hoch sind die Zahlen ferner noch für Bremen, Schwarzburg-Rudol- siadt und Berlin. Hier kamen auf 100,000 strasmündige Personen 1316, in Bromberg dagegen 1886 Verurtheilte. Am Geringsten stellt sich die Durchschnittszahl in Schaum burg Lippe mit 441 Veurtheuungen auf 100,000 straf mündige Personen. Der Landesverein preußischer Volksschullehrer hatte vor einiger Zeit an den Justizminister vr. v. Schelling eine Eingabe gerichtet, worin dieser ersucht wurde, dahin zu wirken, daß die Strafmündigkeit jugendlicher Personen erst mit dem vollendeten 14. Lebensjahre de- ginne; gleichzeitig möchte aber die Zwangserziehung jugendlicher Verbrecher und verwahrloster Kinder in Aussicht genommen werden Diese Eingabe hat die B-achtung der maaßgebenden Kreise gefuncen. Im ReichSjustizamte wird zur Zeit ein Gesetzentwurf aut- gearbeitet, der im Wesentlichen die oben erwähnten Vorschläge zur Grundlage hat. Die Einführung der zweijährigen Dienstzeit bei der Infanterie hat wesentliche Veränderungen im Wach dienste zur Folge gehabt. So ist in einigen Garni- sonrn, z. B. in Spandau, seit kurzem eine zwölsstün- dige Wache an Stelle der 24stündigen versuchsweise eingeführt worden. Während der Soldat bisher von 12 Uhr mittag» bi- zum anderen Mittag 12 Uhr den Dienst versah, ziehen die Wachen jetzt um 6 Uhr mor gen- und um 6 Uhr abend- auf. Bislang waren für jeden Posten drei Mann kommandirt, die sich alle zwei Stunden ablösten; nach der neuen Anordnung sind für jedeu Posten nur zwei Marn bestimmt. Noch dem alten Systeme mußte der Mann viermal zwei Stunden, da» sind acht von 24 Stunden, Posten stehen, während er jetzt dreimal zwei Stunden, also sechs von 12 Stunden, den Wachdienst versehen muß. Es wer den also au den Mann selbst höhere Anforderungen gestellt, dagegen wird die Zahl der durch den Mach, dienst der Truppe entzogenen Mannschaften um ein Drittel gegen früher vermindert. Die» scheint der Feuilleton. Des kleinen Hauses Glück und Leid. Erzählung von Earl Zastrow. (15. Fortsetzung.) Eine möglichst unverfängliche Hutung annehmend, begab er sich nun auch in die WirthSstube. Hinter dem Buffet stand eine schlanke, sauber gekleidete Frau in mittleren Jahren mit blassem, etwa- verbittertem Antlitze. Haltung und Benehmen ließen ebensowohl auf Erziehung als bessere Vergangenheit schließen. Sie begrüßte den alten Herrn, den sie für einen Professor halten mochte, mit offenherziger Freundlichkeit. Er bestellte ein GlaS heißen Grog und trat in daS so genannte Rauchzimmer. Hier fiel sein erster Blick auf sechs nicht eben durch besondere Eleganz in Wäsche und Kleidung glänzende junge Männer, von denen einer eine Zeichnung vor sich liegen hatte, welche von den Andern mit so tiefem Interesse betrachtet wurde, daß sie weder für den Eirnretenden noch für die sonst an- vchvden Gäste einen Blick hatten. Mahlberg erkannte in dem bleichen, mattäugigen ungefähr 30jährigen Manne mit den bereit» an. gegrauten schwarzen Haaren, welcher den Zeigefinger auf da» Kreidebild gesetzt hatte und dasselbe seiner Um- gedung im Flüstertöne erklärte, sofort den Kunstschlosser Schraubcr, dessen äußere Persönlichkeit er bereit- von seinen früheren Beobachtungen her im Gedächtnisse hatte. Während cr sich seines Hu'ts und Ueberzuhers > entledigte, war es ihm ein Leichtes, einen Blick auf daS Papier zu werfen und als er das Bild eines eigen- thümlicd zusammengesetzten Grldschranks erkannte, konnte er nicht umhin, den Triumph über seine Entdeckung in seinem gewohnten Hüsteln auSzukrächzen. Obwohl der Erklärer im Flüstertöne sprach, ver nahm das grüble Vlgilanten-Ohr doch die Worte: „Aller- neueste Konstruktion . . . tiefes Geheimmß . . . Eine Kleinigkeit für den, der'» weiß . . . Größter Vorteil für alle Zunftgenvssen . . . Arnheim ... im ganz n Leben nicht mehr anrühren." Mahlberg lächelte, während er im Nebenzimmer sich einen Platz suchte, von dem aus er die Gruppe im Auge behalten konnte. „Von einer unglaublichen Schlauheit die neuere Spitzbubenschule", murmelte er. „Schon die allerneueste Konstruktion der Geldschränke ausspionirt und da- Oeffnen natürlich eine Kleinigkeit für den, der'- weiß! Hahahaba! Natürlich ist so etwa- von größ'em Vortheile für olle Zunftgenoffen und durchaus nicht zum Verwundern, wenn sie sich mit den alten Arnheimen nicht mehr befassen wollen. Sicherlich haben sie'- auf einen Bleichröder oder einen Rothschildzweig abgesehen", fuhr er in seinem Monologe fort, „denn e- ist doch mit Sicherheit onzu- nehmen, daß nur große Bankier» oder Kaufleute sich die neuesten Erfindungen auf dem Gebiete der Geld- schrankfabrikation nutzbar gemacht haben." In diesem Augenblicke kam die Wirthm und präsintirte ihm seinen Grog. Er nickte ihr wohlwollend zu mit den Worten : „Schön, Frau Stiegl tz. Wie geht denn daS Geschäft? Haben'» wohl noch nicht lange?" „Seit Oktober", berichtete die Frau „'S läßt zu wünschen übrig. Aber daS ist überall nicht anders bei den ungünstigen Zeitverhältnissin." „Wohl auch nicht immer die besten Elemente, die hier verkehren, wie?" fuhr er mit einer leisen Kopf- bewegung nach der eifrig diSkutirrnden Gruppe fort. „Du lieber Gott! Darum uns zu kümmern, haben wir keine Zeit. Wenn die Leute zahlen, wa» sie ver zehren, ist uns der Edelmann so lieb wie der Bauer. Ich kenne die jungen Leute nicht weiter", fuhr sie mit einem Blicke nach dem Tische fort. „Sie verkehren noch nicht lange bei mir. Ich glaube, sie wollen etwa- er finden. Der gespenstische Schwarze, der so lebhaft schwätzt, ist ein Ingenieur. Er wird von den Anderen freigehalten. Wahrscheinlich giebt er ihnen Unterricht. ES mögen wohl Gewerbeschüler sein." „Ich glaube auch, daß er ihnen Unterricht giebt. Kennen Sie Niemand von den Schülern zufällig per sönlich? Ich meine, können Sie mir nicht Namen nennen? Ich suche gerade einen talentirten Techniker." „Nur von dem Einen, welcher jetzt so eifrig auf den Ingenieur einspricht, weiß ich, daß er Stiller beißt. Er ist der Sohn eine- Bäcker-, der früher m besseren Verhältnissen lebte. Mein Mann kennt den Alten, weil er bei ihm die Bäcker,Profession erlernt hat. Der alte Stiller ist sehr zurückgekommen. Wir sind eS auch. Wir hatten früher eme kleine Konditorei in der Nähe de- Märkischen Bahnhofe-. Da verkehrten viele Beamte bei un». Wir standen uns gut und konnten etwa» zurücklegen. Wir sparten Geld. Aber da- alte Hau»