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Sächsischer Landes-Anzeiger : 29.01.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188801299
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880129
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880129
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-01
- Tag 1888-01-29
-
Monat
1888-01
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 29.01.1888
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— Nr. 24. — 8. Jahrgang. — Der jeden Wochentag Abend (mit Datum de- folgende» Tages) zur Bcrjendung gelangende „Sächüschc Landcs-Anzciger" mit täglich einem besonderen Unter- Laltunasblatte und mit dem Extrabeiblatt Lustige» Viidrriiuch kostet bei den Ausgabe stellen monatlich 70 Pia., bei den Post-Aust. 75 Pf. (1888er Ztgs.-Preisliste Nr. ö03ö.) Für Abonnenten erscheint je einmal im Jahr: Sommer-Eisenbahnfahrulanheft für Sachsen. Wiater-Eisrnbahiifahrvlanheft für Sachsen. Jllustr. Kalender de» Sächsischen Landboten. Jllustrirte» Iahresbuch de- Landes-Anzciger». Mit täglich einem besonderen 4. Sächsisches Allerlei — Sächsischer Sonntag, 2S. Januar 1888. ni»»t» „Stichs. Sa,»er.«n,elger«"r ner schmalen TorvuSzeile Io Pfg. ste Stelle (Ispalt. PetitzeileM Pf. §>ilii>es-Aii)kigkr mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Unterhaltnngsblatt: i. Kleine Botschaft — 2 Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung s IllnstrirteS UnterkaltungSblatt — 6 Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Luftiges Bilderbuch. «n,el,eudnir»e».,Silchs.i Raum einer schmalen To. Bevorzugte Stelle (Ispalt.. ... BeiWiederhvlung großer AnnoncenRabatt. Bei Bestellungen von Auswärts wolle man Jnsertionsbetrag (in Briefmarken) beifügen ge 8 Silben Torpusschrift bilden ca. 1 Zelle.) Annoncenannahme nur bis Bormittag. Lkcki: NtMiln Mt. Buchdrücke»!. Chemnitz. Theatersiraße 5 (Fernsprechstelle Nr.I8S). Lelegr -Adr.: Landes-Anzeiger, Chemnitz. Amtliche Bekanntmachungen. Die zum Armenrccht zugelassenen Ehefrauen: 1. Johanne Christiane Sieber geb. Krause in Dresden, 2. Clara Thekla Schönhcrr geb. Kandier in Chemnitz, beide vertrete» durch Rechtsanwalt Hösel in Chemnitz, klagen gegen ihre Ehemänner: zu 1. den Handarbeiter Karl Robert Sieber, zuletzt in Chemnitz, jetzt unbekannten Aufenthalts, zu 2. deu Handarbeiter Karl Robert Schönherr, bisher in Chemnitz, jetzt unbekannten Aufenthalts, wegen lsbenS gefährlicher Mißhandlung, mit dem Anträge auf Scheidung der Ehe, und laden die Beklagten zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreit- vor die dritte Civilkammer des Königliche» Landgerichts zu Chemnitz, auf den 10. Avril 1888 Vormittags 9 Uhr mit der Aufforderung, einen bei dem gedachten Gerichte zngclasscncn Anwalt zu bestellen. Zum Zwecke der vom Gericht be willigten öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klagen bekannt gemacht. Königliches Landgericht, Civilkammer III. Telegraphische Nachrichten. Vom 27. Januar. Prag. Kardinal Schwarzenberg, dem ein Entwurf im Sinn des Liechtcnstcin'schen vorgclcgt wurde, lehnte ihn ab, weil in Böhmen die tschechische Geistlichkeit nicht geeignet zur Schulaufsicht sei. Wien. In einem Petersburger Briefe der „Pvlit. Corr." wird behauptet, daß die internationalen Beziehungen sich verschlimmern würden, falls die bulgarische Frage i» der heutigen Regungslosigkeit verharre. Allseitig müsse der Weg des Compromisscs betreten werden, wozu man in Petersburg entschlossen sei unter der Vorbedingung, daß die europäischen Mächte thatsächlich Hilfe leisten bei Herstellung des Berliner Vertrages durch eine formelle Verurthcilnng des Co- burgers; früher sei keinerlei Anstoß von russischer Seite zu erwarten und eine Wiederkehr normalen Lebens in Europa aussichtslos. Paris. Die „Lanternc" pnblicirt ein Gespräch Carnvt's mit einem Dcputirten, in dem der Präsident erklärte, daß er nicht an die Auflösung der Kammer denke. Er leugnet ferner, daß der „Siecle" feine politischen Anschauungen wicdergebe, und gab zu, daß die Wahl des Ministeriums Tirard nur durch die schwierige Lage veranlaßt worden sei, in der er sich im Anfang seiner Präsidentschaft befunden habe. — Die Kanzlei der Ehrenlegion veranlaßte zahlreiche Streich ungen in der Ordensliste. — Die Lyoner Handelskammer schickte Telcgirte nach Paris, um gegen den Abbruch des Handelsvertrages nnt Italien zu Protest!»», da der italienische Generaltarif die ge stimmte Lyoner Industrie ruiniren würde. Politische Rundschau. Chemnitz, den 28. Januar. Deutsches Reich. Der Kaiser hat kürzlich das Herrenhaus- Mitglied Grafen Brühl, der bekanntlich als außerordentlicher Abge sandter des Kaisers zum Papstjubiläum nach Rom gereist war, nach dessen Rückkehr von dort in besonderer Audienz empfangen. Wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, hat sich der greise Monarch ge legentlich dieser Audienz dem Grafen Brühl gegenüber sehr sympathisch über die jetzigen Beziehungen seiner Regierung zum Vatikan aus gesprochen. Allem Anschein nach sind auch von dort neuerdings ent gegenkommende Schritte zur Beseitigung der diesseitigen Klagen über die häufige nnfriedfertige Richtung der katholischen Presse in Aussicht gestellt worden. Der Kaiicr habe, wie ferner verlautet, besonders den Verdiensten des Reichskanzlers um die Herstellung des kirchlichen Friedens seine besondere Anerkennung ausgesprochen. — Aus San Remo. Vom Freitag wird telegraphirt: Das Allgemeinbefinden des hohen Patienten ist unverändert. Auch heute wurde ein Ausflug unternommen. Der Kronprinz spricht noch immer viel und ist erfreut von der Feier des 25. Januar. — Das Wiener „Fremdenblatt" meldet aus Bozen, daß in Gries, wo die deutsche kronprinzlichc Familie schon früher war, für den Kronprinzen Quartier gesucht werde. Nicht nur in Berlin, auch in anderen deut schen Städten werden Empfangsfeierlichkeiten vorbereitet. — Prinz Wilhelm von Preußen ist aus Anlaß seines 29. Ge burtstages zum Generalmajor und Commandeur der zweiten Garde- Jnfanterie-Brigade ernannt worden. Oberst von Plessen ist zum Com mandeur des 1. Garderegimenies z. F. ernannt. Ein wenig Liebesmüh. Erzählung von L. Gl aß. Schluß. Nachdruck verboten. Ja cs wäre wirklich das Beste, wenn Richard abreiste! Unter solchen Gedanken kam sie nach Hanse und fand alles in Bewegung. Die Tante rannte Trepp auf, Trepp ab, Richard lärmte oben in seinem Zimmer und die alte Karoline schien völlig den Kopf verloren zu haben. Nur Papa Salden stand, seine Pfeife im Mund, unbewegt von dem Treiben um ihn, wie ein Fels im Meere. „Ja uni alles in der Welt", rief Margareth lachend, auf die nmherlicgendc Wä'che, das Plättbrett und das glühende Eisen deutend, „was gehl denn hier vor am Feierabend?" „Richard muß morgen in aller Frühe nach der Residenz. Sein Fraustädter Chef schickt ihn," war die Antwort. Margareth erröthete, ihr Wunsch war kaum gedacht, schon er füllt, aber Undank blühte auch in ihrem Herzen; nun, wo die Trenn ung unveunuthet so nahe gerückt war, erschien sie plötzlich in weniger angenehmer Beleuchtung. Noch dazu faßen sie im Garten — nach dem sich die wirthschaftliche Aufregung gelegt — so traulich beisam men und plauderte» eigentlich das erste Mal wieder so recht vom Herzen weg! * * * Am ander» Morgen erwachte Margareth mit der Sonne zu gleich und eilte hinunter. Sie hatte über Nacht gute Vorsätze ge faßt und wollte beim Abschiednehmen recht vernünftig sein. Richard .stand schon unten am Fenster und sah in die Nebel hinaus, als er Margareth's Schritt hörte, ging er ihr entgegen. Er hatte ein kleines Packet in der Hand, sorgfältig geschnürt und gesiegelt. „Willst Du so gut sein, das oben in der Villa abzugeben?" fragte er und als sie nur stumm nickte, faßte er ihre Hand etwas hastig und befangen: „Nicht wahr, Margareth, Du hast mir immer die Rechte eines Bruders in Deinem Herzen eingeräumt, nicht wahr?" Margareth, Dank ihrer guten Vorsätze, sah ihn freundlich an nnd sagt«, seine Hand ein klein wenig drückend: „Ganz gewiß, Richard." — Der Bundesrath hat die Kostenvorlage zum neuen Wehrgesetz am Donnerstag nur in erster Lesung angenommen. Die Schluß, abstimmung erfolgt kommenden Dienstag. — Die erste Berathung des Socialistengesetzes bot schon am ersten Tage der Verhandlung eine sehr interessante Debatte, die sich heute Sonnabend noch weiter erhöhen wird. Die Aussichten der An nahme der Verschärfung des Gesetzes sind noch unbestimmt, vielleicht übt ein Eintreten Fürst Bismarck's bei der zweiten Lesung, diesmal ist der Kanzler fern geblieben, nachhaltigen Eindruck. Jedenfalls wird die Majorität im Falle der Annahme eine äußerst geringe sein, es müßte denn etwas ganz Unerwartetes, heute noch nicht Erkenn bares eintreten. Minister von Puttkamer scheint übrigens ziemliche Hoffnung auf Annahme zu haben. — Die Petitivnscommission des Reichstages hat beschlossen, beim Reichstage zu beantragen, daß die Strafbestimmungen des Ge. setzes über den Verkehr mit bleihaltigen Gegenständen für Feilhalten von Conservcn erst am 1. Octobcr 1889 in Kraft treten sollen. — Die Erhöhung der Getreidezölle hat auch bei Weizen be reits eine Preiserhöhung zur Folge gehabt. Dagegen ist der Roggen preis im Allgemeinen fast unverändert niedrig geblieben. Eine größere Einfuhr ans dem Auslande liegt momentan nicht vor, und wenn auch vor der Zollcrhöhung bedeutende Roggcnmcngen aufge stapelt sind, so müßte bei stärkerem Bedarf doch ein Prcisaufschlag eintreten. Aber gerade am Bedarf scheint es zu liegen, der Consum des Roggens geht zurück und infolgedessen vermag der Preis sich nicht zu heben. Wenn noch einige weitere Monate vergangen sind, wird man genauer sehen können, als das gegenwärtig möglich ist. — Aus Konstantinopel wird von einem Streit deutscher Ma trosen von der „Loreley" mit französischen und russischen in Galata gemeldet. Augenscheinlich liegt eine der bekannten Matrosen- schlägereicn vor. Oesterreich-Ungarn. In Wien ist die Stimmung wieder flau geworden. Uebcreinstimmend constatiren die Blätter, daß die eben erfolgte Zulheilung von Generalstabsoffizicren an die russischen Lvcalbrigadcn nicht dazu angcthan ist beruhigend zu wirken. — Die halbamtliche „Wiener Militärzcitung" schreibt: Vom Standpunkt des Militärs, welchen allein wir einnehmen und behaupten wollen, muß jedenfalls der Wunsch ausgesprochen werden, es möge das ehrliche Bestreben, den Frieden zu erhalten, niemals über jene Schranken hinansgehen, hinter welchen die Chancen des kriegerischen Erfolges in Abnahme begriffen sind. Wann der Zeitpunkt eingetietcn sein heute nicht erörtern. Daß und wie sehr wir uns jedoch diesem Zeit punkte trotz aller Oelzweige, die man um das rohgezimmerte Gerüst der russischen Politik schlingt, nähern, das geht am besten aus den ziffcrmäßigcn Darlegungen hervor, welche das offizielle Organ der deutschen Heeresleitung erst kürzlich den militärischen Verhältnissen im russisch-deutschen Grenzgebiet widmete. — Das „N. W. Tgbl." schreibt, die 13. russische Kavallerie- und 18. Infanterie-Division sollten an die galizische Grenze verlegt werden, doch liegt hierfür eine Bestätigung nicht vor. Italien. Aus Rom kommt folgende Nachricht: In der Prä- fectur von San Nemo werden jetzt Zimmer für den bevorstehenden Besuch des Königs Humbert, der mit dem der Königin Victoria dort zusammcntrcffen wird, in Stand gesetzt. — Ein ganz leichter Erdstoß wurde in der voriges Jahr schwer betroffenen Gemeinde. Villa Marina bei San Remo bemerkt. Ein Theil der Bevölkerung übernachtete im Freien. — Ueber die Todtcnseier für die 280 italienischen Soldaten, welche am 26. Januar 1887 bei Dogali fielen, wird aus Maffanah noch berichtet: Mch der Trauercercmonie und einer Ansprache des Kommandanten des Kreuzers „Bausan" trat der Höchstkommandirendc, General San Marzano, in die Mitte der Trnppcnausstellung und hielt eine kurze Ansprache. Er sagte, was er zu sprechen habe, fasse sich in die zwei kurzen Sätze zusammen: „Ehren wir den Mnth der unglücklichen Tobten und seien wir bereit, bei der ersten günstigen Gelegenheit unsere Pflicht zu thnn." Frankreich. Ans Paris wird gemeldet, es sollte am Freitag in Rom nochmals ein Versuch gemacht werden, eine Einigung über die Verlängerung des italienisch-französischen Handelsvertrages herbei-- zuführen. — Die Neue Hebriden-Convention ist unterzeichnet, die französischen Truppen verlassen sofort die Inseln. Belgien. Der belgische Kriegsminister bereitet ein Gesetz vor, wodurch Generale der Infanterie und Kavallerie nach deutschem Muster eingeführt, die Zahl der General-Leutnants vermehrt und der General stab reformirt wird. Nutzland. Im Winterpalais zu Petersburg fand am Donners tag ein Hofball statt. Die Kaiserin tanzte nach ihrer Gewohnheit lebhaft, der Kaiser unterhielt sich nur mit den anwesenden Gästen. Beim Souper saß die Zarin zwischen dem deutschen, und dem türkischen Botschafter.— Unter dem Vorsitz des Großfürsten NicolauS, Onkels des Zaren, und unter Theilnahme aller commandirenden Generäle werden in Petersburg große Militärconferenzen stattfinden. Die Friedens- und Kriegsreglements für die Truppen werden ein gehend revidirt werden. Orient. Die Mutter des Fürsten Ferdinand von Bulgarien, Herzogin Cleincntine von Coburg, reist von Philippopel über Kon stantinopel nach Schloß Ebenthal bei Wien zurück. Die ausländischen Vertreter nahmen an den Festlichkeiten nicht Theil, wollen den Fürsten aber privatim besuchen. Die „Times" meldet von Rüstungen in Serbien und Bulgarien. — Die Hnngersnoth in Montenegro wächst immer mehr. Bewaffnete Banden fallen bereits in die Herzego wina ein. — Der Krawall zwischen bulgarischen Ofsicieren und Polizisten in Philoppopel rührte daher, daß ein Civilbeamter in einem Kaffeehause auf den Fürsten Alexander geschimpft hatte. Ein Major Stesow schoß den Mann nieder. Als Stesow verhaftet werden sollte, brach dann der Tumult los. Deutscher Reichstag. —uv. Berlin, den 27. Januar. Bei gut besetztem Hause wird die erste Berathung des Socialisten gesetzes begonnen; die Debatte gestaltete sich sehr ausgedehnt. Abg. Singer (Soc.) behauptete in einer leidenschaftlichen Rede, die Socialisten hätten keinen Anlaß zur Schaffung des Gesetzes gegeben, das höchst ungerecht ausgesührt werde. Das Socialiftengcsetz habe den Anarchismus geschaffen. Die Regierung halte Polizeispitzel, welche zu anarchistischen Verbrechen aufreizten. Zwei Agenten be- onders, Haupt und Schröder, hätten in Zürich dies zugestanden, der Polizeihauptmann Fischer in Zürich habe ihm dies brieflich mitge- ^M"LW°st?KWiD,Rf.'a- iMi^chsMkör'AötzMls/ daß — die Socialisten mit den Anarchisten etwas gemein hätten, und sagt, eine solche Gesetzgebung sei eine Schande. Der Präsident ruft den g. Singer dafür zur Ordnung. Minister v. Puttkamer erklärt m sehr entschiedenem Tone, die Regierung müsse Leute zur Auf- pürung anarchistischer Verbrechen haben, diese Leute könnten, beson ders im Auslande, nicht immer Gentlemen sein. Sie würden bezahlt und leisteten ihre Dienste. Von einer Aufhetzung zu Verbrechen fei aber absolut keine Rede, das sei eine fixe Idee der Socialisten. Der Agent Haupt habe seine Mittheilungen unter dem Druck von Droh ungen gemacht, er sei von einem Haufen Socialdemokraten überfallen worden. Unerhört sei es, daß der Untersuchungsrichter in Zürich vor Schluß der Untersuchung Mittheilungen gemacht. Er werde den Reichskanzler ersuchen, deshalb bei der Schweiz ernste Beschwerde zu erheben. Das Socialiftengcsetz habe seinen Zweck ersüllt, indem es alle Ausschreitungen verhinderte. Auf dem Congreß in St. Gallen sei der revolutionäre Charactcr der Socialdemokraten unverhüllt 'zu Tage getreten, man könne sich ihr doch nicht mit gebundenen Händen überliefern. Die Socialdemvkratie nehme eine so ausnahmsweise Stellung ein, daß auch außerordentliche Mittel geboten wären. Er bitte, keine Ucbergangsbcstimmungen zu machen, die zwecklos sein würden, sondern die Vorlage, wie sie hier sei, anzunehmen. Um all gemeine Gefahren zu verhüten, seien einige Härten nicht nur nöthig, sondern nützlich. Abg. Reichensperger (Centr.) erklärt, er werde gegen die Verlängerung des Gesetzes stimmen, das eine dauernde Einrichtung nicht werden dürfe. Vielmehr sei zum gemeinen Gesetz zurückzukehren. Darauf vertagt sich das Haus auf Sonnabend 11 Uhr. „So sei einmal recht gut und verständig, glaube mir, daß ich Dir nicht weh thnn will, aber es würde mir zeitlebens auf der Seele liegen, wie eine Todsünde, wenn ich Dich nicht warnte." Er stockte noch einmal, dann aber sagte er mit fester, energischer Stimme „Edwin Gilbert ist kein guter Mensch, kein reiner Charakter." Margareth blickte erschrocken auf — wen» Richard das sagte, mußte es wahr sein, gab's keinen Zweifel — und Helene, ihre arme Helene! — Ueber dem Schrecken vergaß sie ganz die seltsame Einleitung. Richard freilich deutete ihre bleichen Wangen anders. Er holte tief Athem. „Ich thue Dir weh, mein Schwesterchen, aber es muß gesagt sein, besser doch, Du erfährst es jetzt durch mich, als später einmal an Dir selber. Er hat sich in Franstädt unmöglich gemacht, Streiche, die schon mehr als leichtsinnig sind, werden von ihm nicht ohne Grund erzählt, unmöglich kann ein reines, edles Weib mit ihm glücklich werden." „O, meine arme Helene", rief Margareth aus und die Thränen traten ihr in die Augen, „ach, sie liebt ihn so sehr." „Helene?" fragte Richard und das Blut trat ihm nach dem Herzen zurück, „Helene?" und fast athemlos fuhr er fort: „was hat Helene mit Edwin Gilbert zu thnn?" „Sie ist seine Braut", rief Margareth. „O, sage mir, Richard, wie ich sie retten kann! O, rathe mir, hilf mir!" „Helene ist seine Braut!" rief Richard jubelnd. „Und Du, Margareth, liebst Du ihn denn nicht?" Ein heißes Roth ergoß sich über Margareth's Wangen, ste schüttelte nur heftig mi.t dem Kopf, die selige Gewißheit, daß er sie liebe, leuchtete aus seinen Worten und raubte ihr die Sprache. Ihre Augen glänzten tiefblau, als er sich jetzt zu ihr niederbeugte. „Margareth, liebst Du mich? Margareth, willst Du mein Weib werden?" Sie legte ihr Köpfchen fest an seine Brust und schlang ihre Arme um seinen Nacken. „Du liebst mich, Du liebst mich!" flüstsrte sie glückselig und ihre Augen senkten sich tief in die seinen. „O, wie konnte ich zweifeln, wie konnte ich das. Du liebst mich, und Flora —" Sie erröthete, wie sie diesen Namen aussprach, und senkte ihr Köpfchen schuldbewußt. Es war eine glückselige Beichte und ein völliges, fröhliches Vergeben. "4 Wie sie so flüsternd beisammen standen, Arm in Arm und Lippe an Lippe, hörten sie nicht, wie die Thür ausging, ohne wieder ge schlossen zu werden. Amtmann Salden stand in behaglichem Staunen da und erst nachdem er sich eine ziemliche Weile an der Gruppe im Fenster geweidet, fuhr er mit einem: „Potz Blitz!" dazwischen. „Seit wann wird denn der Vater nicht mehr gefragt, ehe man die Tochter küßt!'' Die Beiden wandten sich um und kehrten ihm ihre sonnigen Gesichter zu. „Du bist ein Tyrann, Papa", rief Richard übcrmüthig, „Mar garets, hält es nicht mehr bei Dir aus und zieht mit mir nach Franstädt. Nicht wahr", fuhr er mit weicherem Tone fort, „Du giebst sie mir!" Dabei umschlang er sie und führte sie dem Amt mann zu, der eine Thräne des Behagens im Auge zerdrückte. „Gott segne Euch, meine Kinder, daß Ihr mir noch die Freude macht, nun sterb' ich ohne Sorge, denn ich weiß Euch gut bei einander untergebracht; ich Hab' mich vor dem Edwin und der Flora gefürchtet, wie vor dem Bösen." Tante Adele machte ein furchtbar verblüfftes Gesicht, als ihr der Schwager diese Verlobung mittheilte, mit dem Zusatz: „sie möge sich um ihre Küche kümmern, aber nicht um Liebesgeschichten, von denen sie augenscheinlich nichts verstehe." Richard reiste ab, kam aber bald zurück, um sich sein holdes Weib zu holen, das ganz Franstädt entzückte und in Flora Angolstein eine liebenswürdige Freundin fand. Helene war nicht zu warnen, sie vermählte sich, trotz ihrer Mutter Abneigung, mit Edwin und lebt nun stille Jahre, ohne ihren Mann, der Welt und Leben genießt, in der Villa Schollau. Das Vorstadthäuschen ist auch leer geworden; Amtmann Salden hat sich pensioniren lassen und freut sich in Franstädt am Glück seiner Kinder und Enkel. Margareth und Richard aber, wenn sie des Abends Hand in Hand sitzen und sich in dib Augen schauen, sprechen gern von jenen schlimmen Tagen voll Liebesmüh und Margareth sagt lächelnd: Es waren die letzten trostlosen Tage, deren ich mich zu erinnern weiß. Seit wir es gefunden haben, das Glück, haben wir's auch fcstznhaltcn verstanden. ,, ''O -Ä '
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