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Sächsischer Landes-Anzeiger : 18.03.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-03-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188603186
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18860318
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18860318
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-03
- Tag 1886-03-18
-
Monat
1886-03
-
Jahr
1886
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 18.03.1886
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O «». — 6. JchrM«. Abonnementspreis: Der unlmrteiische — jeden Wochentag Abend kmit dem Datuni des folgenden Tages) Lur Versendung gelangende — Landes-Anzeiger mit Beiblättern kostet monatlich 60 Pfg. bei den Ausgabestellen in Chemnitz und de» Vororten, sowie bei der Post. (Eingetragen unter Nr. 4633.) Im 4. Quartal erscheint für Abonnenten Iahreslmch (Weihnachtsbcigabe) d. Anzeigers. Sächsischer Verlag: Alexander Wiede, Buchdrmkeret, Chemnitz. §Mdrs-Ai;ei!skr mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Donnerstag. 18.März188S. JnsertiouSpreiS: Raum einer schmalen KorpuSzeile IS Pfg.; — Reklame (Ispalnge Petitzeile) 3V Pfg. — BeiWiederholung großer Annoncen Rabatt. Bei Bestellungen von Auswärts wolle man JnsertiouSbetrag (iu Briefmarken) beifüge« Ue 8 Silben Korpusschrift bilden ca. l Zeile). Annoncenannahme: nur bis Vormittag. Expedition und Redaktion: Chemnitz, Theaterstraße Nr. S. Telegramm-Adr.: Wiede'S Anzeiger, Chemnitz. Fernsprech st elle Nr. 136. Mitten „Tägliches Unterhsltungsblatt" mit hiimristislh iitnstriites Somtagrdlatt „Lustiges Bilderbuchs Amtliche Bekanntmachungen sächsischer Behörden. Herr Karl Wilhelm Raabe in Raschau beabsichtigt, in dem unter Nr. 239 des Flurbuchs kür Niederwürschnitz gelegenen Grundstücke «Inen Ringziegel- brennosen zu errichten- In Gemäßheit 8 17 der Reichsgewerbeordnung vom 21. Juni 1869 wird dies mit der Aussorderung hierdurch bekannt gemacht, etwaige Einwendungen hiergegen, soweit sie nicht aus besondern PrivatrechtS- Titeln beruhen, ber deren Verlust binnen 14 Tagen, vom Erscheinen dieser Bekanntmachung an gerechnet, allhier anzubringen. Chemnitz, am 10. März 1886. Die Königliche AmtShauptmannschaft- Der Droguen- und FarbewaarengeschäftS-Jnhaber Herr Friedrich Wilhelm Gerig hier beabsichtigt, in dem unter Nr. 69 0 des Brandversicherun^S- Eatasters Nr. 23b b des Flurbuchs für Altendors gelegenen Grundstücke eine Lacksiederei, sowie eine Bernstein- und Copaldestillation zu errichten. In Gemäßheit Z 17 der Reichsgewerbeordnung vom 1. Juli 1883 wird dies mit der Aussorderung hierdurch bekannt gemacht, etwaige Einwendungen hiergegen, soweit sie nicht auf besondern Privatrechts-Titeln beruhen, bei deren Verlust binnen 14 Tagen, vom Erscheinen dieser Bekanntmachung an gerechnet, allhier anzubringen. Chemnitz, am 13. März 1886. Die Königliche Amtshauptmannschaft. Telegraphische Skachrichte«. Vom 16. Mürz. Paris. Aas Hanoi wird gemeldet: Die Schwierigkeiten zwischen den französischen und chinesischen Commissaren bezüglich der Grenzabstecknng find beigelrgt. China gab seinen Agenten Unrecht und stimmte der französischen Ansicht bei. Die Arbeiten zur Brenz, absteckunz sollten gestern wieder ausgenommen werden. — Ans Tient sin wird gemeldet, daß Li-Hnng-Tschang morgen nach Peking ab reist, wo er etwa einen Monat bleibe« wird. CS heißt, Li-Hung- Tschang und Cordogan hätten sich wegen des Handelsvertrags ver ständigt. Kairo. Ans den Borschlag Drnmmond WolsfS bezüglich der Besetzung Wady Halfa's durch egyptische Truppen erwiderte Mukthar Pascha, die egyptische Armee sei gegenwärtig nicht einmal ausreichend, die Grenze gegen di« Ausständischen zu schützen. Petersburg. Sin Kaiserlicher UkaS genehmigte die Expro priation private» unbeweglichen EigenthnmS zum Zwecke der Errichtung orthodoxer Kirchen, Friedhöfe, Pfarrhäuser, Bethäuser und Schulen in den baltischen Provinzen und ordnete die Ausführung der Expro. priation nach einem besondere« Reglement an. Sofia. Di« Regierung dementirt, daß der Fürst auf die Forderung einer terminlose« Ernennnng zurückgekommen sei und ver- fichert, der Fürst habe keine den Festsetzungen de- türkisch-bulgarischen Abkommen» entgegenstehende Erklärung abgegeben. Die Frankfirrter FriedhofS-ylffaire vor Gericht. L. 0. Frankfurt a. M.. den 18. März. U. Der Hauptangeklagte, Herr Polizei-Commissar Meyer, der be kanntlich seit den Vorfällen auf dem Friedhof« vom Amte suSpendirt ist, und daher heute auch im schwarzen Civilanzuge erscheint, wird vertheidigt durch Herr« vr. Meyer, die Schutzleute, die sich sämmt- lich noch im Dienste befinden und Uniform trage«, find vertreten durch Herrn vr. Geiger, als Vertheidiger deS Angellagteu Leyendecker fnugirt Herr vr. Eppstein, äußerdem finde« sämmtliche dreizehn Nebenkläger gemeinschaftlich durch die Herren vr. Holdheim und vr. Eppstein juristischen Beistand. Nachdem die für heute geladenen Zeugen verlesen und bis ans di« iu der Bormittagsfitzung zur Vernehmung gelangenden entlassen und von dem Vorsitzenden die Mitthrilung, daß «S den Schutzleuten gestattet worden ist, ihre Aussagen unter Ablegung des Zrngeueide» abzugeben, da sonst ihre Vernehmung nicht hätte stattfinden könne«, erhebt da» Gericht die Personalien der 5 Angeklagten. Es folgte sodann die Verlesung de» UeberweisungSbeschlufseS, worauf der Ber- theidiger vr. Geiger dem Gerichtshöfe de« Antrag stellt, die Neben- Nage de« Verletzten, sowie deren Vertretung durch Anwälte anszu- schließen. Als Begründung seine» AntragrS führt de« Vertheidiger an, daß immer nur die höhere Strafe in Anwendung zu bringen sei nud daß daher bei einer Anklage, wie die hentige, eine Nebenklage nicht zulässig sei. Herr vr. Holdhei« und Herr vr. Eppstein ver treten die Ansicht, daß es sich nicht mehr nm die Zulassung der Nebenklage handeln könne, da diese bereit» ausgesprochen sei. Herr Staatsanwalt vr. Gorda« schließt sich diesen Ausführungen an und nach einer kurzen Erwiderung zieht sich der Gerichtshof zur Be- rathuug zurück. Bei seinem Wiedererscheinen verkündigt da» Gericht den Be- schluß, die Zulassung der Nebenkläger, wie früher beschlossen, aufrecht zu erhalten, worauf zur Vernehmung de» Hauptangeklagten ge schritten wird. Polizeicommissar Meyer bittet vor seine« Aussage über die Begebenheiten de» 23. Juli 1888, frühere Vorgänge «nd Provo kationen, wie sie auf dem Friedhofe ihm gegenüber bei Beerdigung socialdemokratischer Führer seitens jener Partei in Scene gesetzt worden find, hier erwähne« zu dürfe«. Der Vorsitzende fragt, ob di« bei de« Beerdigung des Ciseleur Hiller auf und vor dem Friedhof versammelte Polizeimacht auf einen Bericht des Angeklagten dahin commandlrt worden sei. Commlssar Meyer erklärt, allerdings einen Bericht gewacht zu haben, doch war die Anzahl der Schutzleute, welche ihm zugetheilt worden, von dem Königlichen Polizeipräsidium bestimmt und zwar seien ihm, trotz seiner inständigsten Äitten, fremd« Schutzleute und zwar ohne Führung ihrer Vorgesetzten zucommandirt worden. Der Vorfitzende «rthellt sodann dem Angellagteu die Erlaubniß, die beregte« früheren Begebenheiten ans dem Frankfurter Friedhof vorzntragrn. Commissar Meyer: Schon seit dem Jahr« 1879 b«. nutzt die soeialdemokratische Partei jede Gelegenheit, besonder» aber die Beerdigungen ihrer Führer, zu großen Demonstrationen. Da ich jedesmal die polizeiliche Leitung auf dem Friedhof gehabt «nd dies« demonstrativen Parteiansammlnugeu niemals auf dem Wege zum Friedhof aufgelöst worden find, jedoch von mir jedesmal aufgelöst werden mußten, so hat sich natürlich der Haß der ganzen Partei auf »ich coneentrirt. Al» am 18. April 1879 Professor Gauß begrabe« wurde, gelang e» nur mit der größten Mühe, die Versammelten zum AuSeinaudergehen zu bewegen. Bei der Beerdigung de» Herrn Döll am 10. Decrmber 1883 waren schon wiederholte energische Auf forderungen nöthig und als ich zwischen die Menge trat, da schlugen die Ruse an mein Ohr: „Schlagt den Hund todt! Nieder mit de« Lumpl Werft ihn in das offene Grab!* Da» erste Mal also bin ich ans passiven Widerstand gestoßen, da-zweite Mal bedroht worden und so durfte ich das dritte Mal wohl auf thätlichen Angriff gefaßt sein! Der Angeklagte erklärt sodann den bekannten Verlauf der Scene ans dem Friedhofe, wo er mit seinen Schutzleuten vor Ankunft de» LeichenzugeS Aufstellung genommen und die beiden kleinen Gitterthore neben dem großen Portale hatte schließen lasse«, da er die Jnstrnctiou erhalten, für den Fall, daß der Aufzug bereit» unterwegs aufgelöst worden war, nur Familienangehörige de» Ver storbenen einzulassen. Nachdem er sich überzeugt, daß der Zug in voller Ordnung ankam, ließ er di« beiden Psörichen wieder öffnen, was er bestimmt weiß, da er durch eines derselben selbst den Friedhof betreten. Sofort beim Eintritt des Zuges machte er dem Bruder de» Verstorbenen Mittheilung, daß keine Reden am Grabe, außer von einem Geistlichen gehalten werden dürften, und als Herr Füllgrabe zn sprechen begann, fordert« er ihn auf, dies zu unterlassen, welcher Aufforderung Füllgrabe auch Folge leistete. Es wurde« sodann mehrere Kränze mit den entsprechenden WidmungS- sprüchen, eine Menge rother Schleife« in die Gruft geworfen und als schließlich einer der Umstehende» wieder begann, ein« Rede zu halten, habe er dreimal in angrmeffenen Pausen die Versammelten aufgefordert, auseinander zu gehen. Daraufhin habe auch nicht ein Einziger Miene gemacht, seinen Platz z« verlassen, worauf er, der Augeklagte, da» Einzige getha«, was ihm, «ach der ihm von seiner Vorgesetzten Behörde zngrgangene» schriftlichen Instruction allein zn thuu übrig geblieben sei, nämlich Gebrauch von der Waffe machen zu lasse». Sein Befehl hierzu habe de» Wortlaut gehabt: Treiben Sie die Leute mit der Waffe auseinander! Sodann habe er aber auch gleichzeitig Ruhe «nd Mäßigung «mpsohle«, wa» schon daran» hervor gehe, daß er seine Schutzleute schon am Morgen im Bnreau dahin instrnirt, daß, falls Gewalt angrwrndet werde« müsse, um der Auf forderung, auseinander zu gehen, Folge zu erzwingen, die Schntzmann- schast allerdings de« Säbel ziehe», jedoch erst dann von demselben und zwar mit flacher Klinge Gebrauch zn mache« habe, wenn die Aufforderung: Platz mache«, Raum geben! vergeblich geblieben sei. Auf weitere» Befragen des Vorfitzenden, der die schriftliche In struktion de» Polizeipräsidiums verliest, will der Her» Commissar den PaffuS: event. mit Gewalt, als gar nicht ander» anslegbar betrachten können, als daß er bei Nichtbefolgung der Aufforderung direct von der Waffe habe Gebrauch machen müsse». Anßerdem glaubt er, daß ein gewaltsame» Vordringen der Schntzlrute, besonders wenn diese die Theiluehme» angefaßt hätte«, diese nur zum thätlichen Widerstand gereizt haben würde, wo dnrch ein Einhane« mit scharfer Klingt schwere Verwundungen «nd unsagbares Unheil unvermeidlich gewesen wären. E» müsse in Betracht gezogen werden, daß man es nicht mit einer zufälligen Menschenansammlung, sondern mit einer Partei zn thuu gehabt, die entschlossen gewesen, der Staatsgewalt zum Trotz eine programmmäßige Feier durchznführe». Danach unterliege auch die Vorschrift: in angemessenen Pausen die drei Aufforderungen z« wiederholen, der Benrtheilung deS anSführenden Beamten und er könne aus.Erfahrung versichern, daß die Versammlung reichlich Zeit gehabt habe, sich z« entfernen. Außerdem habe er für die Mäßigung seiner Leute sein Möglichstes gethan, doch Hab« er die fremden Schutz- leute nicht so in der Hand gehabt, wie dir» de« Fall gewesen, wenn nur diejenigen an» seine« eignen Revier unter seinem Befehl gestanden. Er habe sogar einmal, als einer der Betheiligten in das offene Grad gestürzt sei, mit seiner eigenen Klinge di« Hiebe eines fremden Schutz mannS gegen de« Wehrlosen aufgesange» und diesen dann au» seiner peinlichen Lage befreit. Einige Minuten später, als die Menge zer streut gewesen, habe er sofort befohlen, die Fliehenden nicht zu ver folgen. Was vor dem Friedhofsportal vorgegangen, wisse er nicht, sei auch nicht dafür verantwortlich, weil die dort postirte« fünf be rittenen Schutzleute nur die Instruction erhalten, Anfammlunzen vor dem Portal zu verhüten. Angeklagter Schutzmann Wingleit bekennt sich «ichtschuldig. Am Morgen deS BegräbnißtageS sei ihnen von Pol.-Commissar Meyer der Befehl ertheilt worden, wenn der dreimalige« Aufforderung, auseinander zn gehen, nicht Folge geleistet werde« sollte, von der Waffe Gebrauch zu machen und zwar sollte nicht, wie bei früheren Anlässen, nur mit der Hand znrückgedrängt, sonder« mit der Waffe dreingehaueu werden. Angeklagte Schutzleute Schweiger und Hohman« bestreiten ebenfalls da» ihnen zur Last gelegt« Vergehen und Letzterer sucht die Schuld anf eine« Kameraden abznwälzen. Hiermit schließt die Vernehmung der Angeklagten. Es wird darauf zur Vernehmung der Zeugen geschritten. Zenge Polizeirath von Hake giebt Anskunst Über die den Polzei - Commissaren ertheilt« Instruction. Zeuge interpretirt dieselbe dahin, daß erst im äußersten Nothsall« von der Waffe Gebrauch gemacht werden sollte, da er anf dem Friedhofe nicht anwesend gewesen, könne er nicht sagen, ob der Befehl de» Polizei-Commissar» Meyer am Platze gewesen oder nicht. Seiner Meinung nach hätte er erst Verhaftungen vornehmen sollen. Anf di« Frag« des Vertheidiger» vr. Holdheim, ob ihm nicht bekannt sei, daß diese» Anlaß höhere» Orts dazu benutzt werden sollte, über Frankfurt a. M. den kleinen Belagerungszustand z« verhänge«, ant wortet Zeuge mit einem entschiedenen „Nein". Zeuge Polizei- Direetor Langer ist gleichfalls der Anficht, daß Polizei-Commissar Meyer zn schnell gehandelt habe. Hierauf wird die Sitzung vertagt. Kurz nach 3'/- Uhr beginnt dieselbe wieder mit der Vernehmung des Zeugen Jnliu» Gramm, Kirchhofsverwalter, der während de» ganzen Vorgang» in der Nähe de- Grabe» gewesen, den Angeklagten Leyendecker jedoch nicht wieder erkennt, da er denjenigen Redner, der während der Anffordrrnng de» Commissar» weiter gesprochen, nur vom Rückeen gesehen. Zeuge weiß, daß auf Anordnung de» Com- miffarS die zwei kleinen Thüren neben dem Hanptportal geschlossen wurden und noch geschloffen waren, als der Leichencondnrt durch Letzteres hindurchging; wann sie wieder geöffnet wnrden, kann er nicht bestimmen, da der Aufseher Buch di« Schlüssel gehabt. Al» Zeug« ungefähr 8 Minuten nach dem Einschreiten der Echutzmann- schast wieder an das Portal kam, waren di« Thüren wieder geöffnet. Anf Einspruch de» Commissar» waren auch di« rothen Abzeichen de» Kränze n. s. w. vor Eintritt de» Zuge» in den Friedhof entfernt worden. I« klebrigen kau« Zeuge nicht» mit Bestimmtheit anSsageu, da die am Grabe Versammelten sehr «nruhig waren; anch von dem Einhanru der Schutzleute hat er nicht viel bemerken können, da er theilweise hinter eine« Gebüsch« stand. Leng« Adolf Farnung, Schuhmacher von hier, ist bei der Beerdigung gewesen, und selbst am Schenkel verwundet worden. Er kann sich sehr wenig erinnern, denn er weiß beispielsweise nicht, ob er ein rotheS Abzeichen getragen oder nicht, doch er will solch« bei Anderen bemerkt haben. Zeuge Michael Bnch, Friedhof.Aufseher sagt au», daß die beiden kleinen Thor« geschlossen bliebe«, bi» Alle» vorüber war. I« der Zwischenzeit ist Commissar Meyer mit mehreren Schutzleuten durch die ein« Thüre elngetreteu, die hinter ihm wieder geschlossen wurde. Am Portal selbst ist nicht geschlagen worden, doch hat Zeug« in der Entfernung die blanken Klingen gesehen. Zenge hat bei de« starken Menschenandrang bei der Flucht der Theiluehme» die berittene Schntzmannschaft Herbeigerufe», nm die Ordnung aufrecht zu erhalte»; zum Oeffnen der Thüren hatte er jedoch keine Instruction. Zeuge Theodor Straub, Inspektor de» Schanspitlhanse», war nicht auf dem Friedhofe, sondern hat den sehr großen Leichenzug am Eschenheimer Thor gesehen, und e» hat ihm den Eindruck gemacht, als ob sämmtliche Theiluehme» rothe Abzeichen getragen haben. Vertheidiger vr. Meyer beantragt, de» Gerichtshof wolle sämmtliche als Zeugen vorgeladenen Schnhleute unbeeidigt vernehme», nm sie fi« nicht in eine Zwangslage zu versetzen. Dem Antrag wurde einstweilen entsprochen, indem das Gericht sich vorbehält, später even tuell di« Vereidigungen vorzunehmeu. Schutzmann Karl Ziegler erklärt, daß Commissar Meyer bei der Instruction auf dem Revier an di« Vorgänge bei der Beerdigung de» Döll erinnerte und bemerkte, man müsse dafür sorge», daß es nicht wieder so gehe. Wenn da» Eommando komm«: „Zur Waffe," so sollte« die Schutzleute nicht de« Säbel in der rechte» Hand halten nud mit der linken Hand di« Leute znrückdräugen, das wolle der Herr Polizeipräsident nicht. In einem solchen Fall« solle «ingehanen werden. Zeng« bekundet, daß die dreimaligen Anfsorderungen laut und für Jeden vernehmlich ge geben worden find, daß die «öthige Zeit dazwischen geblieben, damit die Anwesenden sich entfernen konnten, wcu« ste gewollt, doch habe Niemand anch nur eine» Versuch dazu gemacht. Im Ganzen find die Anssagen günstig für den Angeklagte«, denn ste constatiren, daß Leyendecker, der auf einer Erderhöhung gestanden, nach der Auffor derung «nr nm so lauter weiter gesprochen Hab«. Nachdem die Menschenmenge auf der Flucht gewesen, habe der Commissar beföhle», nur noch gegen Widerstand die Waffe zu gebrauchen. Der Zenge wird nachträglich vereidigt; di« Aussagen de» nächsten Zengen, Schutz- manu Mathias Boland decken sich so ziemlich mit den vorige». Die Sitzung, welche erst «ach 8 Uhr zu Ende geht, wird aus schließlich von Zengrnvernrhmnngen in Ansprnch genommen, au» welchem wir das Interessanteste mvrgen Nachträgen werden. Aus Befragen der Staatsanwaltschaft, warum er den Leyendecker nicht verhaftet, erklärt Angeklagter, daß eine solche Berhaftnng bei der großen Menschenmenge ei« Ding der Unmöglichkeit gewesen. Davo», daß einzelne der Schntzleute mit Revolvern bewaffnet gewesen, weiß er nichts, doch erschwere dies event. die Sache anch nicht, da die Schutzleute der Nachtposte« ebenso wie diejenige» der Patrouillen außerhalb der Stadt der Instruction gemäß die Dienstrevolver mit führen müssen; so seien täglich auf seinem Reviere zwei Revolver auSgrgeben worden. Herr vr. Hold heim fragt den Angeklagten, ob er nicht s. A. einen Verweis erhalten, weil er bei der Beerdigung Döll'S nicht mit der nöthig«« Energie vorgegangen sei, und ob ihn die» nicht veranlaßt habe, so schnell von der Waffe Gebrauch machen zu lassen. Commissar Meyer gesteht den Verweis zu, will aber durch denselben nicht in seinen Handlungen beeinflußt worden sein, da ihm dieselben nach dem ihm gewordenen Befehl klar vorgezeichnet waren — und ihm sogar der Spielraum, den ihm das Gesetz lasse» dadurch ab geschnitten worden sei. — Als interessant erwähnt der Angeklagte, daß er sich s. Z bei der Beerdigung eines Mitgliedes der soeial- demokratischeu Schreinergenoffenschaft mit Füllgrabe in» Einvernehmen gesetzt habe, worauf den rothe» Schleifen eine weiße beigefügt worde» — roth-weiß find die Frankfurter Farben — und die Schutzmann schaft. auf da» Versprechen, am Grabe keine Reden zn halte«, nicht auf dem Friedhöfe erschienen sei. Daher könnte ihn kein Borwurf treffen, daß er nicht stets Alles gethan, nm einen Conflict zu vermeide». Es folgt sodann die Vernehmung des Angeklagten Leyendecker, Schneider und Wirth in Mainz, der erklärt, er habe die Aufforder ungen des LommiffarS nicht gehört, da er etwa- schwerhörig sei. Er habe nur einen Kranz mit rother Schleife mit folgenden Worten auf die Gruft gelegt: Im Namen der Socialdemokratie vo« Mainz leg« ich de» Kranz auf dein Grab als Zeichen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und widme dir di« rothe Schleis«, für welch« d« drin Leben lang gekämpft. Commissar Meyer glaubt nicht, daß eS Ltyendecker gewesen, der ihm den Anlaß gegeben, die Versammlung auszulöse«, sondern ist der Ansicht, daß L. erst zu sprechen begann, als die dreimalige Auf forderung bereit» geschehen. Politische Rundschau. Chemnitz, de« 17. März. Deutsches Reich. Man spricht davon, de» Reichstag solle vor Ostern noch geschlossen werden. Zur Verbreitung solch' müßige« Gerüchts hätte mau sich wenigsten» einen geeignetere« Zeitpunkt, als den gegenwärtigen, anSsucheu sollen, wo es im Reichstage trostlos leer ausfieht und die Verhandlungen äußerst langsam von der Stelle kommen. Wen» man nur einigermaßen mit den in de« Reichstags« commisfionen noch befindliche« Gesetze» aufränmen will, kann gar keine Rede davon sein, zu Ostern die Session zn schließen. Anßerdem weiß ja Niemand, ob nicht noch neue Vorlagen de» Reichstage» harre». — Die Soeialistengesetzcomwisfion de» Reichstage» hat da» Socialistengesetz — geändert wie unverändert — nebst den daz» ge hörige» Resolutionen des Abg. Wiudthorst abgelehnt. Gegen daS abgeändert« Gesetz stimmten Freisinnige, Natioualliberale, Eonservative, gegen da« unveränderte Gesetz Freisinnige, Cent»««, Bolkspartei, dafür Nationalliberal,, Eonservative. Der Reichstag kan» also die Arbeit vo» vorn beginne«. Abg. Gras Ballestrrm vom Centru« erklärte, sein« Partei erachte sich dnrch die CommisfionSbeschlüsse nicht für gebunden. — Herr Miquel, der Oberbürgermeister von Frankfnrt a. M. «nd Führer der Rationalltberalen, soll, wie gerüchtweise erzählt wird, zu großen Dingen onSersehen sein, nämlich über kurz oder lang in Berlin Minister werden. Thalsache ist ja, daß Herr Miquel in
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