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395 Spiel er glück. (Beschluß.) Mr blieben nach dem allerdings nicht vortheil- hasten Verkauf des Palais in Paris doch, mit dem stets unberührten kleinen Vermögen von mei nem Vater her, noch hinlängliche Mittel, eine Villa am Meeresufer zu kaufen und auf dieser zwar nicht glanzend, aber sorgenfrei zu leben und in gewohn ten Kreisen, da Rang und Titel das ersetzten, was mir an Vermögen gegen meine Nachbarn abgehen mochte. -So lange die Neuheit der Lage und die noth wendigen Einrichtungen der Villa und meines Haus wesens mich beschäftigten, genügte mir das einfache Leben und das Glück der Lieke Adelens. Als aber nun Alles gethan war, da fühlte ich eine Leere, die ich nicht auszufüllen vermochte. Ich wollte mich wieder den Wissenschaften zuwenden; allein an heftigere Aufregungen in dem Wechselspiel des Glücks gewöhnt, konnte ich in dem Frieden der Wissenschaften keine Befriedigung finden, und der Drang, das alte Glück zu versuchen, wurde immer starker, ja unwiderstehlich. Und als ich ihm nun nachgab und wieder zum Spieltisch trat, da fühlte ich eine Leidenschaft dafür, deren ich mich für ganz unfähig gehalten hatte, und diese stieg, je entschiedener Fortuna mir ihre Gunst versagte. Meine Eitelkeit, die mich ehemals überredet hatte, diese Gunst sei nicht blind gewesen, sondern durch scharfsinnige Combinationen gelenkt worden- fühlte sich verletzt und wollte sich die Täuschung immer nicht eingestehen, und doch konnte ich sie mir nicht ganz verhehlen, und es bemeisterte sich meiner eine Verachtung meiner selbst, die mich in meinem In nern gänzlich zu Grunde richtete. — Adele bemerkte diese unselige Umwandlung, sie nagte an ihrem Herzen, ihre Gesundheit wankte; allein sie ertrug Alles mit himmlischer Geduld, und ihr thranen- feuchtes Auge lächelte mir mit einem Zauber, der mir zur Verdammniß wurde und doch mein ein ziges Glück war. —So taumelte ich dem Abgrunde zu, der sich weit aufthat, um sein Opfer zu ver schlingen. Unter den Banquiers, gegen welche ich vorzüg lich verlor, war ein josephinisch-spanischer Offizier, ein Franzose, der mir mit seinem vernarbten Ge sichte und mit seiner Binde über dem einen Auge, welches er in einer Schlacht wollte eingebüßt ha ben, besonders zuwider war, weil er mit eben dem unerschütterlichen Gleichmuth und der Ironie das Spiel trieb, wie ich eS vormals getrieben hatte, und je weniger ich diesen Gleichmuth jetzt zu be- haupten vermochte, um so höher stieg mein Zorn gegen ihn. Es wurde mir zur Leidenschaft der Wunsch, ihm diesen Gleichmuth zu rauben, und dieß verleitete mich, das Spiel auf die höchste Spitze zu treiben. — Eines Abends hatte es mich Alles, was ich an Baarschasten und Kostbarkeiten bei mir trug, und das war auch ziemlich Alles, was ich außer der Villa noch besaß, gekostet, und ich lehnte voll Lnnern Ingrimms über die erzwun- gene Unthätigkeit an einem Pfeiler. Da blickte der widerwärtige Mensch zu mir herüber mit der Frage: „Belieben der Herr Herzog nicht mehr zu spielen?" — „Nein!" war meine kurze Antwort, „denn — ich habe nichts mehr zu verlieren." - „Sie scherzen," erwiderte er höhnisch: „Sie haben eine schöne Villa, die ihre dreißigtausend Dukaten werth ist; ich rechne sie für vierzigtausend, und für soviel steht Ihnen gegen diese bei der Bank Credit zu Diensten. Was diese Bank etwa zu wenig enthalten sollte, wird dieses Taschenbuch voll guter Papiere ersetzen." — Er legte ein reich lich gefülltes Taschenbuch auf den Tisch.—„Das Glück kann sich wenden." Mich durchschauerte es wie ein bieberfrost, ich war in einer gänzlichen Betäubung, meiner selbst nicht mächtig. Die Wuth, den Hohn zu vergel ten, den Widerwärtigen ihn bereuen zu lassen, ließ mich Alles vergessen. Ich ergriff die Verhängnisse vollen Karten, ich setzte hoch, unsinnig, und — was soll ich die ganze zermalmende Folter mir selbst wiederholen — die Villa, mein Letztes, war nicht mehr mein. In mich gekehrt, fast in völligem Stumpfsinn, führte ich den neuen Eigenthümer dahin. In der Verzweiflung hatte ich einen Diener vorausgesen det, Adele davon in Kenntniß zu setzen, ohne zu bedenken, was Vernunft und Menschlichkeit gegen die Unglückliche gebot. — Als wir in die Zimmer eintraten, sagte mein triumphirender Begleiter zu mir in einem schneidenden Tone, in welchem eine ganze Hölle marternder Gefühle in meinem In nern aufflammte: „In Paris hatten Sie mehr Glück, Herr Herzog." Da lag der alte Chevalier händeringend in Verzweiflung zu meinen Füßen, das Gehirn des unglücklichen Deutschen spritzte auf mich, und Ade lens rächender Geist trat vor mich. „Kannten Sie mich in Paris?" fragte ich mit bebender Stimme. „Sehr gut," antwortete er, „und sah Sie dort zum letzten Male am Fenster des Chevalier Froville." „Bouchard!" schrie ich entsetzt auf. „Eben dieser, Herr Herzog," erwiderte er, „eben dieser Bouchard, den Ihre seltene Großmuth vom Spieltisch zur Armee beförderte, und sich seines höchsten Kleinods als einer guten Prise bemächtigte." „Nun," erwiderte ich mit der Käke der Ver zweiflung, „so haben Sie sich jetzt gerächt." „Nicht ich, Herr Herzog," entgegnete er höh nisch, „sondern Fortuna, deren Gunst wie die eines Weibes wandelbar ist. Darf ich mir aber jetzt die Ehre ausbitten, der Frau Herzogin meine Ehr furcht zu bezeigen?" „Diese Villa, mein Herr," versetzte ich verächt lich, „gehört Ihnen, meine Frau gehört mir." In diesem Augenblicke erscholl aus dem Ne benzimmer ein gräßlicher Schrei, und ein Fall. Ich stürzte entsetzt hinein, Bouchard mit mir, und —setzte der Herzog mit schauderhafter Kälte hinzu, * ... ........