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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 03.03.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188503035
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18850303
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18850303
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1885
-
Monat
1885-03
- Tag 1885-03-03
-
Monat
1885-03
-
Jahr
1885
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 03.03.1885
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U»terhalt««g»-Blatt z«m „Ehemultzer Au-eige^. d«»»: Dn weißt um ein Verbrechen, da» Lubiu begaugrn hat, und kannst seinen Kopf mit einem Wort zu Fall bringen. O, wie schön wäre eS, da» Geheimuiß aufzudecken. Ja, aber Lubin hat einen Mitschuldigen, und derselbe Streich, der jenem den Kopf abschlägt, köpft auch diesen. Da» darf aber nicht geschehen. Folglich muß man schweigen. — E» ist sehr peinlich; aber e» ist so. Sage, habe ich nicht recht?" Franz schlug die Augen zu Boden. «Ja, da» ist e», wa» Dir den Mund schließt," fuhr der Po- lizeiinspektor fort. „Da» ist aber gerade da» Komische an der Sache, daß dieser Andere, Lubin'» Mitschuldiger, den Du so sorgfältig schonst, den D» durch ein Wort, ja ei» Zeichen bloszustellen und Deiner -lache zu opfern fürchtest — e» ist wirklich lächerlich!" „Wieso denn?" fragte Franz. „Nun, der war e» ja gerade, all«, Freund, der Lubin auf Dich aufwerksam gemacht, der Dich au seiner Stelle in di« Falle geschickt, in der Du Dich hast erwischen lassen." „Da» ist nicht wahr!" rief Franz heftig. »Ja, e» ist wahr", versetzte Monte, »und ich will e» Dir be weisen. Soll ich ihn Dir zunächst mit Namen neunen, den getreuen Freund, den Du Dich zu verrathrn scheust? Er heißt Dacolard, — ja, Herr Dacolard, wie Du respektvoll sagst. Oder habe ich etwa nicht recht, wie?" »Fahr« Sie nur fort!" sagte Franz dumpf. »Nun gut, «rin Bürschchen, so höre zu Deiner eigenen Auf klärung Folgendes: Bor drei Wochen höre ich. Dacolard sei in Pari». Schnell schickte ich mein« Leute au»; wir müssen ihn um jeden Preis fangen. Mehrmals find wir ihm auf den Ferse», in der Rue Saint- NikolaS d'Autiu, wo er großspurig als Herr von Formiguy auftrilt, in der Kneip« der Munion — schlimmsten Falle» hätte ich ihn hier oder dort festnehmen können — aber einen Kerl von seiner Gefähr lichkeit so mir nicht» dir nicht» von der Straße aufgreifrn? Da sagte ich mir doch: Dacolard ist eS wohl werth, daß man ihn auf frischer That ertappt. Deshalb verständigte ich mich mit dem Lumpen, dem Lubin, der binnen einigen Tagen jene Falle in der Rue Saut-GilleS antsheckt; denn eine Falle war eS, mein armer Junge, nicht» Anderes; aber die Falle allein thut e» nicht, man muß auch den Vogel haben. Lubin sagte mir: Lassen Sie mich nur machen, ich will ihn schon hiuabkocken. Und ich bin einfältig genug, mich auf ihn zu verlasse«. Line» Abend» gegen zehn Uhr tritt er in die Rue de la Reunion ein, wo er Dacolard zu treffen sicher war. Ist eS so? Sprich!" fragte er ironisch lächelnd. Franz schwieg. «Ja, ja, so ist'», und Du weißt eS besser als jeder Andere. Du warst ja auch dort, zu Deinem Unglück. Dacolard war gleichfalls anwesend. Jetzt sperre Deine Ohren gut auf! Lubin tritt also ein, fleht sich spiouirend ringsum uud nähert sich Dacolard. WaS meinst Du wohl, was er ihm sagen wird? Daß er für heute Abend einen Streich vor hat, baß er einen Kameraden braucht? Daß es ein superbes Geschäft wäre? Daß nicht die mindeste Gefahr damit ver bunden sei, da er zum Hau» hinein könne und die beiden Frauen, um deren Ausplünderung «S sich handelte, nicht den geringsten Wider stand leisten würden? Meinst Du, daß er ihm das gesagt?" «Ja." «Nun, da irrst Du Dich, mein Freund. Er sagte zu ihm: «Ich stehe mit der Polizei auf gutem Fuße, muß .derselben aber irgend einen Beweis liefern, da» verlangt sie von mir. Ich habe ihr Deine Haut versprochen, netter Kamerad, und sie leckt sich schon alle zehn Finger darnach, aber Du weißt wohl, daß ich nicht der Mann biu, ihr einen solchen Schmaus aufzutischen — sie würde ja vor lauter Glück au» dem Hänichen fahren — schonen wir ihre zarten Nerven. Siehst Du, ich habe da «ine hübsche kleine Falle aufgestellt, in die ich Dich jetzt hinein locken soll. Polizei und Gericht rechnen darauf, der Staatsanwalt legt sich schon eine Anklage zurecht, uud die Schreiber haben die Feder schon in der Tinte — mir fällt aber nicht ein, Dich den Duwmköpfen auszuliefern! Doch sie find auf die Beute zugespitzt, und ich muß ihnen einen Brocken in die Klauen werfen, koste e», was eS wolle; zeige mir also, wen!" Nu» läßt Dacolard seinen Blick nachlässig über den Saal Hingleiten. Als er Dich in der Ecke sitzen sieh», rrwiedert er Lubin: Siehst Du jenen Tropf dort? Den nimm! Ich war ja nicht dabei," so schloß Moule, «aber ich weiß, so ist cs gewesen." «Ja, so ist eS gewesen," rief Franz auffahrend. «Ja, ich sehe sie noch Beide, wie sie zusammen flüsterten — und ihn, ihn — Dacolard — ja, so mit einem Blick machte er dies Scheusal, diesem Lubin, auf mich aufmerksam, und der kam dann mit schmeicheludeu Worten auf mich zu. Aber das soll ihm nicht so hingehen I Bia ich denn so ein Gimpel, der höchsten- dazu taugt, um ihn der lauern den Polizei iu's Garn zu schicken? Auch ich werde der Polizei Einen in'S Garn locken! — Einen nach dem andern! — Hören Sie Herr Moule —" «Schweig!" fiel Moule streng ein. «Ich soll schweigen? — Nein, ich will reden, ich will mich rächen!' ,,Du bist rasend. Du weißt nicht mehr, was Du sprichst." «Ich wüßte nicht mehr, wa» ich .spreche? — Wollen Sie mich anhören?" «Nein, ich nehme kein Gestäudniß an unter solchen Umständen. Haß uud Wuth reißen Dich hin." «Nein doch I — Sehen Sie, ich bin ruhig. —" «Schön ruhig! Wenn ich Dich beim Wort nehme, Du würdest mir schöne Geschichten erzählen! Ich will aber nicht, ich verliere nicht gern meine Zeit." «Hören Sie mich uur einen Augenblick an —" „Noch einmal: nein I Jetzt thut eS mir leid, daß ich Dir diese Einzelheiten witgetheilt habe, wenn ich sehe, wir Tu außer Dir bist. Zum Teufel noch einmal, wenn man so angeführt ist, muß mau sich auftaffe« und sich nicht durch leere Verdächtigungen, Lügen und Ver leumdungen rächen wollen —" »Ich lügen, verleumden! TaS habe ich wahrlich nicht nöthig —" «Müßte allerdings bei solchen Spitzbuben auch schwer halten!" „Nicht wahr? — Aber Sie kennen dieselben noch nicht. Wenn Sie wüßten — " «Ich habe Dir gesagt, ich will nichts wissen", unterbrach ihn Moule. «Ich bin nicht hergekommen, um Deine Geständnisse auzu- hören. Lege dieselben später, weun Du Dich beruhigt hast, vor dem Untersuchungsrichter ab!" «Herr Moule", meinte Franz, «ich bin ruhig. Hier fühlen Sie meinen PulS! — Ja, ruhig wie Einer, der weiß, daß er ver loren ist, ober auch weiß, daß er seine Rache haben wird." «Schön!" versetzte Moule. «Aber es wird Dir nichts schaden, wenn Du Dich etwa« sammelst. Siehst Du, eS wird der Polizei oft vorgeworfen, daß sie die Gefangenen überrumpeln, um ihnen so ihre Geheimnisse zu entlocken; das ist nicht meine Sache. Ich wiederhole e» Dir: überlege wohl, und dann mache dem Richter nach bestem Gewissen Deine Entdeckungen. UebrigenS hast Du da eben ein Wort fallen lassen, da» mir sehr leid thut; Du sagst, Du fühlst, daß Du verloren bist —" «Ach ja, Herr Moule — ich mache mir keine Illusionen. —" «Allerdings, Deine Lage ist eine schlimme, aber wenn e» auch schließlich kein Mittel giebt. Dich aanz zu reiten, lo wäre es doch möglich, und man könnte e» wenigstens versuchen, mildernde Umstände auzunehmen. Du stehst ein, daß da» von Dir selbst abhängeu wird." „O. Sie solle« zufrieden mit mir sein, da» schwör« ich Ihnen. So viel Ergebenheit und Fügsamkeit Sie nur verlangen können —" «Schon gut! Aber wie ich Dir eben sagte, das reicht nicht hi«, und Dein Auftreten soeben ka«n mir keine allzuhohe Meinung von Dir bribringen. Nun, eS wird sich ja zeigen I" Damit überließ Moule Franz seinen Gedanke«. Er verließ die Präfektur, um sich nach dem Justizpalast zu begeben. Dort ließ er sich zu dem Untersuchungsrichter, Herrn Thurier, führen, der noch heute Abend oder spätesten» morgen früh Lubin und Franz verhören sollte. ES handelte sich dämm, dm Untersuchungsrichter einzuweihen und auf da» Verhör vorzubereiten. Die» war leicht geschehen bei Herrn Thurier, gegm den Moule eine Art Verehrung hegte und von dem er nur fürchtet«, daß er ihn als Untersuchungsrichter verlieren könne. Sagte er doch mit einer Aufrichtigkeit, von der sich der kluge Richter nur geschmeichelt fühlen konnte: »Der hätte einen ausge zeichneten Polizeiagenten abgegeben." 23. Kapitel. Die Bekenntnisse des Diener». Um acht Uhr am folgenden Morgen wurde Franz aus seiner Zelle geholt, um zum Verhör geführt zu werden. Von zwei Wächtern in die Mitte genommen, sah er unterwegs Moule, der zufällig in einem der KonidorS auf uud ab ging. Sobald in dieser seiuerfeitS erkannte, kam er auf ihn zu. «Ahl Du bist e»! Ich srcue mich, daß Du mhiger bist als gestern. Kommt Zeit, kommt Rath, und Du hast wohl überlegt? Franz sah im Gegentheil finsterer und entschlossener aus als gestern. „Ach, meinen Sie!" versetzte er mit bedeutsamem Kopfnicken. «Ja, Sie können mhig sein, Herr Moule, biunm einer Stunde wird man Dinge zu hören bekommen, die Sie wohl vor einem Jahr sehr gern erfahren hätten, nud die ich Ihnen damals leider nicht mit getheilt habe." «Zum Henker! ES scheint, ich habe mich getäuscht", versetzte Moule in ärgerlichem Ton «Du bist ja noch ebenso wütheud wie gestern! Das thut mir sehr leid. Ich weiß nicht, welche Enthüll ungen Du zu machen gedenkst, aber ich mache Dich auf eins auf merksam; man pflegt hier den Aussagen von Leuten, die so erregt find wie Du, gewöhnlich keinen allzugroßen Glauben zu schenken. «Man wird mir nicht glauben?" fragte Franz. «Das kommt allerdings darauf an! Wenn das, was Du sagst, wahrscheinlich ist, besonders weun Deine Angaben sich genau auf be stimmte Thatsachen stützen" «O, darüber können Sie sich beruhigen, auf ganz bestimmte!" «Schön! Nur immer recht genau! — Sagt einmal", wandte Moule sich dann an die beiden Wärter, «habt Ihr den Mann nicht ein wenig zu früh aus dem Schlafe geweckt? Herr Thurier wird noch gar nicht in seinem Zimmer sein. Entschuldigen Sie", erwiederte eiuer von ihnen, „wir wurden so angewiesen «Wenn Ihr so angewiesen werdet, dann ist es etwas anderes eS wundert mich aber — ich muß doch einmal Nachsehen. Er schritt den Dreien voraus und trat auf den Zehenspitzen an eine kleine Thür am Ausgang de» Ganges, welche für die Angeklagten bestimmt war; dort horchte er einen Augenblick .Richtig!" meinte er dann leise, zu Franz und den beiden Wärtern zurückkehrend. «Herr Thurier ist in seinem Zimmer, er hat sogar schon ein Verhör begonnen. Stört ihn nicht." Damit hieß er die beiden Wärter und Frauz leise und geräusch los in dem lleinern, zu dem Zimmer d«S Richters führenden Vor raum Platz nehmen, Letzteren ganz nahe an der Thür, die wieder zufällig nicht ganz geschlossen war. «Hier wartet! Ich muß jetzt fort. Und Du, Franz, denk' an das, was ich Dir gesagt habe! Jetzt kommt es darauf an!" Damit entfernte er sich. (Fortsetzung folgt) Verloren! Roman von Ewald August König. (Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) «Ich dränge Sie nicht", erwiederte er mit vibrircuder Stimme, «sagen Sie mir uur das Eine, ob ich hoffen darf." «Auch das kann ich Ihnen heute noch nicht sagen, ich habe ja selbst noch einen schweren Kampf zu kämpfen. Glauben Sie nicht, daß der Tod meines Vaters den Flecken von meinem Namen ge nommen habe, bedenken Sie wohl, daß —" «Ich denke an nichts weiter, als an das Glück, das ich au meinem Herde finden werde, wenn Sie an demselben schalten", unterbrach er sie, ihre Hände erfassend, die sie ihm rasch wieder ent zog. Diesem Glück kann uud werde ich jedes Opfer bringen!" „Opfer, die Sie später bitter bereuen werden", fuhr sie war nend fort, aber sie vermied e» jetzt, seinem Blick wieder zu begegnen, «da» erträumte Glück dürfte alsdann sich in das Gegentheil ver wandeln." «Niemals, Antonie!" «Ich bitte Sie, denken Sie darüber nach —" „Ist dies der einzige Grund, der Sie veranlassen könnte, den letzten Wunsch Ihres Vaters unerfüllt zu lassen —" «Nicht der einzige!" fiel sie ihm in die Rede. „Ich kann meine Bitte nur wiederholen, daß Sie wir Zeit gönnen mögen, dann will ich eine offene und ehrlich« Antwort Ihnen geben." «So muß ich mich denn gedulden," sagte er mit einem schweren Athemzuge, «Ihre Bitte ist mir Befehl, ich darf mich nicht weigern, ihm mich zu lügen. Wollen Sie wir nun die Sorge für das Be- gräbniß überlassen?" «Es werden keine großen Vorbereitungen dazu nöthig sein", er- wiederte sie schmerzlich bewegt, «nur Wenige werden ihm das letzte Geleite gebe», und ich fürchte, er hat auch uicht die nöthigen Mittel hinterlassev." «Ich habe mich Ihrer Bitte gefügt, erfüllen Sie mm auch meine," unterbrach er sie. «Er ist auf dem Felde der Ehre gefallen, das söhot seine einstigen Kameraden mit seiner Vergangenheit aus, ich zweifle nicht daran, daß sie Alle nun ihm die letzte Ehre erweisen werden. Dafür lassen Sie mich nun sorgen, da» ehrenvolle Begräbniß wird seinen Namen von jedem Flecken reinigen." In ihren Augen leuchtete es fteudig auf, sie reichte ihm die Hand, die sie kurz vorher ihm entzogen hatte. «Ich danke Ihnen", sagte sie. «Wenn Sie die» in der That erreichen können, dann beglücken Sie mich durch die heißersehnte Er füllung eine- Wunsches, auf den ich schon für immer verzichten zu müssen glaubte." »Diese Erfüllung glaubte ich Ihnen schon jetzt verbürgen zu können", erwiederte er. ihre Hand festhaltend und ihr mit einem Blick voll Innigkeit in die dunklen Augen schauend. «Ich muß Sie nun verlassen, um meinem Obersten den unglücklichen Ausgang des Duells zu melden, ist die- geschehen, so beginne ich ohne Zögern mit den nölhigen Vorbereitungen, die Sie nun auch mir ganz überlassen müssen. Leben Sie wohl, die Hoffnung, die der Verstorbene mit ins Grab oenommen ba», nehme ick» nun auch mit mir." Er zog ihre Hand an die Lippen und nahm mit einer Ver beugung Abschied; hätte er den Blick gesehen, den sie ihm nachsaudte, so würde er schon jetzt gewußt habe», daß sein Glück ihm gesichert war. Auf der Fährte. Nur mit einem kleinen Handkoffer ausgerüstet hatte Heinrich Grafenberg di« Steife nach der Schweiz angetrete«. Gustav hatte vorher noch einmal die Mutter auSzuforschen der- sucht, die schlaue Frau, die an die ehrlichen Absichten Heinrich» nicht glaubte, beharrt« bei ihrer Erklärung, daß die Flüchtlinge höchstwahr scheinlich nach der Schweiz gereist seien, da Emma öfter den Wunsch geäußert habe, diese» Land zu sehen. War er thun würde, wenn er mit dem Verführer zusammentraf, wußte Heinrich Brafenberg selbst nicht, nur da» Ein« war ihm klar, daß er ihn zwingen wollte, Emma zu heirathen, weun dies noch nicht geschehen war. Er selbst hatte keine Rechte mehr, die er geltend machen konnte, da» Band, welcher »inst das geliebte Mädchen an ihn kettete, war für immer zerrissen, ihm blieb nur noch der bittre Schmerz der Ent sagung, der an seinem Leben nagte. Isaak Goldstein hatte thn mit Geld ausreichend versehen, von der Schwester, die seine Reise nicht billigte, war er nach einem heftigen Wortwechsel in Unfrieden geschieden, und auch Gustav hatte noch im letzten Augenblick ihm von dieser Reise abgerathen. Er war sogar darauf aufmerksam gemacht worden, daß diese Reise, die einer Flucht ähnlich sehe, den häßlichen Verdacht bestärken werde, der auf ihm ruhe; aber die» Alle» hatte nicht den mindesten Eindruck auf ihn gemacht, mochten die Leute von ihm glauben, Wa ste wollten, er mußte seine Pflicht erfüllen. In Basel begann er mit seinen Nachforschungen, von. hier au» reiste er von Stadt zu Stadt, überall fragend und die Fremdenlisten durchblätternd. Einmal glaubte er eine Spur gefunden zu haben, in Luzern war am Tage vor seiner Ankunft ein junges Ehepaar abgereist, dessen Beschreibung ganz genau auf die Personen paßte, die er suchte.. Sie waren in dem Luzerne» Hotel nur eine Nacht geblieben, und bei dem starken Fremdenandrange hatte man vergessen, ihre Namen einzuschreiben, Heinrich glaubte mit voller Bestimmtheit in dem Manne Robert Raven zu erkennen. Sie waren mit dem Dampfboot nach Flüelen gefahren, er folgte ihnen, und eS gelang ihm, ihre Spur sestzuhalteu. Den Gotthard hinaus, über die Furka und Maheuwand wieder hinunter nach Meiringen uud Brienz, von dort über den Brienzer See nach Jnterlaken. Er konnte nicht so rasch reisen, wie Jene, die mit reichen Mitteln ausgerüsteten Wagen und Saumthiere benützt hatten, er war meist zu Fuß gegangen, da durfte er kaum hoffen, sie einzuholro. Aber wenn diese Hoffnung ihn verlassen wollte, daun ries eine innere Stimme ihm immer wieder zu, daß er sie finden müsse uud werde, und aus diese Stimme vertraute er. In Jnterlaken endlich holte er sie ein, ein Freudenruf entfuhr unwillkürlich seinen Lippen, als ihm gesagt wurde, daß sie sich für einige Wochen im Hotel eingemiethet hatten. Er konnte die Begegnung mit ihnen kaum erwarten nach ihrem Namen zu fragen, hatte er sich nicht einmal die Zeit "genommen, und als er nun endlich ihnen gegenüberstavd, waren sie für ihn fremde Personen. Aber auch diese Enttäuschung entmuthigte ihn nicht, er nahm, unverzüglich seine Nachforschungen wieder auf und sein Weg führte ihn nun nach Bern. Hier faud er auf der Post einen Brief, der dort schon mehrere Tage auf ihn gewartet hatte. Er erkannte sofort die Handschrift Gustav's, mit zitternder Hand öffnete er das Kouvert. «Mein armer, lieber Freund!" las er „Ob dieser Brief in Deine Hände gelangen wird, ist wohl sehr fraglich? ich schreibe ihn dennoch, denn ich denke mir, daß es Dir tröstlich sein muß. eine Stimme aus der Heimalh zu hören. Wenn Du in der Schweiz noch immer suchst, so rathe ich Dir. komme zurück, ich verwuthe, Du verfolgst eine falsche Fährte. Aeußerungen meiner Mutter deuten darauf hin, daß Emma nicht in der Schweiz, sondern in England ist, dort soll auch bereiis die Trauung stattgefuuden haben. Wenn ich nur darüber volle Gewißheit haben könnte! Die Mutter scheint sie selbst noch nicht zu haben, sie würde sonst wohl mit dem reichen Schwiegersöhne prahlen. Ich halte die Augen offen, e» kann kein Brief ankomm«», ohne daß ich Wind davon bekomme, trotz aller Geheimnißkrämerei' Die Mutter ist voll Zuversicht, sie muß der Erfüllung ihrer hoch-"'" fliegenden Hoffnungen gewiß sein, und das beruhigt mich einiger maßen. Wenn Raven meine Schwester heirathet, so ist ihre Eh« gerettet, und mehr können wir ja unter den obwaltenden Verhäll- nissen nicht erwarten. Mit dem Loose, das sie dann an sein« Seite findet, muß sie zufrieden sein, sie selbst hat e» sich geschaffen, eS war ihr eigurr Wille, ihre Zukunft ihm anzuvertranrn. Und daran kannst Du auch nichts ändern und bessern, deshalb komme zurück und erspare Dir alle weiteren Aufregungen und Stra pazen. Dein Geschä t geht auch bereits den Krebsgang, Isaak Gold stein verlaust ein Stück nach dem andern, zum größten Aerga Deiner Schwester, die ebenfalls Dein Waarenlager plündrrt und dabei auf Deine Interessen keine Rücksicht nimmt. Bleibst Du no- lange, wirst Du nichts mehr vorfinden, und wie schwer eS wirb, von vorne wieder zu beginnen, das erfahre ich jetzt, trotzdem der Bibliothekar Schwan mich kräftig unterstützt. Ich gehe jetzt täglich in» Nachbarhaus, Therese Schwan ist ein liebe« Mädchen, sie sieht mich gerne kommen, aber von Hoffnungen darf einstweilen keine Rede sein, ich muß zuvor wieder festen Boden unter den Füßen haben. Irma Schwan ist, wie Du weißt, mit Emil Weigold verlobt, sie reden schon von der Hochzeit, die im Herbst gefeiert werden soll. Der verschollene Sohn ist plötzlich zurückgekommen, er sah au» wie ein Vagabund, aber cs steckt doch noch ein guter Kern in ihm. Sei» Vater wünschte, daß ich ihn beschäftigen möge, nun arbeitet er als Geselle bei mir, obgleich ich die Arbeit sehr Wohl allein verrichten könnte. Es ist kein angenehmes Wohnen mehr in unserem Hause, ei» ewiges Gezänke, Keiner will Ruhe und Frieden halten. Madame Raven bestreitet noch immer die Schuld ihre» SohneS, hartnäckig klagt sie Dich an, sie ist von PontiuS zu Pilatu» gt» laufen, um Dich verfolgen zu lassen, und an ihr liegt'» wahrhaftig uicht, daß Dir noch kein Steckbrief nachgeschickt worden ist. Deine Schwester und ich haben ihr gründlich die Meinung ge sagt, auch Isaak Goldstein ist für Dich eingetreten, e» war Alles umsonst, sie sagt'S Jedem, der eS hören will, Du seiest in ihr Schlaf zimmer ringedrungen, um sie zu ermorden und zu berauben. Wie ich höre, soll Robert Raven schon an seine Mutter ge schrieben haben, er leugnet natürlich Alle», aber woher der Brief gekommen ist, kann ich nicht erfahren, sie halten «S geheim, weil sie fürchten, ich könne cs Dir verrothen. Aber bringe ich e» heraus, dann schreibe ich e» Dir sofort, vorausgesetzt, daß Du nicht vorher heimkommst, ich kenne ja auch Deine Zähigkeit, Dein Festhallen an einem einmal gefaßten Entschlüsse (Fortsetzung folgt.) Beramioorilicher Redakteur Fron'. Söp« in Ehemnitz. — Druck und Berta» von Alezander LLieüe iu vtüuiuiß.
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