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Rr. «8. - 5. Jahrgang. Dienstag, 24. März 188S. laötbole. Unparteiisches Tageblatt für Chemnitz und Umgegend besonders für die Bororte: Altchemnitz, Mendorf, Bernsdors, Borna, Ebersdors, Furch, Tablenz, Vlösa, Helbersdorf, -ilber-dors, Kappel, Neustadt, SchSua«. Die Abonnenten erhalten mit dem Anzeiger allwöchentlich L Unterhaltungs-Blätter, sowie da» 8seitige, reich- illuftrirte humoristische Anzeiger-Bilderbuch. Abonnemeutsbestellnnge«, vierteljährl. 180 Pf. (Zntr. 40 Pf.), monatl. so Pf. (Zutr. 1b Pf.), nehme« an die Verlagsexpeditiou und Ausgabestelle» in Themuitz und obigen Voroneu. Außerhalb dieser Orte kann de» Anzeiger nnr bei den Postaustalten — PostzeitungS-Preisliste für 188b Nr. 1114 — bestellt werden. In Oesterreich-Ungarn ist der Chemnitzer Anzeiger zum Abonnementspreise von vierteljährlich 1 Gulden 84 Kr., monatlich 52 Kr. (exkl. Agiozuschlag) durch die Postanstalten zu beziehen. JnsertionsvreiS: die schmale (Ispaltige) KorpuSzeile oder deren Raum 1b Pfennige. — — Reklame (Ispaltig Petit) 30 Pfennige. — Auf große Annoncen und Wiederholungen Rabatt. — Annoncen - Annahme für die nächste Nummer bis Mittag. — Ausgabe jeden Wochentag Nachmittag Annoneenbeftelluugen von auswärts wolle «an de« Jnsertiousbetrag stet» beifügen (kleinere Beträge in Briefmarken) je 8 Silben de» gewöhnliche« KorpuSfchrift bilde» eine Zeile und kost« 1b Pfennig» BerlagS-Expedition: yklexau-er Wtede, Buckdruckerei, Chemnitz, Theaterstraße 48 (ehemaliger Bezirksgericht, gegenüber dem Kasino). Bekanntmachung. Nach Vollzug der Ergänzungswahl für den der Unterzeichneten König lichen AmtShauptmannschaft beigeordneten Bezirksausschuß ist die Zusammen setzung derselben gegenwärtig folgende: 1. Herr Bürgermeister Adam in Kwönik. Fabrikdirektor Hofmann in Einsiedel, 3. - Bürgermeister Hofmann in Limbach. 4. » Amtslandrichter Leßmüller in Dorfchemnitz. 5. - Bergdirektor Müller in Lugau, 6. - Stadtrath Uhlmann in Stollberg. 7. - Gemeindevorstand Weber in Hilbersdorf, 8. - Kanzleilehngutsbesitzer Wilsdorf in Neustadt, khemnitz, am 16, März 1885. Die Königliche Amtshauptmannschaft. Schwedler. Wagner. Steckbr ief. Gegen den Handarbeiter Johann Julius Müller, geboren am 24. April 1828 in Altchemnitz, welcher flüchtig ist, bezw. sich verborgen hält, ist die Untersuchungshaft wegen Diebstahls verhängt. ES wird ersucht, denselben zu verhaften und in die Gefangenanstalt hier abzuliefern. Chemnitz, den 20. März 1885. Königliche Staatsanwaltschaft, vr. Knaebel. Bekanntmachung. Zum Nachlasse des am 22. Januar 1885 verstorbenen, Leipzigerstr. 94 in Chemnitz wohnhaft gewesenen Klempnermeisters Friedrich Wilhelm Theodor Günther gehören, wie mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, 9 Stück Anleihescheine des deutschen Reiches und 5 Stück Chemnitzer Stadtschuldscheine im Gesammtnominalwerthe von 8700 M., deren Nummern hier bekannt, deren Verbleib jedoch bisher nicht zu ermitteln gewesen ist. Es wird ver- muthet, daß Günther diese Papiere in der ersten Hälfte des Monats Januar 1885 irgendwo deponirt hat. Aus Antrag der Erben wird dies hiermit öffentlich bekannt gemacht und dabei nicht nur der etwaige Verwahrer um Ablieferung der Papiere zum Gerichtsdepositum, sondern überhaupt Jedermann um Mittheilung sachdien licher Wahrnehmungen ersucht. Chemnitz, den 20. März 1885. «önigliches Amtsgericht, Abtheilung v. Graupner. Bekanntmachung. Die Verwaltungsstelle für die Ortskrankenkassen und die Gemeinde- krankenversicherung, sowie die gemeinsame Meldestelle für die Krankenkaffen befinden sich von Donnerstag, den 19. dieses Monats ab Moritzstraße Nr. 9, im Erdgeschosse. Chemnitz, den 18. März 1885. Die Verwaltung der Ortskrankenkassen und der G em ei ndekranke n Versicherung. Heinrich Ernst Jost, Vorsitzender. Bekanntmachung. Der am 17. Oktober 1827 hiersclbst verstorbene Schuhmachermcister Jo hann Christian Weickert hat in seinem den I. Februar 1820 errichteten Testamente unter Anderem 6000 Mark ausgesctzt mit der Bestimmung, daß von den Zinsen das Schulgeld und die Schulbedürfniffe für Kinder armer Eltern bestritten werden sollen, und zwar sollen in erster Linie die Kinder armer Berwandter des Stifters und seiner ersten und zweiten Ehefrau Anna Rosine gcb. Richter aus Stollberg nnd Rosine Magdalene geb. Heyn von hier, sodann die armer Schuhmacher und endlich auch die Kinder anderer hier wohnhafter Armer berücksichtigt werden. Diejenigen Eltern, welche nach Vorstehendem Anspruch aus den Genuß des Weickerl'schen Legate» zu erheben gedenken, werden aufgefordert, sich bis zum 1. April tz. I. bei dem Unterzeichneten Rath zu melden. Chemnitz, am 3. März 1885. Die Bezirksschulinspektion. Der Rath der Stadt Chemnitz. Der Königliche Bezirksschulinspektor. Andre, vr. Oberbürgermeister. Eicheuberg. Sfrt. Bekanntmachung, die Ablösungsrenten betreffend. Den 31. März dieses Jahres wird der 1. Termin der diesjährigen Ablösungsrenten fällig. Besitzer mit dergleichen Abgaben behafteter Grundstücke machen wir hieraus aufnierksam und bemerken, daß diese Abgaben am obenbemerkten Tage an die Stadt-Steuer-Einnahme, innere JohanniSstraße Nr. 1 (Adlerapotheke), 1 Treppe, Zimmer Nr. 2 zu entrichten sind. Gegen Säumige werden sofort exekutivische Zwangsmittel in Anwendung gebracht werden. Chemnitz, den 19. März 1885. Der Rath der Stadt Chemnitz. Andre, vr., Oberbürgermeister. Eelegramme des The«r«i--* Vnzetgers. Vom 22. März. Der Kaiser empfing heute wegen einer leichten Erkältung nur die Gratulation der königlichen Familie und der fremden Fürstlich keiten. Berlin. Die dem Abgeordnetenhause zugegangene NothstandS- vorlage bestimmt: Der Regierung werden 1,167.000 Mark zur Verfügung gestellt, um den durch das Weichselhochwasser im Sommer 1884 Beschädigten der Provinz Westpreußen und des Landkreises Bromberg Beihülfen zu bewilligen. Wien. Mehrere hiesige Blätter bringen schwungvolle, den Kaiser Wilhelm zum 88. Geburtstage warm beglückwünschende Artikel. Haag. In der Vorlage, betreffend die Revision der Verfassung, wird beantragt, daß bei dem Fehlen männlicher oder weiblicher Des- cendenten die Thronfolge an diejenige Prinzessin vom Hause Oranien übergehen solle, welche in der Linie der Descendenz von dem Könige Wilhelm l. durch die Primogenitur dem letzten Könige am nächsten steht. > Rom. Der König und die Mitglieder der königlichen Familie haben an den Kaiser Wilhelm aus Veranlassung dessen Geburts tages Glückwunschtelegramme gerichtet. In der Kapelle der deutschen Botschaft fand heute Vormittag ein Festgottesdienst statt. Der deutsche Botschafter veranstaltet heute ein größeres Diner, zu welchem zahlreiche hier weilende deutsche Reichsangehörige Einladungen erhalten haben. Rom. Deputirtenkammer. Bei der Debatte über die Agrar frage erklärte der Ministerpräsident Depretis, daß er einer Erhöhung der Getreidezölle nicht zustimme. Cairoli beantragte daraus eine gegen das Kabinet gerichtete Tagesordnung. Dieselbe wurde mit 236 gegen 134 Stimmen abgelehnt. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurden von mehreren Abgeordneten Anfragen in Betreff der Agitation bei den Universitäten angemeldet. Der Ministerpräsident Depretis bean tragte, mit Rücksicht aus die bezügliche noch schwebende Enquete, alle einschlägigen Anfragen und Interpellationen zurückzuziehen. Dieser Antrag wurde mit 216 gegen 121 Stimmen angenommen. Schließ lich vertagte sich die Deputirtenkammer bis zum 27. April. Suakin. Alle englischen Truppen, mit Ausnahme der Garde regimentcr, sollen morgen bei Tagesanbruch ausrücken, um die etwa 7 bis 8 Meilen vom Lager entfernt befindlichen Zarebas zu zerstören, und allda Besatzungen zurückzulossen. Die übrigen Truppen sollen nach dem Lager zurückkehren. Hasheen ist in der vergangenen Nacht vom Feinde nicht angegriffen worden, heute früh beschossen die im Lager befindlichen englischen Truppen den Feind, der sich aus den benachbarten Hügeln angesammelt hatte, mit einigen Granatschüfsen. Die Verluste der Engländer in dem gestrigen Gefechte betragen nach Weiteren Ermittelungen 21 Todte und 42 Verwundete. (Weitere Telegramme siehe am Schluß des redaktionellen TheileS.) Billige rkrzenei Eine Frage des Patentrechts. In neuerer Zeit hat das Urheberrecht einen früher nicht ge kannten Schutz erfahren. Wer immer ein Kind seiner geistigen Laune mit einem Ursprungszeugniß in die Welt schickt» sei es ein Feuilleton »der ein Buch, eine Zeichnung oder eine Erfindung, ein Modell oder ein Waarenzeichen, er hat ein ausschließliches Recht auf die Berwerthung und kann jedem Nachfolger die Benutzung verwehren, wäre er auch selbständig auf denselben Gedanken gekommen. Leibnitz und Newton stritten sich um die Urheberschaft der gleichen Erfindung. Heute macht man solchen Streitigkeiten bald ein Ende. Wer das Patent besitzt, ist der Wohlthäter der Menschheit. Alles hängt am Patent, Alles drängt nach dem Patent, als ob der geistige Adel der Gegenwart gar keinen anderen Gedanken mehr hätte, als Geld aus den Früchten des Geistes zu schlagen. Jede Arbeit ist ihres Lohnes Werth, gewiß! Und wenn ein emsiger, rastloser, gedankenreicher Mann den Schlaf seiner Nächte, den Schweiß seiner Hände opfert in der Verfolgung einer Idee, so soll er auch die Früchte genießen, die ihm am Ziel seiner Wünsche winken. Gegen den Schutz des Urheberrechtes an sich sind daher keine Einwendungen zu wachen. Allein jede Uebertreibung eines richtigen Prinzips führt zu ganz unsinnigen Konsequenzen. Das höchste Recht wird zum höchsten Unrecht. Als Jenner die Schutz pocken entdeckt hatte, wäre er zum Verbrecher an der Menschheit geworden, hätte er sein Geheimniß nur einen Tag bewahrt oder gar ein Patent auf das Jmpssystem genommen und von jeder Schutzpocke eine Steuer erhoben. Was hätte wohl die Welt dazu gesagt, wenn Lister die antiseptische Wundbehandlung sich hätte patentiren lassen und sich die Anfertigung und den Verkauf der „Lister'schen Verbände" für seine Person oder seine Rechtsnachfolger Vorbehalten hätte? Solche engherzigen Spekulationen sind eines Jobbers würdig, nicht aber eines Mannes der Wissenschaft, eines echten Freundes der leidenden Menschheit. Die Wahrheit wie das Volksvohl wollen geliebt und erstrebt sein um ihrer selbst willen, nicht um der Kronen willen, die dabei abfallen können. Ueber dem Rechte des Einzelnen auf Ausbeutung seiner Er findung steht zweifellos in gewissen Fällen das Recht der Gesammt- heit auf deren Benutzung. Man setze einmal den Fall, ein Techniker hätte das Glück, eine so vollendete Schußwaffe zu erfinden, daß sich für eine Armee ganz neue Bahnen «öffneten. In keinem Lande wäre ein Zweifel darüber, daß jetzt der Stein des Weisen gesunden und nur jenes Reich des Sieges gewiß sei, welche» die neue Waffe geführt habe. Wie nun, wenn der Erfinder überall sein Patentrecht durchgesetzt und die Anfertigung der neuen Waffe verbietet. Glaubt man, daß die Staaten warten würden, bis sein Patent hinfällig ge worden? Wir hegen dagegen gelinde Zweifel. Man würde dem Manne eine Abfindung bieten und, wenn er sie zurückweist, sich nicht weiter um ihn kümmern. Eine solche Waffe aber ist wirklich jüngst erfunden worden, nur freilich gegen einen bösen Feind, besten Bekämpfung sich die Staaten nicht ebenso angelegen sein lasten, wie die Sorge gegen die getreuen Nachbarn im Osten und Westen. Und doch wüihet dieser Feind in allen Landen selbst in Friedenszeit, richtet Verheerungen und namen loses Elend an. Es sind die unheimlichen Gaben aus Pandora's Büchse, die bösen Krankheiten, die schreckhaften Seuchen, die zehrenden Fieber. Wenn hente ein Gelehrter ein wirksames Mittel gegen die Cholera entdeckte, hieße es nicht aller Menschlichkeit in dis Gesicht schlagen, wollte man ein Patent auf das Medikament nehmen und dasselbe vertheuern, will sagen den Masten die Benutzung erschweren oder ganz unmöglich machen? An einem solchen Patente klebte Menschenblut, und wehe den Hartherzigen, die sich mit solchem Golde bereichern wollten! Billige Arznei ist eine so zweifellose, so unantast bare Forderung der ursprünglichsten Humanität, daß jede Begründung dieses Verlangens vom Nebel ist. Allein gegen diese Forderung ist oft gefehlt worden und wird noch ge fehlt. Ein drastisches Beispiel ist aus der unmittelbaren Gegenwart beizubringen. Vor Jahresfrist etwa hat ein deutscher Gelehrter eine besondere chemische Verbindung hergestellt — ähnlich wie es vor mehreren Jahren mit der Salicylsäure ging — welche sich von ge radezu verblüffender Wirkung in der Medizin gezeigt hat. Das neue Mittel, Antipyrin genannt, wird seit Monaten in allen Kranken häusern erprobt, und die Fachblätter find des Lobe- voll und häufen Verherrlichung auf Verherrlichung. Antipyrin gilt heute bereits als das fast souveräne Mittel gegen Fieberhitze; es wird mit überraschen dem Erfolge — wenn auch natürlich nicht unfehlbar — so gut bei Typhus wie bei Scharlach, bei DiphtheritiS wie bei Kindbettsieber gebraucht, auch dort, wo alle andern Mittel im Stich lasten. Wenn die Hoffnungen nicht übertrieben sind, wird das Antipyrin alle anderen Fiebermittel fast gänzlich verdrängen. Nun aber wird dieses Antipyrin allein und ausschließlich kraft Hres Patentes von einer einzigen deutschen Fabrik hergestellt. Jede Apotheke muß das Mittel, welches sie selbst mit Leichtigkeit anfertigen könnte, von dieser Fabrik beziehen und den geforderten Preis wider spruchslos zahlen. Und dieser Preis ist nicht niedrig. Für drei Gramm Antipyrin haben wir zwei Mark bezahlen muffen und die medizinischen Zeitschriften berichten» daß einzelnen Typhuskrc-.iken sechszig, siebzig und mehr Gramm Antipyrin verabreicht werden mußten. Für minder begüterte Familien kann diese Ausgabe daher recht be trächtlich werden, für manche gewiß auch unerschwinglich. Dadurch aber wird dem Segen der neuen Erfindung bedeutend Abbruch ge- than zum Schaden der Menschheit und gerade der ohnehin noth- lcidcndcn Menschheit. Bei der heutigen Entwickelung des Staates ist es nicht ausgeschlossen, daß einst Jedermann auf Borschrlst de» Arztes die Heilmittel unentgeltlich, will sagen, aus Koste» der Ge- sammtheit, beziehen kann. Wir würden diese Einrichtung freudig be grüßen. So lange dieselbe aber nicht getroffen ist, ist der Ruf nur um so lauter zu wiederholen : Wenigstens thunlichst Wohlfelle Arznei, welche Gegenstand der monopolisirten Ausbeutung ist. Freilich Jeder ist sich selbst der Nächste, und wir kennen di« Motive nicht, welche in diesem und ähnlichen Fällen zur Nachsnchung von Patenten geführt haben. Wir wollen nicht den Stab über all« Erfinder brechen, welche, bewußt oder unbewußt, zu Spekulanten werden. Sind sie doch oft genug Opfer von Unternehmern, welch« ihnen selbst um ein Spottgeld Erfindung und Patent abkaufen, nm sie selbst nach Gebühr zu .fruktifiziren" I Allein es giebt einen Mittel weg, aus dem sich das allgemeine Interesse mit dem Privatinterefs« versöhnen läßt. In Fällen, in denen die Ausbeutung des Patent- öffentlichen Schaden bringen kann, sollte der Staat die Aufgabe habe« und erfüllen, dem geistigen Urheber die Erfindung abzukausen, ihm eine angemessene, von Sachverständigen zu bestimmende Entschädigung zu gewähren und dann die Erfindung freizugebe«, auf daß sie Jeder mann leicht zu Nutzen komme. Dieses Einschreiten wäre eines Kultur staates würdig — und diese Ideen sollen nur eine Anregung biete«, ohne die Frage sofort zum Abschluß zu bringen. (Berl. Ztg.l Motttische Rurrrfcha«. Deutsches Reich. Der Reichstag hat sich Sonnabend bei der zweiten Berathung der allgemeinen Rechnung über denReichs- haushalts-Etat pro 1880,81 mit einer staatsrechtlichen Frage vo» höchster Wichtigkeit beschäftigt, die bereits früher den Gegenstand einer Meinungsverschiedenheit zwischen Regierung und Volksvertretung ge bildet hat. Es sind nämlich durch königliche Ordre, gegengezeichnet von dem Kriegsminister, an den Fiskus zu leistende Zahlungen z» Unrecht nachgesehen worden. Der Abg. Meyer-Halle hatte dazu de« Antrag eingebracht, der Reichstag möge diese auch von dem Rech nungshöfe monirten außeretatsmäßigen Ausgaben „nachträglich be willigen". Es soll durch diesen Antrag ausgedrückt werden, daß der Reichstag zwar die sachliche Verwendung jener Ausgaben anerkennt und gegen die Nothwendigkeit derselben nichts einzuwenden hat, daß er aber die bloße Niederschlagung durch königliche Ordre gegenüber dem Budgetrechte des Reichstags nicht für gerechtfertigt hält. Der Herr Kriegsminister trat dieser Auffassung mit gewohnter Schneidigkeit entgegen. Seine Art der Bertheidigung hatte jedoch wenig Erfolg. Die Ansicht des Kriegsministers, daß hier nur ein Gnadenakt de- Königs vorliege, wurde auch von konservativer Seite als eine un richtige zurückgewiesen, und die Majorität stimmte nach der Begrün dung Hänel's und des Abgeordneten vr. Meyer dem Anträge des Letzteren zu. Nachdem diese sehr lange und eingehende Debatte er ledigt war, wurde noch die Novelle zum Reichsbeamtengesctz und der Gesetzentwurf betreffend die Befugniß gewisser Gattungen von See schiffen zur Führung der Reichsflagge in zweiter Lesung angenommen. Auf der Tagesordnung der Montagssitzung stehen Dampsersubventio« und Zolltarif. — Im preußischen Abgevrdnetenhause, welches ebenso wie da- Herrenhaus eine Reihe kleinerer Vorlagen erledigte, knüpfte sich eine längere Debatte nur an den Gesetzentwurf betreffend die Ver sorgung der Hinterbliebenen des PolizeiratheS Rumpfs. Der Abge ordnete Dirichlet machte gegen den Entwurf dieselben Bedenke« geltend und wurde darin von dem Abgeordneten Windthorst zum Theil unterstützt. Seinen ursprünglichen Antrag, die Vorlage an eine Kommission zu verweisen, zog Herr Dirichlet jedoch nachträglich zurück, damit man in demselben nicht die Absicht einer Schwächung der Exekutive erblicke. Herr von Puttkamer hielt die Motivirung der Vorlage aufrecht. Die einstimmige Annahme des Gesetzentwürfe» in erster und zweiter Lesung ist als eine Zustimmung zu den vo« Herrn von Puttkamer ausgesprochenen Gründen gewiß kau« anzu sehen. Nächste Sitzung Montag 10 Uhr. — Am Sonnabend Nachmittag fand im kaiserlichen Palais zn Berlin ein Diner von 200 Gedecken statt, wozu die Mitglieder des preußischen Königshauses, sämmtliche in Berlin anwesende fürstliche« Gäste mit Gefolge und die Gesandten theilnahmen. — Der Geburts tag Sr. Maj. des Kaisers war auch gleichzeitig ein militärischer