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Hped. «. Redaktion KeeSSen-Renftadt L Meißner Gasse 4. Lie Zeitung erscheint Dienstag, : Loanersta« und rauuabenD früh. Ndennnaent»- Preis: HierttljShrl. Mk. 1^0. Zu deziehrn durch die laiserlichen Post- mstalkn und durch unsere Boten. Bei freier Lieferung K, Hau» erhebt die Hs, noch eine Ge- Mr »on 2S Psg. Sächsische D och nlung. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Sandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaftm Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften de- kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. verantwortlicher Redakteur und Verleger .Herrmann Müller in Dresden. Inserate werden diS Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und tosten: dielfpalt.Zeile 15Pfg. Unter Eingesandt: SV Psg. Inseraten« Annahmestelle« r Die Arnoldisch« Buchhandlung, Jnvalidendant, Haascnstein LBogler^ Rudolf Mosse, G. L. Daube « To. in Dresden, Leimig, Hamburg, Berlin, Frankfurt a/M. u. s. w. Ar. 98. Sonnabend, den 2V. August 1887. 49. Jahrgang. Politische Weltschau. Deutsche- Reich. SS liegt eine bittere Ironie darin, daß unmittelbar nach dem prunkvollen Leichen« begängnifse Katkoff'- die bulgarische Angelegenheit eine für Rußland- Ansehen so kritische Wendung genommen hat, denn eS ist vollkommen klar, daß Rußland sich Bulgarien gegenüber in einer Sackgasse befindet, auS der eS weder vor noch rückwärts kann. Die- ist — darüber kann kein Zweifel sein — die Frucht der Kat- kossschen Politik, die in Petersburg geerntet wird. Die Kenner der russischen Sprache rühmen die Schönheit und den Schwung der Artikel, in welchen Katkoff die bulgarische Frage behandelte. Ganz Europa klingen sie noch in den Ohren. Wie überschüttete er die Feig heit und Halbheit der russischen Diplomatie mit bitteren Epigrammen, wie stigmatisirte er jede Neigung, mit Europa Fühlung zu nehmen, als Berrath an der heiligen Lache Rußlands! Und eia ganzer Chor von Zeitungen gab dazu daS volltönende Echo. Jetzt ist Katkoff tobt, aber die Verlegenheiten, in der sein überschießender blinder Eifer Rußland gebracht hat, find nicht mit ihm begraben worden. Der Rath, io Bulgarien einzumar» schiren, ist ja bald ertheilt; allein selbst die panslavisti- scheu Blätter, wenn sie nicht geradezu pessimistische Politik treiben, scheuen davor zurück, weil sie sich die Verlegenheiten vergegenwärtigen, in welche der Versuch, Bulgarien zu „pacificiren", Rußland bringen müßte. Ob Rußland sich bei dem Einrücken io Bulgarien an- demr.Ac-nsrn gegenüber befinden werde als der bulga rischen Armee ist mindestens zweifelhaft. Und Rußland ist selbstverständlich im Stande, allein mit Bulgarien fertig zu werden, auch wenn diese- sich in seine Festungen tioschlitßen sollte. Aber Rußland bedarf zu einer solchen Aktion einer Armee, die einerseits groß genug sein müßte, die Bulgaren zu besiegen und andererseits nicht so stark sein dürfte, um den Balkaomächten Miß trauen eiozuflößen. Die russische Armee in Bulgarien stände sozusagen in der Luft. Ein Druck seitens der Militärmächte, die sie umgeben, würde schicksalsvoll für die russischen Divisionen werden und Rußland fände sich dann gerade an der Stelle evgagirt, wo eS den auf« tauchenden Gegnern die schwächste Seite bietet. Ein neuer Aderlaß an Blut und Geld müßte aber an Ruß land sehr bedeutend zehren. Ein derartige- Experiment kann also Rußland nicht reizen. So ist eS doch wieder daö von Katkoff so geschmähte Europa, an welches Rußland sich um Hilfe zu wenden hätte. Welche Chancen Europa hat, mit den Bulgaren fertig zu werden, daS ist vielleicht noch nicht einmal die erste Frage; die Ausnahmestellung, in welcher Rußland sich befindet, lastet auf seiner Stellung, seinem Ansehen und seinem Selbstgefühle. Die Idee der Einberufung einer europäischen Konferenz taucht unter diesen Umständen wieder auf und dürfte sich bei dieser Gelegenheit ergeben, daß alle europäischen Mächte und zwar ohne Ausnahme den Prinzen von Koburg als Fürsten von Bulgarien für ungeeignet halten. Welche Stellung Rußland der bulgarischen Frage gegenüber einnehmen wird, darauf darf man mit Recht gespannt sein. Am 18. d. M., alS am JahreStage der ruhmreichen Schlacht von Gravelotte-St. Privat, fand im Marmorsaale deS königlichen Schlosses zu Pots dam die feierliche Weihe der 29 Fahnen statt, welche den im April dieses JahreS neu formirten Regimentern und Bataillonen verliehen worden find. Zum Zwecke der Einweihung dieser Feldzeichen waren im Marmor- palaiS unter den Standbildern der Prinzen von Oranien zehn mit Purpur-Sammetdecken bedeckte Tische aufge stellt, auf denen je drei Fahnen auSgebreitet lagen. Die Anordnungen für die Frier waren dem Generalmajor v. Versen und dem Oberstleutnant KrokisiuS, Abthei- lungschef im Kriegsministerium, übertragen worden. Den Fahnentischen gegenüber befand sich der zur Fahnen weihe aufgestellte Altar und recht- neben demselben die rothen gvldverzierten Sessel für den Hof. Punkt 10 V, Uhr wurde auf dem königl. Stadtschlvffe die Standarte der Kaiserin gehißt, welche eben daS Schloß betreten hatte. Ihre Majestät trug daS große Band deS Schwarzen AdlerordenS, sowie die übrigen hohen Orden. Durch daS Aufhiffen der Standarte der Kaiserin wurde eS der zahlreich vor dem PalaiS versammelten Menschen menge zur Gewißheit, daß der Kaiser durch Unwohl sein verhindert war, persönlich an der Feier theilzu« nehmen. Die Feier nahm in Gegenwart der Kaiserin, sowie der Prinzen und Prinzessinnen deS königlichen Hauses ihren Anfang. Nachdem Prinz Wilhelm auf jede der Fahnen den ersten Nagel im Namen Seiner Majestät deS Kaiser- eingeschlagen hatte, schlug Ihre Majestät die Kaiserin den zweiten Nagel ein. Nach Beendigung der eigentlichen Feier trat der Feld probst vr. Richter vor den Altar. Derselbe wie- auf die Hobe Bedeutung der Feldzeichen hin und segnete zum Schluffe die Fahnen ein. Hierauf begaben sich die Führer mit den neuen Fahnen zu der im Lustgarten aufgestellten Leibkompagnie deS 1. GarderegimenleS zu Fuß (mit den historischen Blechmützen) und hier fand nun ein Vorbeimarsch derselben vor dem Prinzen Wil helm statt. In den oberen Gemächern deS königlichen Stadtschlvffe- wurde sodann ein Dejeuner abgehalten, an welchem, außer den höchsten Herrschaften, verschiedene Regimentskommandeure theilnahmen. Troy aller Warnungen vor der Auswanderung nach Brasilien und Paraguay fährt der deutsche Ko- louialvereia fort, für dieselbe zu agitireu. So findet sich jetzt in mehreren Blättern folgende Notiz: .Die „Südamerikanische KoloaisatioaSgesellschaft zu Leipzig" ist, wie der .Deutschen Kolonkalztg." mitgetheilt wird, in der Lage und bereit, einem Theile der auS Rußland aus gewiesenen deutschen Landwirthe und Gewerbetreibenden in ihrer Kolonie in Paraguay unter günstigen Be dingungen Aufnahme zu gewähren." Man weiß ja, daß diese Herren AuSwanderungSagenteo keine Gelegen heit vorübergehen lassen, für ihre Zwecke Reklame zu machen. Aber unerhört ist eS, daß fie die unglückliche Lage, in der fich manche auS Rußland AuSgewiesene defiaden, für sich auSzunutzea versuchen. Wir können vor diesem .Bauernfang" nicht eindringlich genug waruen. Von der Auswanderung nach Paraguay muß noch weit ernster abgemahnt werden, alS von der nach Brasilien. Verschiedene Getreidehändler und Mühleabefitzer in der Altmark haben dem Reichskanzler eine Petition übersandt, der zufolge künftighin die Einfuhr von ausländischem Getreide insofern gesetzlich beschränkt werden soll, als man nur Roggen besserer Qualität zum Importe zulaffen will. Schleunige Maaßregeln seien geboten — so heißt eS in der Petition — um die Überschwemmung deS deutschen Markte- mit Getreide geringwerthiger Qualität zu verhindern. Dem gegen über möchten wir bemerken: Soll diesem Vorschläge entsprechend gegen den Import geringwerthiger Getreide qualitäten feiten- der Reichsregierung eingeschrittea werden, so thäte man namentlich in der Provinz Sachsen gut, zunächst vor der eigenen Thüre zu kehren. Gerade in dieser Provinz hat der Anbau deS englischen Raoh- weizevS, d. h. der geringsten, schlechtesten Weizeuqualität, welche ein kaum backsähigeS Mehl liefert, außerordent liche Dimensionen angenommen und dieser Anbau ist besonder- gefördert worden durch den hohen Zollschutz, welchen der bestehende Weizenzoll in viel stärkerem Maaße für die geringwerthigen als für die werthvollen Weizensorten gewährt. Zur Charakteristik der Kleinstaaterei, die trotz aller nationalen Errungenschaften vielfach noch immer ihr Unwesen treibt, schreibt man auS Zeulenroda: Wie hoch von jeher in gewissen Kreisen in Reuß L. L. der deutsche Gedanke gehalten wurde, ist bekannt. Hier ein neue- Pröbchen! Der Militärverein ia Zeulenroda be schloß, fich eine neue Fahne aozuschaffea und man wurde dahin schlüsfig, die eine Seite in schwarz-roth-gold, den reußischen Lande-farben und mit dem reußischea Wappen in der Mitte, die andere Seite aber weiß, mit dem lorbeerumkränzten Reichsadler in der Mitte und mit der Umschrift: .Mit Gott für Kaiser, Fürst und Vaterland- Herstellen zu lassen. ArgloS wurde die Fahne dem betreffenden Fabrikanten in Auftrag gegeben Feuilleton. Schatten! Kriminal-Novelle von N. I. Anders. (18. Fortsetzung) Der biedere Arbeiter war höchst erstaunt über diesen Vorschlag. Er konnte eS nicht fassen, daß der Vornehme Herr fich in seiner Gesellschaft amüfireo wollte. ».Herr Doktor, Sie sind so gütig", sprach er ver legen ausweichend, .aber ich kann eS kaum annehmen. Die Leute hier im Orte würden mich für einen leicht sinnigen Menschen halten, wenn ich plötzlich an einem Werktage wie ein vornehmer Herr mtt meiner Familie auSfahre, um mich zu vergnügen WaS sollte man denn auch von Ihnen denken, wenn Sie mit unS armen Leuten «inen derartigen Ausflug unternehmen?" „Wir können da- zu Ihrer Beruhigung auch ander- einrichten", sagte Kühn, .Sie verlassen allein D., gehen zu Fuß eine Strecke voran- und bet dem Erlevgebüsche auf dem Wege nach F. treffen wir zusammen. Daan besteigen Sie meinen Wagen und wir begeben unS zu sammen nach F., von wo auS wir die Bahn benutzen, die uaS schnell in die aamuthigste Gegend führen soll. Abend- kehren wir zorück und ich nehm« dann da- Be wußtsein mit, uuserer kleinen Patientin noch einen recht heiteren Tag bereitet zu haben." Bei Erwähnung deS ErlengebüscheS war die kleine Anna ängstlich zur Mutter getreten, dieselbe umklammernd, alS wolle sie bei ihr Schutz suchen. .Geht e- denn nicht", fragte deren Vater, .daß wir einen andern Punkt, als gerade daS Gebüsch zur Zusammenkunft wählen? Sie sehen, Herr Doktor, daS Kind denkt immer noch mit Schrecken an diesen Ort und sie könnte unS leicht von Neuem erkranken." .DaS soll fie nicht. Im Gegelltheile fie wird und daS ist mit meine Absicht, vollständig gesund werden, wenn sie sich überzeugt hat, daß der Schalten etwa- ganz Natürliches ist. Außerdem befindet sie sich ja in Gesellschaft der Aeltern und Geschwister und da dürfte eine so alltägliche Erscheinung nicht gefährlich auf sie wirken. Ich bin der Überzeugung, daß sie, wenn fie einmal weiß, auf wie natürliche Weise ein Schatten entsteht, auch die letzte Angst verlieren wird, welche von dem SchreckenStage an noch geblieben ist. „Nicht wahr, Anna", sprach er, daS Kind freundlich an fich ziehend, „Do bist ein vernünftige- Mädchen und wirst Dich nicht fürchten, wenn Du bei Deinen Aeltern bist, die Andern würde« Dich ja auSlachen und da- willst Du doch nicht?" „Gewiß fürchte ich mich nicht", sprach da- Kind, die großen blauen Augen vertrauensvoll zu Kühn er hebend, .wenn Vater und Mutter bei mir find. Aber damals war ich so ganz allein und kein Mensch in der Nähe und der Schatten war so groß, daß er mir fast bis an die Küße reichte und er hatte einen so mächtigen Hut, so groß wie da- Rad an deS Nachbar- Arbeit-« wagen. Aber wenn Vater und Mutter bei mir find und Sie, dann fürchte ich mich nicht." „Na, sehen Sie", lächelte Kühn, „ich wußte ja, daß unsere kleine Anna nicht so furchtsam ist und ich gebe Ihnen die Versicherung, daß Sie von der Pattie ein vollkommen gesunde- Kind mit nach Hause bringen. ES bleibt also dabei, Sie gehen früh um acht voraus und erwarten unS am Erlengebüsche. Dort warten Sie, biS ich komme und dann fahren wir nach F. und machen unS einen vergnügten Tag. Anna muß doch einmal sehen, wie eS sich auf der Eisenbahn fährt." Unter dem Jubel der Kinder und dem Danke der Aeltern verließ Kühn daS kleine HäoSchen und suchte daS Gasthaus deS Dorfes auf. „Fatal", sprach er, alS er sich allein in seinem Zimmer befand, „eS hat fich Alles so lange verzögert, daß die höchste Gefahr für meinen Plan ist, wenn eS nicht morgen glückt, Brem zu überführen. Ist ein Urtheil vom Schwurgerichte einmal gefällt, so erschwert daS die Sache wesentlich. Ich werde außerdem die ersten Dispositionen ändern müssen. Der OrtSrichter mag ja eia ganz tüchtiger Mann sein, aber zu solchen Unternehmungen scheint er doch nicht recht geeignet. Da ist eS wohl daS Beste, ich lasse Greifmann von M. herüberkommen, der dann die Stelle deS Kutscher- ver» tritt. Er ist ein geschulter Beamter und wird am besten und zuverlässigsten meine Anordnungen auSführen." Nachdem er noch wenig« Worte auf «in Papier geschrieben, da- er zusammengefaltet in ein Kouvert steckte, begab er sich zur Ruhe. Ja W. herrschte am Tage darauf rege- Leben. Von weit und breit waren die Menschen herbeigeeilt, um der Verhandlung gegen den Raubmörder Rauh bei zuwohnen und der Sitzungssaal konnte die Erschienenen kaum zum zehnten Theile fassen, um so weniger, da der Zohörerraum nur für fünfzig bi- sech-zig Personen be rechnet war. Hinzmann war fast von Allen 1a der Gegend gekannt vad daher die Erbitterung gegen dessen Mörder eine so große, daß fich laute Verwünschungen