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154 Gletscher in dem Hochgebirge der Alpen mürbe gemacht, und als sich im Äonat September der warme Südwind (Sirocco) nebst einem endlosen Regenwetter einstellte, schmolz eine ungeheure Masse von Eis und Schnee, und die Gebirgsströme verließen ihr angewiesenes Bette und strömten ungestüm durch die fruchtbaren Thaler, AlÜs um sich her verwüstend und vernichtend. — Das unerwartete Auftreten des Herzogs von Bordeaux in Rom hat die päpstliche Regie rung in sichtliche Verlegenheit gesetzt. Der heilige Vater, der sich mittlerweile von seiner Krankheit erholt, hat daher Anstand genommen, den jungen französischen Kronprätendenten in öffentlicher Au dienz zu empfangen; Se. Heiligkeit möchte es doch nicht gern mit Ludwig Philipp verderben, denn dieser zeigt sich auch gefällig gegen den päpstlichen Stuhl, wie er erst neulich durch die Einsetzung eines christlich-katholischen Bischofs in dem mos- lemitischen Algier gezeigt hat. Oesterreich. Wien. Auf keiner Eisen bahn sind bis jetzt so viele Unglücksfälle vorgekorm men, als auf der Nordbahn. Der Kaiser hat da her diesem Umstande seine besondere Aufmerksam keit geschenkt, und es ist dem Directorio bekannt gemacht worden, daß bei dem nächsten Unglücks fall eine Strafe vvn 10,000 Fl. C.-M. zu gewär tigen sey. Die Wiener meinen, es sey nöthig, Niemandem das Fahren auf der Eisenbahn zu ge- , stattens der sich nicht über doppelte Glieder auszu weisen vermöge. Die Führer der Locomotiven, lauter Engländer, hatten bereits früher erklärt, daß sie, im Falle man einen Einzelnen unter ihnen wegen Fahrlässigkeit bestrafe, alle ihren Abschied nehmen würden. Der Tod hat die Reihen der Legitimisten wie- * der um eine Notabilitat gebracht. Am 17. Nov. starb zu Wien der Herzog von Blacas, einer der treuesten Anhänger Karl's X. von Frankreich, im 69sten Lebensjahre. Er wird als ein sehr ehren- werther Mann geschildert, und die Armen in sei ner Umgebung verlieren einen ihrer größten Wohl- thäter. Er hinterläßt seiner Familie ein bedeuten des Vermögen. Ungarn geht sowohl durch die verständige Vorsorge seines Königs als durch die neuesten Be schlüsse des Reichstags einer schönen Zukunft ent gegen. Um den Handel mit Getreide, dem größ ten Reichthume des Landes, zu beleben und mög lichst zu begünstigen, ist fünf ungarischen Häfen, Fium§ an der Spitze, die Begünstigung ertheilt worden, daß aller daselbst befindliche Getreidevor- rath auch dann frei ausgeführt werden darf, wenn übrigens für die Monarchie die Nothwendigkeit ei nes Vorrathes im Allgemeinen eingetreten ist. Auch Karlstadt ist hierin einbegriffen, von wo alles da selbst zur Zeit des ergangenen Ausfuhrverbotes auf gespeicherte Getreide binnen sechs Monaten in die bezeichneten Hafen gebracht und ausgesührt wer den darf. Es läßt sich voraussehen, daß überall - hier reiche Fruchtdepots angelegt werden und der Handel im Lande, sowie mit den auswärtigen Kornmärkten, namentlich mit England, dadurch einen lebhafteren Aufschwung erhalten wird. In Prag und überhaupt in Böhmen klagt man über Geschäftsstockung und dadurch herbeige- führten Geldmangel, auch drohen die immer mehr steigenden Preise der Lebensmittel für die ärmere Klasse sehr bedenklich zu werden. Deutschland. Hanover. Nach abgelauf- ner Strafzeit ist endlich der vr. König aus Oste roda, bekannt als Verfasser der 1830 so viel Auf sehen erregenden Schrift: „Anklage des Ministe riums Munster", freigelassen worden. - Die gro ßen Leiden, welche er während seiner neunjähri gen Gefangenschaft, die ihm besonders in den letz ten zwei Jahren hart und drückend geworden war, erduldet, wurden durch die zahlreichen Un terstützungen, welche ihm aus allen Theilen Deutsch lands zugesendet worden, einigermaßen gemildert. — Hanover ist noch immer in jenem unglückli chen Zustandewelcher durch die Aufhebung der Verfassung hervorgerufen worden ist; Niemand weiß, was eigentlich Rechtens ist. Die Regie rung erlaubt sich Alles, und es ist eine Menge von Untersuchungen anhängig, die mehrentheils gegen Corporationen und Individuen eingeleitet worden sind, welche sich trotz aller Gegenverfügungen ver anlaßt gesehen, nach der von ihnen Geschworenen Verfassung zu handeln. Die Ständeversamm lung ist noch immer vertagt. In Mainz sind am 18. Novbr. die Assisen für Rheinhessen eröffnet worden, und es liegen den Geschworenen 35 Criminalprocesse vor. Auf sehen erregt die Geschichte eines Gauners und Erzspitzbuben, Namens Göbel, der sein schmäh liches Gewerbe sehr lange getrieben, ohne daß man den geringsten Verdacht gegen ihn gehabt hätte. Der Jnstructionsrichter, ein bejahrter Mann, der schon in der Angelegenheit des Schinderhan- nes mitwirkte und seitdem so viele Hunderte von Verbrechern inquirirte, ist ganz erstaunt gewesen über die Dinge, welche Göbel mit einer unglaub lichen Gleichgültigkeit ihm offenbarte, nachdem ein Versuch, durchzubrechen, mißlungen war. Ein anderer Gauner der dasigen Gegend hat sich der gerechten. Strafe durch die Flucht entzo gen. Der katholische Pfarrer Koch zu Neustadt am Odenwalds hatte von den Behörden, die na türlich in den Charakter eines Geistlichen und Seelsorgers kein Mißtrauen setzen konnten, die Erlaubniß erhalren, im Großherzogthume Hessen Geld zur Erbauung einer neuen Kirche in seinem Orte zu sammeln. Leute von beiden Confessionen hatten zu dem guten Werke so reichlich beigesteu ert, daß binnen der verhältnißmäßig kurzen Zeit die zusammengebrachte Summe sich auf 6—8000 Fl. belief. Mit dieser machte sich der ungetreue Hirt, seine ihm anvertraute Heerde im "Stiche lassend, aus dem Staube, nachdem er noch einen jüdischen Noßhändler um den Kausschilling für ein Pferd betrogen hatte, trabte nach Hamburg