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94 redete er den ihm angemeldeten Fremden höflich an und that — qua8i re bene Aesta — als wenn weiter gar nichts vorgefallen wäre.— Von den verschiedenen Kleidertrachten der Frauen und Fräuleins schweige ich; die Mode-Journale seit 50 Jahren gesammelt und immer wieder neu aufgelegt und benutzt, geben den besten Beleg dazu. Die Sitte, die ungepuderten Haare in natürli cher Schönheit zu ordnen, ist sehr wohlgefällig und lobenswerth und dem Leint des Gesichtes am zuträglichsten. Die ekelhafte Sitte des Schmin kens bleibt, als nothwendiges Uebel, bloß dem Theater überlassen! — Ein blasses Gesicht hat ja auch seine Reize! — 13 .) Sonst tranken die Frauen von 3—4 Uhr Kaffee und luden sogenannte Kaffee-Visiten dazu ein, um zu plaudern und Stadtneuigkeiten sich einander mitzutheilen. Jetzt trinkt man den Kaf fee gleich bei Tische, oft aus Biergläsern, wie ich hier und in Paris bemerkt habe und ladet seine Gäste zum Thee und Kartenspiele und kostba rer (?) kalten Küche ein. * * ) Die armen Ehemänner haben oft blos das Zusehen dabei oder gehen in ihre Abendgesellschaf ten. — 14 .) Ehemals wurden auf jedem Balle sehr anständige gracieuse Menuetten getanzt; die schei nen ganz aus der Mode gekommen zu seyn und das mit Recht, weil es der schwerste Tam ist, in welchem das ächte Lanztalenk sich in schönster Glorie Zeigen kann. So sah ich in Paris das pantomimische Spiel: „Nina, solle par amour" aufführen, in welchem zwei Herren und zwei Damen, die vollendetsten Operntänzer und Tänzerinnen der damaligen Zeit (1825) gemeinschaftlich Menuet tanzten. Nie habe ich etwas Schöneres und Vollende teres gesehen! Die Herren erschienen in grüner Uniform, weißseidenen Strümpfen und glänzenden Schuhen, behielten den kurzen Degen an der Seite und setzten, während des Tanzens — ver- muthlich nach ächt spanischer Sitte — die Hüte auf den Kopf. — Die Damen waren L la kran- yaise sehr elAant gekleidet. Das Orchester spielte die herrliche Melodie der Menuet aus Don Juan. Es war bezaubernd schön, hinreißend zum lebhaf- - - testen Enthusiasmus!! Der verstorbene Fürst *** bemerkte einst, daß Menuet der künstlichste Tanz sey und fügte mit bescheidener Selbstgefälligkeit hinzu: Ich war sonst auch in Pans; damals gab es nur drei Männer ,in Europa, die Menuet zu tanzen verstanden; der erste war Vestriß der Vater, der zweite der Prince de Ligne und der dritte war — ich! — ' *) Der Verf. kann das Kaffeetrinken bei Tische nur in wenig vornehmen Häusern gesehen haben; in Gläsern? ist, wie dem Verf. wohlbekannt, in ganz Rußland der Fall, ichßiWM nicht hier. D. R. Nun ruhen die drei unsterblichen Mcnuet-Ta- lente längst im Grabe! (Beschluß folgt.) Dre Abgüsse der sogenannten Elgin-Mar bles in einem der Zwingerpavillons zu Dresden. - Diese Bruchstücke der plastischen Kunst aus dem goldenen Zeitalter der Künste in Grie chenland haben ihrer Vortrefflichkeit wegen ein hohes Interesse für den ausübenden Künstler und den wirklichen Kunstliebhaber, d. h., für Einen, der etwas von der Sache versteht und nicht blos zu vetstehen affectirt. Da es vielen Le sern nicht unlieb seyn mag, etwas Genaueres da rüber zu erfahren, so wollen wir ihnen ill zwei Worten die Geschichte dieser Kunstfragmente mittheilen.— Ein reicher Engländer, Lord El gin, verspürte eine große Lust, Denkmale aus dem griechischen Alterthume zu sammeln und be reiste daher, nachdem er 1799 als engl. Gesand ter in Constantinopel gewesen, im folgenden Jahre Griechenland. „Die Zerstörungswuth der Tür- km," sagt der Artikel im Conversations-Lexicon, „von der sich Lord Elgin bei seiner Anwesenheit in Athen selbst überzeugte, bewog ihn zu dem Entschlusse, so viele Werke der Sculptur, als mög lich war, vom Untergange zu retten und sie aus Griechenland nach England zu bringen, um sie so der Welt zu erhalten. Durch Anstrengungen und Aufopferungen, d. h. Bestechungen, gelang es ihm, aus den zerstörten Tempeln in Athen u. s. w. eine kostbare Sammlung von griechischen Bildwerken, an Bildsäulen, Reliefs, Capitä- lern, Friesen, Kränzen und Säulen zusam menzubringen." Diese im persischen Kanzlei style geschriebenen Perioden wollen wir den Lesern verdeutschen. Sie lauten aus der Sprache der Schmeichelei in die Sprache der Wahrheit über getragen also: Lord E. sah die großartigen Ue- berbleibsel des alten Parthenon mit seinon wun derschönen Reliefs, Capitälern, Friesen u. s. w. — Der Mund wässert ihm bei ihrem Anblicke und er argumentirte also: „die Türken haben schon viele Denkmale der Kunst zerstört — das ist wahr — sie könnten es daher mit diesem Schatze auch so machen oder ein Anderer könnte kommen und ihn wegsischen — es ist also das sicherste, gleich selbst Hand ans Werk zu legen und die Zerstörung zu beginnen." .So geschah es —.aber die Arbeiter waren sehr ungeschickt und manches köstliche Stück wurde denn Abnehmen zertrümmert, des Tempels selbst nicht zu gedenken. Wir haben dieses von einem Engländer, der Augenzeuge war — aber eine bessere Autorität für unsere Leser ist „der im Parlamente laut ausgesprochene"strenge Tadel über die Natur seiner köstlichen Erwerbungen bei den Verhandlungen wegen des Ankaufs derselben", und ein bekannter engl. Reisender, Clarke, nennt