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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 05.07.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188407056
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18840705
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18840705
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-07
- Tag 1884-07-05
-
Monat
1884-07
-
Jahr
1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 05.07.1884
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Chemnitzer Anzeiger nod Ttadtdote. Nr. 155. Sonnabend, 5 Juli 1884. Seite 2 O de« Abg. Wölffel, in der letzten Session mehrfach von dem bisher von ihr streng befolgten kalkulatorischen Prinzip loSgesagt. „Es war nämlich Praxis der Kommission geworden, selbst wenn die u geheuerlichsten Wahlbeeinflussungen, Konfiskation von Stimmzetteln, Be. Haltungen und Fesselungen von Zettelvertheilern, ungerechtfertigte Verweige- rung von Versammlungen und Versammlungslokalen Vorlagen, doch nur dann die Wahl für ungiltig zu erklären, wenn zisserinäflig nachzuweisen war, daß durch diese Manöver mindestens soviel Stimmen ungiltig seien, wie die Majorität der Gewählten betrug. Es wurde da ganz gewissenhast subtrahirt und addirt. Hatte ein Gendarm in einem Dorfe den Stimmzettel- vertheiler einer Partei verhaftet, so sagte die Kommission: 100 Wähler sind im Dorf, 70 haben gewählt, die fehlenden 30 würden gewählt haben, wenn der Zettelvertheiler nicht verhaftet worden wäre; folglich wollen wir die 30 Stimmen dem Kandidaten der Partei des Verhafteten zuzählen. So wurde rein kalkulatorisch verfahren- Nun ist aber doch klar, daß die Wirk ung amtlicher Wahlbceinflussungen sich gar nicht zissermäßig feststellen läßt; sie ist nicht melibar. Die Verhaftung eine- Agitators, das amtliche Verbot einer Versammlung üben eine einschüchternde Wirkung aus, soweit die Kunde von ihnen dringt. Wie weit da» ist, wie viele eingeschüchtert worden sind, gar nicht oder gegen ihre Ueberzeugung zu wählen, daß ist durchaus nicht nachzuweisen. Daher ist es mit Freuden zu begrüßen, daß die Kommission und mit ihr die Majorität des Reichstages sich m der letzten Zeit dazu ent schlossen hat, das rein kalkulatorische Prinzip aufzugeben und Wahlen, bei denen grobe amtliche Beeinflussungen konstatirt waren, für ungiltig zu er klären, wenn auch der zissermäßige Nachweis nicht erbracht war, daß durch die Beeinflussungen die Majorität zu Stande gekommen war." — DaS Schicksal der Dampfersubventions Vorlage bildet noch immer den Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Man kann sich nicht beruhigen, daß diese so unendlich wichtige nationale Sache im letzten Reichstage vereitelt worden ist. Handelskammern, Magistrate, Vereine (so auch, wie von uns kürzlich gemeldet, der hiesige „Deutsche Kolonial-Zweigverein" und der „Zweigverein für Handelsgeographie und Export") überbieten sich förmlich mit Vorstellungen an den Reichs kanzler, dahingehend, er möge unbeirrt um den temporären Mißerfolg, seine großen nationalen Ziele mit aller Energie weiter verfolgen und dabei sicher sein, daß die ganze Nation hinter ihm stehe. — In zwischen regnet eS auf die Herren Bamberger und Genoffen von allen Seiten Dementis, sowie Nachweise der unverantwortlichsten Leichtfertigkeit, mit der sie diese Vorlage behandelt haben. Der ganze Boden wurde ihnen unter den Füßen weggezogen, so daß sie nun mit allen ihren Behauptungen und Einreden in der Lust gaukeln. — Zur ungeheueren Verbitterung aller Deutschen trug nun auch noch die Nachricht bei, daß eS den Winkelzügen deS allezeit doppelzüngigen englischen Premiers gelungen ist, laut einer aus Melbourne einge troffenen, vom 1. d. M. datirenden Depesche fünf australische Kolonien zu bestimmen, der englischen Regierung zu erklären, daß sie die Kosten für Erweiterung der englischen Herrschaft in jenem westlichen Theile des Stillen Ozeans tragen wollen, in denen sich in der jüngsten Zeit viele Deutsche angesiedelt haben, die sich eben falls unter die Oberhoheit des Deutschen Reiches stellen wollten Dieses Prävenire der Engländer wird noch weitere Nachspiele haben, nachdem man sah, daß der deutsche Reichskanzler von der Vertretung des eigenen Volker im Stiche gelaffen wurde. Frankreich. Die Madagaskar-Kommission der französischen Deputirtenkammer schlägt die Bewilligung des von der Regierung be gehrten Kredits von fünf Millionen vor. Ein Theil dieser Summe wird für die Blokade aller Punkte an der madagassischen Küste, in denen Handel betrieben wird und in jenen, die für den Handelsbe trieb geeignet find, verwendet werden. Der Rest der Summe wird zur dauernden Besetzung gewisser Punkte dienen. Es ist davon die Rede, daß außer Tamatave und Vohemar, nördlich von der Ostküste, Majunga oder vielmehr ein Punkt oberhalb Majunga's, auf dem Gebiete, das die Straße von Tananarive beherrscht, endlich die Bucht von Si. Augustin und Fort Dauphin, besetzt werden sollen. Es ist jedoch möglich, daß diese Operationen, infolge des Angriffes von Langson, einen Aufschub erfahren werden. Niederlande. Wie der „Jndöpendance belge" aus dem Haag gemeldet wird, hat die niederländische Regierung bereits einen Ge setzentwurf vorbereitet, welcher die Vormundschaft der jungen Thron erbin Hollands regest. Der Königin Emma soll die Vormundschaft über ihr Töchterchen übertragen werden. Zur Seite wird ihr ein Bormundschaftsrath gestellt England. Die Londoner Konferenzverhandlungen machen schon etzt alle Miene, ebenso resultatlos zu verlaufen, wie die seinerzeitige Konstantinopler Konferenz wegen Egypten. Frankreich will England in der egypiischen Kommission zwar den Vorsitz, aber kein Veto ein- räumen; dadurch würde die Haupterrungenschafl Gladstones, die schließlich- Entscheidung über die egyptischen Finanzen, hinfällig, und auf die Sanktion der Konferenzbeschlüsse von Seiten des englischen Parlamentes wäre nun und nimmermehr zu rechnen. Rußland. Das militärische Rußland hat durch das am Dienstag zu Bad Soden bei Frankfurt erfolgte Ableben des berühmten Ingenieur „Generals Grafen Ev. Totleben" einen empfindlichen Verlust erlitten. Totleben ist durch seine ruhmvolle Vertheidigung von Sebastopol in ganz Europa bekannt geworden und ihm hauptsächlich verdanken auch die Russen im jüngsten Kriege mit der Türkei die Einnahme Plewnas und hiermit die Gefangennahme Osman Maschas und seines Heere». — Wie man der (deutschen) „St. Petersburger Ztg." mittheilt, befinden sich unter 224,000 Wehrpflichtigen, die in Rußland im No vember d I. einderufen werden, :,2,000 Einjährige. Somit befänden sich unter je acht zur Fahne gestellten russischen Rekruten je ein Ein jähriger. — Wenn hier kein arger Rechnungsfehler bezw kein Druck fehler vorliegt, so hätte die Schulbildung in Rußland solche Fort schritte gemacht, daß alle anderen Länder in den Schatten gestellt er scheinen. Es würde sich freilich noch darum handeln, welchen Grad von Wissen ein russischer Rekrut besitzen muß, um unter die Ein jährigen eingereiht werden zu können, sodann, mit weichem Grade von Strenge bei den Prüfungen vorgegangen wird, endlich, ob man sich auf dem in Rußland leider so sehr üblichen Wege der Bestechung, oder des Nepotismus rc., die Eigenschaft als Einjähriger erschleichen könnte. Aber sogar in dem Falle, als man zur Annahme berechtigt sein würde, daß 50 Prozent aller Zugelassenen ihren Zugang sozu sagen <rx 1,-x bewirken, würde die obige Ziffer in dem Falle, daß sie verlässig ist, noch immer ein lautredendcs Zeugniß für die eminenten Fortschritte ablegen, welche die Schulbildung in Rußland im letzten Dezennium machte. Egypten. In das momentane Stillleben der egyptischen An gelegenheiten platzt der Telegraph mit der Meldung hinein, daß 12000 Insurgenten die Stadt D e b b a h eingenommen und die dortige Garnison mit sammt den Einwohnern, etwa 3<00 Personen, nieder gemetzelt habe. Andererseits will die englische Regierung Depeschen erhalten haben, daß Gordon Pascha sich wohl befinde. Nach einem Kairoer Telegramme der „Daily News" sollen drei Männer aus Khartum entkommen sein, welche berichten, die sudanische Hauptstadt sei am 17. Mai von Südwesten her durch bedeutende Rebellenmassen angegriffen worden. Wie man sieht, überwiegen die düsteren Partien des Gemäldes die helleren bei weitem. Amerika. Der Bau des Panama-Kanals , das neueste Werk des Herrn von Leffeps, scheint nicht einen so guten und glück lichen Fortgang nehmen zu wollen, wie der Bau des Suezkanals. Wenigstens wollen Nachrichten aus Mittelamerika wissen, daß eine in folge anhaltender Regengüsse eingetretene Ueberschwemmung die bis herigen Arbeiten vollkommen zerstört habe und ebenso sei auch dadurch die Fortführung der Arbeiten unmöglich gemacht. Es sollen deshalb auch über 1000 Arbeiter entlassen sein. Hoffen wir, daß die ersten Berichte übertrieben und daß der Schaden nicht so groß sei, wie man darnach annehmen muß. Vor Allem aber ist zu wünschen, daß die Verluste, die auf diese Weise die von Herrn von Leffeps gegründete Gesellschaft betroffen haben, nicht so eminent sind, daß das Unter nehmen etwa aus finanziellen Rücksichten aufgegcben werden müßte. Nachrichten au- Chemnitz und tlmgegend. Chemnitz, den 4 Juli 1884. — Herr Professor Lamprecht, einer unserer bekanntesten Mit bürger, ist vergangene Nacht gestorben. » — Wie im Jnseratentheil der heutigen Nummer ersichtlich, wird der hiesige „Handwerker-Verein" nächsten Sonntag, den 6. Juli, 3« Jrrcnhause. Roman von Ewald August König. (Fortsetzung.) (Nachdruck verboten ) „Und da etablirten Sie diese Wirthschast, nicht wahr?" „Ja, ich heirathete Fränzchen, das Stubenmädchen des alten Herrn; wir hatten Beide Etwas erspart, und unser Herrgott hals weiter." „Sie sind also zufrieden?" fragte Alfred, während er das Glas füllte „Ich würde eine Sünde begehen, wenn ich sagen wollte, ich sei es nicht," erwiederie der Wirth. „Wir haben vor einigen Tagen unsere silberne Hochzeit gefeiert, wir sind Beide gottlob noch rüstig und gesund und haben unser Auskommen: was wollen wir mehr verlangen?" „Recht so!" sagte Alfred. „Zufriedenheit ist eine Hauptstütze und auch wohl die erste Bedingung menschlichen Glückes. Und nun sehen Sie mich einmal scharf an — kennen Sie mich wirklich nicht mehr?" Der Wirth schüttelte das Haupt. „Die Züge erinnern mich an einen Bekannten," erwiederie er, „aber —" „Denken Sie einmal nach, — eS sind jetzt acht Jahre ver strichen, seitdem ich diese Stadt verließ, damals zählte ich siebenzehn —" „Herrgott, Alfred Brand!" rief der Wirth erstaunt. „Alfred Frohberg, Herr Bochner." „Ihre Mutter hieß Brand —" „Und mein Vater hieß Frohberg," sagte der junge Mann scharf. »Ich hoffe, Sie zweifeln nicht daran." „Nein, aber —" „Lassen wir jetzt jedes „„aber"" beiseite, ich bin gekommen, um mit Ihnen ein Stündchen zu verplaudern, und zwar über eine An gelegenheit zu plaudern, die mich ans Amerika hierher zurück geführt hat." „Nein, was Fränzchen sagen wird!" rief der Wirth, der sich von seiner Ueberraschung noch nicht erholen konnte. „Wer hätte ge dacht, daß wir Sie noch einmal Wiedersehen würden! Damals glaubten Sie e» selbst nicht." „Doch, ich glaubte es," fiel Alfred ihm in die Rede. „Ich wußte ja, daß ich zurückkehren mußte, um mir über jene Angelegen heit Klarheit zu verschaffen. Und darin solle» Sie mir bcistchen." „Herzlich gern, so viel ich es vermag. Aber warten Sie, ich muß meine Frau rufen, sie würde mir böse werden, wenn ich es nicht thäte." Der Wirth stand schon an der Thüre, er öffnete sie. „Fränz chen I" rief er hinaus, und gleich darauf trat eine ebenso kleine, be leibte, lebhafte Gestalt, wie er selbst war, in das Gastzimmer. „Kennst Du ihn noch?" fragte Bochner lächelnd. „Den Herrn da?" erwiederie die kleine Frau, die kluge» Augen auf Alfred heftend. „Nein Lambert, mit Bestimmtheit könnte ich cs nicht behaupten" „Er ist ja der Sohn des Fräulein Brand!" „Herr Alfred Brand?" rief Frau Bochner lebhaft, indem sie auf den jungen Mann zulrat nnd ihm die Hand reichte. „Ei, ei, wie groß Sie geworden sind! Herr Brand ist etwas größer und auch noch stärker gebaut, wie'unser Hugo, nicht wahr, Lampert?" Der Wirth nickte, sein sreudeleuchtender Blick ruhte noch immer auf Alfred, der jetzt der kleinen Frau erklärte, daß er den Namen eines Vaters führe, was die Wirthin ganz in der Ordnung zu inden schien. „Wie ist es Ihnen drüben ergangen?" fragte sie. „Ich danke," erwiederie der junge Mann, „ich habe Glück gehabt." „Schätze erworben?" warf Bochner ein. „Das gerade nicht, aber für die Arbeit, die Strapazen und An strengungen, die ich drüben fand, ist mir reicher Lohn zu Theil ge worden." „Ja, das findet man oft," sagte die kleine Frau redselig, „arm gehen die Leute hin, reich kommen sie zurück." „Doch nicht immer," erwiederte Alfred lächelnd, „im Gcgcntheil, nur immer in seltenen Fällen Wer hier arbeiten will, kann mit Fleiß und Sparsamkeit ebenso weit kommen, wie drüben auch; in Amerika wachsen die Goldstücke auch nicht an den Bäumen." Der Wirth lachte und nickte seiner Frau schmunzelnd zu, er schien über dasselbe Thema schon oft mit ihr geredet zu haben. „Jetzt bleiben Sie aber Wohl in Europa, nicht wahr?" fragte er „Ich weiß das noch nicht, es kommt darauf an, in welcher Weise die Angelegenheit, die mich hierher führt, sich ausklärt. Diese Angelegenheit betrifft den traurigen Unglücksfall, der noch vor meiner Geburt meinem Vater begegnete, Sie werden sich desselben wohl erinnern." „Und ob!" sagte Bochner. „So klar und deutlich, als ob es gestern passirt wäre." „Es wäre mir sehr lieb, wenn Sie mir über Alles, was da rauf Bezug hat, recht ausführliche Miltheilungen machen wollten." „Herzlich gern," erwiederte der Wirth. „Aber wir wollen in unsere Wohnstube gehen, Fränzchen, dort sind wir ungestört; wenn inzwischen Gäste kommen, kann H»go sie bedienen." Alfred folgte gern den biederen Leuten; sie waren die Ersten, die an seinem Geschick so lebhaften und herzlichen Antheil nahmen. Lambert Bochner nvthigte ihn, den Ehrensitz auf dem Sopha einzunehmen, dann ergriff er sein Glas und stieß mit ihm an. „Also noch einmal: Willkommen in der Heimath!" sagte er in seiner herzlichen, gewinnenden Weise. „Weshalb Sie hierher gekom men sind, weiß ich noch nicht, aber ich wünsche, daß Ihre Hoffnungen sich erfüllen mögen Fränzchen wünscht das auch! Finden Sie, daß meine Frau sich verändert hat?" „Nicht im Geringsten!" erwiederte Alfred, den ein freundliches Lächeln der kleinen Frau belohnte. „Das sage ich ihr immer, aber sie will es nicht glauben." „Weil ich weiß, daß Du mich liebst, und man sagt, die Liebe sei blind!" entgegnete die Wirthin. „Aber Du vergißt ganz, daß Herr Frohberg Mittheilungcn über seinen Vater gewünscht hat." „Ja, wo soll ich da anfangen?" fragte Bochner, das schon leicht ergraute Haupt schüttelnd. „Bei seiner Verlobung," sagte Alfred, indem er dem Wirth eine Zigarre anbot, die ohne Umstände angenommen und sofort angezündet wurde. einen Besuch der Gewerbe-Ausstellung in Hainichen unter- nehmen — Thalia-Theater. Wie wir soeben erfahren, findet am Dienstag den 8. Juli das Benefiz des verdienten Regisseurs unserer Sommerbühne, des Herrn Anton Otto statt. Derselbe wird eine äußerst effektvolle Novität: Der Todtschläger, großes Volks, stück mit Gesang und Tanz in 5 Akten (8 Bildern) von William Busnach und Octave Gastineau zur Aufführung bringen. Gleichzeitig ist damit ein Gastspiel der Heroine des Düsseldorfer Stadtlheaters, des Fräulein Sophie Stoebe, welche die Nolle der Gervaise spielen wird, verbunden. Der Todtschläger, nach Emil Zolas berühmten Roman I-'^ssommoir bearbeitet wurde, zuerst in Pari», London undNew-Uork während voller zw ei Jahre täglich gegeben, in Deutschland brachte das Stadttheater in Wien das Stück zuerst, es folgten Berlin, Hamburg, Stettin rc. und in den größeren Städten überschritt die Zahl der Aufführungen die Hundert, ein Be weis, daß die Verfasser es verstanden, aus dem Romane ein brillan tes Stück zu machen, das überall die regste Theilnahme hervorrief. Herr Otto, dessen Verdienst um die hiesige Bühne wir schon im Winter gebührend hervorhoben, wird die großartige Rolle deSCoupeau spielen und wünschen wir dem beliebten Darsteller an seinem Eyren- abend ein ausverkauftes Haus. —i. Am gestrigen Abend wurde in Reinbolds Restau rant nnd Theater der Einzugsschmaus gefeiert, zudem sich eine große Anzahl Theilnehmer eingefunden hatte. Besonders erregte die Dekoration des Saales und namentlich der Saaldecke, deren Mittelpunkt von Porträts hervorragender deutscher Musiker, in ge schmackvoller bunter Einfassung gruppirt, gebildet wird, das allgemeine Aufsehen. Die Galerie, welche jetzt sehr bequem eine große Men schenmenge fassen kann, ist der Dekoration entsprechend vorgerichtet und auch das Theater selbst ist durch einen neuen farbenprächtigen Vorhang geziert worden. Man muß gestehen, daß Herr Reinbold Alles ausgebotcn hat, um den Aufenthalt seinen Gästen möglichst an genehm zu machen; zwei Pianinos, das eine in der Gaststube und das andere im Saale, stehen stets zum Gebrauch und die bekannte Güte der verabreichten Speisen und Getränke fand gestern wiederum allgemeine Anerkennung. Fröhlich drehte sich beim Balle Jung und Alt im Kreise und erst, als nach Mitternacht noch seitens einer Anzahl Herren auf dem Theater lebende Bilder aufgeführt worden waren und bereits im Osten der Morgen graule, verließen die er schienenen Gäste das gastliche Haus. —* Am Dienstag Abend miethete ein augenscheinlich den besseren Ständen angehöriger junger Mann am Schloßteich eine Gondel und fuhr damit allein nach der Mitte des Teiches. Nach kurzer Zeit trieb die Gondel führerlos auf dem Wasser herum, in ihr fand man einen Hut nnd einen Regenschirm. Auch will man bemerkt haben, daß ein Mensch mehrere Male aus dem Wasser aufgetaucht ist. Man hat nun in Erfahrung gebracht, daß der Ertrunkene ein hier in Stellung gewesener Kaufmann ist. Der Leichnam ist noch nicht auf gefunden worden. Ob eine Verunglückung oder ein Selbstmord vor liegt, ist noch nicht bekannt. — * Heute früh hat man wiederum eine Gondel führerlos auf dem Schloßteich treibend aufgefunden. Die Ursache hat noch nicht aufgeklärt werden können. —' Gestern Abend in der 9 Stunde sprang ein Glasermeistcr aus K. in selbstmörderischer Absicht in den Schloßteich, wurde aber von schnell herbeieilenden Personen noch lebend aus dem Wasser her- ausgczogen und nach dem städtischen Krankenhause transportirt. — * Auf der Zwi ckauerstraße haben während letztvergangener Nacht mehrere von Kappel herein kommende junge Leute verschieden artigen groben Unfug verübt, als Standlaternen in die Ausgrabungen geworfen, Gärteneinsriedigungen zu demoliren versucht u. s. w. Hoffentlich gelingt es, die Persönlichkeiten der Exzedenten zu ermitteln und sie zur Bestrafung zu ziehen. — x Ein den Neustädter Markt gestern Abend passirender Herr, welcher, von einer Familienfestlichkeit heimkehrend, der soeben verlebten schönen Stunden gedachte und tief in Gedanken versunken, „Ja, diese Verlobung fand nicht den Beifall deS alten Herrn. Pauline Brand war gewiß ein ehrbares, tugendhaftes und schönes Mädchen, aber sie war arm, und Herr Hugo Frohberg hatte immer die Hoffnung gehegt, sein einziger Sohu werde einmal eine glänzende Parlie machen. Ihr Vater wollte aber nicht von dem Mädchen lassen, es kam darüber zu heftigen Szenen, die zuletzt «inen Bruch befürchten ließen " „Zum Bruche selbst kam es nicht?" warf Alfred stagend ein. „Nein, wenigstens anscheinend nicht. Ihr Vater ritt oder fuhr sehr häufig in die Stadt und besuchte seine Braut; der alte Herr er fuhr nichts davon. Fränzchen und ich waren die Einzigen, die um das Geheimniß wußten; auf unsere Verschwiegenheit und Treue konnte Ihr Vater vertrauen Der alte Herr hatte außer seinem Sohne nur noch einen Verwandten, einen Bruderssohn Hermann Frohberg, der um zwei oder drei Jahre älter war, als Ihr Vater. Dieser Herr kam gerade in jener Zeit zu Besuch, und was mir sofort an ihm mißfiel, war eine übertriebene Höflichkeit. Er wußte durch glatte Worte Jeden zu gewinnen, vorzüglich den alten Herrn, mit dem er fast immer zusaminen war. Ich muß freilich zugeben, daß er in allen Dingen, in der Landwirthschaft wie in der Politik, in der Schaf- zucht wie in den Skandalgeschichten der Residenz ausgebreitete Kennt nisse hatte; da konnte cs Niemand Wundern, wenn der alte Herr erfreut über die Gesellschaft dieses Mannes war, der ihm mehr und mehr den Sohn ersetzte." „Und mein Vater ließ das Alles ruhig geschehen?" fragte der junge Mann gedankenvoll. „Sah er die Gefahr nicht, die für ihn daraus erwuchs?" Lampert Bochner schüttelte mit finsterer Miene das Haupt, den Lippen der kleinen Frau entrang sich ein schmerzlicher Seufzer. „Ihr Herr Vater war zu arglos, zu gutmüthig", erwiederte der Wirth, „er glaubte lieber das Gute, als das Böse, er meinte, jeder Mensch müsse so edel denken, wie er selbst es that. Nein, er sah keine Gefahr, im Gegentheil, er war erfreut darüber, daß sein höf licher, gefälliger und liebenswürdiger Vetter dem alten Herrn so große Aufmerksamkeit schenkte; dadurch erhielt er selbst freie Hand, er konnte jetzt öfter, als zuvor, seine Braut besuchen Ob er selbst seinen Vater in's Vertrauen gezogen hat, oder ob der alte Herr seinem Neffen geklagt hat. weiß ich nicht, ich weiß nur, daß Hermann Froh- bcrg von dieser Verlobung unterrichtet war und daß er sogar seinen Vetter in dem Trotz gegen den Willen und die Befehle des Vatert bestärkte. Nun wäre eine solche Bestärkung nicht nöthig gewesen; denn Ihr Vater liebte seine Braut zu innig, als daß er ihr hätte entsagen können, und seine Ehre erlaubte ihm dies auch nicht. Es kam darüber abermals zu einem Austritt zwischen Vater und Sohn; die sogenannten guten Freunde, die ihre Nase in Alles hineinsteckcn und überall Zank und Hader stiften, müssen dem alten Herrn Mit theilungen gemacht haben, und ich vermuthe, daß Hermann Frohberg auch die Rolle eines Zwischenträger» und Aushetzers übernommen hatte. Ihr Vater blieb standhaft, er ging sogar einen Schritt weiter und setzle den Tag fest, an welchem er seine Braut zum Altar führen wollte. Auch das erfuhr der alte Herr, und Sie können sich denken, in welche Aufregung und Wuth es ihn brachte." (Fortsetzung folgt.)
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