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sächsische Vorszeitung Bezugsdedingungen: Di« „vor^titung" «rsch«ttlt j«l>«n wochr»tag nachmittag» » Uhr mit d«m Datum d« folgend«» log«». Di« v«iug»g«bKhr beträgt I^V Mart vxrItljLhrlich od«r b0 pfg. für j«d«n Monat. Di« , Dvrfz«ttu»g- ist p» b«zirh«n durch di« kaistrlichrn postanftalttn, di« candbri«sträg«r und durch nnstr« Solen Sri frrirr Lirsrrung in» hau» «rh«d1 di« Post noch di« Sust«Uung»g«bühr von 4b pfg. Irlegramnuüdr.: vorszeitung Dresden. Anzeiger für Stadt und Land mit der Beilage: „Illustriertes Sonntags-Blatt" Amtsblatt für die Ngl. Amtshauptmannschasten Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für das Rgl. Amtsgericht Dresden, die Ngl. Zorstrentämter Dresden, Moritzburg, Tharandt und die Gemeinden Gberlößnitz und Nadebeul. Anzeigen-Preise: Di« rinst>oltig« S«U« I» Pf»., untrr .«^«fandt» 40 Pta Nnztiarn-NnnahM« erfolg« bi» »«ittag» 12 Uhr. — «nnahmtstrlltn find: Uuf«« ch«stt>a,t»st<a«, klein« Me'kE cküs« Nr. 4. Unvalidendank, haaj«nstet» «- Vogler, Nud Moss«. L. Q Daub« » Lo. in L«tpzig, Zrankfurt «. M., <b Uohl tn U«N«l»dor,: Hugo Müchl«rtn llöWch«» droda. «vtto Dtttrich in lteitzendorf, Hugo Vpitz in Leubnitz.Neuoltra. tmil Uollaa in Nad«d«»I, «drimm in Dr«»ü«n.wSlf»ttz, Zrted^ich Leuchst in L»st«baud«. Vtto Uunath in Lotto, Ma, 5«urtch in Laichwitz. Telephon: Dresden, Nr. 2916. Nr. 146. Dresden, Dienstag, den 27. Juni 1905. 67. Jahrgang. Da» dteuefte König Friedrich August traf gestern von Metz zum Besuche seiner Söhne in Münster a. St. ein. Der französische Botschafter in Berlin Bihourd halte gestern abermals eine Unterredung mit dem Reichskanzler Fürsten Bülow. Der Kommandeur der Truppen in Lodz ver sprach einer Bürgerdeputation, daß das Militär hinfort nur feuern dürfe, wenn es zuerst mit Waffengewalt angegriffen würde. In den russischen Städten Kowno und Georgen- burg sind ebenfalls Unruhen ausgebrochen. Der Abschluß eines Waffenstillstandes zwischen Rußland und Japan wird nicht vor Mitte August erwartet. Die Offensive der Japaner in der Mand schurei ist fortgesetzt worden und hat zu schweren Verlusten der Russen geführt. Wetterwolken am politischen Horizont? Die Baissiers an der Pariser Börse haben jetzt goldene Tage; besucht Fürst Radolin Herrn Rouvier in seinem neuen Amte am Quai d'Orsay, so fürchten ängst liche Gemüter schon die Überreichung eines drohenden Ultimatums und rapide stürzen die Renten; kehren ein paar Abteilungen Soldaten in voller Ausrüstung vom Grabe eines alten Generals zurück, dem sie die letzte Ehre erwiesen haben, so bleiben ein paar Hasenfüße erstaunt stehen, zeigen entsetzt auf die marschierende Truppe und seufzen bekümmert: „Ist es denn wirklich ernst, wird denn schon mobil gemacht?" — und wiederum stürzen die Renten. Herr Rouvier gibt sich alle Mühe, die Gespensterseher zu beruhigen und die normale Ge mütsverfassung wiederherzustellen, er versichert, daß die Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich ihren versöhnlichen Verlauf nehmen und an einen Krieg, an eine Verschärfung der Gegensätze nicht zu denken ist — es hilft nichts, sogar in der Deputiertenkammer gibt es von Zeit zu Zeit eine kleine Panik. Aus der marokkanischen Frage ist ein vorläufig diplomatischer Zweikampf zwischen Deutschland und Frankreich ge worden, der durch die Ungewißheit seines Ausganges unleugbar eine internationale Spannung hervorgerufen hat, zumal ein paar gewissenlose und törichte Hetzer auch auf deutscher Seite allerlei krauses Zeug zu fabeln wissen von einer Anfrage des Fürsten Bülow an den Chef des Generalstabes, ob die Armee zu einem Waffen gange gerüstet ist. Das ist natürlich Unsinn, ein un geschicktes Plagiat der Vorgeschichte des Krieges von 1870, zu der augenblicklich nicht der geringste Anlaß vorhanden ist; indes ist leider kein Unsinn handgreiflich genug, daß er nicht dennoch ein paar Gläubige fände und schon aus diesem Grunde ist eS sehr bedauerlich, wenn in so ernsten Heilen ein paar journalistische Kost gänger auf diese Werse ihre Sporen zu verdienen suchen. Diese Tätigkeit, zu der sich bezeichnenderweise auch der „Vorwärts" mit großem Eifer hergibt, ist nichts anderes als politische Brunnenvergiftung. Die Marokko-Angelegenheit steht heute so: Man hatte vielfach angenommen, daß mit dem Rücktritt Delcassös die Hauptschwierigkeiten aus der Welt ge schafft seien. Jetzt zeigt sich, daß diese Erwartung un gerechtfertigt war. Auch der Ministerpräsident Rouvier scheint sich nicht dazu entschließen zu können, die An gelegenheit ganz nüchtern und sachlich zu betrachten: auch er zeigt sich von dem Gedanken durchdrungen, daß Frankreich in Marokko eine bevorzugte Stellung vor anderen Mächten zukomme. Er will auf die Anregung des Sultans von Marokko wegen Erledigung der ganzen Angelegenheit im Wege einer internationalen Konferenz nur eingehen, wenn Deutschland und die anderen Mächte Frankreich vorher gewisse Privilegien zusichern Da gegen wäre gewiß nichts einzuwenden, wenn es sich um Rechte handelte, welche der Sultan aus freiem Willen und ohne Verletzung der im Vertrag von 1880 den Mächten zugestandenen allgemeinen Gleichberechtigung Frankreich bewilligt hat. Aber soweit die vorliegenden Meldungen ergeben, handelt es sich anscheinend für Frankreich nicht um solche Rechte, sondern um An- prüche, die eS aus seinen Verträgen mit England und Spanien ableitet, also mit Mächten, welche in keiner Weise befugt sind, über Marokko zu verfügen. Nun dürfte wohl kaum eine Aussicht dafür vor handen sein, daß die anderen in Marokko interessierten Mächte kurzerhand auf die ihnen yach dem Abkommen von 1880 in allen Punkten zustehende Meist begünstigung in Marokko zu Gunsten Frankreichs ver zichten. Und weil dem nicht so ist und voraussichtlich auch nie werden wird, muß eben Frankreich seine Forderungen fallen lassen. Unter diesen Umständen ist anzunehmen, daß die ganze leidige Angelegenheit recht bald friedlich aus der Welt geschafft werden wird. Eine Fortdauer der Spannung gefährdet Handel und Wandel der ganzen Welt. Ihre Wirkungen empfindet man in Paris, wo auch noch die Sorge um die in Rußland angelegten Milliarden mitspricht, sicher noch schärfer als in Berlin. Gegenwärtig ist eine Ver ständigung aber noch möglich, ohne daß die Würde des einen Teils dabei zu leiden hätte! Politische Weltscbau. Deutsches Reich. Der Kaiser hielt gestern früh 9 Uhr auf der „Hohenzollern" vor Kiel Gottes dienst ab. Nach demselben begab sich der Monarch an Bord des „Meteor" und wohnte der Regatta bei. Ueber die diesjährige Reise des Kaisers in der Ostsee an Bord der ^Hohenzollern", die der Kaiser nach Schluß der Kieler Woche antreten wird, tauchen jetzt die verschiedenartigsten Mitteilungen auf. So er fährt das „Berl. Tgbl.", der Kaiser würde anscheinend auf seiner Fahrt durch die Ostsee auch Dänemark be suchen. Auch sei ein Besuch Finnlands geplant. Der deutsche Kronprinz hat nunmehr nach seiner Rückkehr nach Potsdam wieder als Chef der 2. Kompagnie 1. Garde-Regiments z. F. seinen mili tärischen Dienst angetreten. In München wurde am Sonnabend in Gegenwart des Prinzregenten das Denkmal Kaiser Ludwigs des Bayern auf dem Kaiser-Ludwigs-Platz in der Nähe der Theresienwiese feierlich enthüllt. Reichskanzler Fürst Bülow hat gestern in Berlin den französischen Botschafter Bihourd abermals empfangen. Ueber das Ergebnis dieser Unter redung verlautet aus Berlin noch nichts, dagegen wird der „Agence Havas" in Paris gemeldet, daß die Be sprechung sehr lange dauerte und in keiner Weise kühlen Charakter trug. Weiter führt das genannte Blatt hierzu aus: Nichts berechtigt zu der Annahme, daß die diplo matische Besprechung nicht einen normalen Fortgang nehmen werde. Es ist möglich, daß Deutschland eine leichte Enttäuschung darüber verspürte, daß Frankreich sich nicht sofort und ohne Vorbehalt mit einer inter nationalen Konferenz einverstanden erklärte, aber Frank reich hat keine derartige Unversöhnlichkeit zur Schau getragen, daß die Besprechungen nicht zu einem Ziele führen könnten. Namentlich 'hat Frankreich oft genug seine Absicht betont, die Souveränität des Sultans un angetastet zu lassen, als daß darüber ein Zweifel ob walten könne. Die Verhandlungen werden also fort gesetzt werden, von seilen Frankreichs mit dem lebhaften Wunsche, daß es zu einer Verständigung kommen werde, welche in den Kreisen der Diplomatie nach wie vor für wahrscheinlich gehalten wird. Die deutsche Sondergesandtschaft an den Sultan von Marokko hat auf der Rückreise nach Tanger die Hauptstadt Fez wieder verlassen. Nach einer Reuterschen Meldung soll einer deutschen Firma der Bau eines Hafens und einer Telegraphenstation in Borysaida übertragen worden sein. Die Eisenacher Kirchenkonferenz hat zur Einzelkelchfrage Stellung genommen und empfohlen, den Einzelkclch nur nach Antrag „auf kirchenordnungs mäßigem Wege" zuzulassen. Die Frage einer Herabsetzung der Maxi malarbeitszeit der Fabrikarbeiterinnen unter liegt, nachdem die Dauer der Arbeitszeit der weiblichen Arbeiter Geyenstand einer besonderen Berichterstattung der Gewerbeinspektoren gewesen ist, gegenwärtig weiteren Erhebungen, deren Ergebnis in einer Denkschrift des ReichSamtes des Innern niedergelegt wird. Von einer englischen Zeitung wurde soeben aus Tokio die Nachricht verbreitet, die deutsche Regierung beabsichtige, die Besatzungstruppen von China mit Ausnahme der Garnison von Kiautschou zurück zuziehen. Die Nachricht ist, wie die „Kölnische Zeitung" meldet, völlig unzutreffend. Die deutsche Regierung habe in letzter Zeit keine Veranlassung gehabt, der Frage näher zu treten, wie lange die deutsche Besatzungs brigade in China bleiben wird Selbstverständlich sei nur ein zeitweiliger Aufenthalt in Aussicht genommen, da aber die Angelegenheit der europäischen Besatzungs truppen in China von den verschiedenen Mächten in gemeinsamer Abmachung geregelt wurde, so würde eine Zurückziehung ebenfalls nur nach gemeinsamer Ueberein- kunft stattfinden können. Auf den Howaldtwerken zu Kiel ist gestern der für den Reichspostdienst zwischen Schanghai und Kiautschou bestimmte Dampfer der Hamburg-Amerika- Linie glücklich vom Stapel gelaufen. In der Taufe, die von Fräulein Daisy von Keßler vollzogen wurde, erhielt der Dampfer den Namen „Staatssekretär Krätke". Die „Neue Hamburger Zeitung" verbreitet die Meldung, derVulkan-Aktiengesellschaft, Stettin, sei von der Finanzdeputation ein großer Komplex auf Roß-Neuhof zur Errichtung von Werftanlagen verpachtet worden. Unter den Fragen, die auf dem diesjährigen sozial demokratischen Parteitage zur Verhandlung stehen, befinden sich auch solche, welcheMeinungsverschieden- heilen zwischen der Sozialdemokratie und der Gewerk schaftsbewegung über Generalstreik betreffen Aus den Mitteln der Gewerkschaft--Verbandskaffen wurden (nach dem „Reichs-ArbeitSblatt" Nr.6) in dem 14jährigen Zeitraum von 1891 bis 1904 verausgabt für Rechts schutz 817 668 M., „Gemaßregelten"-Unterstützung 1 831 146 M., Reiseunterstützung 5743069 M , Arbeits losenunterstützung 8 364 337 M., Krankenunterstützung 7 796 727 M., Jnvalidenunterstützung 1 121 055 M., für Beihilfe in Not- und Sterbefällen 2 053 442 M., d. h. für die vorbenannten Unterstübungszwecke zu sammen 27 727 444 M., denen eine Gesamteinnahme in Höhe von 23 459 149 M. gegenübersteht. Oesterreich-Ungarn. Der ungarische Mini sterpräsident Fejervary beabsichtigt, die Führer der vereinigten Opposition zur Vorlage eines der Krone genehmen Programms für die Kabinettsbildung auf zufordern. Italien. Die Deputiertenkammer nahm den Gesetzentwurf über die Heeresausgaben in der Fassung der Regierung mit großer Mehrheit an. Frankreich. Bei der gestrigen Jahresfeier der Geburt des Generals Hoche in Versailles hielt Kriegsminister Berteaur eine Rede, in der er u. a. sagte: Ich will nichts sagen, was eine Anspielung auf die gegenwärtige Stunde sein könnte; und doch, ist es nicht etwas Verbrecherisches, Furcht zu säen und Miß trauen einzuflößen? Ich kann im Gegenteil sagen, dank der seit 35 Jahren gemachten An strengungen ist unser Kriegsmaterial ersten Ranges, unser Proviant ist voll zur Stelle, und unsere Offiziere können den Vergleich mit denen der ganzen Welt aurhalten. Frank reich handelt zum Zwecke des Fortschritts und lätzi sich leiten von dem Gefühl der allgemeinen Freiheit und Brüderlichkeit. In einer sozialistischen Versammlung zu Lyon be sprach der Deputierte JaureS die marokkanische Frage und erklärte, die Frage sei ernst geworden, weil man sich auf ein Gebiet begeben habe, das mit Fallstricken besät sei. Die Sozialisten wünschten nie mals ein Mißverständnis zwischen Deutschland und Frankreich. Das englisch-französische Abkommen sei keineswegs gegen Deutschland gerichtet; und wenn Eng land dies glauben lasse, müsse Frankreich darüber wachen, daß der Sinn des Abkommens nicht entstellt werde. Jaures spricht schließlich die Ueberzeugung aus, die gegenwärtigen Schwierigkeiten würden gelöst werden, ohne daß der Stolz der Nation verletzt werde. Wie die Blätter aus Lyon melden, sind dort während eines Kavalleriemanövers zwei ESka- dronS zusammengestoßen. Ein Unteroffizier wurde getötet, zwanzig Soldaten erlitten Verletzungen. Zwanzig Pferde wurden getötet. Rußland. In Lodz herrscht blutige Revo lution! Seit Donnerstag toben dort die schreck lichsten Straßenkämpfe, wobei etwa 6O00O Arveiter gegen vier Regimenter Infanterie, ein Kosaken- und ein Dragoner-Regiment tätig waren. Ein aus führlicher Bericht darüber lautet: In Lodz herrscht