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«. «rbaktt« I. Veth»« Gaff« 4 Vie Zett«, erscheint Dtenfta,, vOnnerfta, «b »«nabent - früh. U»sm»e«e»t»- Pret«: Sterteljährl. «1^0. 8« bezieh« durch die kaiserlich« Post» «statt« und durch unsere Bot«. Bet freier Lieferung V>« H«» erhebt di» Post noch eine V» Uhr v« Sb Pf». Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. AmtShauptmamrschasten Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften de» kgl. Amtsgericht« Dresden, sawie für die kgl. Forstrentümter Dresden, Tharandt und Moritzburg. verantwortlicher Redakteur und Verleger Kernmm« Müller in Dresden. »erd« bi« Montug. Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kästen? dieispalt.Zeile I5Ps^ Unter Lingtsandt: «PfS- Anserate»« «»»atzmeftelenr Die Arnoldisch« Buchhandlung, ! Jnvalibendank, HaaiensteinK ^gle^.. Rudolf Moste, «. L. Daube « La, in Dredd«. Leipzig, Hamburg, Berlin, Frankfurt a/M. u. f. w. Ar. 147. Sonnabend, den 12. Decemöer 188S. 47. Jahrgang. Politische Weltschau. Deutsches Reich. Die neueste australische Post hat sehr wichtige, allerdings leider wenig erfreuliche Nach richten von den deutschen Schutzgebieten im westlichen Theile deS Stillen Oceans überbracht. Man erfährt daraus, daß die dort stationirten deutschen Kriegsschiffe von bedauernSwerthen Unfällen heimgesucht wurden. Die Kreuzerkorvette „Marie* stieß Ende December v. I, wenige Tage nachdem sie Neu-Mecklenburg (früher Neu- Irland genannt) verlassen hatte, in den dortigen, noch nicht erforschten Gewässern auf ein Riff und erlitt eine arge Beschädigung, deren vorläufige Reparatur in Sidney Monate in Anspruch nahm und 160,000 M. gekostet haben soll. Die Kreuzer „Albatroß" und „JltiS" er litten einen ähnlichen, wenn auch nicht gleich erheblichen Unfall. Die „Marie" hat am 28. Oktober endlich von Port Darwin in Nordaustralien die Heimreise nach Europa angetreteu; „JltiS" und „Albatroß" befinden sich dagegen noch in Honkong bez. Sidney. Infolge der artiger Unglücksfälle hat seit Jahr und Tag keines der dazu bestimmten deutschen Kriegsschiffe längeren Aufenthalt in den Gewässern der Südsee nehmen können und so kam eS, daß eS sowohl im Bismarck-Archipel, wie in Kaiser-Wilhelms-Land gänzlich an einer Marine- Streitmacht fehlte, auf welche sich die dort ansässigen Deutschen bei ihren Unternehmungen hätten stützen können. Es wird nothwendig sein, hierin so rasch wie möglich Wandel zu schaffen, da eS nach den via Sidney eingegangeneu Berichten bereits an mehreren Stellen in derttfthns Schutzgebieten, mangels einer thatkräftigen Autorität, zu Konflikten, ja zu Mord und Todtschlag gekommen ist. So wird z. B. gemeldet, daß vor einiger Zeit ein früher uu!er englischer, neuerdings unter ameri kanischer Flagge fahrender Abenteurer, namenS Farrel, mit seinem Dampfer „Golden Gate" auf Neu-Mecklen burg, also auf zweifellos deutschem Gebiete, landete und 10 biS 12 Mann ausschiffte, welche Besitz von den der deutschen Firma „Hernsheim" gehörenden Gebäuden er griffen und die Deutschen einfach auS ihrem Eigenthume vertrieben. ES steht zu hoffen, daß die deutsche Reichs regierung eS sich angelegen sein lassen wird, der Wieder kehr ähnlicher Ausschreitungen vorzubeugen; zu diesem Zwecke müssen einige Kriegsschiffe ununterbrochen bei Neu-Guinea stationirt werden, wie z. B dem englischen Gouverneur auf dieser Insel stetS ein Geschwader von nicht weniger als fünf Kriegsschiffen zur Verfügung sieht. Ueberhaupt entfalten die Engländer große Rüh rigkeit, um in dem von ihnen in Besitz genomm.nen Theile Neu-Guinea s eine geordnete Verwaltung herzu- stellen. Jrsknie, der Kommandant des in der westlichen Eüdfee stationirten Geschwaders, hat schon vor längerer Zeit Verordnungen erlassen, welche den Schiffsverkehr und die Waareneinfuhr in angemessener Weise regeln. In Port MoreSby, dem Sitze deS englischen Gouver neurs, baut man bereits ein großes RegierungSgebäude, ja man ist sogar schon eifng damit beschäftigt, eine - Trinkwasserleitung zu legen. Freilich stoßen auch die Engländer auf erhebliche Schwierigkeiten, da die Ein- geborenen sich außerordentlich wild zeigen. Es verdient sicherlich anerkannt zu werden, daß der Sultan von Zanzibar, obwohl er allen Grund hatte, über das Vorgehen der „Deutschen ostafrikanischen Ge- i sellschaft" einige Verstimmung zu empfinden, jetzt, nach- ! dem die Mißverständnisse in befriedigender Weise auf- ! geklärt sind, sichtlich bemüht ist, zu Deutschland in ! freundschaftliche Beziehungen zu treten. DieS hat sich gezeigt gelegentlich der Verhandlungen über den zwischen Deutschland und Zanzibar abzusckließenden Handelsver- : trag, auch ist die liebenswürdige Aufnahme, welche der Sultan jüngst verschiedenen Officieren der kaiserlichen Marine hat zu Theil werden lassen, ein deutlicher Be- weis für die deutschfreundliche Gesinnung des ostasri- kanischen Fürsten. Einer Meldung auS Paris zufolge wird, sobald die Begräbnißfeierlichkeiten in Madrid stattgefunden haben, der Bruder des KönigS von Portugal in Berlin eintreffen, um im Namen des portugiesischen Thron- i folgerS um die Hand der zweiten Tochter deS deutschen Kronprinzen anzuhalten. Eine Bestätigung dieser Mel dung bleibt abzuwarten. In der Sitzung am Mjttwoch trat der Reichs tag in 4üe dritte Berathung deS'von'dem Abgeordneten v. Köller eingebrachten Gesetzentwurfes, betreffend die Pensionirung der Reichs-Civilbeamten. Nachdem der Staatssekretär v. Burchard die Erklärung abge geben hatte, daß die verbündeten Regierungen, wie in der vorigen Session, so auch jetzt das Inkrafttreten dieses Gesetzes von der gleichzeitigen Genehmigung der Militär-PensionS-Novelle durch den Reichstag abhängig machen müßten, wurde die v. Köller'sche Vorlage mit großer Majorität angenommen und ebenso ein Antrag, demzufolge diesem Gesetze rückwirkende Kraft biS zum 1. April 1882 beigelegt wird, während andererseits die darin enthaltenen Bestimmungen auf die Mitglieder deS Reichsgerichtes keine Anwendung finden sollen. Sodann folgte die erste Lesung der von den Abgg. v. Helldorf und Auer gestellten Anträge, von denen der erstere eine 5-jährige, der andere eine nur 2-jährige Legislaturperiode «inzuführen bezweckt. Nachdem der Abg. v. Helldorf auf die Unzuträglichkeit hingewiesen, welche die häufigen Wahlagitationen im Gefolge haben und der Abg. Kayser im Gegensätze hierzu behauptet hatte, daß eS Pflicht des Staates sei, dem Volke Gelegenheit zu geben, mög ¬ lichst oft von seinem Wahlrechte Gebrauch machen zu können, wurden um 4 'j, Uhr die Verhandlungen vertagt. — In der Sitzung am Donnerstag setzte der Reichstag die Berathung über die beiden letzterwähnten Anträge fort. Der Abg. Rickert bekämpfte daS Amendement des Abg. v. Helldorf, welches, wenn auch an sich viel leicht diskutabel, doch gerade gegenwärtig, wo man das Ansehen deS Reichstages offenbar herabzusetzen bemüht sei, absolut unannehmbar erscheine. In einem Zeit punkte, wie der jetzige, müsse man die Ver fassung durchaus intakt erhalten und auS diesem Grunde gehe er auf den socialdemokratiscdea Antrag gar nicht näher ein. Ebenfalls gegen beide AmevkemenlS sprachen sich die Abgg. Windthorst und Hänel auS, während der Abg. Marquardsen erklärte, die Nationalliberalen würden sür den v. Helldorf'schen Antrag stimmen, da die dadurch erzielten Vortheile weit bedeutender seien alS die etwaigen Nachtbeile. Die Bänke deS Reichstages waren in den letzten Sitzungen äußerst spärlich besetzt und die Konstatiruvg der Beschlußunfähigkeit deS Kollegiums wurde nur da durch vermieden, daß man davon absah, eine Auszählung deS Hauses zu beantragen Hoffentlich gelingt eS auch fernerhin noch, den Reichstag an der Klippe der Be schlußunfähigkeit vorüberzuführen. Allein auch wenn der Reichstag seine Arbeiten ungestört fortsetzen sollte, wird er bei Eintritt der WeihnachtSferien doch nur auf sehr spärliche Leistungen zurückblicken können. Die Arbeiten waren kaum je so weit im Rückstände, wie Heuer und die meisten und wichtigsten Vorlagen find erst nach Neujahr zu erwarten. WaS speciell den An trag auf Verlängerung deS SocialistengesetzeS betrifft, so hofft man in den ReZerungSkreisea, daß derselbe vom Reichstage nicht abgelehnt, sondern mit 12 biS 20 Stimmen Majorität angenommen werden wird. Die socialdrmokratische Reichötags-Fraktion trägt sich angeblich mit dem Gedanken, einen Antrag auf Umgestaltung des gesummten ErekutionSverfahrenS im Parlamente einzubringen. In einem Berliner Arbeiter blatte wird denn auch um Einsendung diesbezüglichen Materials an den Abg. Cabor gebeten. In Preußen wünscht man in der That vielfach den alten Erekutor zurück, da derselbe größere Rücksicht üben durfte und nicht als Vertreter von Privatintereffen erschien. Die Zahl derer, die den Ruf nach Zollschutz er heben, mehrt sich von Tag zu Tag. Neben dev schaf- züchtenden Agrariern, die bekanntlich einen Einfuhrzoll auf Wolle verlangen, sind nunmehr auch die Ziegelei besitzer auf dem Plane erschienen. Wie nemlich auS Ostfrieöland gemeldet wird, haben die dortigen Ziegelei besitzer eine Petition an den Reichstag gerichtet, worin ein Einfuhrzoll auf Ziegelfabrikate von 50 Pfg. pro 100 Feuilleton. Keine Schuhe. Eine Erzählung aus dem Lehrerleben der Vergangenheit. Bon Wilhelm Appelt. (3. Fortsetzung.) „Ihr wißt doch, daß es mit der Liebschaft Eure- SohneS zu Ende ist? Wißt Jhr'S nicht? So will ich es Euch erzählen!" „Weiß schon Alleö!" brummte der Bauer verdrossen. „Gewiß aber nicht, warum eS auS wurde?" „Auch das weiß ich! Kommt zu etwa- Anderem!" Der Buchenbauer trat mit den nägelbeschlagenen Absätzen dem Schulgehilfen auf die Füße, daß dieser am liebsten Feuer geschrien hätte. „Seht, Euch will ich eS sagen, sonst aber auch keinem", nahm er wieder geheimoißvoll das Wort auf, „rvarum Hedwig nicht bei der Tanzmusik war. Armuth ist keine Schande, bin selbst arm wie eine KirchenmauS; daS Mädchen ist deshalb brav und e- bleibt ihr ja nicht- hängen! — Buchenbauer, jetzt rathet einmal, warum sie so lange nicht beim Tanze war. DaS errathet Ihr in hundert Jahren nicht! Wollt Ihr wissen, warum?" „Warum?" klang eS gespannt entgegen. „Denkt Euch — aber sagt eS Niemand wieder — weil sie keine Schuhe hatte!" „Keine Schuhe?!' schrie der Buchenbauer und schlug mit der Hand auf den Tisch. „Keine Schuhe? DaS ist ja da- reine Bettelleben! Warum arbeitet uud spart sie nicht, daß sie sich welche kaufen kann?" „Warum arbeitet und spart sie nicht!" sprach der Schulgehilfe bedächtig. „Richtig! Ja, ja, warum ar beitet und spart sie nicht?! — Früh, wie der Morgen graut, ist sie die Erste munter, flickt, wäscht, kocht und immer ist sie ohne Rast und Ruh. Schaut die fünf Geschwister von ihr an: arm gehen sie einher, aber sauber und ordentlich. Wie eine liebe Mutter sorgt sie für sie und abends spinnt sie, bis tief in die Nacht hinein. Wie ost hatte sie schon das Geld für die Schube beisammen — wie gern wäre sie doch zur Tanzmusik gegangen, in den alten Schuhen konnte sie's ja nicht! Wie schwer ist eS ihr geworden, zu HauS zu bleiben, hat sie doch Euern Karl so gern, daS einzige Glück ihres LebenS ist er ihr! Recht geschieht ihr, warum spart sie auch nicht! Wenn sie so mühselig die paar Kreuzer erarbeitet hat, da wird wieder etwas Anderes gebraucht und ein gar so gutes Herz hat sie auch. — Der Hunger! Nicht wahr, Buchenbauer, waS Hunger ist, kennt Ihr gar nicht? Wenn'S da inwendig so frißt — ich sag' Euch, wie ein Panther fällt er den Menschen an! — Ich kenn' ihn, den bösen Feind, auch die Hedwig kennt ihn und ebenso ihr Vater und die Geschwister, wir Alle kennen ihn, als wenn der Hunger unser leib haftiger Vetter wäre und wie weh er thut, daS wissen wir auch! — Nicht wahr, eS ist doch ein schöner Stand, der Lehrerstand?! — Ja, ja, daS ist er auch und da kommt eS auf eia BiSchen Armuth mehr oder weniger nicht an!" Ganz nachdenklich saß der Buchenbauer da und schaute den dürren, blaffen Menschen vor sich an, dessen Augen begeistert leuchteten. Aus die erregte Rede hatte sich die Küchenthür geöffnet und die Hausfrau ihren Kopf hereingesteckt. AlS sie jedoch hörte, daß es von deS Lehrerö Tochter gehe, war sie wieder zurückgefahren, um zu horchen. Jetzt begann Fronau sogar die Geschichte mit dem Hute zu erzählen. ES war doch sonderbar, der sonst so verschwiegene Mann sprach heut solche Sachen. Mußte ihm der Wein zu Kopfe gestiegen fein? Und er hatte doch so wenig davon getrunken. „Wie ich Euch sage, so ist eS", fuhr er fort in der Erzählung. „Euer Karl hatte ihr erklärt, wenn sie am Feste nicht zum Tanze komme, sei es auS für immer. Tag und Nacht spann sie da und zwei baare Gulden hatte sie erspart — denkt, zwei Gulden! Welch ein Schatz für sie! Jetzt gab eS neue Schuhe, zum Tanze könnt' eS nun gehen und ihr Geliebter war ihr nicht verloren! — Und dann erzählt ihr der Vater weinend, waS er vom Pfarrer hat hören müssen seine- HuteS wegen. — Nun seht einmal, wie leichtsinnig daS Mädel ist! Anstatt ihren Vater ruhig zum Spott und Hohn weiter in dem alten Hute herumlaufen zu lassen und dafür lustig in den Armen Eures SohneS durch den Saal zu fliegen, drückt sie ihm glücklich lächelnd ' daS Geld in die Hand; heilig ist ihr sein theureS Haupt! — Denkt Euch, den Geliebten opfert sie, damit Niemand ihre- VaterS spotten kann! Ist da- nicht leichtsinnig? Sprecht! Ist da- nicht bodenlo- leichtsinnig?" Der Schulgehilfe hatte sich erhoben, «ar zu dem Buchenbauer getreten und legte seine Hand auf dessen Schulter. Dieser saß ganz steif und zerknirscht da und so feucht war eS in seinen Augen geworden, daß er mit dem Finger darin wischen mußte. Wüthend schrie er, weil er merkte, daß der Schulgehilfe e- gesehen: