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>2 p >6 achsislhe DocheilMA 47. Jahrgang Ar. 33 Dienstag, den 17. März 1885 Politische Weltschau. politischen in unver- Zwietracht ! D^,tz «. Nck«tN»» Gre»de«-Neustadt I. Meißner Gage 4. Di. Aeitan, erschein» Pteusta-, Gann erst« g and G,u»ade»d deutschen Reichskanzlers dem russischen Etaate gegen über zu verdächtigen sucht. So z. B. unternimmt eS das Pariser Journal „Eoleil", sogar die afghanische Grenzfrage in diesem Sinne auSzubeuten und daS Na- tionalgefühl der Russen durch die Behauptung aufzu- regen, Herr v. Giers, der russische Minister deS Aus wärtigen, hätte auf die Annektion von Herat erst ver zichtet, nachdem Kürst Biömarck gegen ein solches Vorgehen Rußlands Protest erhoben habe; der deutsche Reichskanzler beabsichtige nemlich nichts Geringeres, als — man höre und staune — nach dem Sturze des Ka- binetteö Gladstone mit Großbritannien ein Schutz- und Trutz-Bündniß abzuschließen, welches in erster Linie gegen Rußland gerichtet sein solle. Die öffentliche Meinung in Petersburg — so führt der „Soleil" weiter auS — sei entrüstet über die in diesem Falle von Herr» v. Giers bewiesene Nachgiebigkeit dem deut schen Kanzler gegenüber und allgemein werde behauptet, der frühere Minister, Fürst Gortschakoff, würde in einer ähnlichen Lage mit weit größerer Entschlossenheit auf getreten sein. Zu diesen Auslassungen deS Pariser BlMdS bemerkt das Leiborgan deS Fürsten Bismarck in sehr treffender Weise: „Man kann sagen, so viele Worte, so viele Lügen und für jeden Politiker von Fach kann man noch hinzufügen, so viel Unsinn. Wir halten eS schon für eine Erfindung, daß Rußland über haupt eine Annektion von Herat beabsichtigt und wenn daS wirklich der Fall wäre, so würde eS schwerlich den Rath fremder Kabinette darüber einholen. So viel in Berlin bekannt, handelt eS sich bei der Grenzfrage durchaus nickt um Herat, sondern nur um einige Weide plätze der Turkmenen. WelckeS Interesse aber sollte Deutschland daran haben, ein Veto gegen irgend welche Regulirung der Grenze von Afghanistan einzulegen und seine mit erfolgreicher Sorgfalt gepflegten Beziehungen zu dem benachbarten Kaiserreiche um afghanischer oder turkmenischer Steppen willen zu kompromittiren? Auch der Sturz Gladstone'S steht nicht in Aussicht und wenn die deutsche Politik wirklich an demselben arbeitete, so würde die Mission deS Grafen Herbert Bismarck überhaupt unter blieben sein, sicherlich aber hätte dieselbe nickt zu Verstän digungen zwischen den beiden Kabinetten geführt. Welchen praktischen Zweck sollte ferner Deutschland bei dem Werde» di» Mitt»»ch ». Freit», Mittag angenommen und kosten: die Ispalt Zeile 1b Ps Vater Eingesandt r SO Pf. »»onnemendd. Preis: dierteljihrl.M 1M An deziehen durch du kaiserlichen P»ß« anftatten und durch unsere Boten. Bei freier Lieferung tu« Han» erheb: di« Post noch «ne G»« dühr »n Sb Pf,. Deutsches Neich. In gewissen Kreisen Europa s macht sich augenblicklich kennbarer Weise daS Bestreben geltend, zwischen Rußland und dem deutschen Reiche zu säen, indem man jede internationale Verwickelung, in die das Czarenreich geräth, auf eine Jntrigue deS Fürsten Bis marck zurückzusühren und so die redlichen Absichten deS Lin unterhaltendes Blatt für den Biirger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtsharlptmamrschafterr Dresden-Altstadt rmd Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur »nd Verleger Herr«»»« Müller t» DreSde». -useratea- A«nah«eftele»i Die «rnoldische Buchhandlu»-, Jnvalidendant Haasenstein LLoglo», Rudolf Moste, G L Daube 2». in Dre-deu, Leipzig, Hamburg, Berlw, Frankfurt a M. > phantastischen Gedanken verfolgen, sich mit einem eng- > lischen Tory-Kabinette gegen Rußland verbünden zu wollen? Wer sich diese Frage ernsthaft zu beantworten sucht, wird sehr bald zu dem Ergebnisse kommen, daß der Gedanke eigentlich ein entsetzlich dummer ist." Buch daS polnische Blatt „Nowosti" sucht die deutsche Politik in Petersburg zu verdächtigen, indem eS die ! widersinnige Behauptung aufstellt, Deutschland wünsche einen Zusammenstoß Rußlands mit England, damit dann, während Frankreich mit China und England mit Rußland und den aufständischen Arabern im Sudan be schäftigt wären, die Berliner Staatsmänner vollständig j „freie Hand" hätten. Hierauf ist zunächst zu erwiedern, ! daß die deutsche Regierung ihr Augenmerk vorläufig j in erster Linie auf die Pflege der inneren materiellen ' Interessen ihres Landes gerichtet hält und daß im Hin blicke auf diese der AuSbruch eines Krieges in Europa durchaus nicht im Wunsche Deutschlands liegen kann, da dadurch die Wohlhabenheit unserer Nachbarn und gleichzeitig der Erport unserer industriellen Ueber- > Produktion schwer geschädigt werden würden. Was end lich die Verdächtigung des polnischen Blattes betrifft, E Fürst Bismarck wünsche einen Krieg zwischen Groß britannien und Rußland herbeizuführen, um dann alS unumschränkter Herr und Gebieter in Europa herrschen zu können, so weist die „Nordd. Allg. Ztg." diese In sinuation mit folgenden Worten zurück: „Wenn wir den deutschen Reichskanzler richtig beurtheilen, so macht ihm j sckon die Leitung der deutschen Politik mehr Arbeit, als er in seinen Jahren wünscht und er würde sich, wenn er gefragt würde, ob er daüeben noch die Führung der Geschäfte auch nur eine- anderen Reiche- über nehmen wolle, schönstens dafür bedanken. Der Traum eines Starosten, in ganz Europa unumschränkt schalten und wallen zu können, hat für einen praktischen und wesentlich nationalen Politiker, wie Fürst Bismarck es ist, unserer Ueberzeugung nach nur eine lächerliche Seite." : Im Anschlusse hieran verdient ein Artikel der „Pall Mall Gazette" Erwähnung, in welchem die vorauS- > sichtliche Haltung der deutschen Regierung besprochen wird, im Falle sie um ihre Vermittelung zwischen Großbritannien und Rußland in der afghanischen Frage angegangen werden sollte. „DaS Aeußerste", meint daS genannte Blatt, „was wir von dem Fürsten Biömarck erwarten können, ist, daß er seinen Einfluß aufbieten wird, um Rußland zu bewegen, der Form nach den englischen Anforderungen nachzugeben, unter der Be dingung, daß dem Czarenreiche der Besitz des Gebietes gesichert wird, das es beansprucht. Sollte Herr Gladstone so schlecht berathen sein, daß er ein solche- Abkommen ! zurückweist, so wird Fürst Biömarck sick darauf be schränken, den dann unvermeidlichen Krieg zu lokalisiren, d k er wird Oesterreich von Salonichi zurückhalte» und dem Sultan davon abrathen m.t einer der beiden Parteien io dem Streite Gemeinschaft zu machen. Auf mehr als daS können wir nicht hoffen und die welche die Cnaländer glauben machen wollen, sie würden vor einem Kriege mit Rußland durch d,e wohlwollende Ein- mffchung deS großen Mannes in Berlin bewahrt blecken, verlocken uns in -in Narrenparad.eS, auS dem w.r in rauher Weise gejagt werden dürften ' In der Sitzung deS englttchen Unterhauses am Donnerstag sprach der Prennermimster Gladstone sein Bedauern darüber auS, daß die vielgenannte Depesche des deutschen Reichskanzlers vom o. Ma, v. I. der britischen Regierung nicht übergeben worden s«; dieses Aktenstück würde jedenfalls dle freundschaftlichste Auf merksamkeit in London gefunden haben. Was Deutsch land betreffe, so wünsche er (Gladstone) in seiner Zu neigung für dieses Land hinter Niemandem zurück zustehen - er könne sich aber andererseits der Ansicht nicht anschließen, daß es eiteleS Bemühen für England wäre, seine Stellung in Europa und den übrigen Theilen der Welt ohne Deutschland- Freundschaft behaupten zu wollen. WaS die Kolonialpolitik Deutschlands angehe, so gebe eS nur zwei Beschränkungen, welche die englische Regie rung derselben auferlegt zu sehen wünsche, erstens nemlich, daß Deutschland dem Völkerrechte insoweit entspreche, daß seine Okkupationen nicht einen nominellen und illusorischen Charakter trügen, sondern „ tatsächlich' erfolgten und zweitens, daß Deutschland den Gesetzen der Gerechtigkeit und Menschlichkeit entspreche und die Kvlouifiruug mit der gehörigen Rücksicht auf die Rechte und Interessen der Eingeborenen in Scene setze. Ferner sei England verpflichtet, darauf zu sehen, daß vernünftigen Forde rungen der britischen Kolonien billige Beachtung ge schenkt rrerde. Deutschland habe zu prüfen, biS zu welchem Grade es sein Interesse sei, eine kolonisirende Macht zu werden. Was England angehe, so dürfe eS dem Vorgehen der Deutschen in dieser Beziehung nicht mit scheelem Auge zusehen; man dürfe nicht die Be setzung deS einen oder anderen Punktes in krämerhattem Geiste besprechen und keineswegs Alles mit neidischem Blicke betrachten, waS nicht England zufalle. Er sei der An sicht, daß sowohl politisch als auch principiell kein schwererer Fehler seitens Englands gemacht werden könne, alS derartige Launen vorherrschen zu lassen. Werde Deutschland eine kolonisirende Macht, so rufe er ihm GotteS Segen für seine Bestrebungen zu; eö werde Eng lands BundeSfreund und Genosse sein zum Segen der Menschheit. „Ich begrüße Deutsckland- Eintritt in diese Thätigkeit" — so schloß der Minister wörtlich — „und werde eS erfreulich finden, wenn diese- Reich unser Genosse m der Verbreitung des LichteS und der Civili- Feuilleton. Verfehltes Ziel. Novelle v»n U. Wild. (14. Fortsetzung.) Schließlich löste fick die Gesellschaft auf und Korn suchte mit Egbert ein Unterkommen bei einer anderen Truppe. ES war ein elende-, erbärmliches Leben, daS sie nun führten und Lina glaubte oft, eS nicht länger ertragen zu können. Mit blutendem Herzen sah fie, wie auch Egbert mit ihnen immer mehr in'S Elend sank, geistig und physisch, der junge Mann war nur mehr ein Schatten seiner selbst. So ging die Zeit unter Kummer und Sorge dahin. Da starb der alte Korn plötzlich am Schlagfluß; Lina stand nun gänzlich verwaist da. Gefaßt und ergeben ertrug sie diesen Verlust; sie mußte sich sagen, daß eS so am besten sei, wie eS ge kommen, denn zu welchem Ende hätte ein solche- Leben noch führen können? Jetzt beschloß sie noch einen letzten Versuch zu machen, um Egbert auf einen besseren Weg zu bringen. Als sie von dem einfachen Begräbnisse ihre- VaterS in die kleine, elende Kammer, die sie nun mit ihm be wohnt hatte, zurückgekehrt war, bat sie Egbert um eine Unterredung. Mit stummem Kopfnicken folgte ihr Egbert in die Kammer, die trotz aller Dürftigkeit sauber und reinlich gehalten war. Lina bot ihm den einzigen vorhandenen Stuhl und setzte sich auf den Rand ihre- ärmlichen BetteS. Mit tiefem Schmerze blickte sie auf die gebeugte Gestalt deS junge», einst so blühenden MauneS. War eS möglich, daß ein Zeitraum von kaum zwei Jahre» im Stande gewesen, eine solche Veränderung hervorzubringen? Heiße Thränen netzten ihre Augen, alS sie daran dachte, waS er einst gewesen und waS er jetzt war! „Egbert", flüsterte sie mit schmerzbewegter Stimme, „Egbert, hören Sie mich an!" „Ich höre", sagte der junge Mann gleichgiltig, ohne uur den Kopf zu heben. Lina erhob sich und trat dicht an ihn heran „Sie haben viel Leid und Kummer bei unS er fahren", sagte sie, ihre kleine, abgemagerte Hand leicht auf seine Schulter legend — „und wehe mir, daß ich die- sagen muß. mein Vater hat Eie immer tiefer mit iu'S Elend gerissen. ES steht mir, der Tochter, nicht an, ei« absprechendeS Urtheil über den Todten zu fällen, er war ein alter, schwacher Mann u«d die Hand des Schicksals hatte ihn schwer getroffen, er hat nun Alles überstanden und so schmerzlich mich auch der Verlust trifft, ich muß dennoch sagen, für ihn ist e- am besten so. Wenn man an der Grenze de- LebenS steht, ist eine Umkehr schwer möglich. Wenn man aber, wie Eie, noch die Vollkraft der Jugend sein eigen nennt, dann ist eS eine schwere Sünde, sich feig seinem Schmerze zu überlasten. Seien Eie ein Mann, Egbert, und raffen Sie sich empor. Noch ist eS Zeit, noch kann für Sie Alle- gut werden. Entsagen Sie dieser Laufbahn, die nur Noth und Elend für Sie im Gefolge hat und kehren Sie zu Ihren Anverwandten zurück! Ein neue», bessere» Leben wird für Sie beginnen, in einer anderen Umge bung werden Eie leichter vergessen lernen und noch glücklich werden. Hören Sie auf mich, Egbert, ich flehe Eie auf meinen Knien darum an, kehren Sie in die Heimath zurück, versöhnen Eie sich mit Ihrer Mutter!" Die kleine, verwachsene Gestalt sank vor ihm in die Knie, während sich die schmalen Hände bittend zu ihm erhoben. Egbert sah erstaunt auf daS vor ihm knieende Mädchen; er wußte kaum, wa» Lina zu ihm gesprochen. WaS hatte sie von ihm verlangt? Er sollte in die Heimath zurückkehren, al» reuiger Sohn vor di- strenge, harte Mutter hintreten? O, nie, nie! „Stehen Sie auf, Lina!" sagte er rauh zu dem bitterlich weinende» Mädchen. „Sie wissen nicht, wa» Sie da sagen! Ich bin vom Hause fort auf Nimmer- wiederkehr." Er ließ seinen Blick über seine abgetragene Klei dung hingleiten und lachte laut auf. »In diesem Aufzuge sollte ich vor meine Mutter hintreten? Eie würde mich durch ihre Diener zum Hause hinau»jage« lassen! O Lina, Sie kennen diese Frau nicht, sonst würden Ei« mir eine solche Demüthi- gung nicht zumuthen." .Den Beltern gegenüber giebt e» für ein Kind keine Demüthigung", entgegnete Lma sanft. „Können Eie mtt gutem Gewissen sagen, daß Sie frei von aller Schuld be, diesem Zerwürfnisse sind? Haben Sie jemals um pari,üsch darüber «achgedacht? Diese harte, strenge A" Mutter und alS solche wird sie immer nur Ihr Beste- gewollt haben, wenn auch nach einer Weise, d,e Ihnen nicht behagte. Wissen Sie da» so