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302 Brief einer alten Jungfer an noch nnverheirathete Mädchen*). Wenn ich gleich nie das bittersüße Joch der Ehe getragen habe, und auch keine Aussicht mehr vorhanden ist, daß mich Amor mit dem bräutlichen Kranze je schmücken werde, so ist mir doch die Liebe mit ihrem Gefolge nicht ganz unbekannt ge blieben, und ich habe in dem Geleite derselben nach einer ziemlichen Reihe von Jahren theils an mir, theils an Anderen manche Erfahrungen gemacht, die ich Euch, Ihr heirathßlustigen Mädchen, mir meinen Ansichten zu Euerem Nutzen und Frommen mittheilen will. Es ist eine allgemeine Erfahrung, daß alle jungen Mädchen vor Begierde brennen, eine Reise nach Mannheim zu machen, und ebenso ist es der sehnliche Wunsch der meisten jungen Manner, sich nach Frauenstein zu begeben. Allein die Reise nach beiden Orten ist mit Schwierigkeiten verbunden, und ost werden unrichtige Wege ein geschlagen. Gewöhnlich erreichen die Mädchen aus Schönhausen sehr bald ihr Ziel, besonders wenn sie hübsches Reisegeld und die Aussicht haben, einen alten Onkel in der goldenen Aue zu beerben. Solche Mädchen sind freilich vor vielen anderen zu beneiden; allein die Liebe, sagt man, ist blind, und da ereignet sich dann bisweilen der Fall, daß sie an Glücksstadt vorüber reisen und es nie zu sehen bekommen. Darum rathe ich allen jungen Mäd chen, auf ihrer Reise nach Mannheim nie den Weg über Eilenburg zu nehmen, sondern sich hübsch eine Zeit lang in Wartburg aufzuhalten und den Weg und das Wetter zu prüfen. Junge Mäd chen, besonders solche, deren Wangen in Rothen burg geboren oder in Rosenberg erzogen sind, müssen sich vorzüglich vor denjenigen Mannern in Acht nehmen, dre viel über Loben- und Reizen stein sprechen; denn in der Regel ist anzunehmen, daß solche aus Wind schacht sind und es nicht so meinen, wie sie sprechen. Solchen Windbeuteln geht weit aus dem Wege, und am allerwenigsten laßt Euch darauf ein, eine Reise nach Küßnacht mit ihnen zu machen; denn Gott Hymen hat von diesem Orte aus schon viele junge Mädchen zur Strafe nach dem von den Jungferninseln weit entfernten Kindelbrueck oder Ammendorf geschickt, von wo sie sich dann gewöhnlich über Grainsdorf und Bleicherode nach Elend oder gar nach Sargans begeben haben. Doch dürft ihr Euch nicht zu sehr merken lassen, daß Ihr in Spröditz bekannt seid, denn die Manner find ost aus Kürzel ow, und.seid Ihr zu eigen sinnig, wie die Mädchen aus Wahlstadt, so konn's Euch wohl begegnen, daß Ihr, wenn Ihr *) Den geehrten Leserinnen, welche sich über die in nach folgendem Aufsatze vorkommenden Ortsnamen orientiren wollen, empfehlen wir Ur. Ritter'6 gcographisch-statifti- sches Comptoir- und Zeitungs - Lexicon, wo sich alle jene Ortschaften, einige unbedeutende Dörfer ausgenommen,vor finden. einmal an Dreißigacker vorübergegangen, Frei enwalde nicht mehr zu sehen bekommt und für immer in Sitzen he im als sogenannte alte Jung fern verbleiben müßt; dieser Ort liegt aber fast noch weiter von Sorgenfrei entfernt als Waib lingen, von wo aus man doch dann und wann einen Abstecher nach dem naheliegenden Freuden thal machen kann. Wollt Ihr aber einem Manne Euere Liebe schenken, so reiset nach Guteswegen und Wackersleben, dort werdet Ihr Den fin den, den Euer Herz sucht. So kennt Ihr dann Euerem Erwählten die Versicherung geben, daß Ihr aus Liebenwerda und Treuen briezen zu ihm gekommen seid, und dann werdet Ihr gewiß Eueren Wohnsitz in Freudenberg ausschlagen und manche Reise nach Ludwigslust und Himmelstädt machen. — Wenn Ihr nun, Ihr harrenden und schmachtenden Mädchen, auf Euerer Liebesbahn in Siegensleben eingezogen seid, dann ist es nicht nur Euere Pflicht, daß Ihr Eueren Gatten zärtlich liebt und ihm in allen Stücken treu, hold und gewärtig seid und ihn überhaupt so behandelt, daß er glaubt in Buttelstedt oder in Wartenfels zu sein; nein, Ihr müßt Euch auch als tüchtige Hausfrauen zeigen. Daß dazu mehr gehört als ein wenig Sticken und Stricken, sich putzen und musiciren, aus dem Fenster sehen und koquettiren, Mazur tanzen und graziös auf dem Sopha sitzen, das brauche ich Euch wohl nicht erst zu sagen; denn alle die Künste, wenn mitunter auch nützlich und angenehm, sind für den Haushalt nicht gerade nothwendig. Auch müßt Ihr Euch stets freund lich und gefällig zeigen und Euch wo möglich immer in Heitersheim, nie aber in Grillen bürg auf halten, denn dadurch machtJhr Euch und dem Manne das Leben schwer. Vorzüglich befleißigt Euch der Wirthschaftlichkeit, verschwendet Nichts für unnö- thige Sachen, unternehmt keine Reisen nach Putzig und Putzbach, sondern kauft Euere Bedürfnisse lieber in Spa ar ein und gebt überhaupt nicht zu viel Geld aus, sondern seid mit dem letzten stets aus Anhalt. Auch sehet Euch hübsch in Koch stadt um, damit, wenn Euer Gatte sich nach des Tages Last und Hitze nach Eßlingen begeben will, er nicht immer Speisen findet, die in ^Lalz wedel und Wasserleben zubereitet sind; einfach aber aus Gutenberg und Würzburg sei Euere Kost. Viel Putz am Leibe taugt nicht, einfach wie die Kost muß auch die Kleidung sein, und Ihr müßt stets erscheinen, als wenn Ihr aus Ebendorfoder Glattfelden wäret, und in Euerem Hause muß es aussehen, als wenn man sich in Reinstadt oder Blankenhayn befände. Das dachte ich vor Kurzem auch, als ich bei einem jungen Ehepaare zum Besuch war. Ich begab mich nämlich fast taumelnd vor Müdigkeit zur Rube, deren ich nach den Strapazen einer langen Reise sehr bedurfte. Kaum glaubte ich mich jn Reinstadt niedergelegt zu haben, so war mir's, als würde ich von tausend Nadeln gezwickt und mit Brennnesseln gegeißelt; deny wisset, ich mußte siber Flöhe und Wanz-