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182 wüste, und selbst da er ein Gefangener de- Tode-, vom Hunger eingekerkert! — Alle Schrecknisse de- Schiffbruche« vergegenwärtigten sich mir in dem Men schen und seinem Hühnerkorbe, und da- vermuchlich um so lebhafter, weil wir den Kapitän eine- Kriegs schiffe- an Bord hatten, der, vor Kurzem gescheitert, einen vollen Tag in offener See auf einigen Bretern umhergesckwommen, vorgestern von einem Kauffahrtei fahrer aufgefischt worden, von diesem gestern zu un- ge kommen war, um mit unS nach England zurückzukeh ren, und von seinen ausgestandenen Drangsalen mir Abends vorher eine sehr ausführliche Beschreibung ge geben hatte. Da sah ich nun das Beschriebene in der Wirklichkeit vor mir. Es dauerte jetzt zwar nicht - lange!, so hatte unser Boot den Schwimmenden er reicht; aber die Anstrengungen, die unsere Matrosen machen mußten, ihn in ihr Boot zu bringen, bewie sen auch, daß eS höchste Zeit gewesen war. Der Mann konnte nicht ckuf den Füßen stehen, und wie die Ma trosen ihn legten, so lag er. Als sie an unsere Schiffs seite kamen, wurden ihnen Seile und Decken zuge worfen. Sie packten den offenbar mehr als Halb todten sorgfältig ein, und so wurde er aufs Verdeck gehoben. Sie können sich von dem Anblicke schwer lich einen Begriff machen, meine Herren! Wie ein Geier mußte der Hunger an dem Manne gezehrt ha ben. Er war nicht viel bester als ein Skelett. Die gläsernen Augen stierten aus den Höhlen; die Backen knochen stachen beinah durch die gelbe Haut, die Lip pen sahen dunkelblau, dazu ein langer schwarzer Bart — es war ein Mitleid Und Schauder erregender An blick. Sein erstes Wort war: „Wasser, Wasser um'S Himmels willen Wasser!" Und dabei, versichere ich Ihnen, hörte man die Lungen knarren. Eine sehr mäßige Quantität wurde ihm zwischen den Lippen eingegossrn, die viel zu hart waren, als daß er sie hätte öffnen können, und da zeigte sich, was eigentlich Durst heißt und Durst ist. Sobald der erste Tro pfen die Lippen und die Zunge benetzte, zuckte'jedes Glied, und nach dem ersten Schlucke drückte das ganze Gesicht eine wahrhaft kannibalische Freude aus. Der Kapitän ließ den Mann auf eine Matratze legen und au- derSonnenhitze auffs Hinterdeck unter den Schirm bringen, wo er eine Taffe Fleischbrühe bekam und, wie er die getrunken, fest einschlief. Mit dem Befehle, baß Niemand ihn stören sollte, gingen wir zu Tische. Die Gesellschaft blieb mir etwas zu lange bei de- Flasche sitzen ; ich verfügte mich also wieder aufs Ver deck, und da ich den Mann noch schlafend fand und ihn gern beobachten wollte, wenn er die Augen auf schlagen und sich von seinem Hühnerkorbe erlöst sehen würde, so nahm ich einen Stuhl und setzte mich ihm gegenüber. Vielleicht nach Verlauf einer halben Stunde fing er an sich zu regen; dann öffnete er tue Augen und blickte wild umher. -Wie — waS — wo?» hörte ich ihn murmeln; «wo bin ich denn? Ist da rin Schiff? Und das der Himmel, o Gott!» — dann schloß er die Augen, und aus der Bewegung seiner Lippen fölgerte ich, daß er betete. Ich setzte mich leise neben ihn, und al- er nach einigen Minuten die Au gen öffnete und sich ein wenig aufrichtete, beugte ich mich zu ihm,' nahm ihn bei der Hand und fragte mit aller mir möglichen Freundlichkeit, ob er etwa- wünsche und womit ich ihm dienen könn^. — Wild, wie ich eS nie vergessen werde, stierte er mich an und preßte meine Hand krampfhaft zwischen seinen knö chernen Fingern. Dann näherte er sein Gesicht dem meinigen, und seinen Kopf langsam schüttelnd sagte er: »Sie sind nicht der böse Feind, nicht wahr?» — Nein, lieber Mann, antwortete ich; ich bin vielmehr Euer Freund, der eS gut mit Euch meint; sagt mir nur, was ich für Euch thun kann. — Da zog der Mann meine Hand an feine Brust, drückte sie recht innig und küßte sie. In demselben Momente sah ich den Aufwärter über's Deck gehen ; ich rief ihn und ließ mir eins von meinen Hemden und ein paar an dere Kleidungsstücke holen, die ich dem Manne nö- thig glaubte. Der Aufwärter hatte zu viel Mit der Tischgesellschaft zu thun, als daß ich ihm hätte zu- müthen sollen, mir bei der Umkleidung zu helfen. Also that ich das selbst, obgleich nicht ohne Mühe. Denn wie gern auch der Mann mich unterstützen wollte, er war doch kaum im Stande, sich zu heben, und seine inzwischen getrockneten Kleider starrten von Seesalz. Wie ich ihm den Rücken entblößte, bemerkte ich di- noch wunden Spuren jenes scheußlichsten aller Straf- Instrumente, der neunschwänzigen Katze. Bei zu fälliger Berührung zuckte der Mann. Schmerzt eS Euch? fragte ich. .«Sehr, sehr!-antwortete er. Da ich nicht anders vermuthen konnte, als daß er die grau same Züchtigung für irgend ein Verbrechen erhalten habe, so hielt ich sein: «Sehr, sehr!» zugleich für einen Ausdruck der Reue und setzte die Umkleidung desto lieber fort. (Schluß folgt.) . Zur Erinnerung an den 7. Juni. (Eingesandt.) Die. edeln Gefühle achter treuer Anhänglichkeit, welche die Bewohner der Stadt Suhl dem König Friedrich August dem Gerechten am Feste seines 50- jährigen Dienstjubilaums den 18ten September 1818 in einem trefflichen Gedichte darbrachten, verdienen zum nächsten 7ten Juni, als am Jahrestage des jenigen Tages, an welchem jener Fürst nach dem Frieden von 1815 in seine Hauptstadt zurückkehrte, zur öffentlichen-Erinnerung gebracht zu werden. Jene treuen Suhler, welche durch die Theilung des Landes an die preußische Monarchie kamen, blieben dennoch im Herzen ihrem alten Beherrscher dankbar verpflich tet und gaben dieß in jenem Gedichte auf die rüh rendste Weise zu erkennen. Wir lassen daher das selbe hier wörtlich folgen: Worte der Liebe von den Bewohnern der Stadt Suhl,, gerichtet an den König von Sachsen, Friedrich August den Gerechten, am Tage sei nes 50jährigen Regierungsjubiläums den 18. September 1818. Wie üuch des Schicksals strenge Loose fallen, Ob traurig dunkel oder sonnenrein,