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159 ter gewiß nachsichtig stimmen, da sein Vergehen ja überhaupt keine harte Strafe nach sich ziehen kann. Der älteste Mann unserer Zeit. Unter dieser Überschrift theilt die in Leipzig er scheinende Zeitschrift: „die Eisenbahn"-ganz ernsthaft einen Aufsatz mit, der, wenn er nicht ein offenbarer Scherz sein sott, doch gar so arg auf die Leichtgläu bigkeit der Leser speculirt.' Es wild nämlich darin er zählt, daß in der Nähe von Dresden, auf dem Land sitze des Herrn Grafen von Wackerbarth (Wackerbarths ruhe) ein Greis, Namens August Hammel, lebe, den der Tod in oer That abzurufen vergessen habe. Sein Geburtsjahr sei ungeachtet der sorgfältigsten Nach forschungen nicht genau zu ermitteln gewesen, da die Kirchenbücher jener Zeit verbrannt wären; doch stehe so viel fest, daß dieser Methusalem um das Jahr 1630 (!!) zu Braunschweig geboren worden sei. Graf Wackerbarth habe ihn schon 1790 als hochbetagten Greis in Göttingen kennen gelernt, und er halte sich nun schon über 40 Jahre bei ihm auf. Hierauf folgt eine Schilderung dieses 210jährigen Veteranen, worin besonders erwähnt wird, daß derselbe, obgleich einer Mumie ähnlich, dennoch im Besitze seiner sämmt- lichen geistigen Fähigkeiten sei. — Wollte man auch die Jahrszahl 1630 für eine Setzersünde halten und dafür 1730 substrtuiren, so widerspricht dem doch die in gedachtem Aufsatze ausgesprochene Bemerkung, daß der Alte sich zuweilen noch recht lebhaft einigerSchreckens- momente des in seine Jugendzeit gefallenen dreißig jährigen Krieges erinnere. Die „Eisenbahn" scheint es den amerikanischen Zeitungen nachmachen zu wol len, welche mitunter ihren Lesern die unglaublich sten und witzigsten Windbeuteleien erzählen, welche nicht selten die deutschen Blätter ganz ernsthaft als Thatsachen mittheilen; dahin gehört z. B. der erst kürzlich in mehren Blättern mitgetheilte Einsturz des berühmten Niagarafalls, den Jemand scherzweise er dacht und in einem amerikanischen Blatte mit allen seinen Einzelheiten beschrieben hatte. Fremdes und Eigenes. Der neue Superintendent in China. Wie die Leipz. Zeitung (Nr 111, S. 1671) meldet, ist ei ner der ausgezeichnetsten Offiziere der britisch-ostindi schen Armee, Sir Henry Pottinger, zum Nachfolger des Kapitän Elliot als Superintendent in Canton ernannt worden. Die Leipz. Allg. Zeitg. berichtet da gegen, Sir Pottinger sei Oberaufseher der Einkünfte geworden; also wahrscheinlich «Lurmlenäant« aux sinaneeis. Die Nachtheile der Operation des Schie lens. Ein Herr D. kam kürzlich zu einem berühm ten Pariser Operateur, der seine Frau vom Schielen befreit hatte, und machte ihm darüber — die größten Vorwürfe. AlS 'meine Frau noch schielte, sagte er, fand sie mich allerliebst; jetzt hat sie eine andere An sicht von Allem gewonnen. Sonst gefiel es ihr nur zu Hause, sie nahm keine Einladung an; Concerte, . Bälle, Soirven hatten keinen Reiz für sie. Sie schielte ja damals. Seit sie gerade sieht, ist das an ders geworden; das Haus gefällt ihren Blicken nicht mehr; meine Gesellschaft genügt ihr nicht; sie ver langt nach Gesellschaften, zieht mich jeden Abend in das Theater, zu Bällen rc., wo sie die ganze Nacht tanzt, um einzubringen, was sie versäumt hat. Sie verlangen Bezahlung? Sie haben mich durch ihre Operation in's Verderben gestürzt. Meine Frau war sonst bescheiden und einfach ; jetzt träumt sie von nicht- als von neuen Moden; Stoffe, Spitzen, Federn, Ju welen, nichts ist ihr zu theuer. Meine Ruhe sogar ist eben, so gefährdet wie mein Vermögen. Sonst war ich völlig unbesorgt; wer meine Frau sah, sagte: „sie ist nicht übel, aber sie schielt!" Und die galanten Herren kümmerten sich nicht um sie. Jetzt ist auch dieß anders; sie finden sie schön, bewundern sie und drohen mir, denn ich bin jetzt leider! der Mann ei ner der schönsten Frauen. Herr D. mag nicht ganz Unrecht haben. Die Gebrechen und Mängel einer Frau sind ost die Grundlagen ihrer liebenswürdigsten Eigenschaften und die sicherste Bürgschaft der Ruhe und des Glückes eines Hauswesens. Sollte nicht, da die Operation des Schielens so große Folgen hat, in den Gesetzbüchern ein Artikel eingeschaltet werden, welcher den Frauen verbietet, ohne Genehmigung des ManneS sich von dem Schielen befreien zu lassen? — Ein Berliner Schneider, Herr Jean Brandt, hat ein Abonnement für elegante Herren eröffnet, die je den Monat einen modernen Anzug erhalten sollen. Mit dieser Anzeige verbindet er für Diejenigen, welche die Tuche selbst hergeben wollen, die gehorsame Be merkung, daß für einen Mann von-mäßigem Kör perumfange nur 2F bis 3^ Ellen Tuch nöthig sind. Von Tuchhändlern und Schneidern wurden hiergegen - freilich viele Bedenken geäußert, indessen „aus nahe liegenden Gründen." Er sagt,-wer bei ihm arbeiten lasse, werde sich selbst überzeugen, daß das geforderte Tuch hinreiche, genügende Kleider zu machen, und er fügt hinzu, wie er sich freuen dürfe, daß „dem Geschmack vollen und Dauerhaften seiner Arbeiten, sowie sei ner Gesinnung täglich immer mehr Anerkenrttniß zu Theil werde." Vor kurzer Zeit kam Abends um 9 Uhr ein fein gekleideter alter Herr in den Laden eines Goldarbei ters, Straße St. Martin zu Paris, und verlangte ei nige goldene Hemdeknöpfe, welche er, ohfie weiter zu handeln, auf der Stelle bezahlte. In der Thür sich wieder umdrehend, sagte er: „Lassen Sie sehen, ob mir einer von Ihren Siegelringen gefällt!" ; Sogleich wurden ihm die schönsten und kostbarsten, vorgezeigt, er probirte mehre an, fragte nach dem Preise und zog schon die Börse, um den einen zu bezahlen, al- auf einmal der ganze, mit Gas taghell erleuchtete La den finster ward, denn alle Gaslichter erloschen plötzlich. Der Bijoutier erschrak, rief indeß sogleich nach Licht und entschuldigte sich des Unfalls wegen in der Dunkel-