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Sächsischer Landes-Anzeiger : 21.09.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-09-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188809214
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880921
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880921
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-09
- Tag 1888-09-21
-
Monat
1888-09
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 21.09.1888
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Nr. 221. — 8. Jahrgang. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum des folgenden Tages) zur Verfendüng gelangende „Sächsische Landes-Anzetger" mit täglich einem Extra-Beiblatt: 1. Kleine Botschaft 2. Sächsischer Erzähler v. Sächsische GerichtSzeitnng 4. Sächsisches Allerlei 6. Jllustrirtes Unterhaltungsblatt 6. Sonntagsblatt 7. Lustiges Bilderbuch kostet bei den Ausgabestellen monatlich 70 Pfg., bei den Post-Anstalten 75 Psg. (Post-Zeitungs-Preisliste Nr. 8035.) Sächsischer Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Verlags-Expedition: Alexander Wiede, Bnchdrnckeret, Chemnitz, Theaterstrabe Nr. 5. Fernsprech-Anschluß Nr. 136. — Telegramm-Adresse: Landes-Anzeiger, Chemnitz. Freitag, 21. September 1888. Bon Ven Hanptblättcr» des „Sächsischen Landes-Anzeigers" erscheint (ohne dessen tägliche Extra-Beiblätter) eine billigere Sonder-Ansgabe unter dem Titel: Chemnitzer General-Anzeiger für monatlich »nr SO Pfg. mit Zutragen; außerhalb Chemnitz monatl. 57 Pf. m. Ztr. (Zeitungs-Preisliste!>. Nachtr. Nr. 12S0a.) FürAbonncnten crscheintje einmal imJahr. Evunner.Eiseiibahiiwhriilinihcft für Sacvsr»! Wiiiter-Eisrnbahnfahrplaiidest für Sachsen. Jllustr. Kalender de» Sächsischen Landboten. JUnstrirle» Jahrrsbuch des Landes-Anzeigerr. Bei Wiederholung großer Anzeigen Preisermäßigung- — Bei Bestellungen von Auswärts wolle man nur bis Vormittag angenommen werde», da Druck und Verbreitung der großen Auflage längere Zeit ersordern. — (billigere Sonder-Ansgabe der Hauptblätter des „Sächsischen Landes-Anzeigers ohne dessen tägliche Lxtra-Beiblätter.r AmtsgertchtNchc Bkk>»mtmachi»iam. I» dem Concnrkvcrfahrcn über das Vermögen des Kaufmann- August Robert Wenzel, Inhabers eines unter der Firma Robert Wenzel in Chemnitz betriebene» Materialwaarengcschäfts, ist zur Abnahme der Schlußrechnung des Verwalters, zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schlußverzeichniß der bei der Vertheilung zu berücksichtigende» Forderungen nnd zur Beschluß fassung der Gläubiger über die nicht verwerthbare» Vcrmögensstücke der Schlußtermin ans de» 16. Oktober 1888 Vormittags 10 Uhr vor dem König lichen Amtsgerichte hiersclbst bestimmt. Chemnitz, am 18. September 1888. Königliches Amtsgericht. I» dem ConcnrSvcrfahren über das Vermögen des Fleischers Julius Otto Hohlfcld in Chemnitz ist zur Abnahme der Schlußrechnung des Verwalters, zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schlußverzeichniß der bei der Vertheilung zn berücksichtigenden Forderungen nnd zur Beschlußfassung der Gläubiger über die nicht vcrwcrthbarcn- Vcrmögcusstllcko der Schlußtermin aus de» 16. Oktober 1888 Vormittags 11 Uhr vor dem Königlichen Amts gericht bierselbst bestimmt. Chemnitz, den 18. September 1838. Königliches Amtsgericht. I» dem Concnrsverfahren über das Vermögen des Braucrcibesitzcrs Carl Gottlob Edmund Henschlel, vormals in Nltenbain, ist zur Abnahme der Schl»'' xechmmg des Verwalters, zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schl» Verzeichnis; der bei der Vertheilung zu berücksichtigenden Forderungen und zur Beschlußfassung der Gläubiger über die nicht verwcrthbaren Vermögensstücke der Schlußtermin ans den 18. Oktober 1888 Vormittags 10 Uhr vor dem Königlichen Amtsgerichte Hierselbst bestimmt. Chemnitz, den 18- September 1888. Königliches Amtsgericht. Die zum Nachlasse des Haus- nnd Grundstücksbesitzers Heinrich Hermann Hosmann in Leukersdorf gehörigen Grundstücke, Haus mit Garte», Folinm 21 von Leukersdorf A. A., Wiese und Feld, Folinm 148 desselben Hypotheken- bnchs, Wiese und Feld, Folinm 184 desselben Grund- nnd Hhpothekenbnchs, zusammen 3 Hektar 18,7 Ar — 5 Acker 228 Quadrat-Ruthen groß, mit 154,07 Steuereinheiten belegt, ortsgcrichtlich auf 17,810 M. gewürdcrt, sollen im Wege freiwilliger Snbhastatio» Donnerstag, den II. Oktober 1888, Vor mittags 11 Uhr an Ort nnd Stelle znsammcn veräußert werden. Die vor handenen Getreide- und Fnttcrvorräthe, das todte nnd lebende Inventar, sowie sonstiges Mobiliar sollen von Donnerstag, de» 18. Oktober 1888, Vormittags 0 Uhr ab veranetionirt werde». Chemnitz, den 17. September 1888. Königliches Amtsgericht. Telegraphische Nachrichten. Vom 19. September. Hamburg. Eine Verordnung des Senats über Nachvcrstcner nng veröffentlicht noch nicht den Tag des ZollanfchlusseS, seht jedoch den Tarif für die Nach Verzollung fest. Befreit bleiben alle auf Contenlagcr oder Creditlager befindlichen Maaren, ferner Maaren, welche nachweislich aus dem freien Verkehr des Zollgebietes stammen, mit Ausnahme von Gcrstenmalz, Bauholz, Nutzholz, Bier, Brannt wein und alkoholhaltigen Getränken, Margarine, gebrannten, Kaffee nnd Cacao, Znckerwerk, Cakes, Reisstärke, Mehl, Salz, Tabak, Tabakfabrikaten, Zucker, Oelfabrikaten; ferner von eigenen Waarcn- vorräthen an Bier, Branntwein und Essig 15 Liter, an Wein, aus schließlich Schaumwein, 5» Liter, an Tabak und Tabakfabrikaten 3 Kilo, an Mannfactnr- nnd sonstigen Maaren je 15 Kilo. Paris. Der Leichnam eines deutschen Gensdarmen wurde an geblich aitf den, Territorium der französischen Gemeinde Snarcc, eines IV- Kilometer von der Grenze an der Straße nach Belfvrt gelegenen Dörfchens, im Gebüsch gefunden. Der Hals war von einer Kugel durchbohrt. Die „Corr. Havas" behauptet, daß ein Selbstmord vorlicge. Das Ministerium des Aenßcrn verweigert jede Auskunft. Gerichtliche Autoritäten von Bclfort begaben sich heute nach dem Thatort. Die „France" stellt die Hypothese auf, daß der Gcnsdarin von deutschen Schmugglern ermordet worden sei. Der Geistersee. Original-Novelle von Gustav Höcker. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Klairissc fühlte sich so beklommen, daß ihr die Unterbrechung willkommen war, nnd riek an des Malers Stelle: „Herein!" „Ah! Freund Schratt!" redete Heinrich den Eintrctcndcn an. „Das trifft sich gut. Sic kommen just wie gerufen nnd müssen mir als Entlastungszeuge dienen." Der Ankömmling war ein langer, hagerer Fünfziger. Seine Kleidung verricth Dürftigkeit. Ans seinem bleichen Gesicht starrten ans tiefen Höhlen ein paar große und schwarze Angen, als blickte» sie in eine weite, weite, dem Blicke anderer Sterblichen verschlossene Ferne. Er hatte etwas von einem Scher au sich nnd war ein von den Malern sehr gesuchtes Modell für prophetische Greise und andere unheimliche Figuren, die im Charakter des Uebcrsinnlichen gehalten werden mußten. Zu Banquos und des allen Hamlets Geist, zu dem wahnsinnigen Lear, zu dem sterndcutendcn Seni hatte er schon als Modell gedient und auch in Heinrich Zelters so viel geschmähtem neuesten Bilde nahm er eine hervorragende Stelle ein. Es ging ein Gerücht über ihn, er habe alle Fakultäten dnrchstndicrt nnd dabei sein Vermögen und seinen Verstand zngesctzt. I» seinen Umgangssormen ganz vernünftig, glaubte er fest an Geister nnd Gespenster und bildete sich ei», mit ihnen im Verkehr zu stehen. Er war von der Wichtig keit sagenhafter Gestalten eben so fest, ja fester noch überzeugt, als von dem Vorleben historischer Berühmtheiten, nnd schlief nur am Tage, um während der Nacht auf Kirchhöfen, in Wäldern nnd anderen Orten umher zn streichen, die andere Leute nicht gern beim Mvndcn- licht anfznsnchen pflegen. Seiner seltsamen Steigung wegen wurde er allgemein „der Geisterseher" genannt. „Schratt!" forderte Heinrich ihn ans, „Sic sollen dieser Ihnen wohlbekannten Dame jetzt sagen, wann nnd wo wir uns zuletzt ge sehen haben." Der Angcrcdete verbeugte sich vor Klairissc nnd antwortete mit einem Blick, als lese er in der Zukunft, anstatt in der Vergangenheit: „Es war am Sonnabend Abend um die achte Stunde, als ich Herrn Zelter —" „Also an demselben Abend, wo ich ans dem Maskenball gewesen sein soll, mnerbrach ihn Heinrich, zu Klairissc gewendet. „Fahren Sie fort, Schratt." „Ich traf Herrn Zelter ans der Straße, gerade vor dem Nolhen- haagschen Hanse nnd wurde von ihm cingcladc», ihn in seine Woh nung zn begleite», wo ich bis ui» die Mitlernachtsslnude bei einem Glase Punsch sein Gast war." Wien. König Milan verbleibt in Gleichenberg bis in die ersten Octobertage. Der Nachricht von einer Aussöhnung des serbischen Königspaares wird in serbischen Kreisen bestimmt widersprochen. Vom 20. September. Hamburg. Laut Bekanntmachung des Senats ist der Zoll- anschlnß Hamburgs vom Reichskanzler auf Grund der Ermächtigung des Bnndesraths auf den 15. Oktober festgesetzt. Der Brodpreis. Hj Chemnitz, den 20. September. Seit langen Jahren steht die Frage des Brodpreises in Deutsch land jetzt zum ersten Male wieder im Vordergründe der Tages diskussion. Seit fast 10 Jahren haben wir die Gctreidezölle, zuerst drei Mark, daun dreißig Mark, dann die neueste Erhöhung, aber in Folge der guten Ernten war die Production so reichlich, daß in dem Preis des Brodes keine auffallende Aenderung cintrat. Im Ganzen ist der Brodpreis ja gegen frühere Jahre ein höherer geworden, aber das findet sich ans allen ähnlichen Gebiete» und hängt zum guten Theil mit der Verthcuerung des Gewerbebetriebes zusammen. In diesem Jahre ist nun vielfach eine wenig befriedigende Ernte zu ver zeichnen ; nicht blos in Deutschland, auch außerhalb unserer Grenzen sind die Laudwirthe durch die Nässe bes Jahres schwer geschädigt worden, die Ernte ist stellenweise ganz vernichtet. Man »ahm an, daß trotz dieser Kalamität die Production noch groß genug sei» werde, um eine Preissteigerung zu verhindern, aber dies scheint nicht der Fall zu sein; vielleicht thnt auch die Speculation das Ihrige, um die Lage schwieriger zu gestalten, als sie in Wahrheit ist. That- sache ist jedenfalls, daß in einer ganzen Reihe von deutschen Be zirken eine Preissteigerung im Mehl zu verzeichnen ist und die Bäcker begonnen haben, den Brodpreis mehr oder weniger zu er höhe». Solche Nachrichten kommen außer ans Sachsen vom Rhein, ans Hessen, Bayern, Württemberg, Bade», Schlesien n. s. iv. Auch in Berlin haben sich die Bäcker bereits mit der Angelegenheit be schäftigt, und wenn sie auch noch keinen bestimmten Beschluß gefaßt haben, so haben sie doch konstatirt, daß eine weitere Verthcuerung des Mehlprcises eine Verthcuerung oder Verkleinerung des Brodes nach sich ziehen müsse. Beides läuft ja auf dasselbe hinaus. Es läßt sich heule noch nicht abschen, wie weit die Preissteiger ung sich ansdehncn und ob sie sich ans ganz Deutschland erstrecken wird. Wir wollen Letzteres nicht hosfen, denn so angenehm für die Landwirthschaft, die cs gebrauchen kann, höhere Kornpreise sind, so werden dieselben doch zum Unglück, wenn sie eine Broonoth Hervor rufen, nnd in diesem Falle würde eine Ermäßigung der deutschen Gctreidezölle gar nicht zu umgehen sein. Die Reichsregicrnng widmet der Brodfrage sicher ihre ganze Aufmerksamkeit nnd wird auch im gegebenen Moment nicht zögern, zu thnn, was nöthig ist. Aber wir glauben, es wird nicht so weit kommen. Die Cvncnrrcnz trägt doch viel dazu bei, annehmbare Preise zn erhalten, nnd cs werden sicher auch noch weitere Vorräthe au Brodkvrn ans dem Markt er scheinen, welche jetzt aus diesen oder jenen Erwägungen znrückgehaltcn werden. Die jetzt beginnende Bewegung wird sich klarer entwickeln und dann wird sich absehcn lassen, ob wirklich die Befürchtungen auf eine erhebliche allgemeine Brodvcrthenerung begründet sind. Nicht unmöglich ist es, daß sich ans den jetzigen Verhältnissen eine Gesundung oder wenigstens eine Besserung der landwirthschaft- lichen Preissätze entwickelt. Die horrende Schleudere!, die in Ruß land und anderen Kornländcrn herrschte, hat auch horrendes Elend hcrvorgcrnfcn. Alle Berichte melden, daß die Lage der Landwirth schaft so traurig wie nur möglich ist, daß Verschuldung und Kredit mangel in gleichem Maße alle Grenzen überschritten haben, und die Verwilderung der russischen Bauern rapid zunimmt. Russische Blätter erzählen darüber Geschichten, die kaum zu glauben sind und sich wie asiatische Märchen lesen. Man hat vielfach um jeden Preis losge schlagen ; aber diese Wirthschaft nimmt nun das Ende mit Schrecken, welches ihr von vornherein klar bevorstand. Auch sonstwo sieht es nicht zum Besten aus. In Deutschland hat man zwar auch geklagt über die landwirthjchaftliche üble Lage, aber doch zu retten gesucht, was zu retten war, während anderswo erst recht flott darauf losgc- lebt wurde. Sv haben sich die Verhältnisse bei uns immer noch in doch nicht direct unerträglicher Weise gehalten. Es wird unzweifel haft für die Landwirthschaft ebenso wieder bessere Zeit anbrechen, wie für die Jahre lang schwer betroffene Industrie, denn sie ist eben falls ein Glied, und zwar ein sehr wichtiges, im großen Weltverkehr. „Das er aber, beiläufig gesagt, nicht anrnhrtc," fügte Heinrich lächelnd hinzu, „da er alle geistigen Getränke verabscheut. Er kann somit auch nicht doppelt gesehen haben." „Unbegreiflich!" verwunderte sich Klairissc. „Ich habe doch meine Angen offen gehabt! Noch jetzt kann ich den Gedanken nicht los werden, daß Sie mit mir nur das neckende Spiel fortsctzcn, welches Sie auf dem Balle begannen, indem Sic die Griechin nicht kennen wollten, die Ihnen wiederholt die Anfangsbuchstaben Ihres Namens in die Hand schrieb." „Wer war die Griechin? fragte Heinrich. „Nun, ich selbst!" „Also Sic schrieben mir die Anfangsbuchstaben meines Namens in die Hand," ging der Maler lächelnd ans Klairisscs Behauptung ein. „Und was sagte ich?" „Sie schüttelten den Kopf, reichten mir aber Ihren Arm." „Und wovon sprachen wir?" setzte Heinrich das Examen inder- vorigen Weise fort. „O, über äußerst gleichgültige Dinge, lieber das Gedränge nnd die Hitze im Saale, zuletzt über die Maske ii» Kostüm und mit dem Netze einer Fischerin, die unseren Weg verschiedene Male kreuzte." „Und wer war die Fischerin mit dem Netze?" fragte Heinrich. „Wir haben vorhin ihren Name» oft genug genannt," v.r- sctzte Klairissc mit einer gewissen Ucberlcgcnhcit, als fühle sic sich über jede Täuschung erhaben. „Sie wußte durch graziöse Koguetterien Ihre Aufmerksamkeit auf sich zn ziehen. Ich wurde neugierig; um die weitere Entwickelung der Dinge nicht zn hemmen, ließ ich Sie los, hielt mich aber in Ihrer Nähe und sah Sic bald im Ncbensaalc verschwinden, wohin die Fischerin Sie zu locken wußte. Dort hatte» Sic hinter einer Statue mit ihr ein kurzes Zwiegespräch, von dem ich zwar nichts verstand, aber meine Angen sagten mir genug. Ich sah Sie ganz wieder im Banne jencs gefährlichen Mädchens, von dem Sic sich längst lvszurcißcu trachteten. Ich hielt eine kleine Er innerung an Ihren Vorsatz für angebracht, rief Ihnen zu, vor dem Netze der Fischerin ans Ihrer Hut zu sein, und zog mir dadurch deren Bcrsolgnng und eine sehr unangenehme Secne zn." „Tie Gestalt des rothcn Dominos hat Sie getäuscht, Fräulein Klairissc; wer weiß, wer sich unter der Maske verbarg." „Unter der Maske!" wiederholte Klairissc im Tone trauriger Genuglhnnng. „Sie hatte» beide die Masken abgenommeu und ich sah Ihr Gesicht. Z»g für Zug so deutlich, wie ich cs jetzt vvr mir sehe." „Da hört der Spaß auf!" rief Heinrich erstaunt. „Was sagen Sie dazu, Schratt?" wendete er sich an den Geisterseher, wclchcr mit großer Aufmerksamkeit zugchört hatte. Politische Nimdschait. Chemnitz, den 20. September. Deutsches Reich. Die Kaiscrmanöver bei Müncheberg sind vorüber. Selten sind wohl große Manöver, bei denen den Truppen ganz außerordentlich viel zugemnthct ist, so ohne große Störungen verlaufen, wie die jetzigen; es sind allerdings einzelne Unglücksfälle vvrgekommen, und diese werden ja nie zn vermeiden sei», aber sie sind ganz bedeutungslos im Vergleich zu dem, was geleistet worden ist. Es hat, in militärischer Beziehung, Alles aus das Genaueste geklappt, und Officicre wie Mannschaften haben das ihnen vom obersten Kriegsherrn gespendete Lob im reichsten Maße verdient. — Aus Müncheberg wird noch berichtet, daß die Verladung der Ma- növertruppeu zur Rückkehr in die Garnisonen Mittwoch Nachmittag um 2 Uhr begann. Zur Beförderung der Truppen aus dem Manöver-- tcrrain wurden 1200 Wagen und 72 Maschinen zusanimengebracht und es waren 31 Züge erforderlich. — Zum Schluß der großen Manöver hat Kaiser Wilhelm II. folgende Veränderungen in der Armee befohlen: General der In fanterie von Pape ist, unter Beförderung zum General-Oberst der Infanterie, zum Oberbefehlshaber der Truppe» in der Mark und zum Gouverneur von Berlin ernannt, General der Infanterie von Mecrscheidt-Hüllessem zum kommandirenden General des Gardecorps, Generalleutnant von Hilgers zum kommandirenden Gerncral des 5. Armeecorps, Generalleutnant von Kropff, bisher Commandeur der 4. Garde-Infanterie-Brigade, zum Commandeur der 15. Division (Köln), Generalmajor Graf von Schliefst» zur Disposition des Chefs des Gcncralslabes kvinmandirt, Major von Zitzelvitz vom Gencralstab der 1. Gardedivision zum königlichen Flügeladjntanlen ernannt, Major von Vietinghoff, Flügeladjutant Sr. Majestät, in den Generalstab versetzt. — Gerüchte über einen bevorstehenden Rücktritt dc-s Königs von Griechenland sind von Neuem im Umlauf nnd rufen unser Interesse um so mehr wach, als die Schwester des Kaisers Wilhelm die Braut des griechischen Thronfolgers ist. So wird der „Köln. Ztg." ans Kopenhagen geschrieben: „Die in der deutschen Presse wiederholt ausgetretenen Gerüchte, daß der König von Griechenland sich von den Regiernngsgeschäftcn znrückzichcn werde, sobalo sei» Sohn in vollem Umfange die Hcrrscherpflichteu auf seine jungen Schultern nehmen könne, sind auch hier sehr stark verbreitet. Sie haben neuerdings wieder frische Nahrung erhalten, da der augen blicklich bei seinen dänischen Elter» verweilende König ein großes, dicht bei Fredcnsborg, dem Lieblingsschloß des russischen Kaisers, ge- „Jch finde nichts Unbegreifliches daran," entgcgnetc der Geister seher ernst. „Jeder Mensch ist doppelt geschaffen, obwohl cs nur wenigen vergönnt sein mag, mit ihrem anderen Ich zusammcnzu» treffen. Dieses Fräulein," fuhr er mit Beziehung auf Klairissc fort, „muß vielleicht in diesem Augenblick im fernsten Westen Amerikas als das Weib eines Ansiedlers die Schrecken eines nächtlichen JndianerübcrfallcS durchwachen." „Von mir selbst vcrmnthe ich", fuhr Schratt fort, „daß ich als Verbannter in einem sibirischen Arscnikbergwcrkc arbeite; ein häufig wiedcrkehreudcr Traum bestärkt mich darin. Und Sic, Herr Zelter, werden sich nach dem, was Ihnen dieses Fräulein mitgctheilt hat, nicht wundern, wenn Sie sich etwa in einem Kasscchansc dieser Stadt sitzen sehen, vielleicht mit kaltem Blute die Schmähungen lesend, welche giftgeschwollcncr Neid auf Ihr neues Bild gehäuft hat." Mit diesen Worten, die in Heller Entrüstung gesprochen wurden, griff er in die Brnsttasche seines fadenscheinigen langen Recks nnd zog mehrere Zeitungen hervor. „Fort damit!" rief Heinrich, seinem Modell mit beiden Händen abwinkend. „Sic bringen mir nichts neues! Ich kenne bereits unser gemeinsames Schicksal." „Geben Sie uns lieber eines Ihrer Märchen zum besten", bat Klairissc den Geisterseher, um den Maler zn zerstreuen, ans dessen Stirn sich, bei der Erinnerung an die Kritiken, wieder eine Wolke finster» Unmnths gelagert halte. „Ich weis; keine Märchen!" versetzte der Geisterseher kopfschüttelnd und im ernst verweisenden Tone. „Es giebt keine Märchen!" „Nein, cs giebt keine Märchen", mischte sich Heinrich beschwich tigend ein, da er die Empfindlichkeit des Modells ichr wohl kannte und dieselbe stets zu schonen wußte. „Schratt erzählt nur, was wirklich geschehen ist oder was er selbst gesehen hat." „Ich habe auch die Gräfin vom Äeistersec gesehen, wie sie im Stervelleide unter den Erlen stand", sagte Schratt schnell wieder be ruhigt »nd offenbar erfreut, in sein Fahrwasser cinleulcn zu können. „Ah, der Geistcrsce bei Wcherlünne!" ermunterte der Maler. „Ich habe die Geschichte zwar schon mehrmals von Ihnen gehört nnd zuletzt, wenn ich nicht irre, in Gegenwart Fräulein Rvthcnhaags, als sie mir zn ihrem Porträt saß. Aber Fräulein Klairissc kennt sie noch nicht nnd ich höre ebenfalls gern wieder z»; der Geisterscc in« teressirt mich jetzt boppelt, weil ich nächstens selbst »ach Weficrlünne komme. Also lassen Sic hören, Schratt!" Heinrich griff wieder zu Pinsel und Palette. Klairissc nahm seitwärts von ihm ans den; vorhin verlassenen Stuhle die Position cm, die ihr der Maler vocschrieb, nnd Schratt stellte sich ansgerichtct, die Hände ans dem Rücken, zwischen Beide und begann mit abwesendem Blicke seine Geschichte Fortsetzung folgt.
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