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mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen nnd Thüringen. Buchdrnckerei, Chemnitz. Thcaterstraße 6 (Fernsprcchstelle Nr. 186). Telcgr.'Adr.: Landes-Anzeiger, Chemnitz. Mit täglich eineni besonderen 4 Sächsisches Allerlei - Unterhaltungsblatt: i. Kleine Botschaft — 2 Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung b Jllnftrirtes Unterhaltungsblatt — 6. Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Luftiges Bilderbuch. Abonnement für November und December. Der „Sächsische Landes-Anzeiger" bringt im November in keinem täglichen Feuilleton die fesselnde Crimistal-Erzählung: „Im Verdacht" von Carl Schmeling und folgen dann im weiteren Verlaufe des Quartals die Novellen: „Paul und Paula" v. H. Stöckl, sowie „Verurthettt" v. A. Zapp. Ende November erhält jeder Abonnent gratis als Extrabei gabe geliefert: W Sachs. LMMnjkMs illastr. Meßbuch Geihuachtsbuch) 64 Seiten gr. 8« (ff. Papier), in Umschlag gebunden, mit anmuthigen Weihnachts- und Neujahrs-Erzählungen, sowie hübschen Weihnachts- Bildern mit Gedichten. (Preis dieses Jahresbnches für Nicht- Abonnenten 40 Pf.) Jeder neu beitretende Abonnent, welcher die Abonnemcnts- Ouittung (und lO-Pfg.-Marke für Porto) direkt an die Verlags- Expedition einsendet, erhält ebenfalls gratis die Extrabeigabcn: Lisenbahn-Fahrplanheft für Sachsen (vom 1. October ab giltig). Dieses Eisenbahn - Fahrplanhcft ist in Umschlag geheftet und mthält in sauberem deutlichen Druck die ab 1. October giltigen Fahrpläne sämmtlicher Strecken des Sächsischen Eisenbahn- Netzes für das Winterhalbjahr 1887/88, nebst Angabe der Fahr preise III. Classe und der Entfernungen in Kilometern (Preis dieses Fahrplanhcftes für Nicht-Abonnenten 20 Pfg.), sowie Jllustrirter Kalender für das Jahr 1888. Dieser Kalender ist in Umschlag gebunden, 84 Seiten 4".stark und enthält das höchst charakteristische, farbenreiche Oeldruckbild Ein Schwabenstreich (mit Gedicht), ferner Almanach, Kalendarium, Messen- und Märkte-Verzeichniß, Rcgententafeln, Ucbersicht der Welt begebenheiten 1886/87; einen reich-illustrirten umfangreichen humoristi- ichen Theil, sowie die fesselnden Erzählungen: „Um Ehre und Recht" von C. Escnius, „Geheime Duellanten" von Carl Zastrow und „Der Sarg" von H. Thicniig. Des Weiteren enthält der Kalender: Hans- wirthschaftliches, Statistische Notizen, Tabellen ». s. w. (Preis dieses Kalenders für Nicht-Abonnenten 40 Pfg.) Amtliche Bekanntmachungen. Ueber das Vermögen der aufgelösten Kommanditgcsellschast unter der Firma Fauland u. Co. in Liquidation m Chemnitz wird heute am 26. October 1887 Vormittags Uhr das Konkursverfahren eröffnet. Der Rechtsanwalt Hammer in Chemnitz wird zum Konkursverwalter ernannt. Koukursforderungc» sind bis zum 28. Novbr. 1887 bei dem Gerichte auzumelde». Es wird zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen Verwalters, sowie über die Bestellung eines Gläubjgerausschusses und eintrctendcn Falles über die in 8 120 der Konkurs- ordnnng bezeichnet«, Gegenstände ans den 12. Novbr. 1887 Vormittags 10 Uhr und zur Prüfung der angeineldeten Forderungen auf den 13. December 1887 Vormittags 10 Uhr vor dem Unterzeichnete» Gerichte Termin anberaumt. Alle» Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird ausgegeben, nichts an de» Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auserlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehme», dem Kon kursverwalter bis zum 28. November 1887 Anzeige zu machen. Königliches Amtsgericht zu Chemnitz. Für die Monate November und December nehmen die Ausgabe stellen in Chemnitz und Umgegend zum Preise von 140 Pfg., die Postanstaltcn zu 150 Pfg. Abonnements-Bestellungen auf den „Sächsischen Landes-Anzeiger" mit sämmtlichen sieben Beiblättern und den Extrabeigaben entgegen. Der „Sächsische Landes-Anzeiger" ist in der deutschen Post- Zeitungs-Prcisliste für das Jahr 1687 unter Nr. 4850, in der österreichischen unter Nr. 2190 eingetragen. Abermaligen zahlreichen Beitritt neuer Abonnenten erbittet die Verlags-Expedition des Sächs.Landes-Anzeigers. Um Verwechslungen zu vermeiden, werden Post- Abonnenten ersucht, vci Bestellung freundlichst genau z» verlangen: den in Chemnitz erscheinenden „Sächsischen Landes.Anzeiger", (Nr. 48SV der Post- Zcitnngs-Preisliste). Die Veilchendame. „um Kriminal-Roman von Carl Görlitz. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Der Assessor erglühte immer mehr. „Wenn ich Sie, ehe Sie gehen", sprach sie etwas verlegen, eine kurze Belehrung bitten dürfte . . ." Er drückte ihr die Hand, welche sie ihm jetzt enizog. „Meine Zeit gehört Ihnen, Gräfin." Sic blickte zu Boden, als ob sie sich scheue, ihre Gedanken zu verrathen. Nach einer kleinen Pause fragte sie dann: „Welche Strafe steht auf Betrug, wenn er unter erschwerenden Umständen begangen worden ist?" Der Assessor konnte ein Lächeln nicht unterdrücken; er war über zeugt, daß die Gräfin etwas Anderes hatte sagen wollen und sich im letzten Augenblick hinter eine Frage verschanzte, die dem Juristen galt, nur, um ihm als Mann nicht zu große Avance» zu machen. In dieser Selbsttäuschung lächelte er so schalkhaft, daß eine Ver traulichkeit hindurchblicktc. „Gräfin, Sie spielen falsch." Die Dame trat sichtlich erschreckt von ihm zurück. Ein jähes Erwitzen flog über ihr Gesicht. „Ich? — Falsch?" Schnell gefaßt, als wolle sie seinem Gedankcugauge eine andere Richtung geben, setzte sic hinzu: „Nein, nur unbescheiden, indem ich eine Frage stellte, die eine lauge juristische Auseinandersetzung nach sich ziehen könnte, nnd Sie wollen, Ihrem Freunde vor seiner Abreise Gesellschaft leisten. Suchen Sie denselben ungesäumt auf; mich belehren Sie morgen in juristischen Dinge» ausführlicher." Auf morgen, dachte der Assessor in fortwährender Verblendung. Wie fei». Er empfahl sich mit geheimem Jubel im Herzen. Der Grund von Kurt's Abreise war ihm keinen Augenblick zweifelhaft; nach seiner Ucberzeugung hatte Jener der Gräfin seine Liebe gestan den und war abgcwicscn worden, und daher denn seine schnelle Entfernung aus dem Hause, seine plötzliche Abreise aus der Stadt. Der Assessor mußle Zeuge dieser Abreise sein, damit war das letzte Hinderniß sortgeräumt, und er behauptete den Platz bei der Gräfin allein. Die Letztere verlangte heute sehr früh ihren Thee, welcher ihr Vv» Frau Lessing unter Assistenz des Dienstmädchens scrvirt wurde. Dann wünschte die Gräfin, die von einer heftigen Migräne befallen . war, sich zur Ruhe zu begeben. ^Frau Lessing bot ihrer Mietherin noch verschiedene Hausmittel " nervösen Kopfschmerz an, welche aber von Letzterer dankend ab Telegraphische Nachrichten. Vom 27. Oktober. Wien. Die meisten Morgcnblättcr leitartikeln über Crispi's Rede und sprechen ihre wärmste Anerkennung derselben aus; von den Offiziösen schweigt das „Fremdenblatt", während die „Presse" Crispi beglückwünscht. — Aus Przemysl wird gemeldet, daß die durch den nach Rußland geflüchteten Verpfleguiigsmelster Wenzel Marek ge stohlenen Pläne der Originalpla» eines vorgeschobenen Befestigungs- Werkes und einzelne Kopien dreier anderer Werke sind. Belgrad. Hier kursircn ernste Gerüchte über Zerwürfnisse zwischen dem Minister-Präsidenten Ristitsch nnd seinen radikalen Kollegen; die Differenzen sind wegen der Frage entstanden, wie viele von den Skupschtina-Mandaten, welche die Regierung zu »ominiren hat, den beiden Parteien zu gclvährcn sind. Die Radikalen drohen mit ihrem Austritt aus dem Kabinet. Turin. Gestern Abend sprach Crispi im Arbeiterverein. Er erinnerte die Arbeiter, daß er an ihrer Seite für Freiheit und Vater land auf den Barrikaden gekämpft. Crispi rühmte die Tugenden der italienischen Arbeiter und sprach die Hoffnung ans, daß in Italien die soziale Frage eine friedliche Lösung finde» werde, da alle Be- völkerungsklasscn in versöhnlicher Stimmung einander gegenüber ständen. Paris. „Solcil" behauptet, das Kammervotum vom Dienstag und der Mißerfolg in Tours werden Wilson zwingen, aus dem Elysee fortzuziehen, in welchem Falle Grövy seine Demission gäbe. Die Meldung des orleanistischen „Soleil" wird angezweifelt. Konstantinopel. Der/ russische Botschafter von Nelidow droht mit Kündigung des Berliner Vertrags. Die Pforte bereitet eine Circularnote vor zur Rechtfertigung ihrer Politik der Enthalt samkeit. Politische Rundschau. Chemnitz, den 23. October. Deutsches Reich. Die Einberufungs-Ordre für den Reichstag wird vielleicht schon in nächster Woche im Rcichsanzeiger publicirt werden. Die Eröffnung der Session dürfte am Donnerstag den 21. November Mittags erfolge». Die Thronrede bei dem Eröffnnngs- nct im Weißen Saale des Königlichen Schlosses wird wohl der Staatssccretär von Bötticher verlesen. Man nimmt an, daß der Antrag auf Verlängeuiiig der Reichstagswahlperioden von drei auf sünf Jahre bald nach Beginn der Sitzungen von den vereinigten Parteien der Conscrvaiivcu und Nationallibcralen cingebracht werden wird. Die Koruzollvorlagc wird, wic schon mitgetheilt, von den verbündeten Negierungen dem Reichstage vorgclcgt werden. — Im Hinblick auf den bald bevorstehenden Zusammentritt des Reichstages war die 'Nachricht verbreitet worden, die Ncichsrcgierung Hausmittel sein würde,,. Frau Lessing zündete noch dienstfertig die Nachtlampe im Schlafzimmer n», löschte die Kerzen auf den Arm leuchtern im Salon und wünschte der Dame dann eine gute Nacht. Als Frau Lessing über den Korridor in ihre Wohnung zurück- kehrie, hörte sic noch, wie die Gräfin die Thüre ihres Salons von innen abschloß. Nachdem Frau Lessing schon längere Zeit in ihrer Stube war, schlug die auf einem Coiisvle stehende Wanduhr Zehn. „Die Gräfin," sagte Frau Lessing zu ihrer Tochter, „hat sich heute sehr früh zur Ruhe begeben; sie ist leidend." Helene, welche im Schatten an dem Fenster saß, antwortete nicht. Frau Lessing sah von ihrem Sophaplatz, wo sie beim Scheine einer Lampe die Abendzeitung las, nach ihrer Tochter hinüber. „Du bist wohl auch unpäßlich?" fragte sie besorgt, „da D» Dich so in das Dunkel zurückgezogen hast? Das ist doch sonst nicht Deine Art." „Mir fehlt nichts," versetzte Helene ruhig, „ich bin nur müde; es mag in» Frühjahr liegen." Frau Lessing nickte bedächtig. „Der Flieder blüht," sagte sic, „zur Zeit der Fliedcrblüthe leiden viele Mensche» an Schlafsucht. Wir wollen auch bald zur Ruhe gehen, ich will nur noch diesen einen Zeitungsartikel lesen. Es ist eine polizeiliche Bekanntmachung über einen gestern vorgekommcncn Einbruch, bei welchem viele Wcrth- sache» und auch eine bedeutende Summe baarcn Geldes geraubt worden sind. Tausend Mark Belohnung sind thcils vom Polizei präsidium, thcils von dem Bestohlenen für die Entdeckung der Thäter und Wiederherbeischafsilng des geraubten Geldes ausgesctzt worden." Dabei rückie Frau Lessing ihre etwas verschobene Brille wieder zurecht und heftete ihre Blicke mit großem Interesse abermals auf die Zeitung. Helene war durchaus nicht müde, sie scheute sich nur, in den Bereich des Lampenlichts z» komme», damit ihre Mutter das Fehlen des Vcrlobungsringes an ihrem Finger nicht merken sollte. Sie hatte derselben noch nicht mitgetheilt, daß sie dem Assessor Simmern den Ring und damit auch sein Wort znrückgegeben hatte. Der armen Helene war ihr Entsagnilgsschmcrz zu heilig, selbst ihre Müller sollte nicht erfahren, wie sehr sie litt. Es ist eine Eigeiithümlichkeit sanfter, schüchterner Naturen, daß sie, sobald sie einmal von einem jähen und harten Schicksalsschlag getroffen werden, diesen ruhiger und ergebungsvoller hinnehmen, als stärkere Naturen, den» es ist eine alte Wahrheit, daß die Gewohnheit jedes Leiden, sogar das Elend erträglich macht. Aber selbst den passivste» Na turen, zu welchen Helene gehörte, ist in der Fähigkeit, zu leiden, . ...... werde eine Vorlage wegen Errichtung eilies neuen Eisenbahnregimentes einbringen. Die Unwahrscheinlichkeit dieser Meldung, die jetzt auch direct für falsch erklärt wird, lag auf der Hand. Wenn die Bildung eines zweiten Eisenbahnrcgimentes beabsichtigt war, so wäre sie schon in der großen Militärvorlage im Frühjahr beantragt worden. DaS Warten bis jetzt hatte-ja istcht den geringsten Zweck. — Die Vorverhandlungen der deutschen Bundesregierungen über die Grundzüge der Alters- und Jnvalidenversorgung für Arbeiter sind jetzt beendet, nachdem die bayrische Regierung ihr Einvernehmen im Allgemeinen erklärt hat. Die Principien des Gesetzentwurfes sollen nun, wie bekannt, Fachkreisen und gewerblichen Corporationen zur Begutachtung unterbreitet werden. — Für den badischen Land tag ist nun ebenfalls eine Kirchenvorlage ansgearbeitet worden. Die Frage der Rückkehr der geistliche» Orden wird in derselben indessen nicht erörtert. — In Frankfurt a. Oder fand am Donnerstag die Grundstein legung für das vom dritten Armeecorps seinem einstigen Corps- commandeur, dem Prinzen Friedrich Karl, zu errichtende Denkmal unter Anwesenheit der Prinzen Wilhelm und Friedrich Leopold, deS commandirenden Generals Grafen Wartcnsleben, von Deputi'rten aller Regimenter des Armeccorps und den Spitzen sämmtlicher Behörden statt. Die Straßen der Stadt waren festlich geschmückt. Die Prinzen wurden bei ihrer Ankunft lebhaft begrüßt und thaten bei der Grund steinlegung die ersten Hammerschläge. Garnisonpfarrer Dr. Thiel hielt die Festrede. — Im Hotel Kaiserhof in Berlin fand am Donnerstag, dem Jahrestage der Capitulation von Metz, ein Diner zur Erinnerung an diese That und an den Prinzen Friedrich Karl statt. Prinz Wilhelm von Preußen „ahm an der Feier theil. Der Plan, auf der Maihöhe bei Berlin dem Prinzen Friedrich Karl ein Denkmal zu er richten, ist vom Kaiser bisher nicht genehmigt worden und hat auch nicht genehmigt werden könne», weil noch gar kein bezügliches Gesuch cingereicht ist. — Der Bundesrath hielt am Donnerstag eine Sitzung ab. Bezüglich der Melbourne! Ausstellung ist beschlossen, daß für die selbe ein Reichskommissar entsendet und daß zur Bestreitung der hierdurch, sowie der durch die allgemeine Ausschmückung und durch die Bcaufsichtigungsräume entstehenden Kosten der erforderliche Betrag in den Reichshaushaltsetat für 1888/89 ausgenommen werde. — Der Kultusminister von Goßler hat von den preußischen Universitäten eingehende Aeußernngen darüber eingefordert, welche Ausdehnung das studentische Duellwesen in der letzten Zeit ge nommen hat. Der Senat der Universität Breslau hat bereit- be richtet, daß eine Zunahme der Duelle im letzten Jahre nicht zu be merken gewesen sei. — Das deutsche Schulgeschwader unter Kontre-Admiral v. Kall ist in Cadix angekommeii. — Die Bischofswahl in Fulda wird am 4. Novbr. stattstndcn. — Aus Rußland kommt nunmehr die amtliche Meldung, daß der Zar zn Lande von Kopenhagen nach Petersburg zurückreisen wird. — Es heißt jetzt, daß der neue Reichshanshaltsetat eine Er höhung der Matrikularbeiträge (Beiträge der einzelnen Bundesstaaten zur Reichskasse) um dreißig Millionen Mark aufweisen wird. — Dem Reichstage wird auch deni Vernehmen nach ein Gesetzentwurf betr. Errichtung von Anstalten zur Prüfung von Handfeuerwaffen unter breitet werden, welcher für die deutsche Gewehr-Industrie von Be deutung ist. — Das Seminar für orientalische Sprachen in Berlin ist am Donnerstag Mittag in Gegenwart zahlreicher Staats- und Reichsbe hörden eröffnet worden. In dem feierlichen Akt sprachen Kultus minister v. Goßler, der Rector der Universität, Professor Schwendener„ der Direktor des Seminars, Professor Sachan, und Staatssekretär Graf Herbert Bismarck. - 7? vM ung ihrer Scelenkräftc oft zu einer ganz unerwarteten und unerhörten That fähig. Auf diesem Standpunkte war Helene angekommen. Ihre Ruhe, ihre Schweigsamkeit der Mutter gegenüber, jetzt, wo sie Alles verloren halte, waren unnatürliche und beunruhigende Symptome, welche eine durch Verzweiflung herbeigcführte Katastrophe erwarten ließen. Frau Lessing hatte inzwischen unter fortwährendem Kopfschütteln und wachsender Erregung ihre Zeituiigslectüre beendet. „Es ist schrecklich," sagte sie im Aufstehen, „was Alles geschieht! Denke Dir, Kind, bei dem Einbruch hat auch ein Mordversuch stattgcfundcn, und noch dazu in den Nachmittagsstunden, also am Hellen Tage und in einer so belebten Gegend wie die Brückenstraße. Eiti Trödler Wenck ist der Beschädigte; der Mann war ausgcgangen, und während seiner Abwesenheit ist seine unglückliche Frau überfallen und gewürgt geworden. Die Thalsachen sprechen dafür, daß der Uebersall nnd Raub von mehreren Personen ausgeführt worden ist, die über Alles genau orientirt gewesen sein müssen! Das arme Weib lebt' zwar noch, ist aber ganz ohne Besinnung, so daß sie noch gar keilte Anssagen hat machen können. Mein Gott, mein Gott," lamentirtc Frau Lessing, „in welcher schrecklichen Zeit leben wir." Sie hatte dabei die Zeitungsblätter fortgelegt und ergriff jetzt die Lampe, um mit ihrer Tochter in das Schlafzimmer zu gehen. Aber ans dem Korridor lenkte sie ihre Schritte nach der ent gegengesetzte» Seite. „Ich möchte", sagte sie sehr ängstlich, „die vordere Glasthüre noch ganz besonders verbarrikadiren; die Kriminalgeschichte in der Zeitung hat mir zu große Furcht gemacht." Sic gab Helene Weisung, das Mädchen aus der Küche zu rufen. Mit Hülfe der Magd rückte Frau Lessing nun mehrere Möbel stücke vor die nach innen sich öffnende Korridorthüre. Dabei fiel ihr ein, daß die Thüre zur Schlafstube ihrer Mietherin außerhalb der verschlossenen Korridors lag. „Die arme Gräfin I" dachte sie bei sich, „es ist ein Glück, daß sie die heutige Abendzeitung mit der grausigen polizeilichen Bekannt machung nicht gelesen hat, sie würde sonst eben so ängstlich wie ich geworden und gewiß nicht so ruhig zu Bett gegangen sein." Nach einer Viertelstunde herrschte Ruhe und tiefe Stille im ganzen Hanse, wenigstens äußerlich. Der Schlaf der Frau Lessing war in dieser Nacht mit finster«» . Traumbildern angefüllt, in welchen sie sich fortwährend von Räubern und Mörder» angegriffen sah. Und doch war sie die Glücklichere, L...... r^,!-e »><><>»