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M Archiv der gestorbenen Gedanken Besuch i» Hirnsorschungsiustitut Wunder der Hirnrinde. — Hdherzüchtnng deS Mensche«? Von Peter Prätorius. Wenn man da» Hirnforschungsinstitut »er Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Buch betritt und in den Raum geführt wird, in dem auf langen Regalen Hunderte von Menschen und Liergehirnen in alkohol gefüllten Glasgefäßen aufbewahrt wer den, ist der Eindruck, den unser Denkappa rat mit seinem gelben Schimmer macht, nicht besonders appetitanregend. Und aus diesem weichen Gehirnmatertal, von dem «an möglichst rasch den Blick abzuwenden bemüht ist. werden in einem anderen Raum auf stanz raffinierte Weife feste, kaltbare Präparate hcrgesteüt, die bann den Ausgangspunkt der Entdeckungsfahr ten, zur Lösung der Rätsel unserer Jntel- lektzentrale, darstellen. Zu diesem Zweck wird zunächst das ganze (Sehirn in Kormalin getaucht, das auch die Photographen -ur Härtung von Motoplatten und Papieren verwenden. Dann kommt die noch immer weiche Masse in ein Alkobolbad. Der Alkohol wird durch ein Chroroformbaü wieder heraus- gedränat, und nach drei bis vier Tagen ist es dann soweit, daß die ganze Hirn- fubstanz mit Paraffin imprägniert werden kann. Alle», was vorher weich und ver gänglich war, ist fest und dauerhaft ge worden, und nun kann das Gehirn, das man jetzt schon eher anzutippen wagt, photographiert, in Wachs abgeformt und schließlich, nachdem eS in einem großen Panrphinblock eingebettet wurde, in meh rere kleinere Blöcke zerschnitten werden. Nachdem das Gehirn all diese Proze duren über sich hat ergehen lassen müssen und mit seinem weichen Ausgangsmate rial nicht die entfernteste Aehnlichkeit mehr hat, wirb Block für Block auf einer eigenartigen Maschine in hauchdünne Scheiben von knapp ein fünfzigstes Milli meter Dicke zerschnitten. Diese Maschine, die den hochwissenschaftlichen Namen „Mikrotom" führt, hat große Aehnlichkeit mit einer Brotschneidemaschine oder mit einer Guillotine. Nur baß da» Messer horizontal verläuft, jedesmal, wenn eine Scheibe vom Paraphinblock abgeschnitten werben soll, wird der Block automatisch um ein sünfzigstes Millimeter gehoben und schon schalt das haarscharfe Messer eine feine Scheibe vom Block herunter. Jeder dieser Schnitte wirb auf sehr sinnreiche Weise auf numeriert« Glasschei ben mit Hilfe von unveränderlichen Klebemitteln befestigt. Diese Arbeiten werden von Damen und Herren ausge führt, die eine bewundernswerte Uebung im Hantieren mit Liesen ungemein dün nen Gehirnschnttten haben. Ein menschliches Gehirn ist im Durch schnitt etwa 18 Zentimeter laug und wird in etwa 2V 000 Scheibe« zerlegt. Je nach dem endgültigen Zweck der nun mehr kommenden Untersuchung des Ge hirns werben entweder die Hirnzellen ober Lie Kasern angefärbt. Dann kommt ein zweites Glasplättchen auf jeben Ge- Hirnschnitt und aus dem menschlichen Gehirn ist ein Buch mit 10 000 bi» 20 000 Seiten geworden. Da tebe Seite nume riert ist, kann man auf Anhieb genau fest stellen, aus welchem Teil des Gehirns die Scheibe stammt. Diese Scheiben werben in einer Art Lresorraum, -er eine große Anzahl von „Bücherschränken" enthält, aufbewahrt. Früher hat man die Güte eines mensch lichen Denkapparates nach seinem Gewicht eingeschätzt. Zum Beispiel hatte Napoleon Bonaparte ein anormal schweres Gehirn. Aber heute weiß man, daß die Schwere eines Gehirnes, die normal etwa zwischen 1300 und 1600 Gramm schwankt, durchaus nicht ein untrügliches Zeichen für eine qualitative Beurteilung ergiebt, das wäre auch sehr ungalant, denn die Frauen haben zumeist ein leichteres Gehirn. Viel mehr hängt das Gewicht mit dem Körper bau zusammen. Interessehalber sei jedoch noch vermerkt, baß z. v. ba» Gehirn be» berühmten Mathematiker» Gau» sehr schwer war. Durch die grundlegenden Arbeiten -e» Begründer» und jetzigen Leiter» des In stitut», Professor Vogt, und seiner Frau, weiß man, baß die Gehirnoberfläche etwa 200 verschiedene, genau bekannte Kelder bat. Innerhalb eine» jeden Felde» zeigt die Gehirnrinde, wie da» Mikroskop an den Tag gebracht hat, je nach der Beran, lagung Les GehirnbesitzerS bestimmte Ein zelheiten und Eigenarten. Zunächst Hai man herausgefunden, daß die Gehirnrinde auS mehreren Schichten besteht. So hat z. B. die -ritte Schicht ganz besondere Be deutung für das intellektuelle Leben. Welch großen Einfluß die Gestaltung -er Gehirnrinde bzw. bestimmter Gehirn rindenschichten auf den Charakter eines Menschen hat, kann man besonders gut erkennen, wenn man sich je einen Gehirn schnitt von einem sozial sehr stark emp findenden Menschen, wie z. B. Lenin, und dann einen Gebirnschnitt von einer Mör derin zeigen läßt. Ma« ka«a sich dank einer finnreiche« Einricht««- de» Instituts diese «il- der mittels eine» Kinoapparates an die Na«d projizieren lasten. Das Kinobild de» zweiten Schnittes zeigt eine verblüffende Verkrümmung der Schicht, die für das soziale Empfinden maßgebend ist. Auch -er Gehirnschnitt eines anfangs sozial empfindenden Menschen, der später eine Wandlung in Las Extreme durch machte, gibt einen interessanten Einblick, denn hier kann man sehr deutlich erken nen, wie die soziale Gchirnrindenschicht, Lie anfangs sicher gut ausgebildet war, später eine Rückbildung erfuhr. Die Einteilung -er Gehirnrinde in 200 Felder und die Zuteilung von bestimmten Funktionssitzen innerhalb eines jeden Feldes hat sich auch experi men stell als durchaus zutreffend erwiesen. Denn bei Operationen zeigte es sich, daß, wenn an den von Vogt bestimmten Feldern ein Reiz ausgeführt wurde, tatsächlich eine Bewegung entstand: Der linke Fuß oder Arm reagierte plötzlich Wir misten also schon beute recht viel vom Gehirn und seiner Funktion. Vie- le» bleibt natürlich noch zu erforschen. Es wäre interessant zu wissen, wie weit sich eine Begabung rein erbungsgemäß vorfindet und wie wett eine solche Be gabung durch Einflüsse der Umwelt wei- tergebildet wirb. Es wäre daher zu wün- scheu, einmal Lie Gehirne von Zwillin gen in die Hand zu bekommen, die au» einem Mutterei stammen. Da anzuneh men ist, daß beide das gleiche Ausganas- aehirn hatten, könnte man dann die Frage sehr gut erklären. Auch die Krage Le» geborenen Verbrechers und die, ob e» kultur. oder auch geistesarme Rasten gibt, und vieles andere wartet noch auf Be antwortung. Man hofft, noch sehr weit zu kommen, denn viele bedeutsame P«rs-»lichkeite» ha ben -e« Institut ihr Gehirn ver macht. und Material von asozialen Elementen steht in großen Mengen zur Verfügung. Nur eins fehlt, das Geld. Vielleicht regen diese Zeilen zu Stiftungen an, die Unter suchungen ermöglichen, Lie uns dann eines Tages die große Möglichkeit geben, durch künstliche Mittel eine bewußte Hö- herzüchtung der geistigen Fähigkeiten deS Menschengeschlechts durchzuführen. GeschSftliches g». «asenehme Stunde« ia Tolkemitz »er- mittelt ein Besuch von Donaths Neuer Welt. Wie aus dem Anzeigenteil ersichtlich ist, finden jeden Sonntag große Garten konzerte statt, die Erich Boßdorf, Dresdens beliebtester Tanzkapellenmetfter, leitet. Für Tanzlustige ist nach dem Konzert Gelegenheit, auf der größten Dresdner Tanzdiele sowie im großen Saal, sich im Rhythmus der Musik zu wiegen, während für die Kinder der große Garten mit feinen Wasserkünsten, Alpenland schaften, Alpenglühn, Spielgelegenheiten und Kasperletheater ein wahres Paradies bedeutet. Sehr viel Anklang haben auch die Konzert» und Tanzveranstaltungen an den Mittwoch, nachmittag gefunden, die ein beliebtes Ziel vieler Dresdner Damenkränzchen und Fami lien geworden sind. Lammel» unck tausok» unleneinancke^ ckie ka^denpi-äcktigen Vulgsnia-psknen- Micken. dnLOOf-il. OOOtF Ltt-tOft» clsis ist KklSipp. Osswsgsi^ 6ls gslisdls ^Issnstts sOtt- ^ssSSO^!osssr-»l Osn kli-igs f-lM SiOfF dssssi'. Tn gsi-scls jsl^t rillt- 61s 61s ^"6 Qssofttt-NtSOk 6sfi kiSl^sns^ Ws6 V6I-d05gt. vulLHMH-Kkrouc 61s 5 ^isLinsNs Vertrieb: Romanverlaa K. S» H. Greiser, G. m b. Rastatt Er sann über einen Grund nach. Vielleicht war der Grund der, daß sich Martin Duch- ner und Svendson, die den Schwerkranken rücksichtslos auf der Bahn nach Verakruz transportiert hatten, Vor würfe machten, daß sie diese Vorwürfe auch fürchteten vnd darum die Meldung von dem Forschertod HanS Buchners aussprengten. Vielleicht! Aber wiederum, was hatte der Professor, der sich doch als der Freund Hans Buchners bezeichnete, für ein Jn- tcresse daran, seine Einwilligung dazu zu geben? Eigentlich nicht das geringste. Oder spielte Geld eine Rolle? Marschall hörte auf zu grübeln. Es nützte ihm nichts. Er wußte, wo er seine Forschungen fortsetzen mußte. Im Hause Don Gomez Arragone. Er winkte dem Wirt der Hafenkneipe, um zu zahlen. In dem Augenblicke kam ein schlanker, sehniger Spa nier, der am Ncbenstsche gesessen hatte, langsam auf sei- neu Tisch zu und verbeugte sich, nahm Platz und sagte zu Marschall: ,,Sie haben eine gute Maske angelegt, Mr Marschall I" Werner fuhr zusammen und sah dem Spanier in das Gesicht. Dann lächelte er. .Ah, jetzt erkenne ich Sie wieder! Sie haben mich einstmals verhaftet." Der Fremde verbeugte stch. „Ja! Ich bin der PolizeikapitS« Semstuilla, der Sie verhaftete. Sie haben recht, Sensor." „Haben Sie jetzt wieder diese Abficht?" Der Polizeikapitän lächelte verbindlich. »Nein, Gen- jorl Haben Sie keine Sorge. Sie werden in Verakruz keine Belästigung durch die Polizei wieder erfahren." .Das ist erfreulich!" .Sie haben es auch nicht nötig, sich einer Maske zu bedienen und in Spelunken herumzudrücken. Tie können getrost im Grand-Hotel oder auch bei Don Arragone Quartier nehmen. Die Polizei von Verakruz wird Sie nicht mehr belästigen, Senjor." Marschall war verdutzt über die Worte. Hatten das die fünfzehntausend Dollar geschaffen, oder was lag sonst zu Grunde? „Wir haben zwar die Ordre", fuhr der PoNzeikapitän fort, „Sie zu Verhaften und nach Deutschland zu schicken, aber — wir tun es nicht. Grübeln Sie nicht über den Grund nach. Nicht der Herr Präsident ist derjenige, der jetzt seine Hand über Sie hält. Es ist ein anderer, besten Wohlwollen Sie genießen, der allerdings vielleicht einmal einen Dienst von Ihnen verlangen wird." „Wird dieser Dienst geldlicher Natur sein?" „Kaum! Ich kann Ihnen darüber nichts verraten, Senjor. Große Ereignisse stehen bevor. Vielleicht wer den Sie in diesen Ereignisten eine bedeutsame Rolle spielen. Das liegt an Ihnen. Jetzt lasten Sie sich nur eins sagen, hüten Sie sich vor Ihren Freunden." Der Spanier erhob sich, verbeugte sich mit lieben» würdigem Lächeln und verließ die Schenke. Marschall sann lange über seine Worte nach und schüttelte den Kopf. Was hatte das wieder zu bedeuten? O O G Marschall wandelte sich wieder zum vollkommensten Gentleman und nahm Quartier im Grand-Hotel von Verakruz. Man kam ihm äußerst höflich entgegen und räumte ihm die schönsten Appartements ein. Tie Bedienun überbot sich in Aufmerksamkeiten. Marschall rief Eva an, die sehr erfreut schien, und teilte ihr mit, daß er am Abend nach der Villa des Professors kommen werde. Eva antwortete erfreut: „Gottlob, daß Sie wieder aus der Versenkung auftauchen. Heute abend ist große Gesellschaft im Hause des Professors, Sie sino sicher will kommen. Ich freue mich sehr." Nach dem Telephongespräch sagte Eva zu Elvira: „Herr Marschall wird uns heute abend besuchen." Die Augen der Mexikanerin leuchteten bei ihren Worten auf. „Senjor Marschall, ah, das freut mich außerordent lich, Senjorita Eva. Gerade heute zu unserer Tertullia." „Ich hoffe, daß er sich damit in keine Gefahr begibt." „Nein!" entgegnete Elvira schnell. „Mein Vater hat mit dem Präsidenten Rücksprache genommen. Senjor Marschall wird von der Polizei nicht mehr belästigt werden." Die Mitteilung erfüllte das Mädchen mit Freude. Aber sie dachte daran, wie Elviras Augen aufge leuchtet hatten, als sie von Marschall sprach, und da» Gefühl einer gewisten Feindseligkeit war wieder m Eva. « * Igoris«»» rrs