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Sächsischer Landes-Anzeiger : 19.05.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188605193
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18860519
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18860519
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-05
- Tag 1886-05-19
-
Monat
1886-05
-
Jahr
1886
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 19.05.1886
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Tägliches Zlnterhatturrgsölatt zum Sächsische» Landes-Anzetger. .Aufzawaiteu I- rvtgrgvete d« Die»«, .Ei« werden sich indessen «in Wenig gednlde» müffen, der gnädige Her, haben augenblicklich «och Besuch.« Darauf uöthigte er ihn in ein elegantes, wohldurchwärmtes Erwach, ein, Art Wartezimmer, während er Friedrich und den Postillon in die Sefindepnbe wir». „Darf ich um Ihre» werthen Namen bitten?« wandte sich der Dienstbare au Haller. Haller überreichte ihm seine Karte. Der Diener eilte fort, den Fremden anzumelden «nd kehrte ol» bald mit dem Bescheide zurück, daß de« Herrn Baron de- jungen Herrn Besuch sehr willkommen sei. Haller trat in da» Besuchszimmer Dobeneck'S, und in der That, - er fand ihn nicht allein. In dem mit rinfach.würdiger Eleganz dekorieren, freundlichen Gemach befand sich außer Adalbert, der ziemlich niedergeschlagen drein schaute, noch dicht neben dem Baron eine nicht mehr ganz junge Dame, mit kalte», strengen, für Bruno geradez» abstoßenden Besicht», züge». Der Baron kam ihm in seiner alten Treuherzigkeit entgegen und streckte ihm beide Hände dar. .Willkommen I« rief er, .tausendmal herzlich willkommen in «einem Daheim i« .Die Freude, mein lieber Herr Haller, hätte ich mir zum -heutigen Sylvester nicht träumen lasten. Nun nehmen Sie aber vor -allen Dinge» Platz »ud sagen Sie mir « Er hielt plötzlich ione, zog Bruno a»S Fenster und rief in sicht licher Besorgniß: »Aber «m de» Himmel» Willen, wie sehen Sie aus? Sind Ei« krank, oder hat Sie irgend ein schwerer Verlust getroffen?« .Beides!« rntgegnete Haller ernst. .Es hat mich ein herber Verlust getroffen und dann bin ich erst vor Kurzem von langer, schwerer Krankheit genesen. Ich glaubte. Sie in Berlin zu finden, Herr Baron, und muß sehr um Entschuldigung bitten, wenn ich Sie hi« aussnche; Angelegenheiten ernstester Art legten mir diese Pflicht auf.« .Gestatte» Sie zunächst, mein lieber Herr Haller, daß ich Sie meine« Frau Schwägerin vorstelle.« bemerkt« Dobeneck, .Frau von Schorndorf, erste Hofdame Ihrer Durchlaucht, der Fürstin von . . . Sie hat Ihren Namen schon oft gehört und kennt »ein Interesse für Eie.« Haller verneigte sich und die Dame erwiderte seine Verbeugung mit einer ceremonielle» Berueignug, während Adalbert hinzntrat und Bruno freundschaftlich die Hand schüttelte. .Nun aber erzählen Sie mir, wo Sie so lauge gesteckt habe»,« Hat der alte Herr. .In Hamburg,' versetzte der Befragte, .wohin ich eine mir theure Anverwandte und meinen Onkel Emil begleitete, welche beide «ach Amerika abgereist find. Kaum waren sie fort, als mich ein heftige» Nervenfieber ans lange Wochen aufs Krankenlager warf, so daß ich mich anßer Staude befand, denen, die sich für mich interessirteu, Nachricht von mir zu geben.« .Und wir haben uu» inzwischen um Sie geängstigt,« rief Adalbert «dazwischen und blickte Haller theilnehmeud an. .Und jene Verwandte?« fragte der Baron zögernd. .Trug einst den Namen Anna Halle« I« antwortete Bruno traurig. .AuSgewandert I« rief Dodeueck erschüttert und starrte dann sinnend wo» sich hin. .Aber.« unterbrach er nach einer Pause da» Schweigen — „sie ist nicht allein gegangen. Sie sagten ja. Ihr Onkel Emil begleite sie, «nd da ist sie »Gottlob« ja in guten Händen!« .Und ich werde ihr folgen, sobald ich der Pflichten enthoben sei« werde, die mich noch an Deutschland fesseln.« versicherte der junge Man«. .Also, fort, fort über'» Meer," seufzte der Baron und schüttelte tetrübt das schöne, graue Haupt. .Sie kenne» die Dame?« fragte Frau von Schorndorf ein wenig neugierig dazwischen. .Es war Anna!" versetzte Dobeneck bewegt. Die erst« Hofdame erschrak und warf daun ziemlich geringschätzig hl«: „Ach so, jetzt wird mir klar, Herr Haller ist ein Neffe jener Dame. Und da» haben Sie mir nicht mitgetheilt, Baron?« .Warn« sollte ich da»?« erwiderte dieser. „Ich konnte mir nicht denken, daß Sie sich auch für Annas Verwandte iuteresfiren würden.« Die Dame biß sich auf die Lippen und stand im Begriff, etwas j« entgegnen, als sich Adalbert mit der Frage au sie wandte: „Glaubst D», liebe Mutter, daß ich Herrn Haller avertire, Laß « .Später, später!« wehrte di« Dam« ungeduldig. Di« beiden Dobenecks aber schauten sich mit einem verständuiß- innigen Blicke an. Inzwischen redete Adalberts Mutter Bruno au: »Sie erinnern sich, Herr Haller, daß ich Sie, als dem Vormund de» Fräulein von Löwensprung, um Ihre Einwilligung zur Vermählung derselben wit meinem Sohne Adalbert ersuchte?« »Gewiß, gnädige Frau!« versetzte der Manu artig, „ich würde auch nicht verfehlt haben» meine Gratulation abzuseuden, hätte ich «icht noch vor meiner Abreise von Wimmelburg erfahren, daß die Partie nicht zu Staude gekommen sei; übrigens bedurfte es meiner Einwilligung gar nicht I« »Haben Sie in dieser Beziehung denn keine Gewalt über Ihre Mündel?« fragte sie inrück. »Ich würde sie, auch für den Fall, daß ich sie gehabt hätte, in Herzenssachen niemals gebraucht haben I« erwiderte Bruno. »Sehr rücksichtsvoll!« bemerkte di« Hofdame. Haller blickte sie «erwandert au: .Sie scheinen mich «ißzuverstehen, gnädige Fra»,« sagt« er aufrichtig, .e» war mir durchaus gleichgültig, wem meine Mündel ihre Hand reichen würde, überdies sind jetzt glücklicher Weise auch meine sonstigen Beziehungen zu jener jungen Dame gelöst!" Frau von Schorndorf hüstelte verlegen. Da» sichere nnd doch taktvolle und artige Austreten dieses einfachen ManneS, in dessen Wesen auch so gar nicht» Unterwürfiges lag, impouirte der stolzen Fra». Sie blickte verwundert auf den jungen Herrn, der es wagte, ihr gegenüber aufzntreten, als ob er ihr völlig gleichgestellt sei. »Aber Ihre Beziehungen zu der anderen jungen Dame — wie heißt sie doch gleich — ja richtig, Stockhau», Louise StockhauS — bestehen diese noch?« fragte sie erwartungsvoll. »Welche Beziehungen meinen Sie, gnädige Frau?« antwortete er, »ich bi» ihr Vormund, Freund nnd Bruder. Wenn Sie diese Be ziehungen meine», so kan» ich Ihnen u«r erklären: Allerdings, sie besteh.» noch!« .Da» ist ja günstig I" rief die Hofdame erfreut, .da könne» Tie ihre Beschützer- und Beratherrolle sogleich antreten, indem Sie das jung« Mädchen vor dem Eingehen einer Mesalliance warnen, die ihm «einen mütterlichen Zorn und da» Gespött der Welt zuziehen wird. Die kleine Person war Diplomatin genug, meine edelmüthige Hedwig zu bewegen, aus dir Hand meine» SohueS zu verzichte» und dadurch «eiue Pläne wen« nicht z» vernichten, so doch zu erschüttern." »WaS rede» Sie sich da wieder ein, Frau Schwägerin I« unter brach st« Dobeneck, „Hedwig paßte wohl in Ihre «omdinattonen, aber nicht für Adalbert «nd er «icht fü, sie. Die beiden junge« Leute sollen mit einander leben, «nd e» ist mir keineswegs gleichgültig, wen» Sie Ihre« Willen bekam»«« um de« Preis eine, unglückliche« Ehe zwischen zwei Mensche«, die mir «ahe stehen.« Dl« Hofdame ränspert« sich ungeduldig: .Ich sage Ihnen aber, Baron, dem ist nicht so. Hedwig ist beeinflußt; ich hrve das aus jeder Zeile ihre» AbsaguugSschreibenS herouSge eseu. Mir wurde e» sofort klar, daß sie, sobald Adalbert mit dem Bekenntniß seiner Neigung für die jung« Person — wie heißt sie doch? — ach ja. Louise, also für diese Louise — hervortrat, sich in der Rolle gefiel, di« Vermittlerin «nd Beschützerin der nach ihrer Meinung unglücklich Liebenden wir gegenüber zu spielen.« »Welch' wunderlichen Illusionen geben Sie sich hin«, rief Dobeneck aus, „sie übernahm nur Haller» Vertretung in dessen Abwesenheit bei dem jungen Mädchen, nicht» weiter. Zurücktreten konnte sie eigentlich gar nicht, da Adalbert selbst nie am ihre Hand augehaltev hat, und sie bekräftigt ihr Eioverfiänduiß mit der Verlobung Adalbert» mit Louise zum Ueberfloß noch dadurch, daß sie gor noch als Ver mittlerin austritt«. Haller erröihrt« bei den Worten des BaronS. di« so viel Ueber- rascheudeS für ihn enthielten. „Ich merke eS wohl«, rief Fra« von Schorndorf gereizt, „daß Ihr Alle Euch gegen mich verschworen habt Ja Herrn Haller aber hoffe ich einen mächtigen Allurten zu finden". Und eifrig wandte sie sich au Letzteren mit den Worten: »Denken Sie sich, mein verehrter Herr Haller, mein Sohn hat die sonderbare Marotte, in diese kleine Person, diese Louis« StockhauS, Ihre Mündel, verliebt zu seiu, nnd sie ist pfiffig genug, sich nicht mit einer Liaison zu begnügen, sondern den Unersvhreuen zu einer Heirath zu drängen!" .Sie vergessen, gnädige Frau, daß, wie Ich Ihm» schon vorhin erklärt, da» junge Märchen, von dem Sie so mißachtend zu reden belieben, nicht nur meine Mündel, sondern auch meine Freundin und Schwester ist und daß Ich demnach ihr natürlicher Beschützer diu«, bemerkte Bruno fest, »als solcher maß ich Ihnen erklären, daß man in den Kreisen, denen wir augehöreu, Unterstellungen «ud Ber- mnthuugen, wie Sie solche dem jungen Mädchen soeben audichten, einfach nicht kennt und nicht versteht ja sogar für eine Kränkung und Verdächtigung der Weiblichkeit und Sitten unserer Frauen hält. Wie Sie dagegen Ihren Herrn Sohu ia dieser Angelegenheit hinstrllea, und welche Anforderungen die hochadrligen Familien an die Selbst, ständigkeit und Würde ihrer Männer stellen, kümmert mich nicht". Die erste Hofdame zuckte in ihrer Bestürzung leise zusammen. Da- hatte ihr noch Niemand zu sagen gewagt, was sich dieser Bürgerliche erdreistete, der da absolut den Nimbus des adrligrn Glanzes, von dem sie sich umfangen wähnte, nicht sehen wollte. Und gerade ihre Achillesferse mußte er mit schnellem Blicke treffen, indem sie ihren Sohn in ziemlich tactloser Weise herabgewürdtgt hatte. Dennoch rief sie gereizt: .Ich kann Ihnen aber di« Versicherung geben, daß sich diese kleine Person unterfangen hat, meinem Willen zu trotze,'. Sie besitzt sogar die unglaubliche Keckheit, mich im Verein mit meinem Schwager und meinem Sohn fort und sort mit Bitten zu bedelligen u-?d hat es selbst gewagt, hierher, wo sie mich auf Besuch weiß, zu kommen, um hier Rührseeuen aufzusühreu«. „Wie, Louise ist hier?« rief Haller höchlichst überrascht. „Das gute Kind, es wird ihr hart genug angekommen sein!« »Sie that den Schritt aus Liebe zu mir, Herr Haller,« sagte Adalbert, .und sie steht unter meines Onkels Schutz und genießt dessen Gastfreundschaft. Ich freue wich Ihrer Freundschast sür sie aasrichiig; allein jetzt bin ich ihr erster und natürlichster Beschützer. Meine Mutter kann zwar, indem sie ihre Einwilligung versagt, unsere Heirath verzögern, abernicht verhindern; Louise bestehtauf dem Segen der Mutter; aber »ichiS vermag meine Treue zu erschüttern und ihr meine Liebe zu rauben, und hier gebe ich Ihnen mein Wort zum Pfände, nie wird meine Mutter ei« anderes Weib an meiner Seite erblicken als Louise. Mein guter Onkel billigt unser Berhältniß und unterstütztes, Louise hält mich ihrer würdig, jetzt sagen Sie mir. daß Sie wir ebenfalls Ihre Achtung und Freundschaft nicht versagen.« So männlich, klar und entschieden halte Bruno Adalbert noch nie reden höre»; er freute sich dieser Veränderung. Seine Mutter dagegen hatte seine Rede ganz aus der Fassung gebracht, so daß die sonst so ceremonielle Frau selbst vergaß, die Grenzen zarter Rücksichtnahme eiuzuhalten. »Herr Haller,« preßte sie hervor, „kann die Mesalliaece un möglich billige». Er wir» und muß sich jener Mißheirath in seiner Familie erinnern und wird recht gut wissen, was solche junge Mab- chen blende», es find Rang und Stand, unsere Beziehungen zu dem Hofe »nd der Glanz, zu dem sie eiue Verbindung mit uns erbebt Aber eine Frau wie Anna Haller, welche empfunden haben muß, was ihren psohlbürgerlichen Grundsätzen in unserer Sphäre blühte, welchen Versuchungen und Verlockungen solche junge Frauen in den angeborenen Schwächen ihres bürgerlichen Standes so leicht unterliegen, eine Frau, wie sie, die da unterlag und so viel Unglück säete, wird Ihnen gewiß abschreckendes Beispiel einer ungleichen Heirath genug sein, als daß Sie nicht mit gutem Gewissen der kleiueu Närrin noch abrathen sollten!" „Die Liebe ist blind," entgeguete Haller achselznckend. „klebrigen- habe ich kein unparteiisches Unheil, gnädige Frau» denn — ich be kenne es offen — ich hasse die Staudesvornrtheile und habe absolut kein Verständuiß für die von Ihnen entwickelten Grundsätze des Adels. Herrn Baron von Dobenecks Urtheil dagegen dürft« kompetent sein." Die erste Hofdame »iß die Augen weit auf. Sie hatte bei dieser uuerhörten und so unumwundenen Erklärung den letzten Rest ihrer Fassung verloren und hätte bestimmt etwas Verletzeudrs ent gegnet, hätte der Baron nicht das Wort ergriffen: „Was mein Berhältniß zu meiner geschiedenen Frau betrifft, lieber Haller, das meine Frau Schwägerin so wenig zart iu die Debatte zu ziehen beliebte, so werden wir Beide unter vier Augen darüber reden. Was aber Louise Stockhaus avgeht, so erkläre ich hiermit aus das Bestimmteste, daß ich fest entschlossen bin, weine Ein willigung zu ihrer Verhrirathung mit meinem Neffen zu geben. Sie ist ein Engel an Reinheit und Sanstmuth und werth, einen braven Manu glücklich zu machen, und sür einen solchen erachte ich Adalbert jetzt von ganzem Herzen." Zornig fuhr die erste Hofdame auf: „Ich habe schwer genug unter Ihrer Mesalliance gelitten, Herr Schwager, nnd wenn die Dobenecks auch nicht darnach frage«, ob ihre Frauen mehr Talent zum Aneigneu fremden EigeuthumS als für die Salons offenbaren, so weiß ich doch wenigstens, was ich zu thuu und zu lassen habe." Der Baron hielt sich während de« Eifers seiner Schwägerin krampshast au einer Stuhllehne fest; seiu Gesicht bedeckte Todtrnbläffe. DaS entging der leidenschaftliche» Frau nicht; trotzdem beging sie die neue Taktlofigk-'it, sich iu ihrer Verlegenheit statt an Dobeneck, den sie so tief gekränkt, an Haller zn wenden. „Eotschnldigeu Sie, mein Herr," sagte sie so kühl, wie möglich, „wenn ich Sie mit weinen Aeußerungen über Standesunterschiede verletzt haben sollte, allein Familienrücksichten gehen einer Mutter selbst übe« Standesrücksichten." „Ich pflichte Ihne« vollkommen bei, gnädige Frau," entgeguete Haller mit unsäglicher Selbstbeherrschung, obschou er auch todtenbleich geworden war, „darum gestatten Sie auch mir gütigst, ebenfalls meine Familienangelegenheiten zur schleunigen Erledigung zu bringe«, es find die Rückfichten, die ich — wie sür Sie — auch sür mich bean spruche. Ihr« schnöden, lieblosen Urtheile über eine unglückliche Frau machen mir eine rücksichtslose Offenheit zur Pflicht. Er handelt sich um da- Bekenntniß äner tiefelenden, beklagenSwerthe« Fra«, di« durch ihr Scheiden mit uns abgeschlossen hat »ud einer Gestorben« gleich zu achten ist" Iran von Schorndorf warf statt eine» theilnehmendeu ein« selbstgefälligen, triumphirenden Blick auf den Baron. Dieser dagegen fühlte sich verpflichtet, wenigsten- da» Andenken an di« Frau, die er einst geliebt und nie vergeffeu hatte, vor der unnachsichtige» Be- schimpiung dieser herzlosen Fra» zu schützen. .Thun Sie «r nicht, Hallerl« rief er hastig, „Frau von Schorn dorf ist keineSw-gS berufen, über Anna'» Thaten den Stab zu brechen, traurig genug, daß sie ein Thema berührte, da» nie wieder anzn- schlagen sie mir vor Jahren feierlich gelobte.« .Wir habe» unter ihrer Schuld schwer gelitten«, eiferte die Dame fort, .wir stad deshalb jetzt vollkommen berechtigt, da» Ein- grstäoduiß derselben eutgegeuzuuehmeu, sowie da» Bekenntniß ihrer Reue. Anna Haller bekannte fich also endlich sür schuldig?« wandte sie fich an Bruno, »sie nahm dar Geld, di« lluglückielige?« .Das that sie nichtI« sagte Haller ernst, jedes einzelne Wort betonend. Er richtete fich hoch und stolz auf und fuhr daun fort: »Die Eifersucht hatte sie allerdings verleitet, jenen verhängniß- vollen Brief zu öffnen, nicht aber seines Inhalt» zn berauben. Da» hat sie mir beim Scheiden wiederholt versichert, und deshalb kam ich zu Ihnen, Herr Baron.« Hakler vermochte nicht weiter zu reden, die Bewegung erstickte seine Stimme Todlensiille herrschte anf Augenblicke im Gemach. „Und wo blieb mein Kind, mein Sohu?« naierbrach zitternd vor Erregung endlich der Baron da» Schweigen; Hoffnung »nd Be« iorgnitz hatten ihm zuerst wieder Worte verliehen. .O, sagen Sie mir, lieber Haller, wo ist mein Kind? Ich will es suchen aus der weiten Erdenrnnde und sollte ich darum die Meere nach allen Richtungen der Windrose durchkreuz» « Haller vermochte seiner Thränen Lauf nicht länger zu gebieten. Schwer und heiß rannen st« über seine bleichen Bangen in de» dunklen Bart. .Ihr Sohn — bin — ich!« — preßte er mühiam hervor an» tiefster Brust — .ich bi« das — Kind — der Geächteten und — Geschiedenen, — der Sohn der Mesalliance!« .Mein Sohn, wein Sohn!« jubelte der alte Manu im höchsten Entzücken und zog Brnno au seine Brust. .Dn also bist mein Sohn, mein Bruno! Du, den ich vom ersten Moment an, iu welchem mein Auge Dich erschaut, geliebt wie ein Vater! O, gesegnet sei diese Stunde, gesegnet Du, gesegnet Deine unglückliche Matter, mein arme» Weib!« Lange lagen fich die beiden Glücklichen sprachlos in den Armen. Adalbert von Rührung und Theilnahme überwältigt, wagte die Heiligkeit diese« Augeavllcks kaum durch einen Athemzug zu unter» brechen, die Hofdame dagegen bearbeitete ungeduldig ihr Batifttascheu- tuch und eilte ia eine F-nfttruische, voa wo aus sie ziemlich feind selige Blicke auf die Gruppe warf. „Du bist mein Sohn, Du, mein Bruno!« begann Dobeneck wieder und schäme mit Entzücken in das edle, männlich-schöne Antlitz seines Sohnes. . Dich, nm den ich sie fast beneidet hätte, Dich sendet sie mir und verläßt dann Europa! O Anna, große», edles Herz! O daß Du das Räthsel nicht früher löstest, eS wäre Alles gut ge worden! Welch' heldenmüthigeS Entsagen. Indessen sie soll nicht lange mehr vereinsamt seiu. „Und jetzt bist Da mein, »rin Bruno?« »Bon ganzer Seele I« gelobte Haller. Da vermochte der gutherzige Adalbert seine Empfindungen der Theilnahme nicht länger zurückzuhalten. Leise trat er hinzu und er griff Besser Rechte: „Mein theurer Oheim!« sagte er mit vor Rührung bebend« Stimme, .und S-e. Bruno, gestattet mir, der Erke zn sei», der de» aufrichtigsten und innigsten Antheil an Euerem Glücke nimmt. Ich weiß ja, Sie find ein Sohu nach seinem Herzen und find seiner Liebe würdiger als ich«, wandte er sich an Haller. „Du braver Junge I« sagte Dobeneck, „in dieser Stunde führt Dich Dein Ebelmuth, Deine Bescheidenheit und Uneigeouützigkeit meinem Herzen um Viele» näher und ich bin überzeugt, mein Sohn wird Dir ebenfalls seine ganze Freundschaft schenken. Solch' et« Glückwunsch thut mir wohl und macht Dir Ehre! Wahrlich, mein lieber Adalbert, solchen Muth hätte ich Dir nicht zugetraut!' Er sah sich nach Frau von Schorndorf um. „Und Sie, Frau Schwägerin?« sagte er mit leisem Vorwurf. Die Hofdame blickte ihn höhnisch au und entgegnet« daun kühl: „Sie wissen ja. daß ich nichts weniger liebe, als solche Rührsceuea. Zudem ist es bei mir nicht so leicht, als bei Ihnen, eiue constatirt« und dreißig Jahre lang „»bezweifelte Thatsache plötzlich durch da»' Erscheinen eine- jungen Mannes über de» Hansen werfen z« lassen, der für seine — sür mich wenigstens sehr gewagt klingende — Be hauptung auch nicht einen Beweis erbracht hat!« Sie schien weiter reden zu wollen, allein Bruno trat ihr hoch and stolz im Bewußtsein seiner Würde entgegen und sagte gelassen: „Sie haben vollkommen Rech», gnädige Frau; bei ihm spricht das volle, warme Vaterherz, bei Ihnen der kalte berechnende Verstand.« „Jedenfalls ganz wie bei Ihnen!" gab sie malitiö» zurück. „Ihre angebliche Frau Malter wird Ihnen die Dobeueck'scheu Be sitzungen schon als ganz begehrevswerth bezeichnet haben und uebeubet hätte sie schwerlich einen leichtgläubigeren und gntmüthigrreu Vater sür ihren Herrn Sohn finden können«. Haller wandte sich mit eine» verächtlichen Blick« ab. Der Baron aber ries entrüstet: „Schwägerin, Sie unterstehen fich, meinen Sohn» seine Mutter und mich zu beschimpfen, und das unter meinem Dache?« Sie zuckle geringschätzig die Achseln. „Bis jetzt ist die Unschuld dieser Frau Anna an der Entwendung de- Geldes durch Nichts bewiesen. Die vorgebrachten Berficherunge» sind nicht neu, wir haben sie schon vor dreißig Jahren zur Genüge vernommen. Kanu die sehr romanhaft klingende Geschichte nicht ge schickt genug erfunden sein? Und müffen Sie denn absolut gerade der Vater seiu, weil möglicherweise jene Anna Haller die Mutter diese» Herrn ist?« „Kein Wort mehr, weine Dame!« rief Bruno in einem Tone, der keinen Widerspruch duldet und schaute sie «ft einem vernichtende« Blicke au. .Ersparen Sie fich noch tiefere Demüthiguugru und Be schämungen, als Ihnen bereits drvorstrhen, indem Sie mich zwingen» zu verlangen, Ihre Gehässigkeiten, Verdächtigungen und Beschimpfungen gegen eine Wehrlose zurückzuweiseu. „Meine ehrwürdige Mutter kannte ihre Widersacher nnd vor Allem Sie. Glauben Sie, daß ich Ihnen, gerade Ihnen ohne ge nügende Beweismittel gegenüber zetteten wäre?" Betreten antwortete Fra« von Schorndorf mit einem verlege»«^ häßlich gezwungenen Lächeln. „Am 9. Juli 1832 erschoß fich Lilly » Vater«, sagte der Baron, »ich habe mir diesen Tag, au welchem meine Liebe zu Grade ging «ud ich zu« vereinsamte» Manne wurde, wohl gemerkt.« Fortsetzung folgt. Für oe» rSaettonell« TH«U »«»ntmortltch: Frnnz A dtz» in Lhrnmitz. — Druck «nd Verlag »»» Ulegand«, »ied« ln Chemnitz
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