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Viertes Blatt Dienstag, den 24. Marz 4934 irr. 70 Der Dieb und feine Kniffe Vom Kriminalkommissar von Lirbermann i. Sei aufmerksam, sann passiert dir nichts! Niemand rechnet damit, daß sein Leben von fremder Hand vernichtet werden könne. Selbst der Soldat im Kriege glaubt, es werde nur die anderen treffen. Bon der Ermordung eines Menschen liest man in der Zeitung wie von einem traurigen fremden Schicksal, von dem man denkt, daß es uns nicht widerfahren könne. Man übersieht, daß es dem Toten vielleicht nur deshalb widerfahren ist, weil er auch so dachte. Ein paar statistische Zahlen — und eS wird et» Menetekel an der Wan- stehen, das ein dringlich warnt- Bon 1208 Fällen von Mord und Totschlag in Preußen im Jahre 1919 ist die statistische Kurve bis -nm Jahre 1924 aus 861 Einzelfälle gesunken, und wir sind damit den Vorkriegs- verhültnissen nahegekomnren. Aber auch die Friedenszahlen, unter die wir in absehbarer Zeit kaum herunterkommen werden, sind ernst genug. Streicht man aus der Zahlenstatistik von 1909 bis 1913 die Fälle weg, in denen Kinder unter fünf Jahren die Opfer waren, so bleibt cs bei einem Jahresdurchschnitt von 616 gewaltsam und absichtlich zerstörten Men schenleben, unter denen sich 52 Kinder im Al ter von sünf bis fünfzehn Jahren befinden. Jährlich 52 erschlagene Kinder, allein in Preu ßen! Und 514 Erwachsene! In einem ein zigen Jahre, 1923, haben in Deutschland 187 Menschen unter Mordanklage, also unter der Beschuldigung der vorsätzlich, mit kalter Ueberlegung ausgeführten Tötung eines Menschen, und 329 wegen vorsätzlichen, in der Erregung verübten Totschlags vor Gericht ge standen. Liegt in diesen Zahlen nicht eine Sunkle Drohung, die jedem von uns gelten kann? Es ist so falsch zu glauben, daß nur reiche Leule gefährdet seien, daß Armut vor Ver brechern schütze. Fast um ein Nichts werden die Menschen erschlage». Vic Gelegenheit Diebe macht, so macht sie auch Mörder. In die Leüensgewohnheiten und den Haushalt sehr wohlhabender Leute haben Verbrecher selten Einblick, weil sie in deren wohlbchütete Häuser keinen Zutritt haben. Darum fallen mehr Arme als Reiche Raub mördern zum Opfer. Vvr Verbrechern ist der am sichersten, der sich fern von ihnen hält. Wer zweifelhafte Geschäfte macht, kommt mit zweifelhaften Leu ten zusammen. Geschäftsleute, die gern Wa ren zu Preisen kaufen, die zuverlässiger als - eine eidesstattliche Versicherung bekunden, daß sie so gut wie gestohlen sind, knüpfen dadurch Bekanntschaft mit Leuten an, deren Unredlich keit sic kennen. Sie dürfen nicht überrascht sein, wenn sie von dieser Unredlichkeit nachher eine Probe auf ihre eigenen Kosten zu sehen bekommen. Mit solchen Kunden brauchen sie nur noch ihre Geschäfte größerer Diskretion halber nach Ladenschluß und im Hinterstübchen abschlicßcn, und es wird sich unter dem An hang ihrer Kundschaft schon ausreichend her- umsprcchen, daß man bei ihnen, wo man so ungesehen kommen und gehen kann, auch un gesehen mit List oder Gewalt etwas mitneh men kann. Der Mor-, die heimlichste aller Straftaten, sucht seine Gelegenheit unter vier Augen. Deshalb sollte auch der ehrbare Kausmann, der nach Ladenschluß noch allein in seinem Büro zu arbeiten hat, vor fremden Sunden die Türen verschließen. Und selbst, wenn er den späten Klopfer kennt, so gut kennt er ihn doch nicht, um sicher zu sein, daß er wirklich nichts anderes will, als er vorgibt. Die Apotheker in den großen Städten wissen schon, weshalb sie bei Nachtdienst grundsätzlich nur durch ein Klappfenster in der Türjalousie bedienen. Verdächtige Geschäftsfreunde sind die, welche einem Kaufmann von einem großen Geschäft erzählen, das unter vier Augen an einem sicheren Ort besprochen werden müsse. Hun derte von Kaufleuten haben im Laufe der Jahre ihr Leben unter Mörderhand verloren, weil sie sich an einen Ort locken ließen, der nicht für sie, aber für die anderen sicher war. Mit viel Geld in der Tasche einem mehr oder weniger Fremden an einen unbekannten Ort zu folgen, heißt geradezu sein Schicksal her- auswGern. Raubmörder, die unter der Maske vvn Stellenvermittlern oder Grundstücks maklern ihre Opfer suchen, erbieten sich, die Bewerber gleich zu dem betreffenden Betrieb oder Grnndslück zu führen, und raten ihnen die Kaution, die bei Stellenantritt zu hinter legen sei, oder eine Anzahlung aus den Kauf preis gleich mitznuehmen. Gewöhnlich liegt das Grundstück oder der Betrieb außerbglb der Stadt, und mit Vorliebe führt der Weg dahin durch einen Wald. Besteht der Vermittler hartnäckig aus Mitnahme des Geldes, und mag er die Stellung oder das Grundstück in noch so verlockenden Farben geschildert haben — man rettet sich vielleicht das Leben, wenn man gleich wohl ans seine Dienste verzichtet, und rettet es vielleicht anderen, wenn man die Polizei auf i. n aufmerksam macht. Mißtrauen gegen Fremde bleibt der Elemen tarsaß der Lebensweisheit. Und wie man Wachhunde darauf dressieren muß. sich nicht von Fremden anlocken zu lassen, so muß man seine Kinder lehren, daß sie nicht in jedem fremden Mann einen guten Onkel, nicht in jeder fremden Frau eine gute Tante zu sehen haben, der sie artig das Patschhändchen geben müssen. Nicht Zutrauen, Furcht vor Fremden soll man ihnen einimpfen. Kurz nach dem un aufgeklärt gebliebenen Mord an zwei Kindern in Breslau trat ein Mann an das dreijährige Kind eines Breslauer städtischen Angestellten heran, das vor der Haustür spielte, nahm es auf den Arm und eilte mit ihm davo.» Der Vorfall wäre vielleicht von den Straßenpassanten unbeachtet geblieben, wenn die Kleine nicht aus Leibeskräften geschrien und sich mit all ihren schwachen Kräften gesträubt hätte. Daraufhin eilten Passanten zu Hilfe, und der Unhold mußte das Kind niedersetzen, um entfliehen zu können. Haben Sie Ihrem Kindermädchen aufgetragen, zu verhüten, daß Ihr Kind mit Fremden Freundschaft schließt? Wollen Sie Ihren Kin- deru nicht auch einprägen, daß Fremde, die sie mit sich nehmen vder mit Süßigkeiten und Ver sprechungen an sich locken wollen, ihnen Böses tun können? — Für Berlin hat das berechtigte Mißtrauen gegen Fremde bereits dahin geführt, daß zahl reiche Frauen in Abwesenheit ihres Mannes die Wohnung Unbekannt.n überhaupt nicht n ,r öffnen. Sie werden, wie viele Hausfrauen, schon einmal dadurch erschreckt worden sein, daß ein fremder Mann, dem sie auf Klingeln öffneten, gleich ohne Komplimente den Korridor betrat. Mag er sich dann auch freundlich als Bücher reisender oder als der „Gasmann" zu erkennen Sieben haben, unerquicklich war das Tete-a-Tete mit dem Unbekannten, der zwischen der Haus frau und -er Korridortür stand, darum doch. Manche Hausfrau pflegt solchen Situationen dadurch die Schärfe zu nehmen, daß sie selbst an die geöffnete Korridortür tritt, solange der Mann sich am Gaszähler zu schaffen macht, oder sie täuscht durch Zurücksprechen in ein leeres Zimmer Gesellschaft vor, beschwichtigt vielleicht auch durch Zuruf einen imaginären Hund. Aber es ist doch entschieden angenehmer, sich vor dem Oeffnen der Korridortür in Ruhe und Sicher heit vergewissern zu können, wer der Besucher ist und was er will. Die Sicherheitsketten an den Flurtüren erfüllen diesen Zweck nicht immer. Probieren Sie bitte, -b Sie die Ihre nicht von außen mit einem Griff durch den Türspalt lösen können! Empfehlenswerter sind die in einer Schiene laufenden Sicherheitsriegel, die zwar auch bei vorgelegtem Riegel eine ausreichende Oeffnung der Tür gestatten, die aber nur bei wieder völlig geschlossener Tür, also einzig und allein von innen, gelöst werden können. Alleinstehende Tameu, die sich in ihrer Wohnung bedroht fühlten, haben sich schon manchmal mit Vorteil eines „Not rufes" bedient, den sie mit Hausgenossen vorher besprochen hatten, indem sie durch dreimaliges starkes Ausstößen eines Stockes aus den Fuß boden oder durch Pochen gegen di. Wand Haus genossen zu Hilfe riefen. Polizeiliche Hilfe ist nicht immer da, wo man sie braucht, -eun wo eiu Schutzmann steht, passiert nichts, und wer in »einer Wohnung bedrängt wird, kann nicht erst auf die Straße laufen, um sich nach einem Schutzmann nmz'."- l'-". Deshalb hat die Ber ¬ liner Polizei seit 1922 sogenannte Ueberfall- kommandos bereitgestellt, zu deren Alarmierung der einfache telephonische Rus „Uebersall!" an das Fernsprechamt genügt. In der Zeit vom 1. Januar 1922 bis 15. März 1925 sind die Groß- Berliner Ueberfallkommandos in 9530 Fällen gerufen worden, und hiervon 9027mal mit gutem Grund! Ter ist besonders gefährdet, der fremde Men- scheu in seiner Wohnung ausnehmen muß, ohne erst lange prüfen oder wählen zu'könncn. Jede großstädtische Zimmervermieterin, die man fragt, ob sie schon schlimme Erfahrungen mit Mietern gemacht habe, hat sofort Redestoff für eine Glockenstunde. Hausfrauen, die Dienstmädchen suchen, können sich, um nicht durch gefälschte Zeugnisse getäuscht zu werden, durch persönliche — niemals telephonische! — Erknndigi ug bei der letzten oder vorletzten Herrschaft des Mädchens dagegen sichern, daß sie die Gehilfin einer Ver brecherbande in ihr Haus nehmen. Kaufleute verlangen wohlweislich in ihren Anzew.m einen jungen Mann „aus guter Familie", weil die Herkunft aus geordneten Verhältnis cn eine gewisse Gewähr bietet. Wohl »ällt auch einmal ein Apfel weil vom Stamm, oder schlechte Ge sellschaft kann nachträglich gute Anlagen ver derben. Selbst dann ist aber der Prinz pal noch nicht verkauft und verraten, denn in der Klein stadt wird es ihm bald zu Ohren kommen, wenn einer seiner Angestellten unter die Wölfe geraten ist. Selbst in -er Großstadt, in der einer weniger vom anderen weiß, gibt es dafür gewisse An zeichen: Wer über seine Eiukommeusverhältnisse lebt, der kleidet sich auch über seine Verhälrnisse. Ein paar elegante Anzüge in raschem Wechsel von einem Herrn getragen, dessen beschränktes > Einkommen man kennt, können mehr verraten, ' als daß ihr Träger einen guten Schneider hat. Tie Zimmervermieterin kennt aber weder das Einkommen ihrer Mi-ter, noch kann sie vor -cm Zuzng Referenzen verlangen, cs müßte ihr denn gleich sein, ob sie vermietet oder die Nachbarin. Ta Hilst ihr, ohne daß sie das recht begreift, die Polizei. Tie Vermieterin hält die Polizeivorschrift, die sie zwingt, jeden neuen Mieter alsbald auf dem Polizeirevier anzu melden, vielleicht für bureaukratischen OrdnungS- übcrschwang. Wenn sic vom Revier zurückkvmwt, ärgert sie sich über den unnützen Weg, während die Polizei schon in ihren Registern nachschlägt, ob der neue Mieter nicht am Ende ein gesuchter Verbrecher ist. Jeder Mieter, der unter was auch immer für Vorwänden seine polizeiliche Anmeldung zu hintertreiben sucht, ist ein be- denklicher Gast! Und jeder Mieter, der weiß, daß er polizeilich angemeldet ist, weiß auch, daß er in dieser Wohnung nichts ausfressen darf, weil er bei der Polizei im Buche steht. Tie Meldevorschriften sind der wirksamste Schutz der Vermieterinnen! Vernachlässigen sie ihre Melde pflichten, so handeln sie fahrlässig gegen sich selbst . . . Kommt es einmal zum Schlimmsten, zum Kamps mit einem Verbrecher, so hat die Natur der Frau zwar geringer». Körperkraft, aber eine Helle, durchdringende Stimme gegeben, zum Hilferufen wie geschaffen. Nn'- muß der Vor satz, bei Gefahr zu schreien, von vornherein wie eine beschlossene Sache im Untcrbewnßlsein liegen, sonst erstickt vor der plötzlich aus-ncken- den Gefahr der Lant in der Kehle. Wer eine Schußwaffe bat, soll es hundertmal darans an kommen lassen, als daß er sie in -er Hossnnng auf Schonung den Bedrohern anslieserr. So lange er den Finger am Trücker hat, hat er auch Leben und Tod der anderen in der Hand, die auch eine Vorliebe für heile Haut haben. Die Bestialität im Menschen entfacht sich am leichtesten beim Anblick der Wehrlosigkeit. Mit dem Besitz der Waffe allein ist eS freilich nicht getan. Tamit, daß solch ein Ting blitzt nnd knallt, ist nicht viel gewonnen, man muß cs auch zu handhaben und damit zu treffen verstehen. Sonst geht es seinem Besitzer wie - nach einem alten Witz — dem greisen Fell händler, dem besorgte Verwandte für seine Wanderung über Land einen Revolver anf- drängten. Melancholisch betrachte -er Alte die Waffe: „Nnd hab' ich der Pistol — wer wird schießen?" — Wenn man Gebrauch von einer Schußwaffe machen muß, gebt es immer auf Tod und Leben, und dann muß der Schuß den Gegner mitten im Anlauf, noch während des Zuschlagcns kampfunfähig machen können. Dazu sind die beliebte: Westentascheupislolen mit ihrem kleinen Kaliber 6,35 Millimeter wenig geeignet Kaliber 7,65 muh es schön sein. Es gibt eine handliche Taschenpistole deutschen Fabrikats mit diesem Kaliber und wenn Ihr Wafseubündler diese Tnpe nicht kennt, so bestellen Sie ibm inen schönen Gruß, und er möchte sich danach .rkundigen. Leine Munition muß der Mann, der seiner Sache sicher sein will, sobald es einmal hart ruf hart geht, von Zeit zu Zeit ersetzen, um ächt beim ersten Schuß zu erfahren, ob die jellcicht 10 Jahre alten Patronen ihre Schnl- sgkcit noch tun. Und wer das Magazin seiner Repetierpistole immer gefüllt liegen läßt, kann es erleben, -aß dessen jahrelang znsammen- geschobene und dadurch erlahmte Feder gerade dann eine Ladehemmung verursacht, wenn Schuß hinter Schuß aus dem Laus heraus soll. Für jeden, dessen Leben von Angreifern -'ich bedroht ist, gilt, was kür den S .n im Felde galt: In Bereitschaft sein-ist alles! Das kleinste Flugzeug der Welt In Neapel hat Ingenieur Ricci ein neuartiges Kleinflugzeug kvustruiert. Die Maschine ist einsitzig als Dreidecker gebaut, benötigt kein großes Rollfeld beim Start und kann fast überall bequem landen. Man glaubt, daß sich die Maschine, die auch nicht allzu teuer sein bürst«, tu kurzer Zett beuu Publikum beliebt machen wird. Ein interessanter Kirchenneubau In Frankfurt am Main ist ein aparter Kirchenneubau erstanden. Tic Kirche steht in -er Nie- -erwald-Kolonic und gehört der katholischen H^emeinde. Sie faßt nur 800 Personen,- sie ist ein Stahlskelettbau. Der Altar befindet sich in der Mitte unter dem Turm, der reichlichen Lichteinlaß gewährt. Interessant ist vor allem auch die merkwürdige Anordnung der völlig runden Fenster.