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93 Jahrgang Gonnabend/Sonntag, den 21.^22. März Rr. 6» 1931 I »gospatt«« p-stl-3-tl« mit rs Gpldpfrmuaea bonchaet, Reklamen die 4 g«,palten« Zeil. ' . ^'»Pfennigen. Anzeigen u. Reklamen mit Platzvorschriften und schwierigen Satzarten werden mit SOL Nb Euxhjtlon - Aufschlag berechnet. Schluß der Anzeigenannahme Vorm. 11 Uhr Für das Erscheinen der Anzeigen an bestimmt«, Tagen oder Plätzen, sowie für telephonische Aufträge wird keine Gewähr geleistet. Insertionsbeträg« sind sofort bei Erscheinen der Anzeige fällig. Sei späterer Zahlung wird der am Tage der Zahlung gültige Zeilenpreis in Anre i nung gebracht. Rabattanspruch erlischt: b. derspät. Zahlung, Mage ob. Konkurs b. Auftraggebers . MWsche DMW -> «WM „ ta^^oschwitzsee Anzeiger ««> Ta-e«,e«king für da« östliche Dresden p-«*-»-«-- au vn.^> Dl«s«s Blatt enthSlt dl« amtlichen «ekanntmachunoen d-« » Doratt« Sokckiwik Welker Kirsch, Bühlau. Nockwitz und "^"5! Bates zu Dresden für dl« Stadtteil« Lia, witz?Ni«d«rpoyritz, Kofterwitz/ Pillnitz. W«,hig «nd SckMltz^und »«rwaltungsbezlrk) der ««meinden Wach. «da-o.Sutbdnuker«' «ad Veriagaanstatt Heruum« Seyer » «o. VrosdaacSlafrwch. _ d, sowie der Amtshauptmannschasl Dresden. ^t>em, lägUch mit den Seilagea- AmN. Fremden, und ^rllst^«grar.Darte. Radi-Zeitung, Rur eia Viertel. ?2en Lachen, Aus alter u. neuer Zeit, Moden-Zritung, «chnttstnusterboaen. Oer Sezugsprets beträgt frei ins Hans monatl M2.10, durch diepost ohne Zustellgebühr monast M-2.r0. Für Fälle hök.Gewalt, „ „ .. Streiks usw. hat der Sezieher keinen Anspruch auf Lieferung bzw.Rachlieferunq der L^wnaod Rückzahl d.Lelegelbes. Druck: Elemens LanbarafRächst., Dresden.Freital, unverl. eingesandt. Manuskripten ist Rückporto beizufüg. Für Anzeigen, welche durch An,pr ausqegeb werden, könn. wir eine Verantwort, bez. der Richtigkeit nicht übernehm Hermann Müller Reichskanzler a. D. Hermann Müller ist gestern abend >L11 Uhr seinem Leiden erlege». * Hermann Müller war seit Friedrich Eberts Berufung zum Reichspräsidenten und Scheide manns Rücktritt als Reichsministerpräsident unbestritten der führende Mann in der brutschen Sozialdemokratie. Zweimal, im Frühjahr 1920 und vom Sommer 1928 bis zum Frühjahr 1930, trug er als Reichskanzler die oberste Verantwortung für die deutsche Politik. Nur 54 Jahre alt ist er geworden. Er war in jungen Jahren Handlungsgehilfe und dann ozialdcmokratischer Parteiredakteur in Görlitz geworden, bis ihn 1006 Bebel in den Partei vorstand nach Berlin berief. 1919, nach EbertS Wahl zum Reichspräsidenten, trat er dann als Vorsitzender an die Spitze seiner Partei. In den Reichstag war er erst 1916 gekommen, seit 1920 vertrat er ununterbrochen den Wahlkreis Franken. Innerhalb seiner Partei galt er als der Realpolitiker schlechthin, als ein Mann, der von der stetigen Mitarbeit und Mitverantwor tuna der^ GGMldemokratte die stärksten Bor- ielleslsr die Arbeiterschaft und für seine Partei erwartete. Als er daS zweitemal, nach der Maiwahl 1928, Kanzler geworden war, be mühte er sich außerordentlich um die Bildung einer Regierung der Großen Koalition, aber die Zusammenschweißung des Kabinetts gelang ihm erst ein Jahr später, als der Etat für 1929 die Grundlage für eine Verständigung bot. Die Unterzeichnung des Aoungplans und die Ver einbarung über die Räumung des Rheinlandes waren der sichtbarste Ertrag seiner zweiten Kanzlerschaft. Heute erscheint eS vielen als fraglich, ob der Absprung vom DaweSplan nicht zu früh unternommen worden und ob die Verbindung mit der Räumungsfrage, die 1928 in Genf zustande kam, nicht ein Fehler ge wesen sei. Daß Hermann Müller persönlich immer das Beste für die Nation gewollt hat, fleht außer Zweifel, eS ist auch zu der Zeit, als er Kanzler war, wiederholt vom Reichspräsi- -enten selbst anerkannt worden. Die Eisenbahnarbeiter lehnen ab Ter Allgemeine Eisenbahnerverband lehnt den am 19. März im Lohnstreit zwischen der Reichsbahngesellschaft und den Etsenbahner- gcwersschaftcn gefällten Schiedsspruch als un- mSalich ab. Selbst die Reichsregierung habe bei der durch Notverordnung vorgenommenen und auch aus die ReichsbahngesclN' ast ausge dehnten Gehaltskürzung für die Beamten ein gewisses Eristen-,«ninimum abzugsfrei gelassen, während in dem jetzigen Schiedsspruch für die Reichebahnarbciter auch den gcringst entlohn ten Gruppen nicht nur ein im Gegensatz zn der amtlichen Mitteilung über 6 v. H. noch hinausgehendcr beträchtlicher Lohnabzug, son dern darüber hinaus der völlige Fortfall des bisherigen Frauenzuschlages und eine Kür zung der ohnehin schon bescheidenen Kinderzu- schläae nm 3 Reichspfennige für den Tag und das Kind zugemutet würden. Da kann Deutschland nicht mitmachen Tie englische Bereinigung zur Verteidigung des Handels, die von den Konservativen zur Abwendung der Gefahr des russischen Dum pings und der Propaganda gegründet worden i" entwickelt eine lebhafte Tätigkeit, um gleichartige Verbände in anderen Ländern zur gemeinsamen Arbeit zusammenzubringen und, wenn möglich, allmählich eine einheitliche Front gegen Sowietrußland zu errichten. Die Verhandlungen erstrecken sich auf Amerika, Italien, Frankreich. Belgien, Deutschland und andere Länder. Die Verhandlungen zielen darauf hinaus, im Lause der nächsten Wochen eine internationale Konferenz zustande zubrin- aen. auf der die Gefahren des russischen Wirt schaftskrieges erörtert und gemeinsame Ab- tvehrmahnahmen besprochen werden solle». Sachsens letzte Hoffnung: Die Berliner Verhandlungen Not, die keinen verschont Von Tag zu Tag wird diese Not gewaltiger. Sie greift hinein in die Betriebe, in die Familien, in die Ehe, hinein in das Kinder- paradics. Ein sich immer mehr steigernder, ungeheuer licher Druck liegt besonders aus Sachsens Bevölkerung, da sich gerade hier im Grenzlande die verderb liche Arbeitslosigkeit so zermürbend und alles erschlagend auswirkt. Zerrüttete Ehen, ver wahrloste Kinder, Selbstmorde, Totschläge sind an der Tagesordnung. Moral, Pflicht, Glaube und die Achtung vor sich und den anderen Mit menschen versinken immer mehr und mehr in der dumpfen Verzweiflung, die dieses den Kör per, aber vor allem die Seele abtöteüde Nichts tun mit sich bringt. Dem Besten sind die sonst nimmermüden Hände gebunden. Er möchte arbeiten, aber er kann nicht. Täglich mehren sich die Nachrichten von weiteren zusammen brechenden Betrieben, damit aber vermehrt sich das Heer der auf der Straße liegenden Arbeiter und Angestellten, damit wächst die Arbeitslosig keit ins Lawinenartige. Boller Grauen kann man das unausbleib, liche Ende aller wirklichen Wirtschaft i» unserem Sachsenlavd« mit mathematischer Genauigkeit berechnen. Seit Dezember ist die immer wachsende Zahl der Arbeitslosen um mehr als 100 000 gestiegen. Das bedeutet Hunderte von eingegangenen Be trieben, Hunderte von nicht mehr rauchenden Schornsteinen. Nur zu deutlich zeigt diese rapid ernporschnellende Zahl, daß in absehbarer Zeit »msere gesamte sächsische Wirtschaft, die ehedem das Rückgrat in unserem deutschen Vaterlande ausmachte, verkümmert am Boden liegen wird, wenn nicht seitens des Reiches endlich Abhilfe geschaffen wird. Mehr und mehr macht sich auch endlich in allen Kreisen des Reiches die Erkenntnis Platz, daß Sachsen ein Notstands- und Grenzgebiet ist. In Berlin sitzen jetzt die Vertreter des Reiches mit denen der, sächsischen Wirtschaft zusammen. Deutlich und klar werde« unsere Wirt- schOftsführer dort sprechen und damit der ReichSregieruug die wirkliche Lage Sachsens nahebringeu. Die Forderungen, die man dort vortragen wird, sind keine Unmöglichkeiten oder Unverschämt- heiten. Nein! Das sächsische Land soll nur nicht be nachteiligt werden zugunsten der anderen Län der. Man will in Berlin nur sein gutes Recht! Man will weiter, daß das Reich Sachsen als Grenzgebiet beachtet und behandelt. Als erstem deutschen Wirtschaftsverband ist es dem Verband Sächsischer Industrieller ge lungen, sich die Türen zu den höchsten Hallen zu öffnen. Er beschränkte sich nicht nur auf die Kundgebung in Chemnitz, sondern hat es er reicht, mit der Regierung zusammen in Berlin verhandeln zu können, um zu beraten, wie man Aufstiegsmöglichkeiten für das sächsische Wirt schaftsgebiet schaffen kann. Noch sind Ergebnisse über die stattgefunde nen Verhandlungen nicht bekannt geworden, aber es ist zu hoffen, daß man i» den Kreise» der Regierung des Reiches endlich erkannt hat, daß mit dem weiteren Absterben der sächsische» Jadnstrie «nd der Wirtschaft überhaupt dem besten Sunden der übrige» dentschea Gaue der Garaus gemacht werde« würde. Man soll hoffen und glauben, daß diese Ver handlungen in Berlin unter der Erkenntnis der allergrößten sächsischen Not stattfinden mögen und daß demzufolge die Beschlüsse und Ergeb nisse dieser Verhandlungen Arbeitsmöglichkeiten für das sächsische Land bringen. Dann wird auch das übrige Deutsche Reich merklich spüren, daß ein beschäftigtes Land, dampfende Kessel und sausende Maschinen, schaffende und verdienende Menschen in Sachsen eine Belebung auch der anderen Teile deS Reiches mit sich bringen wird. Buch und Zeit Zum Tag des Buches am 22. März Hat die viel gelästerte Buchweisheit wirklich mit Lebensweisheit nichts oder nichts Wesent liches zu tun? Auf diese Frage soll und will der Tag des Buches, der in Deutschland in diesem Jahre zum dritten Male veranstaltet wird, die Antwort geben. Er steht diesmal «uter dem Motto: „Fra» und Buch" und will also in erster Linie die deutschen Frauen, die als Hausfrauen alljährlich etwa 20 Milliarden Mk. durch ihre Hände gehen lasten, mit besonderem Nachdruck darauf verweisen, daß auch sie zu ihrem Teil an der Aufgabe mit- zuhclfeu haben, die ihren außer mit des Leibes Nahrung und Notdurft auch mit Geistesnahrung zu versehen — eine Aufgabe, die in der verwor renen Hetze des Lebes, in der nur zu häufigen Zersplitterung der Kräfte der Frau in HauS- frauensorgen und Broterwerb leider zumeist vernachlässigt wird. Den Bedürfnissen des Tages, den Notwendig keiten des Augenblicks muß die Frau so viel opfern: die Wandlungen der Mode erziehen sie in einem solchen Maße zur Kapitulation vor allzu kurzlebigen Werten, daß die psychologische Gewöhnung an solche Art der wirtschaftlichen Betätigung die Einstellung zu andersgearteten Werden zwangsläufig stark beeinflußt. Das We- sentliche wird zurückgedrängt und geht unter in dem, was „man nun einmal braucht" oder was man zu brauchen glaubt, weil die anderen es haben. Spät erst, zu spät — wenn etwa als Mut- ter der Frau die ernsten Aufgaben der Erzie hung und Heranbildung junger Menschen auf- erlegt werden — wird ihr mit Erschrecken bewußt, was es bedeutet, das Wesentliche in solchem Maße verkannt oder gar verleugnet zu haben. Ist cs zu viel gesagt, wenn man von der Be schäftigung mit Büchern einen in solchem Maße persönlichkeitsbildenden Einfluß erwartet? Ge wiß kann Lebenserfahrung nicht durch Bücher studium ersetzt werden. Aber gerade in der engen Gebundenheit an Hausfrauenberuf oder Brot erwerb oder gar an beides bedarf die Frau — vielleicht mehr als der Mann — der Vertiefung, Läuterung und Erweiterung ihrer immerhin be grenzten Lebenserfahrungen durch die ewigen Wahrheiten, die das Schrifttum birgt.