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Sächsischer Landes-Anzeiger : 10.10.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188810103
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18881010
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18881010
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-10
- Tag 1888-10-10
-
Monat
1888-10
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 10.10.1888
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.«WM-.-,- V» ' » « > Sächsischer Der jeden Wochentag Abend (mit Datum des folgenden TagcS) zur Versendung erlangende „Sächsische LandeS-Anzetgcr" mit täglich einem Extra-Beiblattr 1. Kleine Botschaft Sächsischer Erzähler 9. Sächsische Gerichtözeitung 4. Sächsisches Allerlei k. JllnstrirteS Unterhaltungsblatt s. Sonntagsblatt 7. Lnstigeü Bilderbuch lostet bei den Ausgabestellen monatlich 70 Psg., bii den Post-Anstalten 75 Pfg. (Post-Zettungs-Preisliste Nr. 5035.) Anzeigenpreis: Raum einer schmalen Corpnszeile 15 Pfg. — Bevorzugte Stelle (Ispalti'ge Petitzeile) 30 Pfg. — Bei Wiederholung großer Anzeigen Preisermäßigung. — Bei Bestellungen von Auswärts wolle mau de» Einrückungsbetrag (in Briefmarken) beifügen >je 8 Silben Corpusschrift bilde» ca. 1 Zeile.) — Anzeigen können »nr bis Vormittag angenommen werden, da Druck und Verbreitung der großen Auflage längere Zeit erfordern. — Die Anzeigen finden ohne Preisausschlag gleichzeitig Verbreitung durch den „Chemnitzer General-Anzeiger" (billigere Sonder-Ausgabe der Hauvtblätter des „Sächsischen Landes -Anzeigers" ohne dessen tägliche Extra-Beiblätter^ Unparteiische tägliche Zeitnng für Sachsen nud Thüringen. Verlags-Expedition: Alexander Wiede, BnchdrnKerei, Chemnitz, Theaterstratze Nr. 5. Fcrnsprech-Anschluß Nr. 136. — Telegramm-Adresse: Landes-Anzeiger, Chemnitz. Mittwoch, 1ü. Oktober 1888. Von den Hauptblättern des „Sächsische« Landes-AnzeigerS" erscheint (ohne dessen tägliche Extra-Beiblätter) eine billigere Sonder-Ausgabe unter dein Titel: Chemnitzer General-Anzeiger für monatlich nur 60 Pfg. mit Zutragen; außerhalb Chemnitz monatl. 57 Pf. m. Ztr. (Zeitungs-Preisliste 9. Nachtr. Nr. 1350a.) Für Abonnenten erscheint je einmal iniJahr. Eommkr-Eisenbahnlahrplanhefl für Sachsen Wiiiter-Eiseiibahnfahrplanheft für Sachsen' Jllustr. Kalender des Sächsischen Sandbote» JilustrirteSJahreSbuchdes Saudes-Aiizeigrr«. Ailltsgerichttiche Bekanntmachungen. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wnrde heute aus Folium 3167 die Firma M. Korytowski in Chemnitz lLangestraße Nr. 19) und als deren Inhaber der Kaufmann Herr Michaelis Korytowski daselbst, Besitzer eines Butter-Handclsgeschästs, eingetragen. Chemnitz, am 5. Oktober 1888. Königliches Amtsgericht- Im Handelsregister für den Stadtbezirk des »uterzeichnetcn Amtsgerichts wurde heute auf Folium 3938 verlautbart, daß Herr Bernhard Michaelis in Chemnitz ans dem Vorstande der Attiengesellschast unter der Firma Acticn- Lagcrbier-Brauerei zu Schloßchcmnitz daselbst ausgeschicden ist. Chemnitz, am 3. Oktober 1888. Königliches Amtsgericht. In dem Konkursverfahren über das Vermögen des Kanfmanns Bernhard Georg Fuhrmann in Chemnitz ist zur Abnahme der Schlußrechnung des Ver walters, zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schlnßverzeichniß der bei der Vertheiluug zn berücksichtigenden Forderungen und zur Beschlußfassung der Gläubiger über die nicht verwcrthbaren Vermögensstücke der Schluß termin auf de» 3. November 1888 Vormittags 10 Uhr vor dem Königlichen Amtsgerichte hiersclbst bestimmt. Chemnitz, den 6. Oktober 1888. Königliches Amtgericht. In dem Konkursverfahren über das Vermögen des Kainmfabrikant», Adolf Bernhard Carl Rcinhold in Chemnitz ist in Folge eines von dem Gcmeinschuldner gemachten Vorschlages zu einein Zwaugsverglciche Vcr- gleichsteruiin auf den 3. November 1888 Nachmittags 4 Uhr vor dem König lichen Amtsgerichte hiersclbst anberaumt. Chemnitz, de» 6. Oktober 1888. Königliches Amtsgericht. Telegraphische Nachrichten. Vom 8. Oktober. Wie». Die „Polit. Corr." erhielt aus Warschau eine Zu schrift, welche die rege Fortdauer der BefestigungSthätigkeit in Russisch- Polen, namentlich an der Westgrenze, feststellt. Paris. Das „Journ. des Debats" beschäftigt sich mit dem Aufenthalt des deutschen Kaisers in Wien und kommt zu dem Schluß, daß Alles zu der Annahme berechtige, daß das einzige Ziel, welches Kaiser Wilhelm verfolgte, als er sich nach Wien begab, darin bestand, die letzten Wünsche seines Großvaters zu erfüllen, die Politik des selben fortzusetzen und vor den Augen Europas einen neuen Beweis für die Festigkeit der Bande, welche die beiden Reiche verbinden, und dafür zu geben, daß vor wie nach der Begegnung von Petcrhof das deutsch-österreichische Bündniß aufrecht erhalten bleibt. Politische Rundschau. Chemnitz, den 9. Oktober. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm war bisher bei den österreichischen Hofjagden um Jagdschloß Mürzsteg sehr wenig vom Glück begünstigt. Die Jagdbeute war gering, während der Haupt jagd am Sonnabend schoß der Kaiser gar nichts, Sonntag 2 Hirsche, das Wetter ist miserabel. Es gießt in Strömen und hört einmal der Regen auf, so folgt der Schnee auf dem Fuße. Trotz alledem herrscht in dem einfachen Jagdschlösse an der Mürz frohe Jägerlaune, und erst morgen, Mittwoch, gedenkt der Kaiser abznreiscn. Die Reise geht über Bruck nach Villach, wo sich Prinz Heinrich von Preußen dem Kaiser anschließcn wird. Donnerstag Nachmittag 5 Uhr erfolgt die Ankunft in Rom. — Am Montag wurde die Jagd bei heftigem Schncewetter um 10 Uhr Vormittags begonnen und fand am späten Nachmittag erst ihren vollen Abschluß. Das Resultat war etwas besser. Nach der Rückkehr in's Jagdschloß Waren die Majestäten und Fürstlichkeiten wieder zum Diner vereint. — Für den telegraphischen Dienst zwischen Rom und Berlin während der Dauer der Anwesenheit des deutschen Kaisers sind besondere Vorkehrungen getroffen. Ein Draht für das Königliche Haus, den Kaiserlichen und den Staatsdienst verbindet Rom direkt Der Geistersee. Original-Novelle von Gustav Höcker. Fortsetzung. Nachdruck verboten. „Ihr kennt sie?" fragte der andere unangenehm überrascht und wurmelte einen Fluch zwischen den Zähnen. „Wenn Ihr wißt, daß sie lebt, warum sagtet Ihr denn vorhin, sie sei todt?" „Hier ist sie todt," erwiderte Schratt, die Hand an sein Herz legend. Damit stand er auf, nahm am Schenktische Licht und Schlüssel in Empfang und begab sich hinauf nach seinem Zimmer. Mit so großer Bestimmtheit auch jenes Wort gesprochen worden war, daß Fanny im Vaterherzcn todt sei, so wenig entsprach es doch der Wahrheit. Eine tiefe Kluft war es freilich, die den ehrlichen Mann von der Diebin trennte; aber wie eine geheimnißvolle Schrift, welche immer wieder zu Tage tritt, so oft man sie auch auslöscht, war in seine Seele das Bewußtsein eingcgraben, daß das Wesen, an dem einst sein ganzes Herz gehangen, unter den Lebenden weile. Wenn ihn in seiner Ueberzeugung von ihrer Schuld noch etwas hätte bestärken können, so war cs ihre Flucht aus dem Gefängnisse, aber dennoch erfaßte den einsamen Mann eine nicht zu dämpfende Sehnsucht nach der Tochter, wäre es auch nur, um ihr nahe zu sein, in ihren Zügen das Abbild der verstorbenen Gattin zu belauschen, die er so sehr geliebt hatte, in ihrem Wesen und Walten nach irgend einem etwas zu forschen, was ihre Schuld vielleicht mildern konnte. Er machte sich daher ans, die Flüchtige zu suchen, und durchwanderte viele Monate lang die deutschen Länder, oft durch falsche Spuren irre geleitet, nur von seiner kargen Rente lebend, mit der elendesten Kost und der erbärmlichsten Herberge sich begnügend. In einem kleinen Städtchen, wo er sich mehrere Tage aufhalten mußte, um den fälligen Quartalsbetrag zu erwarten, machte er die Bekanntschaft eines Franzosen. Es war ein bejahrter, aber noch sehr rüstiger Mann von geräuschvollem Austreten. Die blauen Hosen, die er trug, hätten ihm einen militärischen Anstrich gegeben, wenn die gleichfarbige Blouse, welche ihm als Ober- klcid diente, nicht an den Fährmann erinnert hätte. Daß er aber keines von beiden sei, bezeugte der das Ganze krönende elegante Cylinder- hut, der den Gentleman kennzeichnen sollte und von demselben sehr keck und unternehmend über der sreigelassenen Stirn getragen wurde. mit Berlin, der zweite Draht wird über München geleitet und soll namentlich der Presse und dem direkten Privatvcrkehr zwischen Wien und Berlin diene». Die italienische» Postbehörden haben die größten Vorkehrungen getroffen, jedem Bedürfniß zu genügen. Die Zn- rüstnngen Rom's zu dem bevorstehenden Kaiserbesuch nehmen Dimensionen an, welche alle gehegten Erwartungen bedeutend über steigen. Ganze Häuser werden eingcrissen, öffentliche und Privat- gebände, Monumentalbauten, Kirchen und Theater werden neu an gestrichen, erhalten neue Fassaden» Trottoirs und große Fassaden Werden neu angelcgt, große Vorbereitungen zur elektrischen Beleuchtung werden getroffen, kurz, Tag und Nacht rühren sich Tausende von Händen, um zum Empfang Kaiser Wilhelms Rom in ein neues festliches Gewand zn kleiden. Die Studenten Rom's haben ein Festkomitee eingesetzt, um den deutschen Kaiser zu feiern, sie sind einig in den Hnldignngsbezcngnngen, welche sie in glänzendster Weise den, erlauchten kaiserlichen Gaste des Königreiches Italien entgcgenzubringen gedenken. — Der Besuch Kaiser Wilhelms beim Papste ist für den 12. October verabredet. Der Kaiser wird mit dem Gesandten von Schlvzer und Gefolge in von Berlin nach Rom gesandten Equipage» znm Vatican fahren. Anf Wunsch des Papstes werden die Vertreter der Mächte, darunter auch der Frankreichs, beim Empfang zugegen sein. — Im Laufe dieser Woche wird der Bnndesralh in Berlin seine regelmäßigen Arbeiten wieder aufnehmen und die Vorberathungen für die Reichstagssessivn beginnen. Gegen Ende des Monats werden die Mitglieder des Bnndesralhes sich zur Anwvhnung der Feierlichkeiten anläßlich des Zollanschlnffes nach Hamburg begeben. — Der „Reichsanzeiger" publizirt die Ernennung des preu ßischen Ministers des Inner», Hcrrfurth, und des Staatssecretärs im Neichsschatzamt, Freiherr» von Maltzahn, zu Mitgliedern des Bundcs- rathes. — Für die beoorstehcndc Reichstagssession wird der bisherige Präsident, Hansministcr von Wcdell, diese Würde nicht wieder über nehmen. Zu seinem Nachfolger wird der Abg. von Lewctzow, der schon vor 1884 Neichstagspräsident war, gewühlt werden. — Der Nedacteur der „Deutschen Rundschau", Or. Julius Nodenberg, ist nach mehrwöchiger Abwesenheit von Berlin jetzt dort wieder eingetroffen. Wie in jedem Jahre um diese Zeit, hatte Rodenberg Milte September seine Ferien angetrete», welche er an der Riviera di Lcoante zu verbringen gedachte. Doch wenige Tage nach seiner Ankunft daselbst erreichten ihn schon die Nachrichten von den bekannten Vorgängen, welche sich in Berlin in rascher Ans einanderfolge abspiclten. Als er durch die Zeitungen von den amtlich gegen die „Rundschau" eingeleitcten Schritten Kenntniß erhielt, stellte er sich sofort in einen, a» den Justizminister gerichtete» Telegramm diesem zur Verfügung. — Wie aus Hamburg berichtet wird, hat Geheimrath Or. Gesfcken den Rechtsanwalt Or. Nolte gebeten, seine Vertheidigung zu über nehmen. Da derselbe jedoch bereits als Vertreter der Familie bei dem gegen Or. Gesfcken eingeleiteten Entmündigungsverfahren fungirt, konnte er diese Vertheidigung nicht übernehme». Dieselbe ist jetzt auf Wunsch des Or. Gcffcken dem Rechtsanwalt Or. Predöhl über tragen worden. Gesfcken wird, nach neuesten Nachrichten, übrigens nicht nach Berlin gebracht werden, sondern das weitere Verfahren wider ihn in Hamburg stattfindcn. — Nach Londoner Berichten aus Zausibar läßt die Aufregung längs der Ostküste von Afrika n.ch immcr nicht nach. Die Stämme haben sich vereinigt und sind entschlossen, nicht nachzngeben. Die Unterbrechung des Handelsverkehrs mit dem Innern verursacht einen Nothstand und Unzufriedenheit unter der ganzen Bevölkerung. An geblich haben die Anführer der Araber gesagt, sie hätten nichts gegen die deutsche Regierung, nur von der ostafrikauischcn Gesellschaft wollte» sie nichts wissen, weil deren Beamten zn rücksichtslos seien. Im Laufe der Wochen dürften die Araber eines Besseren sich besinnen, Schratt konnte sich eigentlich selbst nicht Rechenschaft ablegcn, wie er zu dieser Bekanntschaft gekommen war, so ungezwungen hatte sich ihm der Franzose genähert. Er nannte sich Suchard, war Be sitzer eines Wachsfigurciikabinets, mit dem er in Frankreich hernm- zog, und machte dem Geisterseher endlich den Antrag, in seine Dienste zu treten, da er gerade jemand gebrauche, der ihm beim Verpacken und Aufstellen seiner Figuren und in anderen leichten Arbeiten zur Hand ginge. Monsieur Suchard entwickelte trotz seines gebrochenen Deutsch eine große Ucberrcdungsgabe und da Schratt, der in seiner Kleidung arg heruntergekommen war, ohnedies die Nothwendigkeit cinsah, seine fruchtlosen Kreuz- und Qncrzügc auf einige Zeit einzustellen und irgend einen Broterwerb zu ergreifen, so nahm er das Anerbieten Monsieur Suchards an und folgte ihm nach der französischen Stadt, wo gerade das Wachsfigurenkabinct zur Schau gestellt war. Es befand sich in einer reichgeschmücklen Bude, zum Thcil aus mehreren bunt angestrichcnen Wagen gebildet, von denen aber keiner dem nur in Gasthöfen übernachtenden Personal als Wohnung diente. Die Fassade zeigte anf Leinwand gemalte Bilder mit lebensgroßen Figuren, meist Grenel-Scencn darstellend, und diese bildeten eine Art Rahmen zu der mit rothen, goldbetrottekten Vorhängen geschmückten Estrade, wo sich die Kasse befand und zwei in Ketten geschlagene neapolitanische Banditen, welche die Köpfe bewegten und die Auge» verdrehten, als Lockspeise ansgestellt waren. Schratt folgte seinem neuen Prinzipal in das Innere, um Madame Suchard vorgestellt zu werden, welche in der Gesellschaft von Kaisern und Königen, berühmten Generalen, berüchtigten Straßenrändern und gefeierten Geistesgröße», wie Kolumbus, Robes- pierre, Rousseau u. a., i» eleganter Toilette gerade ihr Frühstück einnahm. Einige Augenblicke lang glaubte Schratt zu träumen, wozu auch die seltsame Umgebung ganz angethan gewesen wäre, so Unglaubliches trat ihm ans den Gesichtszügen Madame Suchards, tönte ihm ans dem Klange ihrer Stimme entgegen, als sie ihn willkommen hieß, denn wenn er seinen Sinnen trauen durfte, so hatte er hier plötzlich und unerwartet gefunden, waS er ans seinen mühseligen Wanderungen vergebens gesucht, und Madame Suchard war Niemand anders, als seine Tochter Fanny. In der Art, wie sie ihn begrüßte, verrieth sie nicht im mindesten, daß beide einander vorher schon gesehen hatten, und nicht nur in diesem Augenblicke, sondern auch in der nächst folgenden Zeit war Schratt der festen Meinung, er habe es mit und eine unparteiische Untersuchung der vorgcbrachten Klagen wird hoffentlich den Wirren ein Ende bereiten. Oesterreich-Ungarn. Graf Taaffe, der österreichische Minister- Präsident, der Urheber der berüchtigten „Versöhnungspolitik", scheint vor dem Anfang vom Ende zn stehen. Mit seinem Regiment dürfte es nun wirklich bald vorbei sein. Ganz falsch ist aber, wenn i» Berichten aus Wien angedeutet wird, Kaiser Wilhelm II. könne in diesem Sinne gewirkt habe». Ganz sicher ist das nicht geschehen, der deutsche Kaiser wird sich niemals in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten hinciumischen. Kaiser Wilhelm hat höchstens ver nommen, es werde mit dem Ministerium Taaffe bald vorüber sein, »ud darauf ist die sonst übliche Ordensverleihung unterblieben, etwas Anderes ist von deutscher Seite aber gewiß nicht geschehen. Graf Taaffe schaufelt sich sein eigenes Grab selbst. Er hat den Tschechen und ihren Bundesgenossen soviel Spielraum gelassen, daß diese Par teien alle Achtung vor der Autorität der Regierung verloren haben, und daraus haben sich Zustände und Vorkommnisse herausgebildet, die dem Kaiser Franz Joseph denn doch zu arg sind. Es handelt sich im vorliegenden Falle um eine entschiedene kaiserliche Willens- meinung, und diese ist mit hoher Freude zu begrüßen. Graf TaaffeS Regiment hat Oesterreich nichts Gutes, aber viel Schlechtes, besonders eine ungemein starke Verhetzung der verschiedenen Nationalitäten ge bracht. — Die Nachricht, Kaiser Wilhelm werde auf der Rückreise von Rom Wien nochmals berühren, wird amtlich für unbegründet erklärt. Italien. Die italienische Königsfamilie ist am Montag Nach mittag aus Monza wieder in Rom angelangt. Zufolge Nachrichten der Präfekten erwartet man während der Fcstzeit 150,000 Fremde in Rom. Das Wetter ist gegenwärtig regnerisch, dennoch schreiten die Zulüftungen rasch fort. Drei kaiserliche Galawagen für den Papstbesuch sind bereits angekommen. — In Regicrungskreisen wer den die französischen Maßnahmen gegen die Fremden scharf verur- theilt, erregen aber eher Befriedigung, als Mißstimmung, weil sie die Jsolirtheit der französischen Republik nvthwendigerweise verstärken müssen. Die römische Regierungspreffe erklärt, Italien bleibe unver ändert gastfrei. Davon hat es auch riesigen Profit. Wenn die römische Negierung den Fremdenverkehr einschränken wollte, gäbe es in der Bevölkerung sicher ein Mords Halloh. Frankreich. Präsident Carnot in Lyon. Bei der Vorstellung der Generäle der in Lyon garnisonirenden Truppentheile hielt der General Davonst, Commandenr des 14. Armeecorps, eine Ansprache an Herrn Carnot, in welcher er hervorhob» der Name Carnet sei für die Armee ganz besonders theuer, weil er au die großen Siege der ersten Republik über das vereinte Europa erinnere. Der glühende Patriotismus für die Vertheidigung des Territoriums, die uner schütterliche Standhaftigkeit in bösen Tagen und das absolute Ver trauen in die Gesetze des Landes, das seien die Erinnerungen, von denen Frankreich sich stets beseelen lassen werde, wenn die Regierung bei einer Bedrohung des Landes die Armee an die Grenze schicken würde. Der Präsident erwiderte, er hege volles Vertrauen zu der gesammten Armee und freue sich, aus dem Munde des Generals Davonst bestätigt zu sehen, wie berechtigt das Vertrauen sei. Bei dem Empfange des Consular-Corps, welches von dem italienische» Consul vorgcstellt wurde, äußerte Carnot, er empfinde eine lebhafte Genugthunng, indem er die von dem Consul ausgesprochenen Wünsche vernehme, welche ei» Pfand für die friedlichen Bande darstellen, die Frankreich mit allen durch die anwesenden Consuln vertretenen Nationen verknüpfe. — Präsident Carnvt hat von Lyon aus seine Rundreise dnrch Südostfrankreich fortgesetzt und ist allenthalben enthusiastisch begrüßt worden. Die gehaltenen Reden wiesen etwas Besonderes nicht auf. — Boulanger, der nächstens wieder bei einem Bankett sprechen wird, läßt vorläufig als Reclame verbreiten, er sei der reine Friedensengel. Indessen sei die Situation bedrohlich, und jenem „zweiten Gesicht" zu thun, das in seinen mystischen Theorien eine so hervorragende Rolle spielte. Nicht mit einem Worte gab Madame Suchard zn erkennen, daß sie Fanny Schratt sei; erst nach Verlauf mehrerer Wochen lüftete sic einmal flüchtig ihr Inkognito, indem sie den Namen der Residenz nannte und mit großer Unbefangenheit erzählte, wie sie von dort glücklich »ach Straßburg entkommen sei und in letzterer Stadt ganz zufällig Herrn Snchard kennen gelernt habe, der so großes Wohlge fallen an ihr fand, daß er seine» Junggesellenstand aufgab und sie heirathetc. Dieser kurze Bericht war die einzige Anknüpfung an Vergangenes; ob und in wie wcit Fannys Gemahl, mit dem sie sehr glücklich lebte, in ihre Vorgeschichte eingeweiht sei, vermochte Schratt, trotz aller aufmerksamen Beobachtung, nicht zn ermitteln. Daß er nie darüber sprach, war nur die Eingebung schonungsvoller Zurückhaltung; nie hatte ihm Fanny mit einem Worte oder auch nur mit einem Winke Schweige» darüber auferlegt. Mehr und mehr gewann Schratt die Ueberzeugung, daß sein Zusammentreffen mit Suchard kein zufälliges gewesen sein könne. Der Franzose hatte ihn in jener kleinen deutschen Stadt, Ivo Schratt auf seine Bierteljahrsrente wartete, offenbar ausgesucht» in der be stimmten Absicht, ihn mitzunehmen. Nur anf diese Art war auch die ruhige Unbefangenheit erklärlich, mit welcher Fanny den An kömmling als Jemand, der durchaus nicht unerwartet kam, begrüßt hatte. Mitunter beschäftigte den Geisterseher der Gedanke, Fanny habe in ihm ihre» Vater erkannt und wolle ihm nun ei» Asyl bieten; mit der Zeit kam er aber von dieser Vcrmulhnng gänzlich zurück. Es war das Wohlwollen einer Fremden, das Fanny ihm zeigte; nie verrieth sich an ihr eine Spur von einer versteckten Sympathie des Kindes zu dem Vater; mitunter sogar, wenn sie übler Laune war, ließ sie ihm- ihr Uebergewicht als Prinzipalin empfinden. Auch als das harte Schicksal sie traf, ihren Gatten in Folge eines Herzschlags zn verlieren, fühlte Schratt deutlich, daß sie seine väterlichen Tröstungen nur als Wittwe, nicht als Tochter empfand. Nein, sie besaß keine Ahnung von der Nähe eines Vaters, von dem sie ihm gelegentlich sogar einmal mit voller Unbefangenheit berichtete, was sie bereits Leopoldinen erzählt hatte, und so blieb für Schratt einzig die Annahme übrig, daß sie nur ihr Gewissen beschwichtigen wollte, indem sie dem fremden Manne, auf dessen graues Haupt sie einst den Verdacht eines Verbrechens zu wälzen gesucht hatte, Nahrung und Obdach bot. Fortsetzung folgt.
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