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Dur ein Mertelstündchen Jägerlatein. .Und was bedeutet hier das Schild: 14.48?" ,Hm ... das ist die Zeit, an der ich ihn geschossen habe!" * Die Schach-Partie Humoreske von Josef Robert Harrer. Back und Bock sind unzertrennliche Freunde. Bas Bock gefällt, das gefällt auch Back. Wenn Back einmal einen dummen Schritt macht, macht ihn auch Bock. Deshalb sind Back und Vock seit genau zwanzig Jahren verheiratet: die Frauen der beiden waren als Mädchen keine Schönheiten. Jetzt erinnert nichts an ihnen mehr daran, daß man sie eigentlich zur holden Weiblichkeit zählen soll. Wenn sich Back in den Jahren an den Man gel weiblichen Liebreizes tm eigenen Hause ent. sagungSvoll gewöhnt hat, hat auch Bock das selbe getan. Beiden hilft am meisten daS Schachspiel, das sie leidenschaftlich spielen. Sie kennen ein ander so gut, daß nun seit mehr als zehn Iah- ren jede Partie zwischen ihnen unentschieden endete. In ihrem Bekanntenkreise nennt man deshalb längst eine Remis-Partie einfach ein Vack-Bock-Sptel. Nun ist das Schachspiel eine edle Beschäfti- gang, die imstande ist, den Spieler so man ches vergessen za lasten: wie Schulden, selbst das herannahende Ende des herrlichen Urlau bes. Alles aber vergißt man beim Schachspiel doch nicht. Back und Bock haben sich gemeinsam den eben genannten Urlaub genommen. Sie zogen die milde Jahreszeit des Herbstes vor. Wäh rend tbre Gattinnen daheim über Back und Vock schimpfen, verbringen die beiden herrliche Lage. Aber auch diese Tage gehen dem Ende -u. Morgen sollen sie in die Stadt zurückkeh- ren. Um daS zu vergessen, sitzen sie auf der Hotelterraste, zwischen sich «in Schachbrett, und um sich die von ihnen nicht beachtete wunder bare Herbstnatur mit den roten und gelben Karben. Es ist natürlich wieder eine richtige Back- Vock-Partie, die st« spielen. Mag Back eröff nen, Bock weiß sich zu wehren: und wenn Bock am Zuge ist, handell Back nicht anders. Trotz dem macht ihnen auch heute das Schachspiel Vergnügen: denn sie warten nun seit mehr als zehn Jähren auf die Parti«, die einer -er beiden verliert. ^NemtS!" sagt Back und blictt auf. ^)a, remis!" erwidert Bock und blickt auch auf. Beide starren auf den gleichen Gegen- -and. Und dieser Gegenstand ist eine ent zückende junge Dame, die sich zu ihren Gattin- »en verhält wie eine Handvoll Smaragde zu einem Kieselstein. Wunderbar!" flüstert Back. .Wunderbar!" sekundiert Bock. Die Dame steht sofort die Aufmerksamkeit, die sie erregt. Sie lächelt. Sie nickt. Eine Sommerfrische tm Herbst bringt die Menschen schneller zusammen, al» der Magnet Lisen anzioht. Back, Bock und die junge Dame sitzen bei sammen und plaudern. ^fch reise morgen früh ab", sagt die Dame. -Wir auch!" Back und Bock haben Feuer gefangen: sie wollen, ehe sie in den Käfig zurückkehren, noch einmal die Freiheit genießen. Sie wollen ein Kleine verwechfl»»». -Laß mich hinein, laß mich hinein!" .Seien Sie vernünftig, Mann, hier wohnt »iemand?" »Hier wohnt niemand? Ich sehe doch aber dicht brennen!" nette» Abenteuer haben: diesen Wunsch kann auch da» edle Schachspiel nicht unterdrücken. Aber sie sind zwei, einer von ihnen ist über- flüssig. Die Dame ist einem kleinen Abenteuer nicht abgeneigt, aber st« kann sich nicht entschließen, ob ihr Back oder Bock bester gefällt. Back und Bock find Freunde: auch die schönste Dame, noch dazu am letzten Urlaubs- tag, kann dieser Freundschaft keinen Abbruch tun. Da meint die Dame: .Sie find doch Schachspieler! Ich sah Ihnen vorhin zu, ohne daß Sie es bemerkten. Spie len Die eine Schaclwartie! Wer gewinnt, der darf mit mir flirten. Nun?" Back und Bock machen lange Gesichter End lich sagt Back: .Wir spielen seit vielen Jahren unentschieden!" .Um so interessanter!" Man stellt die Steine auf: Back beginnt. Das entzückende Fräulein hat neben ihnen Platz genommen und sieht zu. Val- plaudert eS mit Back, bald mit Bock. Ihr Stlberlächeln klingt wie Musik. Back und Vock steigt das Blut in den Kopf. ^lur ruhig Blut!" sagen sich beide. ^)ch würde jetzt diesen Zug machen!" sagt die schöne,Dame und blickt Bock bis auf den Grund der Seele. Back hat die Daumen tu die Ohren gesteckt und starrt aus da» Brett. spielt wie noch nie. vack ist ruhig: er blickt nicht auf das klein«, entzückende Fräulein. Er weiß, daß er sich halten muß: denn Vock hat eine Figur mehr. Unter gleichen Spielern bedeutet das den Steg. Vack läßt sich aber nicht au» der Ruhe brin gen, während Bock dem Fräulein zuflüstert: ^vtc Partie ist für mich gewonnen! Paffen Sie auf!" »Das macht nur meine Nähe!" sagt kokett die junge Dame. Und während Vock glücklich nickt, zieht Back seinen Turm über die offene Linie auf die letzte Reihe und sagt gleichmütig: .Schach matt! ... Du hast vergessen lieber Freund, deinem König rechtzeitig ein Ventil zu öfsn«n. Du bist in einem armseligen Randmatt er stickt . . . Ich bilde mir darauf nichts ein. Aber matt ist matt . . ." Vock flucht. DaS Fräulein stoht auf und sagt: .Schade! . .. Nun, Herr Back, ich er warte sie nach dem Abendessen." Und sie geht. vack lacht glücklich. Auch Vock hat seinen Humor wieder gefunden. Er gratuliert sei- nem Freund und sagt: .Wie ist «S dir nur gelungen, trotz meine» Vorteiles mich matt- zusetzen?" .Ich habe krampfhaft an meine Gattin ge dacht: ich sab ihre Schönheit — verzeih daS Wort — so deutlich vor mir, -aß ich unter allen Umständen siegen mußte. Dich hat das Wie sich der kleine Max eine« doppelte« Buchhalter Vorstellt .Der Zug wäre schlecht", meint Vock und drückt einen Kuß auf die Han- des Mädchens. .Nur keinen Vorschuß nehmen!" brummt Back. .Wer weiß, ob du gewinnst!" Das Spiel geht weiter. .Nun würde ich mit dem Turm schlagen", sagt das Fräulein mit -er Silberstimme zu Back. Aber vack hört nicht auf ste. Er nimmt mit -em Läufer. ^hr Freund ist unhöflich", sagt da» Fräu lein zu Vock. .Ich werde mich, wenn die Partie remis endet, für Sie entscheiden." Bocks Herz machte einen Sprung. Und -as gibt ihm ungeheuren SngrtffSmut. Er Fräulein so verwirrt, baß du eben die Gefahr übersahst . . . DaS ist alle»!" Vock nickt. ^a, das ist alles, du Glücklicher!" .Aber nun wollen wir in den Speisesaal gehen. Nachher winkt mir das Glück!" Ste gehen über die Terrasse: sie betreten die Halle. Da sieben Backs und Bock» Gattinnen mit offenen Armen. .Wir haben eS nicht mehr erwarten können, bis ihr kommt. Wir haben euch also über rascht. Wir wollen die letzten UrlaubSstun-en mit euch verbringen. Seid ihr glücklich?" Der begehrte Nrtitrel Humoristische Skizze vo« Auue-Marie de Srazia. Schier wehmütig könnte man werden, wenn man an jene romantische Zeit denkt, in der e» Mode war, langgesttelte Ueberschrift«n zu bi«. t«n und der Autor schon in einem langen Ober- tttel und soundso viel Untertitel» seinem Herzen Lust machen durfte! Auf -en ^ve- gehrten Artikel" wäre damals mindestens noch der eine Gatz gefolgt: .Einige Kapitel von recht lieben?, recht netten? Zeitgenossen." Sintemalen wir aber all« so schrecklich modern und unromantisch find, daß uns die Flieger auf -t« Köpf« spucken und di« rasenden Autler in die Töpfe gucken dürfen, so will ich's nur gleich verraten, daß der — begehrte Artikel diesmal eine Bank ist. Vitt«, nicht daneben raten! Eine regelrechte Sitzgelegenheit meine ich, nicht etwa jene» in der Hauffe d«r Jnfla- tionSzett so überrannte Institut, das sich die meisten Erdenbürger jetzt nur mehr von außen angucken können! Um also wieder auf di« Sitzgelegenheit zu kommen: dies« Bank ist obendrein eine, di« sich rar macht! — Si« steht nein — ich verrat« «S nicht, wo si« steht! Sonst würde sie noch vi«l stürmischer b«. gehrt! E» tut auch gar nicht» zur Sach«, wo sie steht: denn sie hat bestimmt viele Gchwe- stern, -ie sich auch irgendwo in versteckten Win- keln, auf lauschigen Waldwegen verbergen nnd um die dann der Kampf müder Wanderer an heißen Gommertagen entbrennt. Auf «ine solche Bank war ich g«rade mit jener Inbrunst -»gesteuert. Aber ach! — Es wohnen nicht nor zwei Seelen in eines Menschen Brust, e» haben auch andere nett«, lieb« Zeitgenossen g«nau dieselben Pläne und Gefühl«, wie man selbst! Ein schnaufende» FreundeSpaar bemächtigt« sich triumphierend vor mir d«r Bstnk. Di« ab«r war so freundlich, für dr«i Menschen Platz zu gewähren. Ich beton« eS: die Bank! Nicht etwa j«ne, die sich darauf mit voller Wucht niedergelassen. Ich erspäht« d«n Rest dieses Plätzchens und forderte meiu Anrecht darauf. DaS Hirn der beiden netten, lieben Zeitgeuos- sen jedoch hatte sofort d«n Plan gefaßt: .Die graulen wir fort um jeden Preis! Wir wollen «lleinbeherrscher dieser vank s«t»l" Ich hatte bisher in der Ueberzeugung ge- lebt, daß man «S im Schnauben und Schnau- fen, tm Pusten und Fauchen niemals mit Dampfmaschinen und Lokomotiven aufnehmen könne. Hat sich waS! — Total umlerne» mußte ich auf dieser vank! — Räuspern, Nie- se«. Spucken, Schnauben, Stöhnen, Husten, Seulen kann man a» m»d jüx sich nicht Mx liebliche Geräusch« hallen. Selbst die vank teilt« dt«s« mein« Meinung, den» sie erzitterte und bebte, sie drohte mit völligem Zusammen- bruch, krachte in allen Fugen! Und ich sah mich schon den Abhang, vor dem sie stand, hinab- rollen, berechnete im voraus di« Anzahl der Knochenbrüche und grünblauen Beulen, die mir diese hohe Kunst tm Schnauben. Fauchen und Pusten «inbrtng«n würde. Bei aller angeborenen Gutmütigkeit habe ich aber «tn Gemüt, das auch zur Tapferkeit neigt, wenn «S gilt, etwas schwer Eroberte- zu verteidigen! So nahm ich denn allen Mut zu- sammen und trotzte heldenmütig diesen Ur wald. und Urweltgeräuschen, vor denen sämt- ltche Lokomotiven und Dampsmaschiueu tn cor- por« aus Net- erblaßten und die Federn striche»l Diese modernste aller Symphonie», -ie eigentlich nur Kakophonien enthielt, ebbte im Dekreseendo tu dem Maß« ab, al» das Staunen der Enttäuschten wuchs und sie mit unverhohlener Verblüffung konstatierten, daß ich eben — nicht — fortzugraule» sei! Außer- dem machte sich Frau Sonn« zu meiner Bun- deSgenoffin und häufte glühende Kohlen auf -i« kahlen Schädel dieser lieben Zeitgenossen. Sie fanden «S daher wohl geratener, ihre« Weg fortzusetze». Ich stimmte eben schmunzelnd, im wohligen Behagen, die ersten Takte jenes bekannten Konzertstückes .Endlich allein!" an, als auch schon zwei ältlich« Damen, in vorsintflutlicher Tracht und mit Rt«s«n1aschen bewaffnet, eben- fall» schnaufen- und pustend, von dem begehr- ten Artikel Besitz ergriffen. Auch sie schienen von -er Ueberzeugung durchdrungen, daß Ein zelwesen in unserem Zeitalter gar keine Da- setn»berechttgung hätten, und wenn man sie schon nicht in da» Land, wo der Pfeffer so hübsch gedeiht, expedieren könnt«, so wär« «S doch verflixte Pflicht und Schuldigkeit, sie von einer Bank wegzugraulen. Aber wie? Wie? — Höchst einfach! Zu waS denn sonst werden manche Zeitung-spalten mit Polt-eiberichten gefüllt, die Raub-, Mord, und Totschläge schildern!? ES ist ein stet» zuverlässig«» Rezept, daß man au» einer Mück« «inen Elefanten macht: das heißt, di« au und für sich schon furchtbaren Vorgänge so aufbauscht, -aß bald jedem die Gänsehaut äußersten Entsetzen» über den Rücken läuft. Aber da da» Geschichtenerzählen zu meinem Beruf gehSrt, so verfehlten diese Scha,de«stäre» tätlich ihre WLui «std ich «Lachen Benebelt. .Un- dann, Oskar, wir wollen natürlich zu HauS nicht sagen, wo wir gewesen sind!" ^)a . . ., mein Lieber, weißt du denn über- Haupt, wo wir waren?" * lächelt« so vor mich hin, wie «ben pfiffige Auguren verschmitzt zu lächeln pflegen! Einige ausgetauschte Püffe und Blick« verrieten die Enttäuschung, die ich den Erzählerin»«« be reitete. Jedoch, si« gaben den Kampf um da» alleinige Besitzrecht der Bank noch nicht auf, sondern begannen zu forschen: .Sind Si« denn ganz allecne hier?" .Wi« Sie sehen, ja." .Aber sicher warten Ste aus wen? Haben vielleicht gar ä Rendezvous?" .Nein." .Ach nee!? Wärklich nich?! — — I« aber färchten Si« sich denn gar nich, so alle«»« im Wald herumzuloofen? Wo -och heitzutag« so viel be«se, gemeene Menschen «in«m alle Ogenblick« anfallen können?" Mein« Heiterkeit erreicht« bereits jene» Grad, da daS Ernstbleiben zum Kunststück wird. Infolgedessen entging mir das eifrige Suchen meiner um mich so besorgten Nach, darinnen in ihren abgrundtiefen Taschen. Ich traute meinen Augen nicht mehr, als mir di« Nächststtzende ein« — Weckeruhr — vom Um. sang «ineS Wagenrades dicht unt«r die Nas« hielt und scheinbar ganz harmlos -azu be- merkte: .Meine Taschenuhr iS Sie nämlich kaputt. Mer haben uns aber amal vorgenommen, un» ä paar Stunden auf der Bank da so richtig zu ahlen! Und damit mer nicht ganz uffS Heern- gehen vergessen, stellen mer -en Wecker da an!" Weckergeräusche hab« ich von jeher als »». angenehm empfunden! Si« find meist so uu- verschämt, «inem au» dem schönsten Schlaf zu trommeln und an Pflichten zu mahnen! Der Spektakel dieses Weckers aber hatte «» ganz besonderS in sich, denn er versah seine Pflicht hundertfach lauter un- für viele Weckeruhren mit. Und da ich beim Ausbruch meines längst drohenden Lachkrampfes entschieden den Ab- Hang hinuntergerollt wäre, zog ich eS doch vor, die — Fortgegraulte — zu sein und überließ die gastlich-ungastliche vank den hämisch, triumphierenden Frauen mit ihrem schnurren, den Weckerungetüm. Literatur Leonhart lernt «inen Verleg«: k«nn«n. -Welch ein glücklicher Zufall!" sagt er. ,Lich habe nämlich «in« pikante Novell« geschrieben. Dars ich Ihnen «in paar Absätze daraus vor lesen?" „Eine pikant« Novelle?" zieht -er Ver leger Lie Augenbrauen hoch. „Eine sehr, sehr pikant« Novell«", lächelt Leonhart. Und liest vor. Der Verleger hört zu. „Nun?" fragt Leonhart schließlich. „DaS würde ich wohl dafür bekommen?" Der Verleger steht auf, streicht fich über die Stirn. „DaS ist schwer zu sagen", mur- melt «r. „Es kommt ganz darauf an, was für «inen Verteidiger Sie sich nehmen." HanS Riebau. Zweifel. .Nicht wahr, Fräulein, solche Tiere gibt e» nichts"