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Viertes Blatt Gonnabend/Gonntag, den 5 /6. November Nr. 260 1932 Aus aller Wett Mißglückter Fallschirmabsprung. Ein Lrsin-er namens Wahrburg aus Hanno ver sprang von der höchsten Plattform -es Berliner Funkturms mit einem elbstgebauten Fallschirm ab. Der Fall- ichirm ritz schon kurz nach dem Absprung. Uahrburg wurde mit schweren Verletzun gen ins Krankenhaus gebracht. Löblich verunglückt. Der Sohn des Braumeisters der Staütbrauerei in Göt tingen, der 28jährige Dr. Berthold Her zog, hatte mit seiner jungen Frau auf der Hochzeitsreise in Italien einen schweren -rastwagenunfall. Ter Wagen fuhr in voller Fahrt gegen eine geschlossene Bahn schranke. Tr. Herzog kam so schwer zu Aaden, daß er nach kurzer Zeit starb. Seine H^attin kam ohne Verletzungen da von. Dr. Herzog war Direktor des Ver ba,rdes der norddeutschen Brauereiindu- ftriellen in Berlin. lleberraschende Aufklärung einer Brand, stistuug. Vor einigen Tagen war die Gutsscheune des Barons v. Cramm in Nahrstedt (Altmark) in Flammen aufge gangen. Zunächst nmrde Brandstiftung aus politischen Motiven angenommen. Den Bemühungen der Landcskriminal. polizei ist es gelungen, Len Brandstifter zu ermitteln. Der Verwalter des Gutes, Güssefeldt, wurde festgenonrmen. Nach prüfungen der Bücher hatten ergeben, -aß über hundert falsche Buchungen ge macht worden sind. Durch den Brand wollte der Verwalter die Bücher ver nichten. ToppelraubmorV. Am Spätabend -es Freitag wurde im Dortmunder Stadtteil Mengede ein Toppelraubmord aufgedeckt. Dort sand der Fördermaschinist August Schmidt bei der Rückkehr vom Dienst seine 39jährige Ehefrau Johanna und die 32jährige Hausangestellte Ida Thiene er schossen auf, ivährend das 13 Monate alte Hnd schlafend neben der Mutter lag. M Mark Bargeld ivarcn geraubt. Tie Kriminalpolizei verhaftete den bei Schmidt beschäftigten landwirtschaftlichen Gehilfen Paul Lipinski, der den Hof um 19 Uhr verlassen hatte, und seinen Freund, den dis vor kurzem bei Schmidt in Stellung gewesenen Landwirtschastsgehilfen Kro- wicki da die Möglichkeit besteht, datz sie als Täter in Frage kommen. Politische Zusammenstöße. In Mülheim kam es am Freitag zu einem Zusammen stoß zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten. Ein Zug von etwa 30 Nationalsozialisten, die mit einem Ne- klamewagen die Straßen eines vorwie gend von Kommunisten bewohnten Stadt teiles befuhren und Flugblätter verteil ten, wurde von Kommunisten, die tu be deutender Uebermacht erschienen, ange griffen, so daß sich die Nationalsozialisten zurückziel>en mutzten. Es fielen mehrere Schüsse, durch die zwei Männer und eine Fran verletzt wurden. Die Wiener Selbstmordstatistik weist für den Allerheiligentag eine Rekordziffer auf. Es sind nicht weniger als 16 Selbstmordfälle zu verzeichnen, wobei in zwölf Fällen noch die ärztliche Hilfe zu recht kam. Zahlreiche Flugzeuge im Flughafen bei Venedig verbrannt. In der Nacht zum Freitag brach im Flughafen der Mittel- mecrflug-Gesellschaft bei Venedig ein Brand aus, der einen großen Schuppen zerstörte, in dem die zur Reparatur be fohlenen Flugzeuge aufbeivahrt wurden. Eine Anzahl einmotoriger Junkersflug zeuge verbrannte. Tie Zeitungomeldung, daß 50 Flugzeuge verbrannt seien, durste übertrieben sein. Ter Schaden soll 6l>0 000 Mark betragen. Ein furchtbares Verbrechen lmt sich in Tabrowolc im Kreise Alypus an der memelländischen Grenze zugetragcn. Ter Besitzer Dabrvwolsky schickte sriihmorgens seine Frau mit einem Auftrage in einen Schuppen. Ohne sein Wissen gab seine im Hause lebende Mutter ihrem Enkel, dem 16jährigen Lohn des Besitzers, Weisnng, der Mutter im Schuppen zu helfen. Plötz lich sahen die Nachbarn Flammen ans dem Lchnppcn heransschlagen. Als sie hinzucilten, fanden sie, daß die eine Tür des Schuppens vernagelt, die andere zu gebunden war. Ehe es gelang, die Türen zu öffnen, brach der Schuppen in sich zu sammen. Aus den Trümmern zog man die verkohlten Leichen der Frau und des 16jähr,gen jungen Mannes. Der Kanal Weitzes Meer—Ostsee fertig gestellt. Wie aus Moskau mitgeteilt wird, ist der Bau des vor etwa einem Jahre begonnenen Kanals, der das Weiße Meer mit der Ostsee verbindet, in diesen Tagen sertiggestellt worden. Die Länge der neuen Wasserstraße beträgt 226 Kilo meter. In der amtlichen Mitteilung wird hervorgchoben, daß sein 2km „in einer sagenliast kurzen Zeit", nämlich genau genommen in «AB Tagen, vollendet wer den konnte, während am Panamakanal, der nur 82 Kilometer lang ist, neun Jahre gebaut worden sei. Ter Kanal umsaßt 19 Schleusen, der Tamm bei Dn- browo ist 3^ Kilometer lang. Der Kanal führt vom Hafen Soroki am Weißen Meer über den Fluß Wnga, den Wygsee, den Fluß Teleksinka, den Onega-See, den Fluß Swir und über den Ladoga-Sce, so wie die Newa nach der Ostsee. Tie Bauchtnphnsepidemie in Sofia greist weiter um sich. Nach einem neuen Bulletin sind in Sofia bisher rund 200 Personen an Typhus erkrankt. Auch in der Provinz sind zahlreiche Typhusfäüe zu verzeichnen. Der Ministerrat hat einen Kredit bewilligt, um die Spitäler von Sofia mit Betten und Heilmitteln zu versehen. Trebitsch-Lincoln in Haft genommen. Der internationale Abenteurer Trebitsch- Lincoln, der am Donnerstag in Gürzenich einen Vortrag über „Mein Weg zu Bnddha" hielt, wurde nach Beendigung Die Entwicklung der Gasmaske DaS SanitätSamt des „Stahlhelm" hat in Berlin einen Gasschutz - Musterkeller eingerichtet, in dem die Entwicklung der Gasmaske und modernes Wiederbelebungsgerät gezeigt wer den. Der Keller ist außerdem vorschriftsmäßig abgedichtet. Der Jungmannschaft des „Stahl Helm" sollen, da ,a Hebungen mit l^as an sich verboten sind, wenigstens die modernen Ab- n'ehrmaßnahmen gegen (vasangrisfe gezeigt werden. — Unser Bild zeigt einige Gas masken - Modelle von 1815 bis zur Jetztzeit. Zunächst benutzte man eine einfache Mullbinde, tue mit einer das Gas neutralisierenden Flüssigkeit getränkt war. Daneben kommen Gas- masken-Modelle, die bis 1918 in der Arme« verwendet wurden. Di« vierte Mask« ist daun ein« russische, wie si« noch heute in Rußland bei der Armee verwendet wird, während di« beide« letzten modern« deutsche Gasmasken sind, wi« si« auch von der Reichswehr verwendet werden. des Vortrages von Gerichtsbeamten in Hast genommen. Wie wir ersahren, ist diese Maßnahme auf das Betreiben eines holländischen Gläubigers zurückzuführen, dem Trebitsch-Lincoln 6000 Gulden schul den soll. Eine „kalte" Ucberraschung" für Elli Veiuhorn. Teutschstämmige Studenten der Universität Sidney «Australien), die Elli Beinhorn für ihre dortige Flugvisite ihren Tank besonders sinnvoll abtragcn wollten, haben einen originellen Eimall verwirklicht. Von allen australischen Flugplätzen, die Elli Beinhorn berührte, l>at jeder dieser Studenten eine seltene Blume besorgt. An der Universität Sid ney wurden sie dann in einen riesigen Eisblock eingefroren. Tiefes eisige, sechs Zentner schwere Bukett wurde aus einem Tampfer der Rhenania-Ossag nach Teutsch land geschasst und tras am Freitag im Rhenania-Lssag-Haus in Berlin ein, wo es von Elli Beinhorn dankbar bewundert wurde. Schon beginnt sich die eisige Hütte zu lösen und bald wird Elli Beinhorn Lie kostbaren und den ebenfalls „eingefrore nen" geschriebenen Gruß in Empfang neh men können. In große Verlegenheit ge rieten übrigens Lie Zollbeamten, Lie diese merkwürdige Sendung erst mit 900 Mark verzollen wollten, sich aber danw doch mit 1-> Mark begnügten.' Neuer englischer Konversions- Erfolg Die Ausgabe der neuen englischen Konver sionsanleihe von 300 Mill. Pfund Sterling zu 8 Prozent hatte vollen Erfolg. Ter gesamte Be trag wurde innerhalb von Stunden voll ge zeichnet. Die Durchführung des Konvertierungspro gramms wird, wie Schatzkanzler Chamberlain im Unterhause mitteilte, eine jährliche Erspar nis von über 38 Mill. Pfund bringen. Er fügte hinzu, dann dürfe nicht vergeßen, -aß die bisher aus dieser Summe gezogenen Einkommen steuern in Zukunft nicht mehr einfließen würden. Kunst und Misten 2. Sinfoniekonrert der Sächsischen Staatslapelle Reihe im Dresdner Opernhaus Für daS 2. Sinfoniekonzert der Reihe X hatten sich's Dirigent und Orchester etwas leicht gemacht. Die aufgeführten Werke stellten keine großen Anforderungen an beide. Damit soll nicht gesagt sein, daß die Darbietungen an sich we><ig Wert gehabt hätten und ihre Aus führung irgendwie zu beanstanden gewesen wäre. Das Programm bot für die Zuhörer genug Anregungen und musikalischen Genuß. Das Forum MuftoUni tu Nom Im Rahmen der großen Zehnjahresseiern wurde in Rom das Forum Mussolini, ein ge waltiges Sportstadion, mit prachtvollen Skulpturen geziert, eingeweiht. Man hörte anfangs Sonata Pian e forte für Trompeten, Hörner, Posaunen Baßtuba von Giovanni Gabrieli, ein Werk aus dem Jahre 1597, das Prof. Tr. Stein neu bearbeitet hat. Ter Name wurde vom Komponisten gewählt wegen der genau bezeich neten, einander abwechselnden Piano- und Fortepartien. Ein instrumentaler Doppelchor führt diese Gegenüberstellung aus. Die ganze Struktur der Sätze wird durch dieses Gestal tungsprinzip bestimmt. Die Komposition ist harmonisch und rhythmisch einfach gehalten und von ernstem Ansdruck erfüllt, ihrem kirchlichen Zwecke entsprechend. Mit den Bläserchören ent faltet Gabrieli glänzende Pracht und eindring liche Schönheit. Die Blechbläser der StaatS- kapelle gaben das Werk mit edlem Ton, wuch tiger Kraft und beseeltem Ausdruck wieder. Zur Mitwirkung war der Kreuzchor herangezogen worden. Neber die Berechtigung zu dessen Mitwirkung in einem Sinfoniekonzert kann man ja verschiedener Meinung sein, aber was der Chor unter Rudolf Mauers berger darbot, entfachte hellstes Entzücken. In dem ausgeglichenen Chorklang, der seinen Phrasierung, der Sicherheit der Intonation und der Ausdruckskraft dürfte der Kreuzchor kaum zu überbieten sein. Diese längst bekannte Tatsache erhärteten die vollendet gesungenen alten weltlichen Chorgesänge von Thomas Weelkes, Giaches de Wert, Orlando di Lasso. Das entzückende Echolied des letzteren, eine Leistung feinster Abtönung, mußte wiederholt werden. Fritz Rucker spielte mit wundervoller Weichheit des Tones und virtuoser Beherr schung seines Instrumentes Mozarts Kon- zert für Flöte mit Streichorchester, zwei Oboen und zwei Hörnern, ein „heiteres un- lebendiges Werk ohne tiefere Bedeutung", das echt mozartschen Gellt atmet. Den Schluß des Konzerts machte Beethovens Sechste Sinfonie (Pastorale), in dem der Meister gemiitstief und formvollendet belichtet, was ihm die GotteSnatur offenbart bat. U—n.