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M MW IM' Ml Sle Mne M «ach Aufzeichnungen eines Augenzengen W Marrs berichtet von Georg Mohler jr. Irrtümlich glaubten viele, Goethe selbst habe in Weimar di« Initiative der Ausfüh rung seiner Faustdichtung ergriffen. Dem ist nicht so. Bielmehr stand Goethe einer «uf- führung sehr skeptisch gegenüber, wurde «S doch fast übereinstimmend als kür die Bühne un geeignet e^lärt. Wohl fand in Berlin schon Goethes Vater eine Darstellung des Werkes, veranlaßt durch den Fürsten Radziwill statt, der eine musika lische Begleitung zu dem Werke geschrieben hatte. Leider aber sah er sich gezwungen, die weitaus meisten «Szenen zu streichen und sich mit einer privaten Aufführung vor einem kleinen geladenen Zirkel am 2t. Mai 1820 im Schloß Monbijou zu begnügen. Zelter, der bei der Aufführung mit der von ihm geleiteten Berliner Singakademie mitgewirkt hatte, ttäthchen Schönkopf schrieb nachträglich an den in Jena weilenden Goethe: „Gestern, am Geburtstage der Fürstin Radziwill, ist endlich unser -Faust' glatt und rund vom Stapel gelaufen. Der König war so zufrieden mit uns, daß ich sein Lob aus seinem Munde honigsüß vernommen habe, und hinterher wohl sagen mag, daß ich selber zufrieden war. Was ich nächstdem nun auch noch für Dich zu bemerken finde, besteht in der Anerkennung des Ganzen. Die Sensation unserer ersten Versuche, seit zehn Jahren, hatte bis heut' einen Bitter schmack, der in Einzelheiten und Worten sei nen Grund hatte Einige konnten darüber nicht wegkommen, bissen die Lippen und konntcn nicht begreifen, wie man öffentlich nennen könne, was sie sich genug schuldig wissen. Daher mußten Worte mit anderen vertauscht und vertuscht werden. Nun fan gen sie schon an, die rechten Worte zu vermis sen, und eine Dame ließ sich gestern verneh men: ,Da man so viel sag«, so sei nicht zu begreifen, wie man nicht alles sage, was ge- schrieben steht ." Goethe, dem — wie schon eingangs be merkt —, nicht sonderlich viel an der Auf- sührnng des Werkes gelegen war, antwortete ihm in seinem nächstfolgenden Briefe: . was soll ich aber nun zu Eurer Fau stischen Darstellung sagen? Die treue Rela tion, die ich Dir verdiuke, verseht mich ganz klar in die wunderlichste Region. Die Poesie ist doch wirklich eine Klapperschlang«, in deren Rachen man sich mit widerwilligem Willen stürzt. Wenn Ihr freilich wie bis her znsammenhaltet. so muß es das seit- samste V^erk sein, werden und bleiben, ivaS die Welt gesehen hat." Droh dieser Aufführung aber sollten doch noch volle nenn Jahre vergehen, bis dem selt samen Werk ein Zufall zustatten kam, durch den «S endlich auf die Bretter kommen sollte, di« die Welt bedeuten. Zu damaliger Z«it regierte in Braunschweig -er sogenannte ^vtamautcnherzog" Karl von Praunschioetg, Line Zeichnung von Goethes eigener Hand, sein« Gattin Christine darstell«nd. ein exzentrischer Sonderling reinsten Wassers und ein Theaterlicbhabcr, ivi« selten einer in Braunschweig residiert hat. Im Jahre 1830 wurde sein Schloß in Brand gesteckt, und er selbst mußte die Flucht vor seinen empörten Untertanen ergreifen, bis er endlich, nach man- ckierlei Irrfahrten in aller Herren Länder im Jahr« 1873 in der Stadt Genf, seinem Nuhe- sih, starb. Der exzentrisch« Herzog hinterließ theaters zu Braunschweig auf. Mit seinen Schauspielerinnen und Schauspielern stand «r auf fast freundschaftlichem Fuße und man er zählt« sich manch hübsche Anekdote von ihm. Zu dieser Zeit war der um di« deutsche Bühne sehr verdient« Dr. August Kstngemann Direk- tor des herzoglich braunschweigischen Hosthea- tcrs. Am 31. Oktober 1828 wurde nun von ihm dort eine dramatische Legende in fünf Hestern VornuttsAs krlb Lwölk ^kr stark mein ß«- kebter HellnieAervAter, d^r HrntskerrvKl. 88eksiscke Ek- licke.Hckcime-kalk un6 HtLLtsmimster HVoi^väncr von nsek kurrem Kranksein, sm 8tickÜuts m kol^e eines nervös Kevorilenen kAtkarrkaltiekers. OeisteskrästiS und liebevoll bis rum letzten Haucke, sckie6 er von uns im örer unä acktriAsten L-edens^skre. r, im-, orrww, Er»», «-d. rußleick im Brunen m«n<v ar« kmoer, ll^oL-7 unö voa Vie Todesanzeige, die der Welt das Hiuscheiden eines ihrer größten Genies ankündigt«. sein bedeutendes Vermögen der Republik un ter der Bedingung, daß man ihm «in Denk mal setze, das denn auch, nach mancherlei De batten, auf dem Quai du Mont Blanc erbaut wurde, wo es heute noch steht. Und diesem Sonderling gebührt das Lob, Goethes „Faust" auf di« deutsche Bühn« ge- bracht zu haben. Herzog Karl hielt sich oft aus der Bühn« und hinter den Kulissen seines Hof Akten mit dem Titel „Faust" aufgeführt. Das Stück selbst rvar eiir« recht gut« und geschickt praktische Zauberkombdie, di« d«n Beifall des braunschweiger Publikums und besonders aber d«n des „Diamantenherzogs" fand. An jen«m Abend nun eilte der Herzog nach Schluß der Vorstellung auf di« Bühn«, ging aus Klinge mann zu, und klopft« ihm in seiner legialen Weise auf di« Schultern, indem er — hier fol Aathchen Schönkopfs Grabmal auf Dem Iohannisfriedhof in Leipzig Während seiner Leipziger Zeit verehrte Goethe Käthchen Schönkopf. Sie, di« Tochter eines Sbeinschenkcn auf dem Brühl, bei dem Goethe zu Mittag aß, war kein Ideal weiblicher Schönheit, aber von natürlicher Anmut und einfacher Herzensgute. In „Dichtung und Wahrheit" heißt sie Annette oder Aennchen. Die kühle Darstellung aber, die Goethe dort von seinem Verhältnis zu ihr gibt, entspricht nicht seinen leidenschaftlichen Briesen an Käthchen. Noch von Frank'urt aus schrieb er ihr, obwohl er sich schon in Leipzig seit Anfang 1768 von ihr fervg s"!' >> baue Käthchen Schönkopf wurde 1770 die Gattin des Dr. jur. Kanne Zn^r Zeichnung von CssN Winsler, Dres-rn.) gen wir öen Aufzeichnungen W. Marr» — h, kurzallgebund«n«r Art sprach ,^vraool Bravo! alter Herr! Haben tzi« gut gemacht!" Worauf Kltngemann erwiderte: „Durchlaucht, es ist kein Goethescher Faust.* „Goethe? Goethe?" fragt« Karl, ,chat Goethe auch ein«n Faust geschrieben? Müssen mal geben. Mir morgen das Buch schicken! Will'» selbst lesen." Der Herzog rannte davon und ließ den vev- blüfften Klingemann stehen. Schon eh« Karl am nächsten Morgen da- Bett verlassen, war der Band mit Goeihe- Faust im Schlosse und bereits um «ls Uhr Goethes Mutter brachte es ein Lakai zurück mit der Rand bemerkung: ,LVird aufgeftthrt. Karl." Ganz aus dem Konzept geraten ob dieser fürstlichen Idee stürzte Klingemann in Marr- Wohnung. Dieser aber hatte sich mit der Tab sache schon vertraut gemacht und bereits «ine Besetzung des Goetheschen Faust ausgearbeitet, die er Klingemaun, indem er ihm zu dem Ruhme gratuliert«, der Bearbeiter des Goethe- Charlotte Suff schen Faust zu werden, vorlegte. Er selbst wollte den Mephisto geben, Frau Berger, ein« vortreffliche tragische Liebhaberin, das Gret chen, Schütz, der spätere Direktor des braun schweigischen Hoftheaters, sollte den Faust geben, usw. Klingemann aber zitterte noch immer vor der Ausführung des Wagnisse-, weshalb er nach Weimar an Goethe «inen Brief schrieb, in dem er dem Dichter den Wil len des Herzogs kundtat und ihm um einig« Ratschläge und Winke bat, wie das Gedicht in seinem, Goethes, Sinne darzustellen sein dürfe. Nahezu vierzehn Tage vergingen, bis endlich die Antwort Goethes eintraf. Sie lautete: „Euer Wohlgeboren! Die Antwort auf Ihr Schreiben vom 1. Nov.mber, daß meine Werke im Druck er schienen und Gemeingut des Publikums ge worden sind. Ich füge hinzu, daß ich mich seit langer Zeit gar nicht mehr um das Thea ter bekümmere, machen Sie daher mit mei nem „Faust" was Sie wollen! von Goethe." Diese kalte Ablehnung Goethes wirkte sehr ernüchternd auf Klingemann und seine Mit arbeiter. Dessenungeachtet aber machte sich Klingemann ans Werk und stellte di« treff liche Bearbeitung des „Faust" her, wie sie auf allen Bühnen heimisch wurde. Am 19. Januar 1829 wurde dann der Goethesche „Faust" zum ersten Male an der braunschn>eigischen Hofbnhne anfgeführt, und zwar mit einem ungeahnten Erfolg, so daß zahlreiche Wiederholungen folgen mußten. Freilich erfuhr Goethe von dem Erfolg fei nes Werkes, und er ivar, trotz seiner Zu geknöpftheit Klingemann gegenüber, loyal ge nug, -essen Tlearbettung anzuerkennen. In Weimar fand die erste Aufführung am 29. August 1829 statt, der eine Wiederholung erst am 7. November des gleichen Jahre- solgt«, währen- di« dritte Aufführung erst nach Jahren, am 17. Noevmbcr 1832 stattfand Dan» folgten Hamburg, Dresden Berlin usw wäh rend es in Braunschweig nicht mehr vo» iSpiZplan vcrjchn'an-.