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Zweites Blatt Nr. S9 Donnerstag, den 10. Marz 1932 «W » AMM Der Arbeitsmarkt in Sachsen Der Anstieg der Arbeitslosenkurve ist in ter Bcrichtszeit vom 15. bis 29. Februar nach tanger Zeit zum ersten Male zu einem gewis sen Stillstand gekommen. Nur «ine gar^ ge- ringsügige Steigerung der Arbeitsuchenden- »ahl um 82b aus 721 870 am 29. Februar ist -u verzeichnen, und man mutz hoffen, daß diese Zahl den winterlichen Höchststand darstellt und nunmehr der Umschwung beginnt. Als Ur sachen der ungünstigeren Entwicklung im Fe- truar 1982 sind in erster Linie konjunkturelle kinilüsse — Absatzstockungen und Auftrags mangel — masigebend, die verschiedene Be triebszweige der Textilindustrie und Metall industrie zu fortschreitenden Entlassungen zwingen, vor allem die Strumpfindustrie, ßlreichgarnspinnereien, Tuchwebereien, teil weise auch Buntwebereien sowie ferner Vi- zogncspinnereien. Demgegenüber konnte die wachsende saisonmätzige Belebung -er vogt ländischen Stickerei- und Spitzenindustrie, der rnkotagenindustrie, der ostsächsischen Frot tierwebereien kein genügendes Gegengewicht tieten, so dass die Gesamtzahl -er Arbeitsuchen den im Spinnstoffgewerbe in der zweiten Fe- bruarhälste noch um 1279 gestiegen ist. Die Frühjahrssaison des Bekleidungsgewerbes kommt langsam in Gang, so -aß «ine Ent lastung des Arbeitsmarktes um rund 1000 Ar beitsuchende in dieser Berussgruppe eintrat. In den Ausienberufen konnte man trotz der anhaltenden kalten Witterung schon eine leichte Belebung feststellen, die zu geringem Sinken ter Arbcitsuchendcnzahl in Ler Landwirtschaft, Industrie der Steine und Erden und bei den Bailkacharbeitern geführt hat. Die Zahl der HauptunterstützungSempfSn- z« in der Arbeitslosenversicherung bewegte sch weiterhin abwärts, und zwar von 136 362 am 15. Februar auf 136 736 am 29. Februar, während bei -en Hauptunterstützungsempfän- -ern in der Krisenunterstützung hauptsächlich infolge Aussteuerungen aus der Arbcitslosen- nersicherung und Ucberführungen in die Kri lenunterstlitzung noch eine Zunahme von 17'959 aus 181177 zu verzeichnen ist. gs Bekleben der Tclegraphenstangen «nd Ktrnsprech-Schaltgchäuse mit Wahlzetteln. In dem seht stark einsetzenden Wahlkampf bilden die lelegraphenstangen und die Fernsprech-Schalt- Muse auf Straßen und Plätzen ein beliebtes jagriffsziel der Schmier- und Klebekolonnen der Parteien. Abgesehen davon, daß di« aufgeklebten Lablausrufe und die angeschmierten Inschriften die Kernsprechanlagen gröblich verunzieren, zer- siksfen die säurehaltigen Kleb- und Farbstoffe ich noch den Anstrich der Schaltgehäuse. Zudem Men für das Entfernen -er Zettel und Auf schriften sowie für das Erneuern deS Farban- striches nicht unbeträchtliche Kosten aufgewendet werden, die letzten Endes — die Fernfprechan- ügen sind ja Neichseigentum — der Allgemein heit zur Last fallen. Deshalb fei warnend dar- mf Angewiesen, daß das Zettelankleben und das Beschmieren der Telegraphenstangen und Fern- Irrech-Schaltgehäuse verboten ist und strafrecht lich verfolgt wird. Im Betretungsfalle haben Li« Beteiligten oder ihre Auftraggeber Strafantrag wegen Sachbeschädigung und Schadenersatzklage zu gewärtigen. gs Zur Osthilfe. — Keine Einzeleingaben an ten Reichokommistar machen! Dem Reichskom- Mar für die Ofthilfe gehen ständig in großer Zahl Einzeleingaben von Landwirten zu, Lie ein schwebendes Sicherungs- oder EntschuldungS- versahren betreffen. Da nach den gesetzlichen Borschristen die Entscheidung in derartigen Fäl len allein den Landstellen zusteht, können solche Eingaben von der Zentralstelle in Berlin nicht behandelt werden. Es empfiehlt sich auch im In teresse der Antragsteller selbst, um Zeitverlust zu vermeiden, Eingaben oder Anfragen, die ein einzelnes Verfahren betreffen, an Lie untere Verwaltungsbehörde oder an die zuständige Landstelle lDresden-A., Friesenaasfe 6) zu rich ten, die allein auf Grund der bei ihnen vorhan- tenen Akten und Unterlagen zu einer abschlie ßenden Beurteilung in der Lage sind. Aus den zleichen Gründen sind persönliche Besuche zwecks luskunftserteilung über einzelne Fälle bei dem Beichskommissar für die Osthilfe zwecklos. Es wird ferner darauf hingewiefen, daß die Entschei dungen der Landstellen im Sicherungs- unL kntichuldungsverfahren endgültig sind. Eine sachliche Beschwerde gegen sie beim Reichskom- »issar fiir die Osthilfe ist nach den gesetzlichen Borschriften nicht gegeben. gs. Fahrpreisermäßigung zu Ostern bei der Reichsbahn. Die Reichsbahndirektion macht daraus aufmerksam -aß zu Ostern neben der ilusgabe von besonderen Festtagsrückfahr- kartcn lmit 33)4 Prozent Ermäßigung in allen Verbindungen der Reichsbahnj auch die Fahr- vreiscrmäßigung für Gesellschaftsfahrten ge währt wird. Ebenso sind die Schul- und Jugendsahrten zu Ostern zugelassen. gs. Nur ernste Musik in der Karwoche. Am ßalmsonntag, Karfreitag und am Sonnabend vor tun ersten Osterfeiertag dürfen Tanzveranstal tungen an öffentlichen Orten, in Privathäusern »der in den Räumen geschlossen«! Gesellschaften licht stattfinden. Am Karfreitag und am Sonn- «bend vor dem ersten Osterfei«rtag darf nur «niste Musik geboten werden, auch sind nur solche skatraUfche und kipcrnatograpbijche BorMpir«. gen gestattet, di« dem Ernste -es TageS entspre- chen. Marschmusiken und -gesänge sind als ver botene Musikdarbietungen im Sinne dieser Ver ordnung anzus«h«n. gs. Kein Geld in Briefen! Wir nähern uns dem Osterfeste und damit der Zeit der Konfirmation und Kommunion, in der mancher einem lieben Anverwandten oder Freunde ein Geschenk zugeLacht hat, häufig in Gestalt eines Geldbetrages. Leider werden noch immer Geld vder geldwerte Gegenstände in gewöhnlichen Briefen verschickt. Mit Lieser Gepflogenheit muß das Publikum aber endlich brechen. Durch die ungeeignete Bersen-ungsart von Geld usw. in gewöhnlichen Briefen wir- ungetreuen Elementen ein Mittel an die Hand gegeben, sich auf leichte und bequeme Art Geld zu ver schaffen. Brieskastenräubern sind sehr ost nam haste Geldbeträge in die Hände gefallen. Die Nichtankunft eines Briefes mit Geld ist für AbsenLer und Empfänger stets mit Aergcr, Verdruß, vor allem aber nrit Schaden verbun den, weil für Verlust oder Beraubung ge Volksbildung gerichtet, doch sinö bisher die Mittel zur Beschaffung von Feue rungsmaterial noch nicht eingegangen. Um die Kinder nicht ganz ohne Unterricht zu lassen, werden sie vormittags in die Lchule bestellt, wo ihnen Aufgaben mitge teilt werden, die sie zu Hause auszuarbei ten haben. — Pausa. Schwere Folgen einer Rek- kerei. Am Dienstagvormittag kam es in der Volksschule während der Frühstücks pause zwischen Fortbildungsschülern zu Neckereien. Bei diesen stach der Säge werksarbeiter Jung aus Wolfshain, der, um sein Frühstücksbrot zu schneiden, ein Messer in der Hand hatte, den Wirtschafts- gehilsen Wunderlich aus Unterreichenau, der Jung das Messer aus der Hand neh men wollte, in die rechte Bauchseite. Wunderlich mußte ins Krankenhaus ge bracht werden. Untersuchung der ABT-Schützen Unser Bild zeigt einen kleinen Schulrekruten bei der Untersuchung. wöhnlicher Briefe Lie Post keinen Ersatz leistet. Aber auch die Versendung von Geld in Ein schreibebriefen ist nach wie nor nicht zu empfehlen. Geht ein derartiger Brief ver loren, so erhält der Absender 40 RM. Ersatz. Wir- ein Einschreibebrief nur um seinen Geld- inhalt beraubt, so ist die Post nicht ersatz pflichtig. da sie nach 8 10 Les Postgesetzes nur für den Verlust nicht aber für die Beschädigung iBeraubungf eines Einschreibebriefes hastet. Daher sollte Gel- nur mit Zahlkarte oder Postanweisung, unter Umständen im Geldbrief verschickt werden. Also nochmals: Kein Geld in gewöhnlich oLer Einschreibebriefe einlegen. Aus dem Lande — Colditz. Unangenehme Störung beim Sountagsschmaus. In der Stacht zum Sonnabend waren einem hiesigen Kriegs invaliden örei Hühner aus dem Stall ge stohlen worden. Die Polizei, die nach dem Dieb fahndete, erschien am Sonntag mittag in der Wohnung eines Arbeiters, um Haussuchung zu halten, die sich jedoch gar nicht nötig machte, denn intensiver Bratenduft drang dem Beamten in die Nase, und siehe da, ein leckeres Brathuhn zierte die sonntägliche Mittagstafel des Arbeiters! Mn Leugnen war nunmehr zwecklos, und so gestand der Ertappte so gleich seine Täterschaft ein und nannte bereitwilligst mich die Namen seiner bei den Komplicen.. Sie wurden ins Amts gerichtsgefängnis eingeliefert. — Grimma. Schließung der Deamtenfchule Nerchau. Der Plan, die städtische Beamten schule zu Nerchau zu einer höheren Lehran stalt auszubauen, muß aus finanziellen Grün den unterbleiben. Die Deanttenschule wird daher geschlossen werden. — Leipzig. Rippenbrüche durch Gedränge beim Länderspiel. Ein Naumburger Sportbegeisterter hatte den Besuch des Fußball-Länderspieles am Sonntag in Leipzig schwer zu büßen. Bei dem unbe schreiblichen Gedränge der* Besuchermassen wurden dem Mann einige Rippen einge drückt. — Mittelfrohna. Der Schulbetrieb vor läufig eingestellt. Infolge Kohlcnmangels mußte hier der Echulbetrieb vorläufig eingestellt werden. Der Bürgermeister hat bereits vor einiger Zeit einen Antrag IM Vechllje s» «LZ Mtutjterimu für — Zittau. Die Zittauer Etaatsbauschul« bleibt bestehen. Den vereinten Bemühun gen der „Bereinigung zur Förderung der Staatsbauschule Zittau" sowie des „Älther- renbundes der Zittauer Bauhütte" in Ge meinschaft mit der Amtshauvtmannschaft und dem Bezirksausschuß sowie den Körper schaften der Stadt Zittau und anderen Orga nisationen und Persönlichkeiten ist es gelun gen, die sächsische Staatsregierung zu über zeugen, daß die Staatsbauschule Zittau als ein zige Ausbildungsstätte für das Baugewerbe in der Oberlausih unbedingt erhalten blei ben muß. Die Staatsbauschule Zittau bleibt bestehen und wird weiter wirken zum Wohle der gesamten Oberlausih. Am der minderbe mittelten Bevölkerung der Oberlausih es auch in der jetzigen Notzeit zu ermöglichen, ihr« .Söhne auf die Staatsbauschule Zittau zu schicken, unterstützt die „Bereinigung zur För- derung der Staatsbauschule Zittau e. B." bedürftige Schüler mit Studienbeihilfen, so wie freier Wohnung, Heizung und Licht in der von ihr unterhaltenen Schülernotwohnung. — Z'ttau. Das Z ttauer Notthe^ier. Nach einer durch den Brand des Stadttheaters verursachten 4 tägigen Anterbrechung wurden Dienstag abend die Dorstellungen in dem als Nottheater eingerichteten Lindenhossaal mit der Erstaufführung des Schwankes „Mein Detter Eduard" vor ausverkauftem Hause fortgeführt. — Zittau. Folgenschwerer Zusammenstoß. Auf der Görlitzer Straße ereignet« sich Mon tag abend in der Nähe der Anterführung ein folgenschwerer Derkehrsunsall. Ein stadtaus wärts fahrender Zittauer Motorradfahrer namens Kaufmann stieß an der Restau ration „Haltestelle" mit einer Radfahrerin zusammen amd schleifte sie, zumal ec in ziemlichem Tempo begriffen war, ein gan zes Stück mit. Schließlich kam auch der Mo torradfahrer selbst zum Sturz, wobei er sei nen Sozius verlor und zusammen mit der Radfahrerin unter die Maschne zu liegen kam. Beide wurden mit schweren Verlet zungen in das Zittauer Stadtkrankenhaus, gebracht, während der Sozius mit leichteren Verletzungen davonkam. Das Motorrad wie das Fahrrad wurden bei dem Zusammen stoß schwer beschädigt. b. Gablonz. Hundertjährige gestorben 2« M« von hundert Aahren Hawai - Federmantel - Dieb festgenommen In Ler Nacht zum Dienstag wurde bekannt lich aus -er Göttinger Universi tät ein FeLermantel aus Hawai gestohlen, Lem — allerdings ziemlich phantastisch — teils ein Wert von 2, teils so gar von 5 Millionen RM. beigclegt worden ist. Angeblich soll der 2.">jährige Student -er Medizin Arthur Pileghaar der Täter sein. Psleghaar stieg in der Nacht zum Mittwoch gegen >i1 UHr im Hotel Bönischhof in Dres den ab. Er hatte nur einen Handkoffer bet sich. Den Meldeschein unterzeichnete er nnt seinem richtigen Namen. Er bezahlte auch daS Zimmer sofort. Der Wirt brachte trotz der späten Stunde noch den Meldeschein in -er Nacht zur Polizei und da bereits alle Bchör- den benachrichtigt waren, konnten am Vor mittag sofort Beamte in den Bonischhof ge sandt werden, die Pileghaars Koffer und fein Zimmer aufs genaueste durchsuchten. Sie fanden jedoch nichts. Auch ihr Verdacht, daß Pfleghaar beim Wirt des Hotels ein Paket mit dem Mantel abgegeben haben könnte, be- stätigte sich nicht. Pfleghaar wurde sofort auf das Polizeipräsidium gebracht, das sogleich auf dem Funkwegc die Göttinger Polizei benach richtigt«. Sie hat nunmehr die weiteren An ordnungen zu treffen und dürfte wohl Beamte pach Dresden entsenden, die Psleghaar voraus- sichtlich heute eingehend vernehmen werden. Die Dresdner Polizei ist an den Vernehmun gen nicht aktiv beteiligt. Psleghaar leugnet aufs entschiedenste, Len Mantel gestohlen zu haben. rst hier die Witwe Anna Wildner gestorben. Sie war bis zuletzt geistig noch vollständig rege gewesen, war allerdings seit etwa Jahresfrist bettlägerig und nahe am Erblinden. Aus dem Gerichtssaale Browning oder Zigarettenbehälter. D«r am 31. Oktober in Kutschers Gasthof in Gitte rse« in Zivil aufhältliche Polizei hauptwachtmeister Schlotzig erhielt Mitteilung, daß der dort anwesende Fri'eur Herbert Koch eine Browningpistol« bei sich führe und schritt zur Durchsuchung Kochs, der aber die Waffe rasch Lem Dachdecker Hans Schivalbe zusteckt«. Koch leistete Widerstand und Schwalbe ver suchte, ihn dem Beamten zu entreissen. Auch besten Bruder, Dachdecker Herbert Schwalbe, versuchte, beide zu befreien unü widersetzte sich seiner Festnahme, die «rst durch das herbei gerufene Ueberfallkommando erfolgen konnte, da auch andere Leute eine drohende Haltung gegen -en Beamten annahmen. H. Schwalb«, der vorbestraft ist, rief b«i Verbringung in di« Ortsstelle dem Beamten zu: „Wenn ich dich mal beim Nachtdienst erwische, kannst du dich auf etwas gefaßt machen." Alle drei erhielten Strafbefehle und beantragten richterliche Ent scheidung. Das Amtsgericht Dresden er mäßigt« nur Hans Schwalbes Strafe um eine Woche. Koch erhielt wegen Uebertretnng deS Lchußwaffengesetzes usw. sechs Wochen, HanS Schwalbe fünf und Herbert Schwalbe zwei Wochen Gefängnis. Die Wass«, die nie gesun den wurde, bezeichnete Koch als ..Zigaretten- Atrappe", obwohl sie in eier Pistolentasche steckte und schwer an Gewicht war Die Urteils begründung hob hervor, daß der Berus d«S Polizeibeamten heute besonders gefahrvoll sei und Vorgänge wie die in Frage stehenden ge ahndet iverden müßten. * Plädoyer für Penzlin Di« gestrige Sitzung im Schulthe'ßr'rozeß. Rechtsanwalt Stemmler, der Verteidiger des Angeklagten Penzlin, betonte in seinem Plädover zunächst den großen Gegensatz zwischen diesem Prozeß und anderen „Skan- dalprozesten", in denen sich Leiter großer Unternehnrungen wegen betrügerischer Hand lungen aus egoistischen Gründen zu verant worten hätten. In diesem Prozeß sei erst kurz vor Schluß der Verhandlung die erste Sensa tion hineingekommen: nämlich die Strafan träge der Staatsanwaltschaft seien diese Sen sation gewesen. Rechtsanwalt Stemmler trug einen Aussichtsratsbeschluß der O^werkc vor, in dein Penzlin ein Teil 'einer P'licbten aus Gesundheitsrücksichten abgenommen und nur noch eine Art beratender Stellung cingeräumt wurde. Pen lin könne bis zu dem ZeiGmikt, ivo er in das Generaldirektorimn von S^nlt- heiß eintrat, für irgendwelche >>rosrechtliche Handlungen nicht als Täter in Anso.nch ge nommen werden, abgesehen davon. La'i auch objektiv weder eine Bilanzverschleierung noch ein Prospektbetrug vorliege.