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Rr. 4» Drittes Blatt . Gonnabend/Sonntag, den 20./21. Februar 1SS2 ZkllWIüIIlz WWWstkl KS»iS Ein Anekdotenkrauz um Friedrich August von Sachsen Anekdoten sind die zierlichen Arabesken um die eherne Schrift der Historie. In der Er innerung blieben sie das pulsende Blut, das uns Gestalten großer Männer zu lebenden Denkmälern macht. Größe braucht moder höfi scher Glanz noch Kriegsruhm zu sein, wenn eS sich um einen König handelt. Echte Menschlich keit und schlichtes und einfaches Wesen be- gründen einen Namen viel tiefer in den Her zen der Mit- und Nachwelt. Gerade um Kö nig Friedrich August von Dachsen wand sich schon bei Lebzeiten ein ganzer Kranz von Anekdoten. In buntem Neigen erzählte man sich Wahres, Erdichtetes und nicht immer gut artig Nachempfundenes. So sei einer Reihe von schlichten und verbürgten kleinen Erleb nissen Raum gegeben, die uns die hohe Mensch lichkeit des Toten abseits jeder politischen Straße noch einmal nahebringcn. * König Friedrich August liebte zwanglose Spaziergänge in seiner Hauptstadt Dresden. Wie oft konnte man ihn in dem Jnterims- rock des Generals allein und nur von seinen Kunden begleitet durch die Straßen der Stadt wandeln sehen. Gemütlich schlenderte er da hin und vergaß keinem einzigen Gruß zu danken. So schritt er auch einrnal durch die Iohann-Georgen-Allee in Dresden. Er schien etwas zu überlegen und bei einer lebhaften Handbewegung kam er mit der Rechten und sei ner Zigarre einem Baumstamm zu nahe. Kurz, die Zigarre fiel auf die Straße. Ganz un königlich bückte er sich, hob die Zigarre auf, be freite sie vom Staub ... zog und spazierte weiter. * Bronders liebte er Spaziergänge mit sei- nen Kindern. Einmal, an einem Herbsttag, ra>tete er mit ihnen in einem Gasthof nahe dem Pillniyer Schloß und bestellte für sich und die Seinen eine ordentliche Portion Kaffee mit Kuchen. Die Prinzen waren damals noch Kna ben und als der König sich für wenige Minu- ten vom Tisch entfernt hatte, rief einer von ihnen kindlich derb: »Heute können wir aber einmal ordentlich . . . fressen!" Sofort blickte ihn der Erzieher streng an und wies daraus hin, daß dieses Wort auf keinen Fall im Sprachschatz einer Königlichen Hoheit enthalten zu lein habe. Der König kam dann an den Tisch zurück und sah die tiefe Bresche, die seine Kinder in den Kuchenberg aeschlagen hatten. Er lachte herzlich und riet: »Donnerwetter, ihr habt aber ge . . . fressen!" * Bei einem anderen Spaziergang nach Rade berg bestellte er für sich und die Prinzen Kaffee mit Hörnchen, dieser beliebten sächsischen Ge- bäckSart. Man war schon beim Trinken und belustigt beobachtete der Könia, wie einer der Prinzen sich anschickte, sein Hörnchen in den Kasiee zu stivpen oder wie man in Sachsen sagt, zu »titschen". Alle, auch der König wuß- ten, so etwas sei bei Hose streng veroönt. Plötzlich na^m auch er sein Hörnchen, tauchte eS in den Kaffee und rief: »Heute wird ge titscht . . . !" In der Lößnitz klettert einer der Prinzen auf eine Mauer. Es kommen zwei ältere Da men vorbei, die eine sagt: „Gott, wie goldig!" Der König wendet sich zu den Damen und saat: „Gar nich goldig, wenn eener so ungeschickt ist!" Jede freie Minute benützte der König, nm mit seinen Kindern herumzutollen. Es wird furchtbar viel Lärm gemacht, Prinzeß Mathilde kommt ins Zimmer und zankt die Kinder tüch tig ans. In diesem Moment kommt der Könia unter dem Ti'ch hernorgekrochcn und brüllt laut. Er war der Löwe. Der König besuchte mit seinen Kindern gern das Hotel zur Post in Langebrück. Es gibt Heidelbeerkuchen, und einer der kleinen Prin zen beschmiert das Tischtuch. Darauf der Kö nig: „Mit euch Schweinigeln kann man in kein anständiges Lokal gehen." * In einem Kloster in Sachsen heißt die Aeb- tsisin Wanrick. Der König will mit seinen Kindern dieses Kloster besuchen. ES ist am Ende des Religionsunterrichts, und die Prin zen sagen zum Hofgeistlichen: „Wir fahren heute noch zur Wanricken." Darauf der Geist liche: „Aber ich bitte Sie, Kgl. Hoheit, man sagt da: zur gnädigsten Frau Acbtisiin?" In diesem Augenblick betritt der König das Zim mer und sagt: „Seid ihr nu fartia, sonst kom men wir nicht mehr zur rechten Zeit zur Wauricken." Der Erzieher der Prinzen läßt sich beim König melden, um ihm mitzuteilen, daß einer der Prinzen den Ausdruck Luder ge braucht hat. Als er gerade anfängt zu erzäh- len und den Namen des Prinzen sagt, fällt ihm der König ins Wort: „Was hat denn das dumme Luder nu wieder angerichtet." * Der König mar damals Hauptmann im Schützcnregiment 108 bet einer Felddienst- Übung. Bor irgendeinem Kommandierenden schneidet die Kompanie sehr schlecht ab. ES gibt ein maßloses Donnerwetter. Als der Kom mandierende außer Hörweite ist, sagt der da malige Prinz zu seinen Leuten: »Ich meeß gar nich, was der will, ihr habt s ganz scheen gemacht." * Der König besuchte jedes Jahr einmal als Rector magnificentismus die Universität Leipzig. Auf allen Treppen und Gängen stehen die Studenten und rufen, ja brüllen: Hurra und hoch. Auf einmal bleibt der Kö nig stehen, dreht sich um und sagt lachend: »Ar- beetet lieber!" * Als vor dem Kriege Lie Kunstakademie ihr Jubiläum feierte, fand im Ausstellüngspalast ein großer Fcstaktus statt. Auf dem Hinter grund der Bühne stand eine etwa 10 Meter hohe vergoldete Statue der Pallas Athene. Der König wandte sich an den damaligen Akade miedirektor Gotthard Kuehl mit der Frage: »N« mei liewer Kuehl, waS iS denn daS sor e dicht'geS Meechen?" — »DaS ist die PallaS Athene, Majestät." — »So, so, e bissel arch großziechig." * Eine Unmenge kleiner, aber sich verdienst, voller Staatsbürger bedanken sich für Titel oder Orden. Die Reihe beschließt ein ganz langer Magerer und ein kleiner Dicker. S. M. bleibt vor ihnen stehen und sagt: »Nu, was seid ihr denn für ein paar putz ge Kerle!" * Friedrich August war ein eifriger Schlitt- schuhläufer, wenn auch gerade kein Meister in diesem Fach. Eine ältere Dame fuhr aus dem PalaiSteich mit ihrem kleinen 5 jährigen Töch terchen und erhielt plötzlich einen Stoß von hinten. Entrüstet dreht sie sich um und ranzt den ungeschickten Fahrer an: „Tas ist doch un erhört, wenn man nicht fahren kann, soll man nicht auf di* Eisbahn gehen." Nicht ganz lo gisch, aber immerhin verständlich. Als sie sich aber den also Abgekanzelten näher ansieht, er kennt sie zu ihrem großen Schrecken den Kö nig und entschuldigt sich tausendmal. Der Kö nig aber grüßt höflichst, entschuldigt sich sei nerseits und soll sich „königlich" amüsiert haben. So unverblümt sei ihm noch nie die Wahrheit gesagt worden. Auch in seinen Anschauungen über Kunst bewies der König eine gerade und natürliche Offenheit. Bei Ler Eröffnung einer Kunstaus stellung in Dresden blieb er vor einer ganz modern gesehenen Landschaft stehen, auf -er Lie Wiesen rot, die Pferde blau und die Bäche gelb König Friedrich August u«) Gras Zeppelin iu der „Zeppelin'-Gondel (Znli1V13) Letzte Begegnung zwischen Wilhelm II und Friedrich August im Kaiserlichen Hauptquartier in Spaa (Herbst 1918) gemalt waren. Der Autor wurde zu ihm ge rufen und der König fragte, weshalb er so seltsame Farben verwendet lmbe- »Weil ich die Dinge so sehe, Majestät." »Und da sind Sie Maler geworden?" fragte nachdenklich und liebenswürdig -er König zu rück. * Ein andermal, bei einem Hofkonzert, wurde eine bekannte Sängerin zu ihm besohlen. Als Ler König ihr einige liebenswürdige Worte ge sagt hatte, beschwerte sie sich über die schlecht« Akustik im Saale. Dem König blitzte Ler Schalk aus den Äugen. „Ach so, deshalb haben Sie wohl so laut gesungen . . . !" Festreden waren ihm zuwider. So sagt« er einmal einem Gemeindevorsteher, der bei einer Begrüßungsrede stecken blieb: „Sie haben sich's doch vorher ofsgeschrieben, lesen Sie's doch ab, da klappt s besser . . ." 4 Auch bei der Einweihung -er neuen Augustusbrücke in Dresden wurde er bei einem endlosen Aufzug der Korporationen recht un geduldig und sagte zu seinem Adjutanten von Kommerstädt, als er dann als erster die Brücke überschreiten sollte: „Na, nun könn mr ja ooch mal -rieber latschen!" * Wie er cs sonst hielt, bewies er, als er ein mal allein auf der Landstraße nach Pillnitz spazieren ging und, was selten geschah, Zivil trug. Ta sah er einen Fleischer, dem das Pferd vor dem Wagen gestürzt war und der sich vergeblich abmühte, seinen Gaul wieder auf die Beine zu bringen. Friedrich August ging auf den Wagen zu, ergriff mit der Rechten die Zügel, mit der Linken die Peitsche, ein Ruk, ein Peitschenknall und das Pferd stand wie der. „Sind Sie ooch Flcescher?" fragte verdutzt der Fleischer. „Nee", lachte der König, „ich seh bloß so aus . . ." und ging seiner Wege. * Als längst -er Weltkrieg und Umsturz vor über waren, konnte man ihm noch oft in Sach sen begegnen. Sein Wohnsitz war damals schon Sibyllenort in Schlesien. Doch war er inmit ten seiner Sachsen, wurde er -er Alte und sand auch jetzt noch zur rechten Zeit daS rechte Wort. So iu Wcstsachsen, als man in einer größeren Stadt erfahren hatte, er führe in einem be stimmten Zug Lurch den Bahnhof. Flugs wa ren Vereine aller Art versammelt und bilde ten Spalier. Ter König sah es, stand am Fen- ster, doch es zuckte ihm verdächtig um die Mundwinkel, als er hinausricf: „Na, ihr seid mir ja scheene Republikaner!" * Der König kommt nach Leipzig, nimmt sich ein Auto und will 1 bis 2 Stunden durch die Stadt gefahren sein. Der Chauffeur sagt ihm, daß er nur 1 Stunde fahren könnte, dann kam« nämlich der König hier an, und den wollte er gern einmal sehen. S- M. freut sich sichtlich. Nach einer Stunde landet man auf dem Bahn hof wieder, und der König gibt ein Trinkgeld von 20 NM. Daraus der Elmusscur sreude- strahlend: „Pfeiff auf den König, dgfür sabr ich Sie noch Stunde." Bolles Verständnis bei Majestät. Zuletzt noch ein Erlebnis ans Ba- Elster, wo er gern zur Kur weilte. Tort sahen ihn zwei gute Tresdner allein an einem Tische sitzen und stritten sich tuschelnd nach Krä'ten, ob Las -er König sei oder nicht. Endlich faßte sich -er eine ein Herz, ging zum Tisch, ver- neigte sich und fragte: „Entschuldigen Sie, sind Sie -er König?" Friedrich August sah ibn freundlich an und antwortete: „Jawoll! Gewäscn!" Und vertiefte sich in sein« Zeitung. * Wer weiß, was sich die Sachten noch heute von ihrem letzten König erzählen, Lem volks tümlichsten deutschen Könige der Vorkriegszeit, erkennt darin höchste Menschlichkeit und Be liebtheit, unvergänglicher als alle Standbilder aus Erz und Stein. Vermischtes Indien gehört offiziell seit 1858 dem bri- tischen Weltreiche als Vi'.ekvnigtum an. Die Herrscher von England führen seitdem den Titel Kaiser bzw. Kaiserin. Wie wir aus zahlreichen Gräberfunden w'ffen, wurden Elfenbeinschnitzereien schon 1100 v- Ehr. angefertigt. Ja Afghanistan, in Liberta und auf JSland gibt eS kein« Eisenbahnen. Den Deutschen in Spanien stehen kür ihre Kinder augenblicklich 12 deutsche Schulen zur BerLüauu».