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Zweites Blatt Ar. 43 Sonnabend/Sonntag, den 20./21. Februar 1932 Hel-enge-enkiag Die Wunden, die des Todes Leid Ans schlug, als sie einst starben, Beginnen leis nun mit der Zeit Im Herzen zu vernarben. So manches Mutterauge schloß Im Tod die müden Lider, Und mancher Waisenknabe sproß Heran zum Mann schon wieder. Sv mancher, der im Flammenrot Wit ihnen einst gestanden, Ging ohne Wehr und Schlachtentod Längst heim zu ihren Landen. Die Jahre dämpfen lind den Schmerz, ES wächst heran indessen Ein neu Geschlecht. Doch unserm Herz Sind niemals sie vergessen! In unserer Brust ruht ihre Saat, Mahnt laut ihr opfernd Sterben, Das Vaterland uns durch die Tat Aufs neue zu erwerben. Sie starben. Unser ist di« Pflicht, Fürs Vaterland zu leben Und ihm zu neuem Sonnenlicht Das letzte hinzugeben! Uns schonte draußen nur der Tod, Weil unsre Sterne wollten, Daß wir in Deutschlands grimmer Not Uns noch bewähren sollten. Und unsre Pflicht ist heute, daß Die Wien Kameraden Wir auch umloht von Nacht und Haß Nicht tatenlos verraten! Und wollen wir heut' treu und rein An ihre Male treten, Dann muß ein heilig Wollen sein Des deutschen Volkes Beten, Daß sie aus ihrem Opfertod Die heil ge Kraft uns geben, Fürs Vaterland in Nacht und Not In ihrem Geist zu leben! UM!M MM» Der Kampf um den Bahnhofs handel Bekanntlich haben sich die sächsischen Gc- werbekainmern seit Jahren wiederholt mit Nachdruck um eine Neugestaltung des Bahn- hvjshandels und Abstellung der vielen Miß stände bemüht. Einer ihrer Vertreter hat kürzlich mit der Reichsbahnhauptverwaltung verhandelt, aber nach seinem Bericht ist in ab sehbarer Zeit mit einer Aenderung der Be stimmung, der die Eisenbahnunternehmungcn von der Anwendung der Reichsgewerbeord nung befreit tParagraph 8 der Retchsge- werbcordnungs, nicht zu rechnen. Berechtigten Beschwerden in Einzelsällen soll aber nachgcgan- gen werden. Auch erklärte sich die Reichsbahn bereit konkrete Vorschläge bei mengen- oder Kommerzienrat Rodenstock gestorben Kommerzienrat Josef Rodenstock, der Haupt- suhrer der deutschen optischen Industrie, ist im Alter von 86 Jahren gestorben. R. ist der Be gründer der weltbekannten optischen Werke gleichen Namens. Er hat sich aus kleinsten Ausängcn herausgearbeitet. Schon Anfang der 8"cr Jahre konnte er sein,Geschäft, das er mit einer kleinen Werkstätte in Würzburg begann, vergrößern und nach München verlegen. Die Gläser, die die Rodenstock-Werke herstellten, erlangten bald Weltruf. Die sogenannten Punktuellgläscr, eine bedeutsarne Erfindung aus dem Gebiete der Augenoptik, sind das Werk Rodenstocks. Auch für die Amateur- Photographie hat er durch Konstruktion eines Vistigmat-Objcktives einen großen Fortschritt gemacht. Die Optischen Werke von Rodenstock sind unter der Leitung ihres Begründers von eiuem kleinen Ladengeschäft zu einem großen Ngrk empvrgewachjeu. wertmäßiger Beschränkung der abzugebenden Waren entgegenzunehmen und einer wohl wollenden Ueberprüsung hinsichtlich einer et waigen Ergänzung oder Abänderung ihrer Richtlinien zu unterziehen. Die sächsischen Ge- merbckammern werden jedoch nicht unter laßen, auch künftig ihre Forderung nach Aen- derung des Paragraph 6 der Reichsgewerbe ordnung geltend zu machen, da diese Bestim mung den Kernpunkt der ganzen Frage dar stellt. In der Zwischenzeit wollen die Kam mern versuchen, auf andere Weise eine Er leichterung sür die benachteiligten Gewerbe- zweige zu erreichen. auf zurückzuführen, daß durch die von der Reichsregierung beschlossene Einführung des Butterzolls das Angebot an ausländischer Butter stark zurückgegangen ist. Ebenso ist tn- Ivlge des niedrigeren Butterpreises im Ja nuar und infolge eines durch die Jahreszeit bedingten natürlichen Rückgangs in der Er zeugung wesentlich weniger Jnlandsbutter auf den Markt gekommen. Der Butterpreis für den Handel bildet sich im freien Spiel der Kräfte durch Angebot und Nachfrage. Er rich tet sich in Sachsen üblich-rweise nach der Ber liner Butternvticrung. Von Sachsen aus läßt dieser Preis behördlich nicht beeinflussen Ein zweijähriger Radiostar Amerika hat ein« neue Sensation^ eine» -lyciiührigen Radiostar. Es handelt sich um die kleine Jleen Umans in Boston, die im Rund unk singt und deklamiert. Ihr Bruder, der das Talent des winzigen Schwesterchens entdeckt hat, begleitet das Spiel und dient als Ansager. — Unser Bild zeigt den merkwürdigen kleinen Nadiostar vor dem Mikrophon. Zeitgemätze Arbeit Die Schulung unserer Jugend für die An forderungen des Lebens liegt allen am Herzen. Die Jugend braucht auf der einen Seite die beste Schulung und geistige Durchbildung, um in dem ungeheuren Wettbewerb ihren Mann stellen zu können, sie braucht eine körperliche Ausbildung, sie braucht gegenüber den unheimlichen Ein flüssen der Großstadt eine klare und lebendige Einstellung zur Natur. Für die rechte Zu sammenfassung aller dieser verschiedenen Auf gaben ist Charakterbildung letzten Endes das Entscheidende. Man darf sich daher freuen, daß von evangelischer Seite planmäßig der Dienst an der Jugend schon seit langer Zeit ausgenommen ist. In diesem Monat tritt der Evangelische Jung- männerbund, in dem die Arbeit znsammengefaßt ist, stärker als sonst in die Oeffentlichkeit. Bei spielsweise hat in Chemnitz eine Massenkund gebung des dortigen Kreisverbandes stattge funden, bei der der Bundesvorsitzende, Dom prediger von Kirchbach-Dresden über seine Ein drücke bei der Weltkonserenz der Evangelischen Jungmänncrvereine in Amerika sprechen konnte. Auch in verschiedenen kleineren Städten haben große Versammlungen Aufmerksamkeit auf die zeitgemäße Art der Arbeit gelenkt. Für Dres den ist eine große Kundgebung im Vereinshaus am 22. Februar, 20 Uhr, geplant, bei der auch Fernstehende sich ein Bild von dies:: Form der Arbeit v-rschaffen können. Als Redner ist Neichswart D. Stange-Kassel, der geistige Führer dieser Bewegung in Deutschland, gewonnen worden. * Gegen Aufhebung des Nachtbackverbots Wie gemeldet wird, sind die sächsischen Ge werbekammern in Uebereinstimmung mit der Auffassung des Bäckerhandwerks und der Ge hilfen in einer Eingabe beim WirtschastS- ministerium dafür eingetreten, daß eine Auf- lockeruüg des Nachtbackverbots abgelehnt werde. * Butter- und Milchpreife Durch Anordnung des Beauftragten des Reichskommtssars für Preisüberwachung in Sachsen ist allgemein verboten worden, den Milchpreis im Kleinhandel zu erhöhen. Ans nahmen dürfen von den örtlichen Behörden nur bei Gefährdung der Milchvcr'orgung vor übergehend zugelassen werden. Die Anord nung war notwendig nm ungerecht'ertigtc Steigerungen des Milckpreiies zu vermeiden nachdem die Butterpreise in den letzten Wochen -rheblich gestiegen sind nnd erfahrungsgemäß der Butterpreis durch den Milchpreis beein ilußt wird. Die Butterpretserhöhung ist dar Niedrigere Festsetzungen sür Sachsen würden ein Abwandern der Butter nach anderen Ge bieten zu Folge haben. KrisenlohniteuerfretheU der Forstarbeiter Im Einvernehmen mit den Landessinanz- amtern Dresden und Leipzig ist, wie aus einer Bekanntmachung der LandeSsorstdirektion her vorgeht, sestgestellt worden daß die Forstarbei ter vom 1. Januar 1032 ab die Voraussetzun gen für die Befreiung von der Krisenlohn- steuer erfüllen. Eine Krisenlohnsteuer ist des halb von diesen Arbeitern nicht mehr zu ent richten. Tie bereits entrichteten Steuerbe träge sotten bei der nächsten Lohnzahlung den Arbeitern zurückgezahlt werden. * Verpfunden im landwirtschaft- ltchen Betrieb Der 2. Strafsenat des Sächsisckicn Lber- landcsg.richtes Dresden hat am 22. Dezember 1031 in der Frage der Schlachtung und Ver pfandung des im eigenen landw. Betrieb her- angczogenen Viehs ein Urteil erlassen, in dem er im Gegensatz zu dem Urteil des 1. Strafsenats vom 2. November 1027 das Schlachten und Verpfunden von Vieh zum Zivccke eigener geivinnbringender Veräuße rung nicht mehr als gewerblichen Nebenbe trieb der Landwirtfkl>aft ansieht. Tas Ober- landesgerickst stebt ans dem Standpunkt, daß das Schlachten nnd Verpfunden zu diesem Zwecke Sache des Fleischergewerbes ist. Als gewerblicher Ncbeub trieb der Landwirtschaft kann es nur ansnaimsweise und nur dann angesehen werden, wenn außergewöhnliche mit der Züchtung und Mästung des Viehes unmit telbar zusammenhängende Umstände diese Art der Verwertung an Stelle d^s üblichen Le- benbverkaufs notwendig macken, wenn also beispielsweise eine Notschlachtung erforderlich ist, oder wenn ein Stück Vieh zwecks Verhin derung der Ausbreitung ein^ Viehseuche ge schlachtet werden muß. Die in der allgemeinen schlechten Markt lage begründete Möglichkeit, das Vieh auf diese Weise nutzbringender als durch L bcnd- verkanf verwerten zu können, kann nicht als ein solcher besonderer Umstand angesehen wer den, sogar auch u nick>t einmal, wenn der Landwirt deshalb r m Schlachten nnd Ver pfänden schreitet 'N sich vor Sckaden zu be wahren und avi d sc Weise den Weiterbe stand seines landwirtscl-a.'tlichen Betriebes zu sickern. B i dieser Rechtsprechung des obersten säch sischen Ger^'t^s — das Reichsgericht kann ge gen das Urt u «ick angcrusen werden — stebt zu befürcht " daß in allen Fällen, in denen nicht die ob n erwäbut-m Ausnahmen "orltegcn tNotkchsgchtnna und Se' ck^nge^adrf. die Landwirt'« als Gewerbetreibende angesehen und unter Umstände» wrgcn Zuwiderhand lung gegen die Vorschriften der Gewerbeord nung sowie des Sächsijtt>en Schlachtsteuerge setzes bestrast werden. Tie Luchsija>e AKrucru-Zeitung, der wir diese Notiz entnehmen, warnt deshalb vor eigenen Schlachtungen znm Zwecke gewinn bringender Veräußerung des gewonnenen Flei sches und der daraus hergestellten Waren. Hausschlachtungen können nur noch zum Zwecke eigener Verwendung des Fleischs bzw. der daraus hergestellten Maren in der eigenen Wirtsct>ast vorgenommen werden. * gs. Frostschäden an Getreide machen sich be sonders in schneearmcn Wintern geltend. Zu einem Erfrieren der Pflanzen kommt es aller dings selten, nämlich nur bei sehr großer Kälte. Um so häufiger ist die unter dem Namen „Aus ziehen" bekannie Erscheinung, die sich nament lich bei wiederholtem Wechsel von Frost- und Tauwetter einstellt. Turch den Frost werden die obersten Bodenschichten gehoben und dabei die Wurzeln gelockert bzw. zerrissen. Bei Tau wetter setzt sich der Boden wieder, die Pflanzen jedoch bleiben mehr oder weniger entwurzelt. Um ein völliges Vertrocknen der Pflanzen zu verhüten, walze man den betreffenden Schlag, sobald die Bodenbeschaffenheit es zuläßt. Da durch werden die Pflanzen wieder gefestigt und zur Bildung neuer Wurzeln angeregt, so daß sie sich wieder erholen können. gs. Der Preiskommissar lehnt die Zurück nahme der Bierpreissenknng ab. Tie Verhand lungen der Gastwirtevertreter mit dem Reichs kommissar für Preisüberwachung Tr. Goerdeler sind erfolglos verlaufen. Ter Rcichskommistar erklärte sich außerstande, seine Verfügung zu rückzunehmen, es könne höchstens in einzelnen Punkten eine Milderung veranlaßt werden. Die Uraufführung der Komposition eines Siebzehn jährigen als musikalisches Dresdner Ereignis steht am Sonntag in der Morgenfeier bevor, die zum Besten der Pensionskasse die Dresdner Philharmonie in der Staatsoper veranstalten wird. Es handelt sich um die Aufführung des 90. Psalms (für sechsstimmigen gemischten Chor und großes Orchesters, den der 17jährige Gott fried Müller, der Sohn des bekannten Bundes posaunenmeisters Pfarrer Adolf Müller-Dres den, komponiert hat. Generalmusikdirektor Busch gab dieser Tage Gelegenheit, den jungen Künstler, einen ehe maligen Kreuzschüler, und dessen Erstlingswerk kennenzulernen. Er wies dabei auf das un gewöhnliche Talent des jungen Mannes hin, den er rein zufällig beim Musizieren mit Schulkameraden „entdeckt" habe. Zum Unter schiede von vielen nachschasfenden Talenten lasse Gottfried Müller eine ausgesprochen schöpfe rische Begabung erkennen. Job. Seb. Bach sei ihm bestvertraut, in streng-polnphonem Stile finde er durchaus selbständige Lösungen. Dr. Schairer, der Geschäftsführer des Deutschen Studentenwerks und Verwalter der Abraham- Lincoln-Stiftung, habe es dem jungen Künstler mit Hilfe eines Stipendiums ermöglicht, be sondere individuelle Ausbildung bei Pros. Tovey Ausnahme der LichtdUdnerei Genja Jona». Dresden. in Edinburg (Englands zu finden, der als Universalgenie auf musikalischem Gebiete gelte. Ter junge Künstler habe im Vorjahre zweimal in England geweilt, im ganzen etwa ein halbes Jahr. Gottfried Müller bezeuge lebendiges dramatisches Gefühl für das Textwort und den wundervollen Gedankeninhalt des 90. Pialms, den er mit der ganzen Reinheit eines jugend lichen Herzens ersaßt habe. Generalmusikdirektor Busch spielte mit dem jungen Komponisten das Werk ans i>"ei Kla vieren vor und erläuterte Einzelsckön^ eiten. Tie Ausführung bietet dem Chor gewisse Schwierigkeiten, namentlich der Sopra; stimme. Die Vorführung hinterließ einen ticken Ein druck. — Obiges Bild ist das deS 17jährigen Gottfried Müller, besten Uraufführung am Sonntag bet KOO MKwirkcnden neben Werken von Beethoven, Bcch und Adolf Busch stehen