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Viertes Blatt Ar. 29 Donnerstag, den 4. Februar 1932 Böttgers „Residenzen" im Sachsenlande «»« Dr. Am 4. Februar sind 250 Jahre vergangen, seit in Schleiz Johann Friedrich Böttger ge- toren wurde, der nachmals kein „Goldmacher", pohl aber der Erfinder des europäischen Por- ,tllans werden sollte Die Idee des Gold- Mchens faßte er als Apothekerlehrling beim Zusammcnsetzen der Arzneien. Und das ge schah in Berlin, der Hauptstadt preußischer In telligenz. Aber intelligent war man dort in soweit nicht, als man den Geheimkünstler bald der Apotheke glücklich entlaufen ließ. Wäh rend des Sonntagsgottesdienstes war der Ibenteurer unsichtbar geworden. Dieser Magie" folgte die regelrechte Flucht nach -ursachsen. Als ein Menschenalter später der Soldaten- lbnig Friedrich Wilhelm Gast August des starken im berühmten Lustlager von Zeithain »ar und auf der Tafel die Werke des „Alchi misten" prangten, kam es bitter über dessen Lippen: „Der heillose Apothekerbursch' hätte man auch in meinem Berlin bleiben können, das braune Zeug ist besser, als ich mir's ima- »inierct". Wittenberg, die alte Sachsenstadt, die 1815 g, Preußen gbgetreten wurde, ist die erste Station im sächsischen Erdenwallen des Münz- lassierersohnes, eines wahrhaften Sonntags kindes, geworden. Von hier forderte der preu ßische Hof den Ausreißer zurück, ja, er setzte Mü Thaler für die Rückbringnug in preu ßisches Gebiet wS. Aber der sächsische Festungskommandant war „Helle" und sandte den — soll man sagen verühmten oder Berüchtigten? — statt dessen »ach Dresden, der Residenzstadt. Ein weiter Schritt war es vom Böttger- ktcinzeug bis zur Herstellung des weißen chinesischen Porzellans. Zu diesem Zwecke mußte Böttcher seine Residenz zeitweise in dem alten Huthaus bei Aue nehmen. Diese Weiß- erdenzeche steht heute noch verträumt nahe der Kchwarzenberger Straße. 150 Jahre blieb sie der alleinige Lieferant des so wichtigen Grund stoffes für weißes Porzellan, darf also Anteil an dessen Weltruhm haben. Meilenweit war es damals noch, bis ein Dresdner Meister, der große Kändler, den .Triumphzug der Galathea" modellieren durfte, «m das Zeitalter des Rokoko glanzvoll und klassisch zu beschließen. Böttger hat bekannt lich das Porzellan in Dresden erfunden, denn auch hier hat er „residiert", und zwar aus der Venus- oder Jungfernbastei der Brühlschen Terrasse. Sein Laboratorium stand hier un ter der Leitung vom Baron Tschirnhaus. Aber nicht Dresden, die jüngere Hauptstadt des Landes, wurde der Boden für den Ausbau der Erfindung, sondern das alte Meißen. Der trinkfrohe Böttger, ei« lustiger, schwänkevoller Kops, residierte aus der Albrechtsburg. Und wenn er auch hier so etwas wie einen ungekrönten König nicht ganz abgeben konnte - denn er war und blieb in Sachsen Arrestant, der einen Leutnant zum beständigen Gesell schafter hatte —, so war er doch von Königs Gnaden ein Baron. Das Zimmer des Barons, des „Burggrafen", der sich mit 22 Hunden aller Rasten umgab, war mit einem Vorlege schloß versehen, die Burg seines Laboratoriums wegen im Innern gänzlich umgebaut, sie, für die Baumeister Arnold aus Westfalen im Geiste wohl Bankette vorausgesehen hatte. Und jetzt hauste auf ihr eine Gestalt abenteuerlichster Art. Halb Gefangener, halb Fürstengünstling. Schmidt. Aber das Schloß wahrte doch unter der „Regierung" Böttgers seinen architektonischen und der „Schloßherr" selbst seinen menschlich, allzumenschlichen Charakter. Bald war er in Fausts Zaubermantel gehüllt, bald als Posten- reiher mit Till Eulenspiegels Narrenkappe versehen. Bald hörte man ihn pochen, hörte ihn lgrmen, sgh ihn am „Bittern" sich erwär men. Und seine Untergebenen wärmten sich mit ihm und zugleich mit den Stoffen, die ge wärmt, ja erhitzt werden mußten. Nach der Arbeit hielt er wie weiland König Artus offene Tafel oder schrieb an seinem Lehrgedicht „Ueber die Eitelkeiten". Setzte er doch sogar über die Türpfosten seines Laboratoriums die Verse: Kein andrer als unser Schöpfer, konnte machen aus mir einen Töpfer. Dann befahl der „Mächtige" wieder, daß ihm für die Schmelzarbeit und für die Instandsetzung seiner Laborieröfen Berg- und Hüttenleute auf seine Burg expediert wurden. Es war, als ob Meißen seine Vorherrschaft, die es vor Dresden gehabt hatte, wieder er langen sollte. Aber die Verunstaltung der Albrechtsburg währte doch nur von 1710—1863. In diesem Jahre wurde die Manufaktur in dem südlich von der Stadt gelegenen Triebischtal in eige nen Gebäuden untergebracht. Ihr gegenüber prangt heute in stimmungsvoller Lage «ött- gers Denkmal. Er und Tschirnhaus spielten natürlich 102» im historischen Festzug „Aus zehn Jahrhunderten" eine gewiste Rolle. Diele Kestwagen vervollständigten das Bild aus der Zeit des Rokoko. Auch eines der Schloß- gemälde zeigt Böttger und seine Gehilfen im Flackerfeuer des Ofens. Gestorben ist er in jungen Jahren (1719) in Dresden, nachdem er oder vielmehr seine Führung kurz vorher wieder mal „untersucht" worden war. Aber nicht nur von der Felshöhe des Burg berges hat der Glücklich-Unglückliche über die bunten Gärten und den schönen Elbstrom ge blickt, nein, auch von der unbezwungencn Elb- sestung deS KönigsteineS blickte er in das dem Porzellan fortan unterworfene Land. Denn als im Jahr« 1706 di« Schweden einfielen, rettete August seine Schätze auf den König stein. Und zu diesen zählte in erster Linie Böttger, der nun hier nicht nur neben dem berühmten Livländer Patkul hanste, sondern auch neben einzelnen Maitressen des galanten Zeitalters. WWZ M WMiM gs. Oberstaatsanwälte erhalten mehr Rechte Der Generalstaatsanwalt hat mit Wirkung ab 1. Januar 1932 den Oberstaatsanwälten bei den Landgerichten die Entscheidung über alle Beschwerden gegen staatsanwaltschaftliche Ent schließungen übertragen, die nach der Verord nung des Justizministeriums vom 9. März 1928 zur Zuständigkeit des Aintsanwalts ge- hören würden, wenn es am Sitz des Land gerichts noch einen Amtsanwalt gäbe. Nicht zur Zuständigkeit des Nmtsanwalts gehören die Notgeld- und die Devisensachen. gs. Die GrnndstückseinheitSnxrte bei Zwangsversteigerungen. Im Zwangsver- steigernngsveriahren ist es erforderlich, den Nir den 1. Januar 1931 festgesetzten Einhcits- w rt des zu versteigernden Grundstücks fest zustellen. Die Präsidenten der Landessinanz- ämter Dresden und Leipzig haben daher die Finanzämter angewiesen, kün'tig in Zwangs nersteigerungssällen den Amtsgerichten die Einhstt^wertc von Grundstücken auch ohne dte Gwchw'gung der Berechtigten mitzutcilen lmern das A iskunstsersuchen ausdrücklich aus G'und der Vorschrift in der vierten Notver- ordnnna gestellt wird. gs Keine Geldstraf^nstatistik mehr. Das Neichssustinninisterium hat sich damit einvcr standeu erklärt daß die statistischen Erhebun gen über die Anwendung der Geldstrafen voml 1. J-W"^1- INN' "N eingestellt werden. Die! Ergebnisse der Erhebungen für die Zeit bis Ende 1931 sind noch in der bisherigen Weisel dem Justizministerium anzuzeige» t Tie kommunistischen Unruhen in Spanien Ein Momentbild von den schweren Tumulten, dte in der spanischen Stadt Valencia statt- taudE Kommunisten Würzen Struß«nbahntvage» um. UR» Harrtkq-g» zu hauru» „Sind der Regierung diese Vor gänge bekannt?" Dresden, 8. Februar. Wie wir ersah- ren, hat die Staatspartci im Sächsischen Land tag folgende Anfrage eingebracht: In einer vor dem Landgericht Chemnitz anhängigen Be rufungsstrafsache wegen Körperverletzung sind durch Beschluß vom 23. Januar der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Brodaus, und ein Beisitzer, Landgerichtsrat Dr. Cohn, als befangen be zeichnet und ihre Ablehnung mit der Begrün dung als gerechtfertigt erklärt worden, daß dte angeklagten Nationalsozialisten, die Richter aber Mitglieder der StaatSvartei, der eine überdies noch Jude, seien. Trotzdem in dem Beschluß die feste Ucberzeugung ausdrücklich festgestellt werde, daß die Richter bisheriger gewissen hafter Pflichterfüllung gemäß im gegebenen Fall durchaus unparteilich urteilen würden, könne den Angeklagten doch nicht zugemutet werden, von solchen Richtern Recht zu nehmen. Wir fragen, ist der Negierung dieser Vorgang bekannt, billigt sie die hier aufgestellten „Grund- sähe?" Wenn nein, was gedenkt sie zu tun, um dafür zu sorgen, daß sich ein derartiger, geordnete Rechtspflege völlig untergrabender Vorgang keinesfalls wiederholt? Der hinausgezögerte Volks- Entscheid <Jn einem Teil der Auflage wiederholt.) Dresden, 3. Februar. Der RechtSauS- chuß des Landtages befaßte sich heute mit der Vorlage der Regierung über das Volksbegeh ren auf Landtagsauilösung und mit dem kom munistischen Antrag auf Landtagsauslösung. Der Kommunist Meülborn beantragte als Be richterstatter, dem Volksbegehren stattzugeben und den Antrag auzuuehmen. Als Mitbertcht- erstatter beantragte Vizepräsident Bretschnei der lStaatsparteij, der Ausschuß möge dte Re gierung um ein Schlußgutachten darüber er suchen, wie Punkt 5 der amtlichen Bekannt machung über das Volksbegehren aus Land- tagsauflösung in ttebereinstimmung zu brin gen sei mit dem Absatz 1 des ? 6 des Gesetzes über Volksbegehren und Volksentscheid von 1921. Es handelt sich um d»e Frage, ob die Personen, di« in die zuletzt abgeschlossene Wählerliste oder Wahlkartei noch nicht einge tragen sind, aber bis zum EintragungS- bzw. Abstimmungslag das 20. Lebensjahr vollenden, wahlberechtigt sind. Das gesamte Gesetz steht in diesem Punkt in einem gewissen Wider- spruch zur Verfassung. Wie die Sächsisch-Böh mische Korrespondenz erfährt, beschloß der Rcchtsausschuß gegen sechs Stimmen der Kom- munisten nnd Nationalsozialisten, dem Antrag Bretschneiders zuznstimmen und die Beschluß fassung bis zur Erstattung des Regierungs gutachtens ausznsetzen. Ermähioung der Vürgersteuer Aus Grund der Verhandlungen, die am Dienstag mit dem ReichSfinanzministerium stattsanden, wird amtlich folgendes mitgeteilt: Personen, die im Jahre 1930 einkommen steuerfrei waren, haben nach der bestehenden Rechtslage nur die halbe Bürgersteuer zu ent richten. Diese Vorschrift wirkt sich für die große Zahl der Kurzarbeiter, die im Jahre 1930 noch einen die Lohnsteuerfreiqrenze über- steigenden Lohn gehabt hatten und von denen daher jetzt in der Steuerkarte die volle Bürger- steuer angcsordert werden mußte, besonders hart aus. Der Reichsminister der Finanzen hat daher zur Beseitigung dieser Härten dem Neichsrat den Entwurf einer Verordnung vor- aelegt. Hiernach hat der Arbeitgeber bei solche» Arbeitnehmern, für die wegen Nichtüberschrei tung der Lohnsteuersreigrenze am Fälligkeits tag der Bürgersteuer Lohnsteuer nicht einzn- behalten ist, statt der vollen nur die Hälfte der in der Steuerkarte angeforderten Bürgersteuer rate einzubehalten. DieS gilt natürlich nicht für diejenigen Fälle, in denen bereits wegen Ein kommensteuer sreiheit im Jahre 1930 auf der Steuerkarte nur der halbe Bürgersteuerbetrag angefordert worden ist. Die vorgesehene Er leichterung soll, wenn der ReichSrat, dessen Ausschüsse in nächster Zeit zusammentreten, zustimmt, bereits für die Bürgerstenerrate gelten, die am 10. Februar 1932 fällig ist. Das Telephon wird nicht billiger Die ReichSpost gibt jetzt bekannt, daß st« nicht di« Absicht hat, bi« Fernsprechgebühren herabzusetzen. Wie sie erklärt, sei zurzeit daran nicht zu denken. Die Reichspost begrün det ihre Stellungnahme damit, daß die An lagekosten für «inen Ferniprechanschluß im RekbSdurchfchnstt 700 bis 800 Mark betragen, in großen Ortsnetzen 1000 bis 1100 Mark. Der Teilnehmer leistet zu diesen Kosten einen ein maligen Beitrag, der im Durchschnitt etwa 70 Mark beträgt. Zur Deckung der Aufwendun gen für Verzinsung und Tilgung des Anlage kapitals, der Instandhaltung und Störung«- beseitigungen dient di« Grundgebühr, durch die aber die Selbstkosten der ReichSpost nicht ganz gedeckt werden sondern ein Fehlbetrag entsteht, der durch die Gefvrächsgebühc'en mit aufgebracht werden muß. Das tritt aber nur bei Teilnehmern ein. die mehr als vierzig Ge- wräch« im Monat führen. Ein etwa durch Verbilligung der Grundgebühr eintretenber Verkehrszuwachs durch den Hinzvtritt neuer Teilnehmer würde basier den Fehlbetrag nur vergrößern da er die Einstellung neuer Kräfte und die Inbetriebsetzung neuer Angarate beim Amt nötig machen, da er neue Kosten verur- ^a^n würde die wiederum durch den Zuwachs an Grundgebühren nicht ausgeglichen werden würden