Suche löschen...
Sächsischer Landes-Anzeiger : 01.07.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188807010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880701
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-07
- Tag 1888-07-01
-
Monat
1888-07
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 01.07.1888
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Aoer w-nu Emmy wirklich lieble, so war sie ein starke-Mädchen; denn sie faßte sich wunderbar rasch und sagte einfach: „So? da gralulire ich Ihnen von Herzen, Herr Werner! und Eie wollen gleichzeitig ein Geschäft anfangen? das begreift sich und rechtfertigt Ihren Schritt vollkommen!". „Sie weiß also doch noch nichts," dachte er. Gleichwohl wußte er nicht, was er zu ihrer stoischen Ruhe sagen sollte. In der eigen- thümlichen Stimmung, in welcher er sich beiand, hätte es ihn so wohlthnend berührt, wenn die kleine, lachende Psyche in aufwallender Eifersucht plötzlich zur trauernden Ariadne geworden wäre. Aber das liebliche Kind blieb doch ziemlich gleichgültig und kalt bei seinen Worten, gerade so, als habe er die gewöhnlichsten Tinge von der Welt gesagt. Sie deutete mit dcni eleganten Regen schirm aus die Straße hinab und fragte: „Haben wir einen Weg, Herr Werner?" „Wenn Ihnen meine Begleitung nicht unangenehm ist, Fräu lein Emmy." „Kommen Sie!" Während beide die Straße hinunterschritten, plauderte das junge Mädchen in heiterster und unbefangenster Weise über allerlei tägliche Geschichten, so daß es beinahe den Anschein gewann, als habe die unbedeutendste Sache größere Wichtigkeit für sie als ihres Begleiters Heirathsangelegcn hei t. Stumm schritt dieser neben dem Mädchen her, und erst, als nach einer Pause Emmy sich mit der Frage an ihn wandte: „Und nun, Herr Werner, darf man so indiscret sein, zu fragen, welcher Dame eS gelungen ist, Ihr Herz zu rühren?" erwiderte er scheinbar gleichgültig: „Gewiß, Fräulein Emmy! Sie vor allen Dingen haben ein Recht zu dieser Frage. Doch erschrecken Sie nicht, wenn ich Ihnen sage, daß der Gegenstand meiner Liebe kein Kind des Glückes ist und durchaus nicht von vornehmer, begüterter Familie stammt. Keine Honoratiorentochter — Fräulein Emmy —, sondern eine arme Preß- uitzer Virtuosin, die mit ihrer Fertigkeit im Harfenspiel ihren Unter halt erwirbt, hat mein Herz gefangen genommen. Nun, was sagen Sie dazn?" Erst jetzt nahmen die kindlichen, heiteren Züge des Mädchens «inen ernsteren Ausdruck an, und ihren Begleiter zweifelnd ansehend, fragte sie: „Es ist also wirklich wahr, Edmund?" „Glauben Sic, daß ich im Stande wäre, in leichtsinniger Weise über Sachen zn scherzen, die das Herz angchen?" fragte Werner. „Ich hielt es für ein Märchen, Edmund!" „Man hat Ihnen also bereits Mittbeilungen über mein Ver hältnis zu Fräulein Zriny gemacht?" forschte Werner. „Mein Vetter Bnrghardt — Sie kcnnen ihn ja —," antwor tete Emmy, „Sie wissen, er bewirbt sich um mesne Hand. Er sagte mir, wie er aus sicherer Quelle erfahren habe, daß Sie einem soge- uannte» — Harfenmädchcn ans dem Beudler'schen Üaffcchause in auffallender Weise den Hof machten. Ec will Sie unausgesetzt be obachtet haben." „In ausfallender Wesse?" fragte Werner lächelnd und schüttelte den Kopf; „doch es kommt darauf an, was der gute Mcnsch unter auffallend versteht, und gesetzt, cs wäre wirklich der Fall, was liegt denn darin Merkwürdiges? Das Mädchen ist gut und unschuldig, besitzt hinreißende Bildung und ein tiefes Gcmüth. Wer kann also das Geringste dagegen einzuwenden haben, wenn ich sie zu meiner Frau machen will?" „Und Sie haben die Ueberzcugung, daß Sie von ihr geliebt Werden?" „Gewiß habe ich sie," antwortete er nach einigem Zögern, wo bei er es jedoch vermied, ihrem forschenden Blicke zn begegnen; „wie ich sie kenne, würde sie mein Weib nicht werden, wenn sie mir ab hold wäre." Das junge Mädchen schwieg eine Zeit lang und sah sinnend vor sich hin. Endlich nahm sie die Unterredung mit den Worten wieder auf: „Ich achte Ihre Wahl, Herr Werner, und wünsche von Herzen, daß Sie recht glücklich mit Ihrer Gattin sein mögen. Sie verdienen rs ja, Werner! denn Sie sind ein edler, rechtschaffener, junger Mann, und wer Sie kennt, muß Sie lieben. Die Ungleichheit der Ver hältnisse," schloß sie nach kurzer Panse in schwankendem Tage „wird hoffentlich in keiner Weise störend zwischen Ihre Herzen treten —" „Nein!" unterbrach er sie lebhaft, „äußere Verhältnisse müssen schweigen, wo im Innersten wahrhaste Liebe waltet. Dennoch wird von meiner Seite Alles geschehen, um auch jene Ungleichheit in unseren Verhältnissen zu heben. Der erste Schritt dazu ist bereits gethan. Ich habe meine Slellung aufgegebcn »nd verlasse damit zugleich die Kreise, deren Anforderungen ich bisher Rechnung tragen mußte. Ich bin somit frei, und nichts kann mich hindern, Derjenigen, die ich über alles liebe, zu folgen. Eben so gern und freudig mache ich auch die Kunst, die sie so hoch verehrt, zu meiner Lebensaufgabe. Ja, ich scheue nicht, meine Violine zu ergreifen und mit ihr vereint die Lieder ihres Hmna'hlandes durch die Welt zu trage», wenn ich dadurch ihrem Herzen näher rücken kann." „Edmund!" rief Emmy beinahe erschreckt, „wäre es möglich? Je mehr Sie mir den Zustand Ihres Herzens enthüllen, desto mehr Wächst mein Erstaunen. Ach! ich sehe wohl, daß dieses seltsame Mädchen Ihr ganzes Herz besitzt. Wie allgewaltig, wie tiefgehend muß Ihre Leidenschaft sein, wenn sie sich in dieser Weise kundgiebt. Ich weiß natürlich nicht, Edmund, wen ich mehr bewundern soll, Sie, der Sie im Stande sind, ein solches Opfer zn bringen, oder das Mädchen, welches im Stande ist, es anzunehmen. „Man denke," fuhr Emmy fort, „ein junger Mann, der bisher mit Lust und Liebe in seinem Berufe gewirkt und diesen somit lieb- gewvnnen hat, giebt seine Stellung auf, sagt sich los von Allem, Was sein junges Leben verschönte, verläßt Freunde und Bekannte und die heiteren geselligen Kreise, deren Seele er ist, entsagt all' seinen lieben Gewohnheiten — und warum? einem unbekannten Mädchen zu Liebe, das zwar eine b.deutende Künstlerin ist, jedoch mit Bettelmusikanten von Ort zu Ort zieht!" Edmund war ergriffen von dem leidenschaftlichen Ton, in welchem Emmy diese Worte zn ihm sprach. Was er vorhin trotz der ge spanntesten Aufmerksamkeit aus ihrem Benehmen nicht hatte hcraus- finden können, jetzt klang es ans der kleinste» Silbe hervor: der quälende Schmerz der Eifersucht. Und wenn cs ihre Stimme nicht verrathen hätte, daß er und nur er der Abgott dieses jiwendfrische» Herzens war, dann mußte er es aus ihrem feuchten Blicke lesen, welcher in jedem Moment durch einen Lhräncnstrom verdunkelt werden konnte, der jede Selbstbeherrschung ausschloß. Ein inniges Mitleid ergriff ihn, welches das Triumphgefühl des Sieges in seinem Herzen nicht aufkommen ließ. „Sie wollen die Ungleichheit der Verhältnisse nicht gelten lassen," fuhr Emmy in sanfterem Tone fort, „und wo sie stattfindet, suchen Sie sie zu ignoriren, nach Art stolzer» unabhängiger Charactere. Der Mann giebt Derjenigen, die er sich zum Weibe erwählt, seinen Namen. Er führt sie in seine Stellung ein, bewirkt, daß sie den Zweck ihres Lebens und damit zugleich Achtung und Ansehen in der ^Gesellschaft erreicht. Er entwickelt ihren Geist und zieht sie mit sich fort zu dem schönen Ziele, das er sich gesteckt und welches zu er reichen ihm leichter wird, wenn eine liebende Gefährtin ihn begleitet. Das Weib dagegen giebt sich selbst dem Manne zu eigen. Es ist, als hätte sie ihr Dasein nur, um es ihm zu weihen. Und wenn sie auch ihr eigenes Selbst aufgiebt, so erscheint ihr doch dieses, wie jede- andere Opfer, als wäre eS nichts. Ach! eS ist ja so wahr, was man über das wahrhaft liebende Mädchen sagt, daß es nichts mehr in der Welt berücksichtigt, daß ihr Eltern, Vaterland, Freunde, Natur und Gesellschaft nur geringe Weihrauchkörper sind, die sie auf dem Altar ihres Herzens opfert. Das Wenigste ist aber, daß das Weib dem Manne folgt, wohin es immer sei. Und so soll es auch sein, so muß eS sein, und wo es nicht ist, da ist jedenfalls Unnatur und Inkonsequenz vorhanden, welche die schwersten, unheilbaren Conflicte zur Folge ha"e» können. Urtheilen Sie nur selbst, ob bei Ihnen nicht gerade das umgekehrte Verhältniß stattfindet?" „Sie mögen schon Recht haben, Emmy!" erwiderte er tonlos während seine Rechte langsam über die sorgenvolle Stirn strich; „so sollte es wohl überall sein, wie Sie sagen. Wollen wir aberrichten, wenn es einmal nicht ganz so ist, wie es sein soll? Sind wir be rechtigt, von der leuchtenden Rebe auch gleichzeitig die Gluth und den Balsamhauch der Rose zu verlangen? Kann ich dem armen Mädchen zürnen, wenn sie, die Frühverwaiste, die nichts weiter besitzt, als das Hciligthum ihrer Kunst, sich dieser mit ganzer Seele hingiebt? Es ist freilich war, sie ist stolz, unterwirft sich nicht so leicht fremdem Einflüsse, allein ich hoffe Alles von der Zeit. Und sollte ich wirklich noch nicht ihr Herz in dem Grunde besitzen, wie ich es sehnlichst wünsche — die Gewohnheit ist ja der freundliche Sonnenstrahl, welcher die Knospe der Liebe entfaltet und zur Reife bringt." „Ich wünsche cs Ihnen," entgegncte sie innig; „denn mit Ihrem weichen Herzen, Edmund, würden Sie unglücklich sein, wenn Ihre Gattin einst das Opfer vergäße, daß Sie ihr in so edler, uneigen nütziger Weise bringen." Dann, als habe sie zu viel gesagt, hielt sie plötzlich inne, und erst, als sie bereits in die Straße einbogen, in welcher die Musi kalienhandlung sich befand, nahm sie den Faden des Gesprächs wieder auf: „Sie haben mir noch gar nicht gesagt, auf welche Weise Sie die Bekanntschaft des Fräulein Zriny gemacht haben." „Es war in Wien," begann Edmund. „Sie wissen, Emmy, daß ich vor drei Jahren einen sechswöchentlichen Urlaub von Ihrem Herrn Vater erhielt, den ich benutzte, um eine Reise durch Deutsch- -land zn machen. Sie kannten ja auch meinen Vorsatz, wonach ich zu meiner Ausbildung in den größeren Städten verweilen wollte, und so kam ich auch in die österreichische Hauptstadt. Hier sah ich das Mädchen in einem Theater der Vorstadt zum ersten Male. Der Direktor einer wandernden Romödientruppe hatte sie, weniger ihres Spieles, als ihrer seltenen Schönheit wegen, engagirt. Dennoch spielte sie nur untergeordnete Rollcn; zuweilen auch ließ sie sich auf der Harfe hören. Ihre Borträge wurden in paffende Dramen ein gelegt, und dann war das Theater gedrängt voll, und Jedermann mar von ihrem Spiel entzückt. Auch auf mich machte ihre Schön heit und die natürliche Anmuth ihres Wesens einen mächtigen Ein druck. Ich besuchte das Theater nur, wenn sie auftrat, nur die Promenaden, wo ich glaubte, ihr zu begegnen. Sie sah immer so ernst und bleich aus, und die starre Abgeschlossenheit und Jnsich- gekehrthcit des Wesens, der tiefe, sinnende Blick ihrer schwarzen Augen übten eine wunderbare Anziehungskraft auf mich aus.jl Daß sie aber nicht ausschließlich der Gegenstand nur meiner Aufmerksamkeit war," fuhr Edmund fort, „erkannte ich bald. Auch andere junge Herren suchten sich ihr zn näher», und wie dies immer der Fall, fehlten auch die Herren von zweierlei Tuch nicht. Allein das Mädchen war sür Jedermann vollständig unzugänglich: die zartesten Aufmerksamkeiten, die sinnigsten Huldigungen entlockten ihr kaum ein eisiges Lächeln. Dadurch wuchs mein Interesse für sie, und ich war äußerst begierig auf die Lösung der Räthsel, die mir in diesem Francn- lcbcn entgegen traten. Bestimmtes über ihre Vergangenheit wußte jedoch Niemand. Alles, was man in öffentlichen Lokalen über sie sprach, beruhte ans Muthmaßungcn. Darnach sollte sie ans dem böhmischen Gcbirgsstädtchen Preßnitz stammen, jenem, wegen seiner musikalischen Bewohner berühmten Orte, der alljährlich sein Contingent von Wandcr-Musikcrn für die Messen, Jahrmärkte und öffentlichen Vergnügungsorte Enropa's stellt. Man schrieb ihr eine trübe schick alsreiche Jugend zu, wie dies im Allgemeinen das Loos vieler Mäd chen aus jener Gegend ist. Weiter erfuhr ich nichts. Nachtheiligcs wagte Niemand über sie zu sagen. Ihr Ruf war makellos, ihre Ausführung rein und ohne jeden Tadel. Eines Abends nach beendigter Vorstellung stand ich an der kleinen Hintcrpforte des Tlcatergebäudcs, durch welche sic ihren Ausgang zu nehmen pflegte, wenn sie ihre Nolle zn Ende ge'pielt halte. Ich wußte, daß Anna heute nur im ersten Akte vorkam. Bald nach Beendigung desselben mußte sie ans dem Theatergetände treten In der Thal brauchte ich nicht lange zu warten. Ich sah sie tief in ihren Mantel gehüllt hcrauskvmmen. Noch heule steht die zarte, schlanke Gestalt mir lebhaft vor Augen. Ihr ganzes Wesen verrieth, daß etwas Außergewöhnliches in ihr Vorgehen müsse: denn obwohl die schwarz- seidene Kappe, welche ihr Haupt bedeckte, mich ihr Gesicht nur zum kleinsten Theile erkennen ließ, sah ich doch, daß ihre Wangen noch bleicher als sonst, ihre Züge verstört waren. Auch ihr Gang hatte etwas Schwankendes, und in der Art, wie sie sich bei den, Herabschreilen der Granitstufen nach rechts und links umsah, lag etwas Scheues, Acngstliches. Es hatte den Anschein, als ob sie sich fürchte vor irgend einer gehcimnißvollcn, unsichtbaren Ge walt. Ich überlegte, ob ich mich ihr nähern und ihr meinen Arm anbieten sollte. Es war ein dunkler Herbstabend, der Himmel hing graubewölkt über den dämmerigen Straßen. Schwere Regentropfen schlugen klatschend auf das Pflaster, und ich war in Besorgniß um die arme Harfenistin, die sich schutzlos dem Unwetter prcisgab. Ehe ich indessen zu einem Entschluß gelangen konnte, gewahrte ich, wie sie flüchtigen Fußes davoneilte. Mehrere Straßen durchschritt sie, ohne sich umzuschcn. Ein Unglück befürchtend, hielt ich mich immer in einiger Ent fernung hinter ihr, und in der That gewahrte ich bald, wie sie den Weg nach der nächsten über den Donaukanal führenden Brücke einschlug. Dort angelangt, blieb sie am Geländer stehen. Die Straße war menschenleer, denn der Regen strömte bereits in mächtigen Güssen herab. Ich kam ihr näher und sah, wie sie tief Athen, schöpfte und sich dann mit dem Oberkörper über das Holzwcrk beugte. Eine» Augenblick schien sie nachdenklich in die dunkle Fluth hiuabzustarren, dann schreckte sie Plötzlich ans und sah sich verstört um. Sie hatte das Geräusch meiner Schritte vernommen, denn mit dem Aufgebot aller meiner Kräfte stürmte ich heran. Da steigt sie blitzschnell und mit der Gelenkigkeit einer Katze ans den obere» Brückcnrand »nd will sich eben Hinabstürzen, als ich hinzuspringe und sic am Kleide fcst- halte. Beinahe ohnmächtig fiel sie mir in die Arme. Einzelne schnell Vorübergehende blieben stehen, und bald sammelte sich eine Gruppe Neugieriger um uns. „Warum haben Sie mir das gethan?" flüsterte sie mir zornbebend mit farblosen Lippen zu; „warum lassen Sie mich nicht meinen Weg gehen, der zur Ruhe führt? Hinweg!" — Sic suchte sich mit Anstrengung von mir loszureißen. „Fräulein," sagte ich ebenso leise, „wie groß auch das Unglück sein mag, das Sie zu diesem Schritt der Verzweiflung drängte, er ist nicht gerechtfertigt in den Augen des höchsten Richters, der Ihnen das Leben verliehen. Gehen Sie in sich, und selbst wenn Sie die Urheberin Ihres Unglücks sein sollten, giebt es Erbarmen, Ruhe für . Sie!" — „Phrasen!" stößt sie kurz und heftig heraus. „Sie wissen nicht, wie unrecht Sie handeln. Was liegt an einem Geschöpf, wie ich bin?" — „Und wären Sie das gesunkcnste, vcrachtctste Geschöpf der Welt," entgegncte ich," wären Sie so tief gefallen, wie nur ei» Weib fallen kann, ich würde Sie nicht verdammen, nicht verachten, so lange mir noch eine Ruine des göttlichen Ebenbildes den Beweis lieferte, daß Sie ein menschliches Wesen sind." Da milderte sich der harte, kalte Ausdruck ihrer Züge. Mit einem Blick, den ich nie vergessen werde, sah sie mich einen Augen blick lang an, und dann bat sie mit sanftem Tone: „Ich danke Ihnen, lassen Sie mich nun gehen!" — „Sie werde» doch nichts dagegen haben, wenn ich Sie durch die mehr und mehr zunehmende Menschenmenge hindurch zu einem Fiaker geleite?" fragte ich. Da lah sie sich mit einem scheuen Blicke um und faßte dann krampfhaft meinen Arm. „Der Menschenknäucl um uns her war dicht genug geworden, so daß es mir beinahe Mühe kostete, hindurch zu kommen. „Kommen Sie denn", flüsterte sie rasch, „ich fürchte mich." War sie mir vorhin in ihrem Zorne wild und dämonisch vorgekommen, so schien sie jetzt in jeder Beziehung das zarte, schwache, hilfsbedürftige Weib. Zitternd an allen Gliedern schritt sie neben mir her. Ich machte ihr Platz und gelangte glücklich bis zur nächsten Ecke, wo die Wagen standen. Hastig nß ich den Schlag des ersten besten auf und fragte, während ich ihr beim Einsteigen behilflich war: „Wohin wollen Sie, Fräulein Zriny?" Sie nannte mir das Hotel „zum goldenen Kreuz" in der Wiedener Hauptstraße. Ich reichte dem Kutscher den Fährlohn und sagte ihm die Adresse. Ich hatte mir vorgenommen, das seltsame Geschöpf nie wieder zu sehen. Aber schon am folgenden Morgen drängte es mich, sie zu besuchen. Ich hatte ja einen schicklichen Vorwand. Verstand es sich doch beinahe von selbst, daß ich mich erkundigte, ob die Aufregung des vergangenen Abends ohne yqchtheilige Folgen für sie geblieben sei. Mochte sie es immerhin unzart finden, auf die>e Weise an die dunkelste Stunde ihres Lebens erinnert zu werden, — ich konnte einmal nicht anders; denn zu mächtig war der Drang in mir, sie wieder zu sehen. So ging ich denn zur paffenden Stunde nach dem Hotel, in welchem sie ein freundliches, sauber ausgestattetes Stübchen inne hatte. Wider mein Erwarten empfing sie mich freundlich; aber mit keiner Silbe gedachte sie des gestrigen Vorfalls. Im gemüthlichsten und doch oberflächlichsten Conversationslone plauderte sie zu mir von allerhand gleichgültigen Dingen. Das Theater, die Vorzüge und Schatten seite» der Residenz lieferten ihr hinreichenden Stoff, um mir die reiche Welt ihres Innern zu verhüllen. Auch in ihre Vergangenheit ließ sie mich keinen Blick thun. Die vielfachen Widersprüche, welche sich in dem Wesen dieses Mädchens kund gaben, zogen mich uw- Widerstehlich an. Das Problematische ihrer Natur reizte mich zum Studium, und bald war ich in einem Grade gefesselt, daß ich keinen anderen Gedanken hatte als sie. Ohne daß ich mir eine Erklärung über das „wie" zu geben weiß, umstrickte sie mein Herz, das ich stets gepanzert gegen die Pfeile des Liebesgottes hielt, mit einem Zauber, gegen den mein Verstand bald vergeblich ankämpste, und dabei lag gleichwohl in ihrem Benehmen nicht das Geringste, was mich hätie ermuthigen können, ihr offen und frei meine Liebe zu gestehen. Die Erlaubniß, sie zu weilen besuchen zu dürfen, hatte sie mir freilich, wenn auch mit sicht lichem Widerstreben, eingeräumt, sonst aber gewahrte ich in ihrem Verkehr mit mir nichts weiter, als ein gewisses freundschaftliches Wohl wollen, wie es wohl zwischen Perwnen obwaltet, die einander achten, sich im Geleise oberflächlicher Bekanntschaft bewege» und im Grunde genommen sich doch fremd sind. Oft wollte es mir zu meinem Schmerze scheinen, als sei sie in der That für jede zartere Regung des Herzens unempfindlich. Eines Tages, als ich cs wagte, auf eine höchst rück sichtsvolle Weise von meiner Liebe zu ihr zu sprechen, lenkte sie mit einer bewunderungswürdigen Geschicklichkeit auf ein anderes Thema über, und als ich am Tage darauf meinen Besuch erneuern wollte, traf ich sie nicht mehr. Sie wäre abgereist, sagte mir ihre Wirthin, und dasselbe verkündete mir mit einem Achselzucken der Direktor der Truppe, welcher sie engagirt batte. Alle Nachforschungen, die ich anstellte, nm ihre Spur aufznsindcn, erwiesen sich als fruchtlos, und mit zerrissenen, Herzen reiste ich bald hierher zurück, um meinen Gram durch das einzige Mittel zu betäuben, das ich für wirksam hielt, näm lich riesenmäßige Arbeit. Das war mir auch in beinahe befriedigen der Weise gelungen. Drei Jahre — das ist schon immerhin ein Zeit raum, der manche trübe Erinnerung, wenn auch nicht verwischt, doch mäßigt .... Ta sah ich sie zu meinem Erstaunen im Beudler'schen Caffee- Hause hier wieder. Sie hatte bereits einen Schritt nach unten ge macht. Ans einer Schauspielerin und Concertsängerin war sie eine wandernde Harser.virtuosin geworden. Ihre Begleiter sind vagabon- dirende Musiker der gewöhnlichsten Art, die nur durch sie auf ein gewisses Ansehen Anspruch mache» können. Dennoch erwachte die unbegreifliche Leidenschaft, welche mein Herz für das wunderbare Mädchen ergriffen, in ihrer ganzen Stärke. Sonst war sie dieselbe geblieben in ihren Ansichten, Neigungen und Gewohnhcitcn, ein schönes, tiefes, poetisches Räthsel. Wohl mochte der Sirocco der Welt auch an dieser stolzen Blume gerüttelt habe», aber es war ihm nicht ge lungen, auch nur ein Blüthenstäubchen von ihrer Reinheit und ihrem Glanze abznstreifen. Nur Eins fiel mir auf. Sie schien mit der. Raffinerie einer geschickten Toilettenkünstlerin alle Reize, mit denen die Natur sie so freigebig ausgestattet, zu verbergen. Sie erschien mir auf den ersten Blick bedeutend gealtert, und erst später fand ich, daß sie von ihrer Frische und Schönheit noch kein Jota eingebüßt hatte. Ich glaubte den Grund dieser absichtlichen Metamorphose zn wissen, und das macht sie mir nur noch theurer. Nun, was soll ich Ihnen noch weiter sagen, Emmy? Sie hatj eingcwilligt, mein Weib zu werden, wenn ich ihre Lebensweise, ihren Beruf theile und — ich habe mein Wort gegeben, denn ich liebe sie zu sehr, um den Gedanken ertragen zn können, daß ein Anderer diese Perle sei» nennen soll. Nu» verurtheilen Sie mich, wenn Sie können, Emmy. Ich war offen »nd ohne Rückhalt gegen Sie, wie ich es nur einer Schwester gegenüber hätte sein können, wenn daS Geschick mir eine solche beschiedcn hätte. Auch glaube ich, Ihnen diese Offenheit schuldig zu sein. Ich bin zu lange im Hause Ihre» Herrn Vaters heimisch, und unsere Eltern standen in zu inniger Be ziehung zu einander, als daß wir mit Fug und Recht vor einander Geheimnisse haben könnten." „Das ist auch meine Ansicht," erwiderte sie in sanftem Tone. „Dennoch danke ich Ihnen für Ihr Vertrauen, lieber Edmund! Ich weiß Ihre Freundschaft zu schätzen und glaube Ihnen dies am besten dadurch beweisen zu können, daß ich in gleicher Weise gegen Sie; offen bin. Einwcnden kann ich freilich gegen Ihren Entschluß^ nichts, und selbst wenn ich begründete Einwendungen machen könnte^' so würde mir das nichts nützen, denn — Sie lieben einmal, und, vor diesem Machtworte muß jede andere Stimme schweigen. Nur auf! Eins möchte ich Sie aufmerksam machen, lieber Edmund. So jung und unerfahren ich auch bin, so glaube ich doch die Ansicht bestimmt vertreten zu können, daß eine Liebe ohne gegenseitiges Vertrauen, ohne das unbedingteste Vertrauen ein Unding ist. Das, was Jeder, der Sie näher kennt, als unschätzbare Tugend an Ihnen verehrt, die Offenheit, die vollkommene Harmonie Ihres inneren Wesens mit Ihrem äußeren, — haben Sie wohl je daran gedacht, ob diese Tugend auch Ihrer Braut in dem Grade eigen, wie sie für ei» glückliches Eheleben nothwendig ist? Wahrheit und Vertrauen, lieber Edmund, das sind die Grundpfeiler jedes Freundschafts- jedes Liebes- bündnisses. Denken Sie einmal nach: das Mädchen, dem Sie in so hohen, Grade zugethan sind, ist verschlossen, in sich gekehrt. Ich gebe es zu, sie mag ein Gcheimniß haben, das sie vor den Augen der Welt geheim zu halten begründete Ursache hat —" „Fräulein Emmy!" unterbrach er sie im Tone des Unwillen». Die Fortsetzung dieses spannenden Romans folgt in 'ter Nummer Dienstag, den 3. Juli 1888. Nr. UN, ständig einer Hentsc der u gierige mehre waschr bassin, bar r bis k Trans Irans; einer portir durch gestell Auf k 60 C arbeit rutsch. practi Haup noss> ist in lichere hier. 18 P auf i prach, Leute alljäh belieb der 3 Ball deren dem tags lolen Schü n.atzsi »chm in de beere, finde, Musi «insch Nach ab u, ton», fosorl s'vei Cent, Block trüi» lingc, Iverd and 11 l Stau iverd Bel lichei gema einer betra L. d, mit der , sich ! Broc Kon; Ha», Berl Der leit man War Behi prüf sann Beri Der Hier der mied trägl errci Red, hiev »vclc! Eins die, Str< and. Lag. aber Sch Leo, hän Brü Her schw Die halt der und ablc in 2 -Ger Für den Jnseratentheil verantwortlich: Der Verleger. — Druck und Verlag von Alexander Wiede in Chemnitz.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)