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Sächsischer Landes-Anzeiger : 01.07.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188807010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880701
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-07
- Tag 1888-07-01
-
Monat
1888-07
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 01.07.1888
- Autor
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Unbemerkt von der übrigen Gesellschaft hatte sie ihn während! dieser Worte in den an das Zimmer stoßenden größeren Gesellschafts salon geführt, welcher nur bei besonderen Festlichkeiten in Stand ge setzt wurde und daher heute Abend vollständig leer war. Nur ein matter Kerzenlicht strahlte von dem Bronce Kronleuchter aus, welches die schwarzen Palisander-Möbel im düsteren Schimmer erglänzen ließ. „Emmy," gab er mit gezwungenem Lächeln zur Antwort, „zürnen Sie mir nicht, wenn Sie heute die gewohnte Heiterkeit meines Wesens vermissen. Die anstrengenden Arbeiten meines Berufs, man cherlei Geschäftssorgen ließen mich leider nicht früher daran denken, daß es ein Herz gicbt, welches, wie ich zu hoffen wage, mich mit einiger Ungeduld erwartete." Sie schüttelte leicht den Kopf und sah ihm forschend in's Auge. Ein Ausdruck des Zweifels lag in ihren Zügen, die plötzlich wunder bar ernst geworden waren. „Das sind Ausflüchte, Edmund! So viel ist jetzt nicht zu thnu und . . . was haben Sie mit Geschäftssorgen zu schaffen?" Er fuhr fort, sich zu entschuldigen, und bot seine ganze Willens kraft auf, um heiter zu erscheinen, bis es ihm endlich gelang, das holde Wesen zu beruhigen, das ein so lebhaftes Interesse an ihm zu Nehmen schien. Sie kehrten zu der Gesellschaft zurück. Werner wurde Von dem Vater Emmy's, dem Bankier Wendling, in dessen Geschäft er al? erster Buchhalter und Kassirer fungirte, mit allen Zeichen fWtiMchen Wohlwollens begrüßt. Bald war die Unterhaltung leb haft im Gange, und als inan an der Abcndtasel Platz nahm, fügte es sich, daß Werner neben Emmy zu sitzen kam. Da bediente sie ihn denn mit einer reizenden Geschäftigkeit. Sic ließ cs sich nicht nehme», sein Glas selbst zu füllen und ihm die besten Stücke vorzulegen. Werner schien vollständig umgewandelt. Er unterhielt durch seine glänzende Beredsamkeit die Gesellschaft in der angenehmsten Weise. Sein lebhafter Geist äußerte sich in tausend launigen Einfällen und dennoch hätte ein schärferer Beobachter wahrnehmcn müssen, daß sein Attge log, daß seine vom Rebensaft aufgcstachelte Heiterkeit hin und wider etwas Unnatürliches hatte. Emmy's Blick hing jedoch mit dem Ausdruck inniger Bewunderung «in seinen Zügen und doch erbleichte sie einmal, als sein fieberhaft irrender Blick ihrem Auge begegnete. Erst kurz vor Mitternacht trennte sich die Gesellschaft. Werner 'Wär einer der Ersten, die sich zum Aufbruch anschicklcn, obwohl die leichte Falte auf Emmy's Stirne ihm sagte, daß es durchaus nichts geschadet hätte, wenn er der letzte der sich verabschiedenden Gäste ge wesen Wäre. Auch in der beinahe förmlichen Verbeugung, mit welcher er sich von der Tochter des Hauses verabschiedete, lag eine größere Zurückhaltung, als er sie sonst beobachtet hatte. ' Sich tief in seinen Mantel hüllend und den Hut in die Augen gedrückt, trat er hinaus in die kalte, sternenhelle Winternacht. Es drängte ihn, mit seinen Gedanken allein zu sei», daher schlug er rasch den Weg in eine dunkle Seitengasse ein, »nr um den in der fröhlichsten Stimmung schwatzende» Gefährten aus dem Gesicht zu kommen. Als er nur noch das Geräusch seiner eigenen Schritte auf dem verödeten Slraßcnpflaster vernahm, alhmcte er, wie von einer Eentnerlast befreit, tief auf. „Nein!" ries er wild, „diesen Zwiespalt in meiner Brust ertrag' ich nicht länger. Dieser Qual muß ich ein Ende machen. Ich glaube, es wird am besten sei», ich sage es dem Mädchen klar und offen, wie es mir um's Herz ist. Warum soll diese holde, kaum auf geblühte Rosenknvspe ihren Lcbcnssrühling einem Wahne opfern? Bester muß es ja sein, einsam durch's Leben zu wandeln, als in jeder Minute zu fühlen, daß der Mann, den sie gewählt, ihre uner- jchöpsliche Liebe nicht erwitert." Langsam schritt er unter diesen Gedanken seiner Wohnung zu. Der kalte Nachtwind streifte erfrischend seine glühenden Wangen und fast überkam es ihn wie ein Gefühl der Beruhigung, als er seine stille Wohnung endlich erreicht hatte. Hastig entkleidete er sich und begab sich zur Ruhe. Er erwachte frühzeitig nach einer in unruhigen Träumen verbrachten Nacht und erschrak, als er einen Blick in den Spiegel warf und die Blässe seines Antlitzes gewahrte. Mit größerer Sorgfalt, als sonst, vollendete er seine Toilette, und nachdcm er ohne rechten Genuß sein Frühstück eingcnomm », begab er sich nach dem Lomptvir. In gedrückter Stimmung nahm er hier seine Arbeite» auf. Die Zahlen und Buchstaben verschwamme» vor seinen Augen zu einem chaotischen Gcwirre, und minutenlang starrte er oft, in kirfes Sinnen versunken, über das große Kassenbuch hinweg auf die k«re Wand. Mechanisch öffnete er die von der Post eiugegangencn Briefe, aber er las ihren Inhalt heute ohne Verständnis) und legte sie achtlos bei Seite. Es war ihm vollständig unmöglich, zu einer Sammlung zu gelangen. Alle zehn Minuten wars er einen Blick auf die Uhr. Buchhalter und Commis, welche sich mit Fragen an ihn wandten, schüttelten die Köpfe über die einsilbigen, oft verkehrten Antworten, welche sie erhielten. Selbst als später der Prinzipal in kms Comptoir trat, vermochte der junge Mann kaum mit der ganze» Aufbietung seiner Willenskraft den geschäftlichen Auseinandersetzungen zu folgen, und er athmete sichtlich erleichtert auf, als endlich die Stunde schlug, in welcher das Geschäft geschlossen wurde. In beinahe fieberhafter Hast schlug er die schweren Bücher z», «vidirte noch einmal flüchtig den Kasscnbestand, verschloß den feuer festen eisernen Geldschrank und trat dann in das Arbciszimmer des Prinzipals, um ihm, dem Gebrauche gemäß, die Schlüssel zu über geben. Der alte Wendling mochte seine Aufregung errathe». Er foh ihn mit einem eigcnthümlich forschenden Blick an: „Sie scheinen es heute sehr eilig zu haben, lieber Werner?" fragte er mild. „Ja, Herr Wendling!" versetzte er in leichter Verwirrung, „ich habe einigen Freunden versprochen, den Abend mit ihnen zuzu- Lringen." Der Bankier nickte. „Ich wünsche Ihne» viel Vergnügen!" entgegnete er mit einem verbindlichen Lächeln. Werner dankte und schritt nachdenklich auf die Straße hinaus. „Waldemarstraße 11," flüsterte er im raschen Gehen vor sich hi», und schon nach Verlauf einer halben Stunde stand er vor dem bezeichneten Hanse. Klopfenden Herzens trat er in die gcivölbtc, ge räumige Hausflur und stieg dann langsam die Treppe hinan. Oben angclangt, versperrten ihm zwei neben einander befindliche Glasthüren den Weg. Hastig zog er die Klingel und vernahm gleich darauf, wie ein leichter Schritt auf dem Gange ertönte. Eine Gardine hinter ber Thürscheibe ward hastig hinweggcschvbcn, und die Umrisse eines jugendlichen Mädchcnantlitzcs hoben sich auf der glatten Fläche ab. Darnach wurde die Thür mit einiger Vorsicht geöffnet, und die blonde, von dem jungen Dilettanten am vergangenen Abend so scharf getadelte Geigerin erschien auf der Schwelle. „Sie verzeihen gütigst, Fräulein!" begann Werner »ach kurzem, fast nachlässigem Gruße, „ich wünschte das Fräulein Zriny zu sprechen!" Die Angeredete musterte den Besucher mit einem forschenden «lick. „Die Zriny ist mit ihrer Toilette beschäftigt, da wir sogleich zum Concert müssen," versetzte sie kurz, fast herb. „Vielleicht könnte ich Ihnen die erforderliche Auskunft geben?" „Ich muß das Fräulein selbst sprechen, Mademoiselle!" rief Werner mit einem Anflug von Schroffheit. „Hier haben Sie meine Marte; ich werde warten, bis Fräulein Zriny ihre Toilette beendet hat!" Es lag eine solche Bestimmtheit m dem Auftreten des jungen Mannes, daß das Mädchen, augenscheinlich cingeschüchtcrt, keine weitere Entgegnung wagte, vielmehr die Karte an sich nahm und Hamit im Inner» des Korridors verschwand. Nur wenige Minuten verstrichen, während welcher Zelt er in athemloser Spannung wartete. Selbst diese kurze Frist dünkte ihm eine Ewigkeit. Dann schlugen die Worte an sein Ohr: „Guten Tag, Herr Werner! Bitte, wollen Sie gefälligst näher treten?" Er bebte zusammen bei dem Klange dieser Stimme und einen Augenblick war es ihm, als drängte alles Blut gewaltsam seinem Herzen zu. Noch verwirrter war er, als er Derjenigen Auge gegen Auge gegenüber saß, die diesen Sturm in seinem Innern erregte, und vergeblich rang er nach Worten, um den ihn beherrschenden Gefühlen Ausdruck zu geben. Die Harsnerin hatte ihm gegenüber auf einem Plüschsesscl Platz genommen. Ihr Aussehen war gänzlich verschieden von dem, welches sie am vergangenen Abend so unbedeutend neben ihrer Gefährtin hatte erscheinen lassen. Jeder unbefangene Beobachter mußte auf den ersten Blick wahrnehmen, daß nicht ihre Gefährtin, sondern sie Die jenige sei, welche den Preis der Jugend und Schönheit in dem musi kalischen Trio verdiente. Ihr reiches, bläulich schwarzes Haar fiel in anmuthigen Locken herab und ließ die hohe, stolze Stirn gänzlich unbeschattet. Und wenn auch ihre Züge noch dieselbe tödtliche Starrheit athmeten, wie sie über ihrem ganzen Wesen ausgegossen lag, so kam doch durch den eigenthümlich sinnenden, verschleierten Blick der dunklen, feelenvollen Augen ein unbeschreiblich anziehender und rührender Ausdruck in das feingeschnittene Antlitz. Auch hob sich heute ihre ebenmäßige Figur in dem anschließenden, schwarzen Hausklcide auf das Vortheilhafteste hervor und Jeder, der dieses räthselhafte, schöne Geschöpf jetzt sah, mußte sich unwillkürlich gestehen, daß von den Tausenden musikalischer Mädchen, die alljährlich die böhmischen Gebirgsstädtchen verlassen, um in der Fremde ihren Unterhalt zu suchen, ihr nicht leicht eine den Rang streitig machen konnte. „Es ist lange her, daß wir uns nicht gesehen, Anna!" begann der junge Mann nach einer kurzen Pause. Sie nickte leicht mit dem Kopfe und ein sanftes Lächeln glitt durch ihre Züge, als sie erwiderte: „Bald drei Jahre, Herr! Sie sah vor sich nieder und zuckte schweigend mit den Schultern, während ein schmerzlich bitteres Lächeln um ihren Mund spielte. „Anna!" fuhr er in leidenschaftlichem Tone fort, „warum ver schwanden Sie vor drei Jahren auf eine so unbeschreibliche Weise ans Wien, ohne nur ein Wort oder eine Zeile des Abschieds mir zu hiulerlnssen? Hatte ich das um Sie verdient?" Wieder bestand ihre Anwvrt in dem leichten, von einem bitteren Lächeln begleiteten Achselzucken. „Anna! Sie wußten, daß ich Sie liebte!" rief Werner mit unter drückter Heftigkeit, „warum flohen Sic mich?" Sie sah ihn forschend an nach dieser Frage. Ueber sein Antlitz glitt ein rasches Zucken und verwirrt senkte er den Blick zu Boden. „Ich dachte mir, daß die arme Harfncrin nie und nimmer Ihr Weib werden könnte," gab sie in langsamem Ton zur Antwort, „des halb zog ich von meinen Wirthsleutcn aus und hintcrließ bei ihnen, daß ich allein weiter reisen wollte. Dasselbe mußte auch unser Diiector sagen. Dann hielt ich mich so l'nge in der Siadt verborgen, bis ich bestimmt erfahren, daß Sie in der Meinung, ich sei fort, Wien ver lassen hatten. Erst vierzehn Tage später pcrlicß auch ich die Kaiscrstadt. In Prcßburg traf ich mit dem Geiger Brandey und dessen Tochter Lucic zusammen. Ich kannte sie von früher und Hab' mit ihnen bis jetzt zusammengehalten." „Ja, das ist eine schöne Gesellschaft," wandte Edmund unwillig ein; „wie konnte eine Künstlcrin, wie Sie — eine Virtuosin auf ihrem Instrument, — sich so herabwürdigen, die erbärmlichen Jeremiaden dieses Pfuschers zu accompagnircn?" „Legen Sie mir's nicht übel aus," bat sie, „ich thäl's wahr haftig nicht, wenn ich nicht müßte." „Und warum müssen Sie es? Wer zwingt Sie dazu? Wer gab diesen Vagabonden ein Recht über Sie?" „Das ist mein Geheimniß, Edmund! Wohl das einzige, welches ich vor Ihnen habe," seu'zte sie; „ich kann, ich darf es Ihnen nicht ägen, wenigstens nicht jetzt, später vielleicht, wenn —" „Anna!" unterbrach er sie, wie von einem Plötzlichen Gdankcn ergriffen, „würden Sie darein willigen, mein Weib zu werden, wenn ich Ihnen sage, diß ich der Welt und meinen Verbindungen zum Trotz mit Ihnen vor den Altar >reten, diß ich, mit einem Worte, Alles thun will, um Sic glücklich zu machen ? Sprechen Sic Ja, Anna, und noch heute werfe ich jedes Hinderniß über den Haufen. Ich bin unabhängig und reich genug, um das zu tonnen, und besitze hinlänglich so viel, um Ihnen ei» Loos zu bereiten, welches Ihre» würdig ist." Nur einen Augenblick war ihr Auge in lebhaftem Glanze auf geleuchtet. Dann aber schüttelte sic wieder traurig c as Hanpl und sagte: „Die Hindernisse sind bereits zu groß, als daß Sie sich über sie hinwegsetzen könnten, obue die Folgen schwer auf Ihrem Haupt, zu fühlen. Sie können Ihre Verlobung mit der schönen Bankiers tochter nicht rückgängig mache», ohne dem armen Kinde das Herz zu brechen; denn so viel ich erfahren habe, ist ihre Liebe zu Ihnen ebenso tief, wie aufrichtig!" „Anna!" rief er erregt, „von wem haben Sie dieses Märchen?" „Es ist kein Märchen," antwortete sie eifrig, „alle Welt hält es für eine ausgemachte Sache, das; Sie sich mit der Tochter Ihres Prinzipals verhcirathen werden. Ich habe Sie gestern i»> Bcndler' scheu Kaffeehanse, wo wir musizirtcn, gesehen und mich svg'eich nach Ihren Verhältnissen erkundigt. Meine Wirthiu kennt Sie genau und sagte m r, Sie wären mit dem Fräulein .... Wendling — wenn ich nicht irre, verlobt, und zu Neujahr soll bereits die Hoch zeit sein." „Das Meiste an der Sache ist erlogen. Bei allen Vcrmnthnngen und Cvmbinationen trifft die Frau Fama doch nicht immer den Kopf des Nagels," sagte Werner lächelnd. „Mein Vater war aller- dings ein intimer Freund des Herrn Wendling. Ich habe in seinem Geschäft gelernt, bi» mit wenigen Unterbrechungen darin thätig ge wesen und habe mich zum Disponenten heranfgcarbeitct, was mir um so leichter wurde, als der größte Thcil meines ererbten Ver mögens in dem Geschäft angelegt ist. Daß er cs nicht ungern sehen würde, wenn ich mich um die Hand seiner Tochter bewürbe, weiß ich, und cs mag auch seine Richtigkeit haben, daß das Fcänlein mir gewogen ist, und dennoch —" „Dennoch?" fragte Anna, als er innchielt. „Sie ist das gutherzigste, liebenswürdigste Kind, das ich kenne," fuhr er fort. „Sie muß durch ihre engelgleiche Güte und Sanft- mnth unfehlbar jeden Mann beglücken. Ich glaube Wohl, daß ich in der That bei ihrem Vater um sie angehaltcn hätte, wäre» nicht duich Ihr Erscheinen, Anna, alle nur mühsam eingeschläserten Empfindungen i» meinem Herzen von Neuem wachgcrnfen worden, und ich bin fest überzeugt, unglücklich wäre ich mit dem holde» Kinde nicht geworden. Doch wer kann für die Regungen seines Herzens? Das meine schlägt ruhig fort, wenn ich sie sehe, und nichts Anderes beseelt mich für sic, als eine rein freundschaftliche Zuneigung. Das schwöre ich Ihnen, Anna!" „Und wenn die junge Dame »nu eine gleiche Neigung zu Ihnen hätte," sagte Anna, „wäre das nicht die sicherste Bürgschaft für ein dauerndes, ungetrübtes Eheglück? O, Edmund, warum jage» Sie einem Irrlicht »ach und lasse» das glänzende Lichtbild, welches Ihnen gewiß ist, im Stich?" Sie sah ihn bei diese» Worten mit ihren dunkle» Augen so forschend an, daß er beinahe verlege» die seinen zur Erde senkte. „Anna!" r!ef er, „wenn Sle nur ein etwas mehr als ober» flächlicheS Interesse an mir nähmen, würden Sie so nicht sprechen) Für mich giebt es doch einmal kein anderes Lebensglück, als das-l jenige, welches im Lieben und Geliebtwerden liegt. -Mag auch Lieben! in vielen Fällen gleichbedeutend sein mit Leiden, viel besser das, alH in ruhigem Tempo an der Seite eines ungeliebten Wesens die Lebens-» bahn hinabschreiten. Für mich ist die reizendste, behaglichste Häus» lichkeit werthlvs, wenn sie nicht durch den sonnigen Glanz der Licbv verklärt wird." „Ich weiß nichts davon," sagte sie tonlos, „aber wer mich zur Gattin will, muß auf jede Häuslichkeit Verzicht leisten. Weiß ich doch nur zu gewiß, daß ich nicht geschaffen bin, um als stiller, freundlicher Genius der Familie zu walten. Wie ich keine Heimath habe, so ist auch in mir keine Ruhe, kein Sinn für den Frieden des. Hauses. Der Wandertrieb ist mir angeboren, und wie einen Zugvogel treibt es mich von Ort zu Ort und läßt mich nirgends länger ruhen, als zur dringendste» Erholung nothwendig ist. Heute hier, morgen dort, lautet meine Parole. Nur im rastlosen Umherschweifen find« ich eine gewisse Befriedigung, Glück aber nur in der Pflege meiner Kunst.^ „Anna, was höre ich?" rief der junge Mann betroffen. „Wie! Der Gedanke hätte nichts Verlockendes für Sie, als Hausfrau in einem schönen, geschmackvoll eingerichteten Hause zu glänzen? Als Herrin zu gebieten über Dienerinnen, die Ihrem leisesten Winke ge horchen? Halten Sie es für nichts, bewundert zu sein in Salons und Gesellschaften, deren Zierde Sie sein würden?" Sie schüttelte langsam den Kopf und sah ihn mit ihrem stereo typen schmerzlichen Lächeln an. „Nein, Edmund!" entgegnete Anna traurig, „nichts von alledem könnte mich entschädigen für einen einzigen Hauch, den ich von meiner gewohnten Lebensweise opfern müßte. Nein, nein! Ich würde un glücklich werden, würde hinsiechen und sterben, wie die Schwalbe, die mau in den glänzenden Käfig gesperrt. Ach, ich bin einmal nicht dazu geschaffen, einen Mann zu beglücken; Sie wissen es wohl, „Aber kann ich für den Dämon in der Brust," fuhr Anna fort, „der mich vorwärts jagt, rastlos fort von einer Stadt zur andern, über Berg und Thal, über Land und Meer? Und dann fehlt eS ja auch nicht an Stunden, die mich für alle Beschwerden und Müh seligkeiten meiner Irrfahrten reichlich entschädigen. Wenn ich, wie es doch zuweilen vorkommt, allein dem Genius zu gehorchen brauche, der mir nie gehörte himmlische Accorde in die Saiten haucht; wenn ich, durchglüht von der Begeisterung für meine Kunst, befreit von allein Zwange, meine Seele ansströmen lassen kann im Sturm der Harmonien, anstatt die Vorschriften fremder, mir widerstrebender Com- ponist.'n auszuführen und daun das Puplikzun mir Beifall zujanchzt, dann stehe ich auf dem Gipfel alles Glückes, dessen das Menscheu herz hienieden fähig ist." Edmund starrte düster vor sich hin. „Das also nennen Sie Glück?" fragte er traurig. „Siefindcnr es nicht in der Liebe, nicht in dem Austausch zweier Seelen, die sich an einander gewöhnt haben und Alles gemeinsam trage», was das Leben ihnen bietet, und darf ich denn auch nicht die vermessene Hoff nung hegen, daß Sie jemals die Meine werden würden, nicht wahr, Anna? Das süßere, heiligere Glück, welches in den Worten Gattin nnd Mutter liegt, ist Ihnen fremd, wo nicht verhaßt? Sie können and wollen niemals das Weib eines brave», rechtschaffenen Mannes werden nnd also auch nicht mir angchören? Sagen Sie es gerade „Ihr Weib?" fragte sie mit auflcnchtendcn Blicken; „können Sie daran zweifeln, Edmund? Mit tausend Freuden, sogleich, wenn Sie sich der einzige» Bevingnng unterwerfen wollen, die ich stellen, mni, weil sie unzertrennbar mit dem verwachsen ist, was den Nerv-> meines Lebens bildet. „Können Sie es über sich gewinnen, mein Loos zn theilcn, können Sie sich entschließen, Ihre allerdings gleichmäßige und auch wohl ruhige Lebensweise, Ihre Stellung in der Welt aufzugebeu nnd, heimalhlos, wie ich, mit mir durch die Welt zu schweifen, danu, Edmund, will ich Ihr Weib sein, will versuchen, Ihnen alles das zn sein, was Sie-in Ihren kühnsten Träumen von Ihrem Fraucn- Fdcal verlangten, will Gefahr und Noth, Glück und Unglück mit.. Ihnen theilcn, wie dies das Weib mit dem Manne soll." „Das heißt," versetzte er mit bitterem Lachen, „ich soll dies Alles mit Ihnen theilcn. Ich soll der Frau Werner-Zriny als Gatte folgen, womöglich nach ihren Harfenkläugcn tanzen u. s. w.? Das meinen Sie! Soll ich nicht auch mit den Notenblatte cincassiren gehen?" „Edmund! Seien Sie nicht bitter!" mahnte sic in sanftem Tone,, „ich muß dies verlangen! Ich kann nicht anders. Und es ist bei näherer Betrachtung wirklich nicht halb so schlimm, als es voll fern den Anschein hat. Sie spielen die Violine meisterhaft. Wetch ein Ennstlerpaar würden wir abgeben! Sehen Sie, ich sehne mich auch darnach, selbständig zu sei», möchte mich gern der Gewalt des alten, rauhet, Bra Wey entziehen, der mich beinahe noch rauher und rück- nchtslo er behandelt, als seine Tochter. Ist es doch schon eine Qual für mich, mit diewm koketten, hochmüthigen und kaltsinnigen Mädchen alsammen zu lebe». Aach finde ich wohl ohne die Beiden mein Fortkommen, aber von einem Jmprcsario, der mich schnlincistert nnd mein Talent auf seine Manier ausbeulet, möchte ich auf keinen Fall abhängig sein, »nd ohne jeden Schutz allein meinen Weg gehen, das hat viel Unangenehmes und große Schwierigkeiten, denn ich bin nur ein Weib. Wie dankbar würde ich daher Demjenigen sei», der mir die Hand reichte, um mich zu unterstützen in meinem Streben, in meiner Kunst, die mir so sehr am Herzen liegt, der mich erlöste aus diesem Sumpfe, in dem ich über kurz oder lang versinken muß." Edmund schwieg und seine Blicke hafteten finster auf dem Erdboden. „Nun, Edmund?" fragte sie nach einer langen Panse und hob lächelnd ihren Blick zn ihm empor. „Nein, Anna!" entgegnete er tief aufscufzend, „das kann ich nicht. Alles Andere verlange» Sie von mir, nur das nicht!" „Nicht wahr, Edmund?" fragte sie lächelnd, „das Opfer ist zrr groß? Ein solches Opfer kann keine Liebe bringe», und wäre sie rein, und selbstlos und erhc ben, wie die Liebe eines Engels, der aus den himmlische» Sphären hernicderstiege, um aus dem Erdenstaube ein armes Menschenherz zn sich empor zu ziehe». Nie kann die Liebe eines Mannes sich so weit vergessen, seinen Stolz, seine Vorurtheile zu opfern. Ja, der Stolz, der Hochmuth? Darin liegt es. DaS Leben des Mannes wird einmal durch die Liebe nicht ausgefüllt!" „Und ist denn dies bei Ihnen der Fall?" unterbrach er sie scharf und heftig. „Sind Sie den» so selbstlos nnd opferfreudig, wie Sie cs durchaus von mir verlangen? Wären Sie wohl geneigt, irgend etwas Ihrer Liebe zum Opfer zn bringe», — vorausgesetzt, daß Sie überhaupt lieben könnten — wie dies doch des Weibes schönste Eigenschaft sein soll? Würde wohl Ihr Leben durch die Lieb? vollständig ansgefüllt werde»? Sagen Sie nicht selbst, Ihre Kunst ginge Ihnen über Alles?" „Gewiß!" gab sic langsam zurück, „doch ist es bei mir der Genius der Kunst, dem ich mich zu eigen gebe, während es bei Ihnen der Krämergeist, der Thaler ist, den Sie höher schätzen, als das Gebot Ihres Herzens!" „Genug des Streites!" rief er unmnthig. „Diese Worte sagen mir mehr, als alles Andere, daß wir in keiner Weise zu einander passen, daß n»scre Wege gänzlich auseinander gehen. Warum also gewaltsam aneinander schmiede», was sich in Ewigkeit nicht ver schmelzen würde? Dieser Krämergeist, wie Sie ihn neune», ist doch nun einmal ein gutes Thcil von jener Kraft, welche das Wohl ergehen der Menschheit fördert. Fortschritt, Humanität und Bildung, stehen im Dienste des Geldes, des Handels. Er allein wäre in»
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