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Sächsischer Landes-Anzeiger : 01.07.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188807010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880701
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-07
- Tag 1888-07-01
-
Monat
1888-07
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 01.07.1888
- Autor
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s-r.151.-8. Ja,Mlage ^,„n Fachs,schon Kndes-Alyeiger. . T°un.ag.^Jun,i88^ Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. — Expedition: Alexander Wiede, Bnchdruckerei, Chemnitz. Abonnements-Einladung für das mit vorliegender Nummer beginnende 3> Quartal 1888: „Sächsischer Landes-Anzeiger" unparteiische tägliche Zeitung mit täglich einem besonderen Unterhaltungsblatt: 1. »Kleine Botschaft" (illustrirt). 2. ».sächsischer Erzähler^^. S. „Sächsische Gerichtszeitung". 4. „Sächsisches Allerleis (illustrirt). - - - —--- - > - »tags- en ei- < Der „Sächsische Landes-Anzeiger" bringt Im Unterhaltungstheile im neuen Quartale die Erzählungen ES empfiehlt sich ganz besonders, dem Abonnenient auf den Landes-Anzeiger" für das an« 1. Juli 1888 beginnende neue Quartal zutreten, denn jeder Abonnent erhält im September gratis: Jllustrirter Kalender für 1889 als Extra-Beigabe. Dieser Kalender ist in Umschlag gebunden, 84 Seiten 4° stark und ent hält ein farbenprächtiges Oeldruckbild, Almanach, Kalendarium, Messen- und Märkte-Berzeichniß, Regcutentafeln, Uebersicht der Weltbeaebenheiteu 1887/88; einen reich-illustrirten umfangreichen humoristischen Theil, sowie mehrere fesselnde Erzählungen, Hauswirthschaftliches, Statistische Notizen, Tabellen re. re. (Preis dieses Kalenders für Nicht-Abonnenten 40 Psg.) Für das mit heutiger Nummer beginnende neue Quartal nehmen die Ausgabestellen in Chemnitz und Umgegend zum Preise von 310 Psg. (hie Postanstaltcn zu 225 Psg.) Abonnements-Bestellungen auf den „Sächsische» Landes-Anzeiger" mit sämmtlichen sieben Beiblättern entgegen. Der „Sächsische Landes-Anzeiger" ist in der deutschen Post-ZeitungS« Preisliste unter Nr. 6035 (in der österreichischen unter Nr. 3307) eingetragen. Abermaligen zahlreichen Beitritt neuer Abonnenten erbittet die VnliO-Wditiiiil des „SWscheu Landes-Anzeigers", und der Fahrpreise. (Preis dieses Heftes für Nicht-Abonnenten 20 Psg.) " Alexander Wiede, Chemnitz, Theaterstratze 5. Um Verwechslungen zn vermeiden, werden Post-Abonnenten ersucht, bei Bestellungen freundlichst genau zn verlangen» den in ChöNlNitz erscheinende» „Sächsischen Landes - Al1,0lg01!" Leidenschaftliche Herzen. Roma» von Carl Zastrow- Der Geistersee. Roman von G. Höcker. In den Höllengrund. Novelle von R. Ortmann. Der Sohn des Eberwirths. Crim.-Erzählung von C. Zastrow. fl' ' Für das Beiblatt „Sächsischer Erzähler" find abermals eine Reihe sächsischer »nd thüringischer Erzählungen, Sagen, Reise-Erlebnisseund anderweitige Schilderungen zum Abdruck erworben werden. Als Haupt-Erzählung bringt der „Sächsische Erzähler" im neuen Quartal die ungemein spannende und trefflich charakterisirte Erzählung „Das Verkaufte Tonerl" von L. Siegel. Das Beiblatt „Kleine Botschaft" wird In dem neuen Quartal ganz besonders die Männer in Wort und Bild schildern, die sich als Vorkämpfer der deutsche» Einhcitsbestrebungen bemerkbar gemacht haben: ferner auch die Thaten und Schicksale jener Männer berichte», die m den Wirren der Jahre 1848 und 1849 eine hervorragende Rolle spielten. Ueberdies erscheinen in dem nächste» Quartale wieder eine Reihe volksthümlicher Artikel, in denen die verschiedenartigsten sozialen Fragen behandelt werden, ferner Abhandlungen über Gesundheitspflege und anderweitige teichtverständliche Beiträge über all gemeine, Jedermann interessirende Zeitfrage». Das Beiblatt „Jllustrirtes Unterhaltungsblatt" bringt neben verschiedenen unterhaltenden kleineren Erzählungen die Novellen: Die zwei Schwestern von Ehr. Kimmich (mit zugehörigen Illustrationen) und Leila von K. Labacher. Jeder neubeitretende Abonnent, welcher die Abonnement--Quittung an die Verlags-Expedition einsendet, erhält gratis und franco geliefert: WMil-WrKHeft siir Schseil (Sommer-Halbjahr 1888). Dieses Eisenbahn-Fahrplanheft ist in Umschlag geheftet und enthält in sauberem deutlichen Druck die Fahrpläne sämmtlicher Strecken des sächsische» Eisenbahn-Netzes nebst den Anschlüssen sowie die Angabe der Entfernungen . . _ . .. ^ . (Nr. 5035 der Post-Zeitungs-Preisltste). Für die bei Qucrrtalswechsel neu beitretenden Abonnenten wieder holen wir in dieser Beilage den bereits in den letzten Tagen des beendeten Quartals erschienenen Theil des allseitiges Interesse er regenden Romans: Leidenschaftliche Herzen. Die werthen Abonnenten unserer Blätter, welche diesen Anfang der Erzählung bereits besitzen, werden höfischst ersucht, diese Beilage (als Tcxtprobe des Unterhaltungstheiles unseres Blattes) in ihren Bekanntenkreisen weiter zu geben und Jedermann unsere volksthüm- lichcn Blätter zum Abonnement empfehlen zu wollen. Es liegt ja auch mit im eigenen Interesse unserer werthen Abonnenten, ihrerseits durch freundliche Empfehlung unserer Blätter zu deren immer weiteren Verbreitung selbst mit bcizutragen, denn je größer die Zahl unserer Abonnenten, umsomehr vermögen wir ihnen darzubieten. Die Verlags-Expedition. Leidenschaftliche Herzen. Roman von Karl Zastrow. Nachdruck verboten. In einem der besuchtesten Kaffeehäuser der norddeutschen Metropole hatte sich an einem kalten Dczemberabcnde ein zahlreiches Herren personal eingefunden. Es war dies nichts Ungewöhnliches, denn man unterhielt sich hier vortrefflich. Der Wirth des Hauses, ein gereister, vielseitig gebildeter Mann, war eine beliebte Persönlichkeit. Er ver stand es, auf feine Manier für die Unterhaltung seiner Gäste zu sorgen. Zudem waren die Speisen und Getränke von vorzüglicher Qualität und die Bedienung übertras an Schnelligkeit und Prompt heit viele andere Lokale dieser Gattung. Von den Unterhaltungen, mit welchen der freundliche Wirth seinen Gästen die Zeit zu verkürzen suchte, stand die Musik oben an. Allabendlich versammelte sich ein vortrefflich geschultes Streichquartett auf der am äußersten Ende des Saales errichteten Tribüne, und die Piecen, welche zur Ausführung kamen, entsprachen in jeder Be ziehung dem guten Geschmacke der Zuhörer. Man hörte da weder jene faden Couplets im Polkatakt, wie sie bei dem oberflächlichen Theile des großstädtischen Publikums seit langer Zeit zum beliebten Ohrenschmaus geworden sind, noch anderweitige auf die Lachorgane der Zuhörer spckulircnde Texte. Sonaten und Quartette von Beethoven, Mozart und Haydn, Mendclsohns Lieder ohne Worte, und hin und Wider ein Lied von Schumann, mit Feuer und Empfindung zur Begleitung des Pianoforte vorgetragc», das waren die musikalischen Genüsse, welche den Besuchern des Kaffeehauses dasselbe zu einem sehr angenehmen Aufenthalt machten. Um so mehr mußte es den Gästen ausfallen, daß an dem heutigen Abende die alten, bewährten Conzerte ausfielen und durch fremde, zwar neue, aber gänzlich unbekannte Kräfte ersetzt wurden. Man gestand sich kopfschüttelnd, daß dadurch das Lokal einen seiner Hauptreize eingebüßt habe, und begriff den in dieser Beziehung sonst so delikaten Wirth nicht. Warum mochte derselbe mit einem Male eine Bänkelsängerei protegiren? Was konnte man von diesem alten gebrechlichen Violinisten mit dem ergrauten Kopfe erwarten, der ernst und stolz wie ein Spanier zwischen den beiden auch nicht mehr jugend lichen Frauengestalten vor seinem Pulte saß? Freilich spielte er die erste Geige mit vollendeter Fertigkeit. Die Festigkeit und Eleganz seines Bogenstriches, die Reinheit der Töne überraschte jeden Kenner, aber die beiden Damen, welche sein Spiel begleiteten, wessen sollte man sich zu ihnen versehen? Da war zunächst die Harfnerin, die anscheinend ältere, welche in ihrer ganzen Erscheinung nichts darbot, was mehr als ein flüchtiges Interesse hätte in Anspruch nehmen können. Das glänzend schwarze Haar bedeckte in langen Scheiteln Schläfe und Ohren und ließ nur einen kleinen Theil ihrer Sirn sichtbar. Ihre Augenlider waren beständig gesenkt. So wenig während ihres Spieles, wie in den eintretenden Pausen hob sie den Blick, um das Publikum zu mustern. Ihr Gesicht halte eine bleiche Färbung, die Lippen waren fest anf- rinandergeprcßt, was ihrem Munde einen bitteren Ausdruck, ihren Zügen etwas eigenthümlich Starres verlieh. Mau hätle sie für ein Marmorbild halten können, wenn nicht die Beweglichkeit der feinen zarten Finger, die maschinenartig aber zauberhaft schnell in dem Saitengewebe arbeiteten, dem widersprochen hätte. Ihre Gefährtin, welche um einige Jahre jünger erschien, stellte in jeder Beziehung das Gegentheil der eben beschriebenen Persönlich keit dar. Während die Letztere nicht das Geringste that, ums die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu ziehen, schien sie Alles hervorgesucht zu haben, was ihre Reize in das bestmögliche Licht stellen konnte. Das glänzend blonde HaarTlvar zu einem Kranze üppiger Flechten geschlungen, die von einer silbernen Spange zu sammengehalten wurden. Ihre Züge waren regelmäßig und hätten allen Anforderungen klassischer Schönheit entsprochen, wenn nicht ein Ausdruck von Koketterie und Härte sich darin kund gegeben hätte, der eine aufrichtige Bewunderung ausschloß. Zudem erschien auch die feine Rüthe ihrer Wangen zu Wenig natürlich und stand in zu auf fallendem Gegensatz mit den ein wenig matten, umrandeten Auge», als daß man sie für ein Zeichen vollkommener Jugendfrische hätte nehmen können. Sehr häufig ließ sie ihre Blicke durch den Zuhörerraum schweifens; «S war, als wolle sie ergründen, ob die geringe Theilnahme des Publikums ihr oder einem ihrer Gefährten gelte. Sie spielte die zweite Violine und die Art ihres Bogenstriches ließ auf eine gewisse Routine schließen. Die- in Verbindung mit einem feinen Gehör mochte die Ursache sein, daß sie die Accorde ziemlich rein hervor brachte. Nichts destoweniger lag in ihrer Haltung, insbesondere in der Weise, wie sie den Bogen handhabte, viel Kokettes. Man sah wohl sie wollte graziös erscheinen, und dieser Zwang machte sie für den feinsinnigen Beobachter zu einem Zerrbilds. Obwohl das Zusammenspicl der drei Personen ein recht wirk sames genannt werden mußte, schenkten die Gäste der Musik doch nur höchst oberflächliche Aufmerksamkeit. Man lachte, trank, rauchte und unterhielt sich so laut, als sei von einem künstlerischen Genuß gar keine Rede. Allein auf die schöne Violinistin war mancher Blick gerichtet, und wenn sie mit dem Notenblatt hernmging, um das Honorar für die Borträge einzukassiren, wurde ihr manches Lächeln, manches freund liche Schmeichclwort zu Theil, welche Huldigungen sie jedoch, wenn auch nicht gerade unfreundlich, doch mit einer gewissen Zurückhaltung aufnahm. Nur dann, wenn die Spende besonders reichlich ausgefallen war, verkündete ein reizendes Lächeln dem Geber, daß die Schöne ein dankbares Herz habe für Aufmerksamkeiten, welche ihr in klingendem Silber geworden. Es fehlte aber auch keineswegs an Leuten, welche in vollem Mißmnthe über die ve änderten Verhältnisse jede, auch die kleinste Anerkennung hartnäckig verweigerten. Zu diese» gehörte offenbar auch jener junge, blondgelockte Mann mit dem weichen, ein wenig träu merischen Gesichlsausdrncke, welcher an einem vereinzelten Tische in einer Ecke des Saales Platz genommen hatte und mit verdrießlichem Blicke, in welche», sich außerdem ein leiser Zug von Verachtung zu erkennen gab, die drei mnsici'rcndcn Personen betrachtete. Er verfehlte auch nicht, seine» Gefühlen thätlichen Ausdruck z» geben, denn als nach beendigten. Vortrage die blonde Virtuvsin mit dem Notenblatt in der Hand ihren Umzug hielt und sich dabei auch seinem Tische näherte, warf er ihr zwar ein Geldstück zu, er that dies jedoch mit eine», so verächtlichen Zuge um den Mund und in so schroffer, hoch mütiger Weise, daß jählings eine dunkle Ziöthe in die Wangen des Mädchens schoß und dasselbe, wie vom Blitze getroffen, stehen blieb. Nur einen Augenblick sah sie den Geber mit einem trotzigen, heraus fordernden Blick an. Ihre Lippen bebten, als wolle sie etwas er widern; dann aber wandte sie sich rasch um und verschwand zwischen den laut schwatzenden Grnppen der Gäste. Der junge Mann hatte dies Alles nicht abgewartet. Er war sogleich, nachdem er dem Mädchen die Gabe zugeworfcn, scheinbar absichtslos aufgestanden, Halle mit vollkommener Nonchalance die Asche von seiner Cigarre geschnellt und sich dann nach einem anderen Platze umgesehen. So unbedeutend diese kleine Scene an und für sich sein mochte, war sie doch nicht unbemerkt geblieben, und als nun der Held der selbe» sich einem Tische näherte, an welchem zwei junge, ihm be kannte Herren saßen, wurde er von einem derselben mit den Worten empfange»: „Na, Werner! Du scheinst heute ganz besonders übler Laune zu sein. Was haltest Du denn mit der hübschen Kleinen vor, daß sie Dir einen Blick znwarf, der einen Vulkan hätte in Eis verwan deln können?" „Ich mag diese Bettelmusik nicht leiden I" fuhr der junge Mann auf, indem er sich auf den Stuhl »icderließ, den der eine der beiden Freunde ihm zurecht gestellt hatte, „und ich begreife wahrlich den Herrn des Hauses nicht, der uns dergleichen zu bieten wagt. Wo bleiben unsere schönen Quartette, die bereits eine Berühmtheit er langt hatten? Von morgen ab komme ich nicht mehr hierher!" „Nun," nah», derjenige der beide» Freunde, welcher bisher ge schwiegen, das Wort, „es ist doch einmal eine Abwechslung, und diese cigenthümlichcn ungarischen und böhmischen Volksweisen, die wir zu hören bekommen, haben doch auch einen gewissen Reiz." „Man muß dergleichen von den Künstlern ihrer Heimathländer vortragen hören, will man einen vollkommenen Genuß haben." „Du nennst doch hoffentlich diese Leute mit ihrem ohrenzer reißenden Gequieke und Geklimper nicht auch Künstler?" fragte Werner mit verächtlichem Lachen. „Seht Euch einmal den Alten an, wie er ohne Sinn »nd Verstand mit dem Violinbogen auf seinem Scufzerkasten herumwirbelt. Noch nicht einen einzigen reinen Ton habe ich gehört. Da ist auch nicht eine Spur von Rundung und Kraft im Fortissimo, keine Idee von Biegsamkeit und Zartheit m Adagio, kein sanftes Anschwcllcn, Bibriren und Verschwimme», und vom Staccato hat er gar keine Ahnung; »nd nun erst dieses freche Weibsbild, das das Werkzeug der holdesten Kunst zum Schäfer stabe, das herrliche Gesang-Instrument zur Heulmaschine macht! Psni über eine solche Herabwürdigung der Kunst!" „Dein Urtheil ist sehr hart, lieber Werner, es ist grausam! Man könnte cs ungerecht nenne», wüßte man nicht, daß Eduard Werner, obgleich nur Dilettant, doch ein Violin-Virtuose ersten Ranges ist!" „Ich glaube auch ein wenig von der Musik zu verstehen," setzte Randow, der Zweite der beiden Freunde, hinzu, „und wenn ich offen sein soll, so muß ich sage», daß die Vorträge, im Ganzen genommen, keinen üblen Eindruck ans mich machen!" , „Nun, meinetwegen!" versetzte Werner mit einem Anflug von Zerstreuung. „Der Geschmack ist verschieden." Ohne weiter auf seine Freunde zu achten, saß er finster, mit leichtem Stirnrunzeln, aber doch tief nachdenklich, das Auge aus die drei Künstler gerichtet. „Und daß sie sich diesen Vagabunden angeschlossen hat, sie —" Er hatte diese Worte halb flüsternd, fast absichtslos gesprochen, sich aber schnell unterbrochen, als er gewahrte, wie die Freunde ihn mit hohem Erstaunen ansahen. „Wen meinst Du eigentlich?" fragten Beide, wie ans einem Munde. Doch in demselben Augenblick nahmen sie wahr, wie sein Auge blitzähnlich aufleuchtete und ein fliegendes Roth in seine Wangen schoß. Als sie der Richtung seines Blickes folgten, sahen sie die Harfnerin, die zum ersten Mal an dem heutige» Abend daS Haupt emporgeworfen hatte und starren Auges nach dem Tische hinübersah, an welchem die drei Musikliebhaber saßen. ES war nur ein kurzer Moment gewesen, allein er mußte hinreichen, um jedem schärfere» Beobachter den Beweis zu liefern, daß in die em tiefdunklen Angenpaar eine Welt von Räthseln lag, eine inhaltreche Lebensgeschichte geschrieben stand; aber ebenso mußte Jeder, auf den diese Circe de» Blick richtete, sich eingestehen, daß diese unvergleich lichen Augen ihrem ganzen Wesen die Weihe der Schönheit verliehen, daß sie zu gleicher Zeit fesselten, bezauberten, entzückten und ver nichteten. :- Der leicht erregbare Randow mochte etwas dem AehnlicheS fühlen. Er rief, indem er voller Extase mit der Rechten auf den Tisch schlug: , , „Bei Allem, was mir heilig! Das ist ein Juwel, der seinen Glanz dem Auge der Welt zu entziehen strebt! Laßt in diese starren Züge den Hauch eines glücklichen Gedankens treten, laßt die raben schwarzen Locken frei und fcsiellos um die Alabasterstirne spielen, statt dieses altfränkischen Gewandes ein anschließendes Kleid sich um den schlanken Wuchs schmiegen, und Ihr habt die Götti» der Schön heit leibhaftig vor Euch!—" ... . - „Thörichter Schwärmer!" — rief der junge Tadler mit einem bitteren Lächeln. „Sv eine böhmische Harfnerin ohne Feinheit und Grazie ein Juwel? Doch ich vergaß, Du hast dabei an die böhmischen Edelsteine gedacht! Du sagst ferner, sie entziehe ihren Glanz dem Auge der Welt? Doch wohl nicht dadurch, daß sie sich als musicirende Bagabundin an öffentlichen Orten den Blicken Aller Preis giebt? Und was findest Du denn an ihr Schönes? Welcher Geschmack, sich für den slavischen Gesichtsiypus zu begeistern!" Er lachte bitter und grell auf nach diesen Worten uud stürzte hastig sein Glas hinunter. Randow schüttelte in leichter Erregung den Kopf. „Wie kann man, ich bitte Dich, Werner so blind sein, diesen echt romanischen Gesichts schnitt auf slavischen Ursprung zurückzuführen? Aber Du hast einmal ein Vorurthcil!" — „Streitet Euch nicht um des Kaisers Bart!" suchte der Dritte zu vermitteln; „es ist wirklich des Redens nicht Werth." Werner stand, ohne ein Wort weiter zu verlieren, in der übelsten Laune auf, langte Hut und Ueberzieher von dem Wandriegel und schickte sich an, das Lokal zu verlassen. „Schon jetzt willst Du fort, Werner?" „Ja, Berthold!" klang es kurz, fast mürrisch von den Lippen des jungen Mannes; „ich habe noch heute eine Arbeit zu erledigen, die keinen Aufschub zuläßt!" Er schritt nach kurzem Gruße hinaus, ohne den Freunden, welche ihm kopfschüttelnd nachfchauten, die Hand zu reichen. Gedankenvoll, den Hut tief in die Augen gedrückt, schritt er durch die noch ziemlich belebten Straßen. Es war bitter kalt. Der Wind pfiff ihm schneidend um die Ohren, aber er achtete dessen nicht. Vor einem neuen drei stöckigen Hanse von eleganter Bauart blieb er stehen. Die Fenster im ersten Stock waren glänzend erleuchtet, und hinter den weißen Vorhängen bewegten sich dunkle Schatten. „Ob ich hinaufgehe?" flüsterte er, während er sinnend empor blickte; „nein, ich bin nicht in der Stimmung, wie sie zu der glänzen den, fröhlichen Gesellschaft da oben Paßt, und dennoch möchte ich es wagen! Vielleicht werde ich abgezogen von jenem dämonischen Bilde, das seit wenigen Stunden wieder meine Seele beherrscht und mich zu keiner Ruhe kommen läßt! Vielleicht —" Er zog entschlossen die Hausglocke. Das Thor öffnete sich, und hastig schritt er durch den von Gasflammen strahlend erleuchteten Haus flur die breiten Marmorstufen hinauf. Oben angebangt, trat er ohne Weiteres vom Korridor aus in den tageshellen Salon, in welchem sich eine kleine aus Herren und Damen bestehende Gesellschaft befand, von welcher er bei seinem Eintritt in der freundschaftlichsten Weise begrüßt wurde. Rasch überflog sein Auge den glänzenden Kreis, und es hellte sich gewissermaßen auf, als es nur bekannte Gesichter traf. Schon wollte er sich zu dem Herrn des Hauses begebe», der, wie er durch die offenstehende Seitcnthllr bemerkte, im Nebenzimmer mit mehreren anderen ältlichen Herren am Spieltisch saß, um sich vorzustellen und ihn zu begrüßen; dabei aber mußte er an einer Gruppe von drei blühenden, jungen Mädchen vorüber, die lachend und plaudernd auf dem Divan saßen und die Blätter eines elegant gebunden Albuins besichtigten. Er wollte, ohne sich umzusehen, vorübergleiien. Da aber klang eine Helle Silberstimme halb scherzend, halb vorwurfsvoll an sein Ohr: „Herr Werner, haben Sie, nachdem Sie so lange ans sich warten ließen, nicht einen Gruß für Ihnen befreundete Damen?" Es war ein schlankes Mädchen von kaum 17 Jahren, welches diese Worte sprach. Eine angenehme Lebhaftigkeit und Munterkeit, verbunden mit einer reizenden Naivetät, waren wie ein duftiger Hauch über ihr ganzes Weses gebreitet und verliehen ihrem Antlitz das Ge präge einer bezaubernden Unschuld. Man konnte in diese klaren blauen Augen nicht hineinsehen, ohne sich zu gestehe», daß sie der Spiegel einer durchaus reinen Seele, der Abglanz eines edlen, echt weiblichen Charakters seien, „Verzeihung, Fräulein Emmy," sagte der junge Mann leise, „es drängte mich, zunächst Ihrem Herrn Vater meine Aufwartung zu machen. Darnach würde ich es gewiß nicht unterlassen haben —" Sie war hastig aufgesprungen, nachdem sie das Album in den Schooß der Freundin hatte gleiten lassen. „Keine Phrasen, lieber Edmund," flüsterte sie in leichter Erre gung, indem sie seine Hand ergriff und ihn hastig mit sich fortzog. Wir haben Sie heute früher erwartet. Fällt es Ihnen denn so schwer, Wort zu halten, oder fühlen Sie sich bei uns nicht heimisch? Seien Sie offen, lieber Edmund! Es ist leider nicht das erste Mal, dafl ich Sie mit dieser Aktenrunzel auf der Stirn sehe."
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