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Viertes Blatt Donnerstag, den 26. März Ar. 72 Aus aller Welt Hier ist exemplarische Strase am Platze! Dienstag abcnD vaste im Westen Berlins tw Privatauto in irrsinnigem Tempo -urch die Straßen. Die Folge davon vareu fünf Schwerverletzte. Zuerst über» fuhr der Wagen ein Motorrad mit Bei. wagen. Der Motorradfahrer wurde vom Sitz geschleudert und blieb schrververletzt liegen. Das Motorrad blieb mit -er Stoßstange am Auto hängen und wurde M Meter mitgeschleift. Das Auto setzte seine LiZahnsinnsfahrt fort. Es fuhr eine Autodroschke an, die 15 Meter iveit zur Seite geschleudert wurde. Fahrer und Passagier bcr Droschke wurden schwer verletzt unter den Trümmern begraben. Ein Privatautomobil machte sich an die Verfolgung des Wagens. Als der wilde Fahrer merkte, daß er verfolgt wurde, steigerte er sein Tempo noch. Er fuhr mit einem Privatauto zusammen und wieder wurden zwei Personen schwer verletzt. Inzwischen hatte man das Uebersallkom- maudo alarmiert, dem es gelang, den Unglückswagen zum Stehen zu bringen. Am Steuer saß ein etwa 26jähriger Mann, er war vollkommen betrunken. Seine Personalien konnten noch nicht fest gestellt werden, nran vermutet, -aß er das Auto gestohlen hat. Ein neuer Versicherungs««»-? Am vergangenen Sonnabend früh wurde die Mjährige Ehefrau Les Tischlermeisters Basche in ihrer Wohnung in der Stuben- rauchstraße in Berlin-Friedenau mit einer schweren Kopfverletzung tot aufge- funden. Ter Ehemann, der der Polizei die erste Mitteilung von der Tat machte, wurde im Laufe der Ermittelungen in Hast genommen. Bei den Vernehmun gen verwickelte sich Basche in zahlreiche Widersprüche, auch wurden auf seiner Ar beitskleidung von dem Gcrichtschemiker Blutspritzer gefunden, die als Blut der ermordeten Frau nachgewiesen werden konnten. Basche hat zusammen mit sei ner Frau vor einigen Monaten eine Lebensversicherung über 800 Mark abge schlossen. Da Basche vor zwei Jahren schon einmal in den Verdacht geraten war, in seiner Wohnung einen Brand an gelegt zu haben, um eine Versicherung wirksam zu machen, nimmt man an, daß er seine Frau erschlagen l)at, um sich in den Besitz der Versicherungssumme zu setzen. Basche bestreitet nach wie vor, die Tat begangen zu haben. Hyänen des Grunewalds. Von der Berliner Polizei wurden sechs Burschen sestgenommen, die neben Wilddiebereien als Spezialität Leichenfledderei an Selbst mördern betrieben. Die Leiche eines Ber liner Ingenieurs, der sich im Grunewald erschossen hatte, wurde von ihnen geplün dert. Auch die Waffe, mit -er sich der Ingenieur erschossen hatte, wurde ge raubt und verkauft. Die Räuber sind geständig. Bedauerliches Mißgeschick. Bei einem Besuch der Untertertia des Lübecker Io- hanneums unter Führung ihres Lehrers in der Kaserne des 2. Bataillons des In ¬ fanterieregiments 6 ereignete sich ein be dauerlicher Unfall. In der Waffenmei sterei der Maschinengewehrkompanie ent lud sich, als der Waffenmeister den Schü lern Erläuterungen an einem Maschinen gewehr gab, aus bisher noch nicht geklär ten Gründen plötzlich ein im Lauf stek- kender scharfer Schuß. Das Geschoß traf einen Schüler in die Hand, einen zwei ten in den linken Oberschenkel. Tie Ver wundung -es letzteren ist lebensgefähr lich. Das Standortkommando Lübeck hat eine Untersuchung des Unglückssalles ein geleitet. Ter Waffenmeister erlitt infolge des Zwischenfalles einen Ncrvenznsam- mendrnch. Die todbringende „Todesschleise". Tie ,,Vosfische Zeitnng" meldet aus Helsing- sors: Während einer von 10 000 Perso nen besuchten Werbeveranstaltung des Militärflugwesens, dessen Höhepunkt eine von fünf Flugzeugen gleichzeitig ausgc- führte Todesschleif« bildete, stießen plötz lich zwei Flugzeuge zusammen und explo dierten. Unter den Zuschauern brach eine Panik aus, da die brennenden Flugzeug trümmer in die dicht gedrängte Menge zu stürzen drohten. Die Flugzeuge wurden aber durch den starken Wind während des Sturzes abgetrieben und fielen auf das vereiste Meer nieder, wo sie das Eis durchbrachen. Die aus drei der besten Fliegeroffiziere Finnlands bestehende Bemannung konnte nnr tot ans den Trümmern geborgen werden. Familientragödle. In einer Ortschaft im Lavanttal lKärntenj schoß der Arbei- ter Wacker in Verzweiflung über den Tod seiner Gattin auf seine drei im Bett liegenden Kinder und erschoß sich dann selbst. Ein Kind ist tot, zwei sind verletzt. Schweres Eisenbahnunglück in der Tschechoslowakei. Ter Perfonenzug 702, der am Mittwoch 5 Uhr früh von Orlov an der polnischen Grenze nach Eperses abgefahren ist, ist beim Ueberfahren des Flusses Tnrvsch, der in der Nacht infolge der raschen Schneeschmelze über das Ufer getreten ivar, in das Hochwasser geratet:. Ta der Zug mit voller Geschwindigkeit über die Brücke fuhr, fprang die Lokomo tive aus dem Gleis und stürzte mit dem Tienstwagen und zwei Personenwagen in den Fluß. Unter den Trümmern blie ben der Zugführer und der Heizer. Ter Lokomotivführer wollte sich durch Ab springen retten, erlitt aber dabei tödliche Verletzungen. Bisher werden drei Tote gemeldet. Ferner besagen die Meldun gen, daß sechs Personen leicht and ein Zugbegleiter schwer verletzt worden sind. Diesem wurden beide Füße und zwei Finger abgerissen. Eine Militärabtei- lung ist zur Hilfeleistung an die Un glücksstelle kommandiert worden. Frauenschlacht im Warenhaus. In Brooklnn veranstaltete ein Warenhaus einen Ausverkauf in Mänteln für einen Dollar. Tnrch dieses Angebot angelockt, erschienen schon kur; nach Ervnnung rnnd 5000 Frauen. Bei dem Gedränge wurden die Fenster eingedrückt. Schließ lich gerieten die Frauen unter lautem Geschrei aneinander und bearbeiteten sich gegenseitig mit Fingernägeln und Zäh nen. Eine ganze Altzahl Frauen wur den verletzt. Tie Polizei brauchte, da sie von Tausenden von Znschanern behindert wurde, fast drei Stunden, um die Ord nung wiederberzustellen. Eine Arbeiterfamilie erbt 1,5 Millio nen Dollar. Zum zweiten Male in einer Woche ist im Elsaß die alte Fabel vom Erbonkel aus Amerika Wirklichkeit ge worden. Betraf der erste Fall eine länd liche Arbeiterfamilie im Lnndgau, so sind die Glücklichen im zweiten Falt die An gehörigen eines Straßburger Gasivcrks- arbeiter namens Wittersheim. Tie Mut ter dieser Familie bar von einem in Amerika als verschollen geltenden Onkel gemeinsam mit anderen Verwandten in der Pfalz ein Vermögen von 1,5 Mil lionen Dollar geerbt. 29 falsche Rembrandts? Nach nieder ländischen Blättermcldnngen erklärte der bekannte amerikanische Kunsthistoriker Tr. Toch, eine anerkannte Autorität aus dem Gebiete der chemiscl)en Bilderuntcr- suchnng, daß von den 30 Rembrandt ;u- geschricbenen Bildern im Neuyorker Me tropolitan-Museum nur ein einziges echt sei. Auf Grund einwandfreier chemischer Untersuchungen der Neunorker Mikro skopischen Gesellschaft hätten sich dicfe sensationellen Feststellungen ergeben Ein Münchner Dutzprediger An -er Peripherie -er bayerischen Hauptstadt steht ein niedriges Haus, das von oben bis unten mit Bibelsprüchen, geistlichen Liedern, Gebeten und Beschwörungen angepinselt ist. Der Bewohner dieses Hauses, «in seltsamer Mann, predigt di« Rückkehr zum einfachen, unverfälschten Christentum, er trägt sich wi« ein Prophet mit wallendem Bart- und Haupt haar und setzt seine Bekehrungsversuch« an den Bewohnern der Umgebung beharrlich fort. Dämon Künstler. Roman von Magda Trakt. Copyright by Greiner L Lo., Berlin RW k. tNachdrucl oerdoten.) 42 Fortsetzung. Er konnte es nicht verhindern, daß ein feine- Rot über seine Stirn zog. Absichtlich hatte er ihr die Blätter vorenthalten, weil alle längere Notizen über das Kon zert Rechenbergs brachten. Wozu sollte Sigunde den Ramen des einstigen Gatten immer wieder lesen? Es wurde sie schmerzlich berühren. Mit größter Sorgfalt wachte er darüber, ihr alles Schmerzliche fernzuballen, war doch seine Liebe zu dieser bleichen, stillen Frau noch befer geworden, aber keine Miene feines Gesichtes ver riet ihr feine Gefühle. Vertrauensvoll hatte sich Sigunde an ,hn gewandt, hatte ihn gebeten, bei ihm arbeiten zu dürfen. Durfte er sie da durch eme unartige Bemerkung erschrecken? Wohl mochte ibm das ständige Zusammensein Pein. Troy ihrer Rühe mußte sie ihm ja so fern fern und jedes Wort, jede Miene mußte er im Zaum halten, um d,e>er gehetzten Frau nicht aufs neue Seelenqualen zu vcruriochen. Sie sprachen über private Dinge nichts. So wunderte sich Tr. Pillmy heute sehr, daß Sigunde jetzt die Hände im Scboß verschränkte und leise sagte: „Hoben Sie heute eine Viertelstunde Zeit sür mich, Herr Doktor? Ich muß mir endlich mein schweres Herz ein wenig erleichtern." „Ein jchlecbter Freund, der in solcher Stunde versagte." „Hetzen Sie mir, Herr Doktor. — Ich weiß nicht, wos ich tun soll, ich finde keinen Ausweg. — Ich fühle mich schuldig, Hobe aber nicht den Mut, einen Unglück lichen zu befreien." „Wenn ich Ihnen mit meinem Rat helfen kann —" „Ich muß mich endlich aussprechen. So lange ich dieses iurchtbore Geheim ns mit mir herumtrage, so lange kann ich nicht frei auia'men. In der letzten Zeit, nach dem ich es erjahren hatte, wußte ich nicht, was ich tun sollte, da war alles in mir ein einziges Ehaos, aber nun kommt es mir immer klarer zum Bewußtsein, daß ich ehrlos handle, wenn ich den Mut zur Tat nicht finde." „Schütten Sie Ihr Herz aus." „Seit einigen Jahren schmachtet hinter Zuchthaus mauern ein Mann, der unschuldig ist." Er hob erstaunt den Kopf. „Silling — der Vater lenes — — jungen Geigen künstlers — der Mann, der kurz vor dem Tode meines einstigen Verlobten der Tat bezichtet wurde. Sie wissen la gar nicht, warum sich mein Verlobter damals den Tod gab." „Sprechen Sie nicht mehr von diesen quälenden Dingen," bat er weich. „Ich muß davon sprechen, es gehört dazu. Wissen Sie auch, warum sich mein Verlobter einen Tag vor unserer Trauung erschoß?" „Es wird immer ein Rätsel bleiben." „Nein," sagte sie dumpf, „es wird kein Rätsel bleiben. Er sprach das Urteil über einen Mann, von dem er eine halbe Stunde später ersuhr, daß er unschuldig se,, daß ein anderer das Verbrechen beging — und dieser andere — — dieser andere, der — es tat — war Bern hard Rechenberg." „Unmöglich!" „Daß ich nicht wahnsinnig darüber geworden bin, ist mir ein Rätsel. Bernhard Rechenberg gestand es dem Bruder, daß er die Tat beging, und Udo sah keinen an deren Ausweg mehr, als das Leben von sich zn werfen. Konnte er auftreten und sagen: ich habe einen Unschuldigen verurteilt, der eigene Bruder ist der Täter! Konnte er das tun? Ich verstehe ihn vollkommen. Mir wollte er das nicht antun, sich selbst nicht; er konnte doch den Bruder nicht hinter Zuchthansmauern bringen. Alles brach über ihm zusammen, zu furchtbar war der Schlag. Hätte er Zeit zum Ueberiegen gehabt, es wäre wohl alles anders gekommen. Aber so griff er zu dem Aus weg, der ihm als der einzige dünkte. Nun habe ich ihn verloren." Er nahm die Hände in die seinen und drückte sie herzlich. „Was haben Sie gelitten!" „DaS Geständnis auS dem Munde meines Bern hard Rechenbergs war der Grund, daß ich von ihm ging. Er selbst bekannte mir feine Tat, und das war es, was mich an den Rand des Grabes brachte, was auch meinem Künde den Tod gab. Und nun brennt es in meiner Seele, daß ein anderer für ihn duldet, daß man einem anderen dre Sonne, die Freiheit genommen hat, während der Täter von den Menschen gepriesen wird. Hellen Sie mir, Herr Doktor! Was soll ich tun, um diese furchtbare Schuld von der Seele zu wälzen?" „Ich kann Ihnen sogleich leine Antwort auf diese Frage geben," erwiderte er. „'Was Sie mir soeben an vertrauten, ist etwas so Ungeheuerliches, daß ich erst lang sam zur Klarheit kommen muß. Aber seien Sie ver sichert, daß ich treu zu Ihnen halte, was immer auch kommen mag." „Wäre das Kind am Leben geblieben, so hätte ich den Vater vielleicht schonen müssen, aber dadurch, daß Gott es mir nahm, wollte er mir wohl den Weg weisen. Aber er trägt Udos Namen, und Udo schwieg." „Gedulden Sie sich noch kurze Zeit. Ich will mir alles in Ruhe durchdenken. Da stürmt die Wahrheit auf mich ein, ich habe Ihr Vertrauen, und wir werden einen Ausweg finden, der unsere Herzen von jedem Druck be freit." Sie erhob sich langsam. „Wie schön ist es, einen wahren Freund zu haben!" Er senkte die Augen zu Boden und zog die ihm ge- reichie Rechte an seine Lippen. „Wollen Sie mich heimgeleiten, Herr Doktor, ich habe heute das Bedürfnis, noch ein Weilchen in lieber Ge sellschaft zu verweilen." „Wie gern," rief er erfreut und aus seinen Augen war alles Schmerzliche verflogen. — — — Auch im Sillingschen Hause hatte sich m < ge- äudert. Aus Wunsch Rechenbergs hatte Aline rbeit für das Geschäft einstellen müssen, trotzdem kouu^ man häufig die Nähmoschine surren hören, weil sie sich mit der Herstellung ihrer Aussteuer beschäftigte. Man hatte die Verlobung bisher streng geheimgehalten, und so wußte kaum ein Mensch von dem Glück, das ihr bevorstand. (Fortsetzung folgt.)